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Elisabeth Steinkellner

die Nacht

der Falter

und ich

mit Bildern von Michaela Weiss

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

2016
© Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck
Umschlagbild: Michaela Weiss, Wien
Grafische Gestaltung: Nele Steinborn, Wien
Schrift: Matrix
Druck und Bindung: Druckerei Theiss, St. Stefan
ISBN 978-3-7022-3540-6
E-Mail: buchverlag@tyrolia.at
Internet: www.tyrolia-verlag.at

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Inhalt

im Sommer riecht das Gras gelb

Vorboten

Schwalben / 1

Erdbeerkiwikarussell

Wunschkonzert

Gleichschritt

Nachwärme

Juli

Schädlingsbekämpfung

Zauberei

Hochspannung

Abendstimmung

Leuchttage

midseason sale

Schwalben / 2

blinder Passagier

sichere Anlage

Spuren

Heimweg

Rechenaufgabe

repeat (alles wie gehabt)

der Tag hat heute keinen Rand

Gesprächs-Stoff

später Besuch

Vatertag

Zugvögel

grenzenlos

Maske

so einfach

nie wieder

Schmuggel

unten

Frost

dunkle Tage

Faltherz

ein Stück von dir

oben

Erwachen

Vergleich

To Do

Begleiterin

leises Wunder

seit ich deine Hand in meiner spür‘

Abend unter freiem Himmel

Herzklopfen

zehn Sekunden

Entdeckung

Sinkflug

Salto

rettungslos

Anziehung

all das und noch viel mehr

Beeren

Farbenspiel

fern

Tränenlast

Mondscheinsonate

Wortschatz

Besserwisser

ganz im Moment

am Ziel

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im Sommer

riecht

das Gras

gelb

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Vorboten

wenn meine Füße

den Schlurfgang gegen

den Hopserschritt tauschen

und meine Fingerspitzen

tagelang wohlig kribbeln

wenn meine Haut schuppt

und darunter sattes Grün

zum Vorschein kommt

und durch meinen Bauch

ein Bienenschwarm fegt

dann liegt etwas in der Luft

etwas winterlang

Ersehntes

Schwalben / 1

knallpink

springen die Tabletten

über den Tisch

klak-klak-klak-klak-klak

deine Hand kommt ihnen

nicht flink genug hinterher

eine rollt über die Kante

und landet auf dem Boden

direkt vor deinem Fuß

ich bücke mich danach

hebe sie auf und

lege sie zu den anderen zwei

in deine faltige Hand

mit einer schnellen Bewegung

wirfst du alle in den Mund

und spülst mit Malzkaffee nach

Linde-Kaffee, wo früher

kleines Spielzeug drinnen war

Tiere oder Puppenmöbel

die Tiere bekam mein Onkel

die Möbel meine Mutter

es waren viel öfter

Tiere drin

schau, sagst du

die Schwalben sind schon da

heute Morgen hat mich

ein Rotkehlchen geweckt

ich habe seit Jahren

kein Rotkehlchen mehr gesehen

sage ich und du schaust mich

verwundert an und fragst:

kennen wir beide uns?

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Erdbeerkiwikarussell

Im Bus ist es stickig. Jemand öffnet ein Fenster und sofort spüre ich den kühlen Wind im Haar. Durch die Scheibe scheint die Sonne, wärmt meine Arme, lässt die feinen Härchen glänzen und die Haut wohlig kribbeln. Die Hitze macht mich träge, das aufgekratzte Lachen ringsherum verschwimmt in meinen Ohren zu einem monotonen Rauschen. Ich lehne meinen Kopf gegen die Fensterscheibe und mache die Augen zu.

Als unsere Station kommt, stupst du mir mit dem Ellbogen in die Seite, stehst auf und drängst dich an denen vorbei, die wie üblich die Türen verstellen. Ich bin ein wenig benommen, stolpere fast, folge dir aber dicht hinterher.

Draußen heben wir die Arme und strecken sie weit vom Körper weg, damit der Wind in unsere Shirts fahren und unsere Achseln kühlen kann. Die Pullis verstauen wir in den Rucksäcken, und dann machen wir uns auf den Heimweg.

Eine ungewohnte Gemächlichkeit hat sich über alles gelegt, über die Dorfstraße, auf der die Sonne liegt und schläft, und über die Häuser, aus deren geöffneten Fenstern leise Radiomusik in unsere Richtung schwappt. Mittagstischgerüche wehen uns um die Nase, machen uns hungrig, und du bleibst stehen und kramst aus deinem Rucksack einen Schokoriegel hervor. Wickelst ihn halb aus dem Papier und beißt hinein. Dann hältst du ihn mir hin, ich koste, dann wieder du, dann wieder ich.

So schlendern wir dahin, mitten auf der Straße, auf der fast nie ein Auto kommt, und die Fliederbüsche hängen ihre schwer behangenen Zweige aus den Gärten und uns vor die Nasen. Und wir sind wie benebelt von dem süßlichen Duft. Eine Kirchturmuhr wirft uns dumpf zwölf Schläge zu und in einer Einfahrt, an der wir vorbeikommen, liegt eine dreifärbige Katze und döst.

»Wünsch dir was«, fordere ich dich auf.

»Wie?«, fragst du und siehst mich verständnislos an. »Von dir?«

»Nicht von mir, vom Universum«, erkläre ich. »Man darf sich doch was wünschen, wenn man eine dreifärbige Katze sieht.«

Du überlegst. Eine ganze Weile.

»Ich weiß schon«, meinst du irgendwann, da sind wir längst an der Katze vorbei, »ich wünsch mir, dass das ganze Jahr aus lauter Tagen wie heute besteht.«

»Aber man darf den Wunsch nicht laut sagen, sonst geht er nicht in Erfüllung«, werfe ich ein.

»Tut er ja sowieso nicht«, lachst du.

»Stimmt«, gebe ich zu. »Leider.«

»Aber die Vorstellung«, sagst du, »die ist echt gut.«