Epilog

EINFACH LOSLEGEN

Sinn für Design ist gefragt

Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich eine dieser glücklichen zufälligen Begegnungen, die das Leben spannend machen. Als unsere Entertainment-Sparte Virgin Produced kurz davor war, den Film Jobs herauszubringen, der die Geschichte von Steve Jobs und den frühen Jahren von Apple erzählt, hatte ich ein Abendessen mit einer faszinierenden Gruppe von Wirtschaftsbossen, darunter Dick Costolo, CEO von Twitter, Tony Fadell von Nest, Mike McCue von Flipboard und Dave Morin vom Sozialen Netzwerk Path.

Für jemanden wie mich, der regelmäßig Flipboard benutzt und aus Gründen, die ich nicht erklären kann, Millionen von Follower auf Twitter hat, war das eine Wahnsinnsgruppe, und ich wurde nicht enttäuscht – alle hatten großartige Geschichten zu erzählen. Dann erfuhr ich, dass die Herren Fadell und Morin beide früher mal bei Apple gearbeitet hatten, und so konnte ich es nicht lassen, sie dazu zu überreden, ein paar Insidereindrücke von Steve Jobs zum Besten zu geben, der, trotz seiner ausführlich dokumentierten Charakterschwächen – von denen einige auch im Film gezeigt werden – immer noch eine der Führungspersönlichkeiten ist, die ich am meisten bewundere. Jobs’ außergewöhnliche Visionskraft, Detailgenauigkeit und Begeisterung für Form und Funktion haben dazu beigetragen, dass sich die Art, wie wir alle leben, arbeiten und kommunizieren, verändert hat. Während ich das Buch schrieb, kam mir zu Ohren, dass von der seinerzeit neuesten Ausgabe des iPhone in den ersten drei Tagen am Markt neun Millionen Stück verkauft wurden: Egal, welchen Maßstab man anlegt, das ist eine erstaunliche Zahl. Innerhalb von zehn Jahren von irgendetwas neun Millionen Stück zu verkaufen, wäre für die meisten Unternehmen schon eine Leistung, aber in drei Tagen?

EIN APPLE AM TAG

Wie ich erfuhr, war Tony Fadell einer der Hauptakteure bei der Entwicklung von Apples revolutionärem iPod. Er erzählte uns, wie er zu Beginn seiner Karriere bei Apple Jobs das anfängliche Konzept vorgestellt hatte, um dann an der Konstruktion und der Entwicklung von nicht weniger als 18 Generationen von iPods und drei Generationen von iPhones zu arbeiten – Geräte, die die Musik- und Telekommunikationsbranche quasi im Alleingang auf den Kopf stellten. Ich musste lachen, als Tony erwähnte, dass bei Apple jedes Gerät, das älter als fünf Jahre ist, offiziell in die Kategorie „Altmodisch“ fällt. Ich wollte nicht sagen, dass ich fast 40 Jahre im Musikgeschäft tätig gewesen war, bevor mein Geschäftszweig von dem, was Apple da zusammenbaute, ausgerottet wurde. Also, wenn fünf Jahre schon altmodisch bedeuten, dann falle ich mit 40 Jahren in welche Kategorie? Mittelalter oder Antike, wahrscheinlich. Es war für mich aber ziemlich faszinierend zu hören, wie Jobs’ berüchtigt tougher, aggressiver „Entweder so, wie ich es will, oder gar nicht“-Führungsstil die Mitarbeiter und die Unternehmenskultur als Ganzes beeinflusst hatte. Es ist bekannt, dass Jobs seine Mitarbeiter an ihre Grenzen brachte – sowohl in technischer als auch in emotionaler Hinsicht – und beeindruckende Ergebnisse damit erzielte. Er verlangte, erwartete und akzeptierte nicht weniger als Perfektion. Er war schnell mit Kritik bei der Hand und hielt nicht mit seiner Meinung hinterm Berg, wenn die Dinge nicht richtig liefen, aber wenn seine Leute der Herausforderung gewachsen waren, dann liefen viele Dinge sensationell richtig für Apple.

Fadell erzählte der Gruppe, dass ein neues Produkt, egal, wie brillant es in der Entwicklung auch gewesen sein mochte, nie gut genug war, wenn es auch nur ein winziges bisschen von Steves Vorstellung von perfekt abwich. Als Nebenprodukt dieser ständigen, fast manischen Jagd nach Perfektion in Funktion und Design, konnte Jobs nie klein beigeben. Laut Tony und Dave brauchte man nie darauf zu hoffen, in einer Diskussion mit Jobs die Oberhand zu gewinnen, es sei denn, man konnte seine Argumentation mit kalten, harten, unwiderlegbaren Fakten untermauern. Wenn sie sich hingegen als persönliche Meinung herausstellte, konnte es keinen anderen Gewinner geben als Jobs. Ließen sich keine überzeugenden Tatsachen finden und Tony und sein Team mussten eine auf einer Meinung basierende Diskussion für sich entscheiden, dann schmiedeten sie immer erst gemeinsame Pläne, bevor sie sich mit Jobs besprachen, warteten dann, bis in einem Meeting der richtige Augenblick kam, und wenn er da war, sagte einer aus dem Team „jetzt“, und an diesem Punkt hängten sich alle rein und drängten Jobs im Team zurück. Für mich hörte sich das ein wenig wie lynchen an, aber Tony meinte, es hätte meist funktioniert, und Steve wäre nie sauer gewesen, jedenfalls so gut wie nie!

Eine angeborene Abscheu gegen den Status quo und die Überzeugung, dass sich mit ein paar wenigen oder oft auch verdammt vielen Gedanken alles im Leben immer noch verbessern lässt, ist das, was wahre Unternehmer und große Führungspersönlichkeiten auszeichnet. Gleichzeitig muss man für beides recht unterschiedliche Fähigkeiten mitbringen. Wie die Geschichte von Steve Jobs deutlich macht, zeigte sich, wann immer er zu stark in die Routineabläufe bei Apple involviert war, dass es ihm leider an sozialer Kompetenz mangelte. Doch als der Vorstand Jobs ablöste und durch John Scully ersetzte, zuvor Präsident von Pepsico, zog er damit auch alle kreative Vision aus dem Unternehmen. Kreative sind nie ganz zufrieden; sie denken immer, dass sie es noch besser können. Zugleich müssen sie erkennen, dass jedes Unternehmen eine klare Richtung braucht und jemanden, der das Ruder fest in der Hand hat. Und auch wenn es eine tolle Sache sein mag, Zick sagen zu können, wenn der Mitbewerber Zack sagt, kann ein ständiger Zick-Zack-Kurs es sehr schwer machen, überhaupt auf irgendeinem Kurs zu bleiben.

Jobs’ Vision, Impuls und Begeisterung für das Designen perfekter Geräte veranlasste das iPod-Team, alle möglichen Variationen zum Thema zu entwickeln, bevor es das Gefühl hatte, das Ziel wäre erreicht und der Zeitpunkt, das Produkt einer ahnungslosen Welt vorzustellen, wäre gekommen. Das ist ein langer und einsamer Prozess in jedem Unternehmen – wie Morin an jenem Abend sagte: „Bei der heutigen Euphorie erinnert sich niemand daran, dass es ein Stadium gab, in dem sich iPods nicht verkaufen ließen und wir darauf zurückgreifen mussten, jedem Studierenden an der Duke University ein Exemplar zu schenken, um das Interesse zu wecken. Es kann ein langer und oftmals schmerzhafter Prozess sein, eine Firma aufzubauen.“

Als wir zu dem Thema kamen, an welchen Projekten wir derzeit arbeiteten, erzählte Tony Fadell von seiner wunderbaren neuen Firma Nest. Ihr Produkt ist eine geniale Hightech-Variante des guten, alten heimischen Heizungsthermostats. Doch anstatt die Temperaturen nur nach voreingestellten Zeiten zu regeln, passt sich das Nest-Gerät dem Kommen und Gehen der Hausbewohner an und weiß, wann die Temperatur erhöht oder gesenkt werden muss.

Das intelligente Gerät hilft, den CO2-Ausstoß und die Heizkosten um bis zu 20 Prozent zu senken. So mancher mag denken, dass das Geschäft mit Heizungstechnik nach all den öffentlichkeitswirksamen, vielversprechenden Dingen, mit denen Tony bei Apple zu tun hatte, eher banal ist, doch Google sah das offensichtlich anders. Das Unternehmen zahlte im Januar 2014 (mehrere Monate nach meinem Essen mit Tony), Berichten zufolge 3,2 Milliarden US-Dollar Cash für die Übernahme von Nest. Ich vermute, was Google wirklich haben wollte, war nicht nur eine Firma, die Hightech-Thermostate herstellt, sondern Tony und sein gesamtes Team. Das Nest-Team wird Teil von Google bleiben und das Zentrum einer neuen Fokusgruppe für technische Geräte werden – welche das genau sind, verrät niemand. Doch mit Blick auf Tonys Hintergrund in den Bereichen iPod und iPhone und dem kreativen Einfluss von Google, der ihm plötzlich zur Verfügung steht, sollten Sie die Augen offen halten – alles ist möglich!

Wie alle guten Unternehmer ist Tony jemand, der zu Beginn jedes Tages fragt: „Welche Trends entwickeln sich, und wie kann ich mein Business am besten neu erfinden, um davon zu profitieren?“ Das ist das klassische Merkmal eines chronischen Unternehmers mit guten Führungsqualitäten – den juckt es ständig in den Fingern, zur „nächsten großen Sache“ überzugehen. Ich weiß nicht, ob das bei Tony Fadell oder einem der anderen, die an jenem Abend mit am Tisch saßen, auch so ist, aber mir wurde oft gesagt, dass ich alle klassischen Symptome der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung ADHS aufweisen würde. Mag sein, dass es hier deutliche Parallelen zu ADHS gibt, aber ich dachte immer eher, dass ich an einem schweren Fall von MURS leide – Multi-Unternehmer-Ruhelosigkeits-Syndrom.

Wie die Apple-Geschichte sehr gut zeigt, ist die Kultur eines Unternehmens die eigentliche Kraft hinter der Marke und trägt zu allem bei, was das Unternehmen tut. Tony Fadell hat aus der Zeit in Cupertino seine Lektionen gelernt und erzählte uns, dass er bei Nest bewusst damit beschäftigt war, eine freiere, kollegialere und weniger diktatorische Kultur zu entwickeln als die, die Jobs bei Apple pflegte. Tonys Führungsstil zeichnet sich dadurch aus, dass er jedem in der Gruppe zu verstehen hilft, was für eine entscheidende Rolle er am Erfolg hat und wie er auf das Erreichen dieser Ziele hinarbeiten kann. Es geht dabei eher ums Fördern, Ermutigen und Loben als darum, Leute öffentlich anzuschnauzen und mehr zu verlangen.

Andererseits teilt Nest Apples Schwerpunkt des brillanten Designs. Tony Fadell bemerkte, dass es ebenso wichtig ist, exzellente praktische Produkte herzustellen, wie dabei „cool zu wirken und cool aufzutreten.“ Damit haben Kunden sowohl rationale als auch irrationale/emotionale Gründe, um in eine Marke zu investieren. „Bei Technik sollte es um mehr gehen, als nur das Neueste, Lauteste, Schickste zu bieten – sie sollte wirklich etwas bewirken.“

Dave Morin, der sowohl bei Facebook als auch bei Apple Zeit verbrachte, bevor er mit Path ein von den Kritikern hochgelobtes soziales Netzwerk für mobile Geräte erschuf, bemerkte, dass der Impuls für tolles Design von oben kommen muss. Und da er sowohl mit Steve Jobs als auch mit Mark Zuckerberg gearbeitet hat, sollte er das wissen! Dave ist der Ansicht, dass jeder in einem Unternehmen sich dafür interessieren sollte, wie ein Produkt aussieht, sich anfühlt und funktioniert — nicht nur die Leute, die das Wort „Design“ in ihrer Funktionsbezeichnung haben. Dem fügte er hinzu, dass moderne Firmen ebenso sehr CEOs brauchen, die einen Geschmack für gutes Design mitbringen, wie sie Steuerberater brauchen, die ein gutes Zahlenverständnis haben. Das ist eine Philosophie, die wir bei Virgin über die Jahre konsequent verfolgt haben – sowohl, was das Design, als auch, was Steuerberater angeht! Wir haben uns immer intensiv darum bemüht sicherzustellen, dass alle Teamebenen am Designprozess teilhaben. Schließlich kann eine Flugbegleiterin sicher am meisten Sinnvolles dazu beitragen, was für einen Flugpassagier funktioniert und was nicht, und dasselbe gilt für einen Fitnesstrainer, wenn es um die wirklichen Wünsche eines Fitnessclub-Mitglieds geht.

Gutes Design ist unglaublich wichtig. Wenn iPod oder iPhone zwar die gleiche Funktion gehabt hätten wie jetzt, aber klobige hässliche Entlein gewesen wären, denken Sie wirklich, dass sie die Welt dann trotzdem im Sturm erobert hätten, wie sie es getan haben? Das bezweifle ich ernsthaft.

Es war immer schon der „Virgin Way“, attraktives Design in den Mittelpunkt zu stellen. Nehmen Sie zum Beispiel unser Unternehmen Galactic: Im Wesentlichen dreht sich alles um die einmalige Gelegenheit, in den Weltraum zu reisen, die Schwerelosigkeit zu erleben und aus einer Höhe auf unsere Erde zu schauen, die das Zwölffache der Flughöhe in der kommerziellen Luftfahrt beträgt. Da die Leute aufgrund von Fernsehdarstellungen an die im robusten Industriestil ausgestatteten NASARaumkapseln und Raumstationen gewöhnt sind, bezweifle ich, dass irgendjemand die Gelegenheit, in den Weltraum zu fliegen, ausschlagen würde, nur weil ihm die Innenausstattung der Galactic-Kabine nicht passt. Trotzdem haben wir immense Mengen an Zeit und Arbeit investiert, damit der „Look and Feel“ bei allem, vom Spaceport America in Nevada New Mexico über unsere Astronautenuniformen bis hin zur Kabinenausstattung im SpaceShipTwo genauso cool und sexy ist, wie Sie das bei einem Luxussportwagen erwarten würden. Adam Wells, der das Designteam bei Galactic leitet, ist verantwortlich für all die hervorragenden Neuerungen in der Kabinengestaltung, die wir bei Virgin Atlantic und Virgin America in den letzten Jahren vorgenommen haben, und er hatte sichtlich Spaß an der Herausforderung, mit dem gleichen Pfiff, aber auf ganz andere Art und in einem ganz anderen Raum – Wortspiel beabsichtigt – das Design zu gestalten.

Bei Virgin Galactic, wie bei allen unseren Unternehmen, besteht eine meiner Hauptaufgaben seit jeher darin, ständig Bewegung in die Sache zu bringen, indem ich objektiv Feedback und Meinungen aus allen möglichen Quellen sammle – oder, wie es jemand einmal formulierte, „eine Art Chef-Unruhestifter“ zu sein. Es ist wichtig, dass diese Form der Kultur des Zuhörens und des Proaktiven das ganze Unternehmen auf allen Ebenen durchdringt. Jeder muss eine Führungspersönlichkeit sein und sich zu 100 Prozent wohl dabei fühlen, die eigene Meinung offen und ehrlich zu sagen. Wie oft passiert es, dass Sie sich bei jemandem über etwas beklagen und die traurige Antwort bekommen: „Ja, ich weiß! Du bist nicht der Erste, der das sagt, und wir erzählen denen das seit Jahren.“ Mitarbeiter- und Kundenfeedback muss ungehindert an die Leute übermittelt werden, die darauf reagieren können, andernfalls ändert sich nie etwas zum Positiven. Es ist kein Platz für die Art Abteilungs-Hybris, von der Dave Morin spricht. Kurz gesagt, Sie brauchen kein Designer zu sein, um Entwürfe dafür zu haben, wie sich der Kundenservice und die Produkte Ihrer Firma verbessern lassen, wodurch es letztlich allen besser geht.

Als sich unser Abendessen dem Ende näherte, kamen wir darauf zu sprechen, was wohl der beste Rat wäre, den wir aus unseren eigenen, unterschiedlichen Erfahrungen ziehen können und der vielleicht für Jungunternehmer und Führungskräfte nützlich sein könnte, egal ob mit Blick auf eine neue Firma oder ein neues Produkt. Als wir mit dem Dessert fertig waren, schienen wir uns einig zu sein, dass unser Rat – als Parodie auf oder vielleicht als Spiegelung von Nikes Slogan „Just Do It.“ (Tu’s einfach!) – lauten sollte: „Just Start It.“ (Leg einfach los!) Wir stimmten im Wesentlichen alle dem zuvor erwähnten Rat meiner Mutter zu: „Es geht garantiert jeder Schlag in die Leere, den du nicht machst.“ Also machen Sie den Schlag! Grübeln Sie nicht zwei oder drei Jahre über die eine oder andere Idee, wie so viele das tun – legen Sie los!

Lassen Sie sich nicht in den ewigen Paralyse-durch-Analyse-Sumpf hineinziehen: Wenn Ihr Instinkt Ihnen sagt, dass die Idee gut ist, dann folgen Sie ihm. Sie werden viel mehr Lektionen lernen, indem Sie einfach loslegen, als wenn Sie immer und immer wieder nur darüber nachdenken.

Wenn Musik Ihnen dabei hilft, in die Gänge zu kommen, drehen Sie die Lautstärke hoch und lassen Sie sich von den Rolling Stones mit „Start Me Up“ anfeuern. Vertrauen Sie dem Prozess, vertrauen Sie Ihren Instinkten, und vertrauen Sie Ihrem Team. Fangen Sie nicht an, an sich zu zweifeln oder sich Gedanken über einige Fehler zu machen, die unterwegs passieren – sie sind nur dafür da, um aus ihnen zu lernen.

Sie sollten bloß darauf achten, dass Ihnen die gleichen Fehler nicht immer wieder passieren – denn dann sollten Sie sich Gedanken machen!

Nachwort

Wie ich eingangs schon sagte, werden keine zwei Menschen eine Sache je auf identische Weise tun, und das ist das, was das Leben allgemein und das Geschäftsleben insbesondere so interessant macht. Der „Virgin Way“ ist wahrscheinlich nicht für jeden geeignet, aber für uns hat er die meiste Zeit über gut funktioniert, und daher hoffe ich, dass Sie auf den mehreren hundert Seiten die eine oder andere Inspiration gefunden haben.

Wenn Sie aber die Art Mensch sind, die (wie ich es häufig in der Schule tat) gern ans Ende des Buches springt und dort eine Zusammenfassung zu finden hofft, dann will ich Sie nicht enttäuschen – hier kommt meine Top-Ten-Liste.

1. FOLGEN SIE IHREN TRÄUMEN UND LEGEN SIE EINFACH LOS

Sie werden ein viel besseres Leben leben, wenn Sie „einfach loslegen“ und Ihren Leidenschaften folgen. Menschen, die den Mut haben, ihre Zeit mit Dingen zu verbringen, die sie lieben, sind für gewöhnlich diejenigen, die das Leben am meisten genießen. Es sind auch diejenigen, die sich getraut haben, ein Risiko einzugehen und ihren Träumen zu folgen.

2. VERÄNDERN SIE ETWAS ZUM POSITIVEN UND TUN SIE GUTES

Wenn Sie im Leben anderer Menschen nichts Positives bewirken, dann ist das Geschäftsleben nichts für Sie. Unternehmen sind dafür verantwortlich, in der Welt, für ihre Mitarbeiter, ihre Kunden – für jeden – einen positiven Beitrag zu leisten. Das Erstaunliche daran ist, dass Gutes zu tun auch gut fürs Geschäft ist, worauf warten Sie also?

3. GLAUBEN SIE AN IHRE IDEEN UND SEIEN SIE DER BESTE

Wenn Sie Ihr Geschäft und Ihre persönlichen Ziele mit Leidenschaft vertreten, kann das den gewaltigen Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen. Wenn Sie nicht stolz auf das sind, was Sie tun, warum sollte irgendjemand anders es dann sein?

Lassen Sie sich nicht zu blindem Profit- und Wachstumsstreben hinreißen. Konzentrieren Sie sich weiter darauf, in allem, was Sie tun, der Beste zu sein, und wenn Sie es wollen, folgt der Rest von allein.

4. HABEN SIE SPASS UND KÜMMERN SIE SICH UM IHR TEAM

Spaß ist eine der wichtigsten – und am stärksten unterschätzten – Zutaten für jedes erfolgreiche Unternehmen. Wenn Sie keinen Spaß haben, dann ist es wahrscheinlich an der Zeit, aufzuhören und etwas Neues zu probieren.

Wenn Ihre Teammitglieder engagiert sind, Spaß haben und ihnen andere wirklich am Herzen liegen, werden sie ihre Arbeit mit mehr Freude und auch besser erledigen – so einfach ist das. Umgeben Sie sich mit Leuten, die in den Menschen das Beste suchen, mehr Lob als Kritik austeilen und das lieben, was sie tun.

5. GEBEN SIE NICHT AUF

Bei jedem meiner Abenteuer – ob es um eine Geschäftsgründung ging, die Umrundung der Welt in einem Heißluftballon oder die Überquerung der Ozeane in einem Schnellboot – gab es Augenblicke, in denen es einfach gewesen wäre, das Handtuch zu schmeißen und davonzulaufen. Sie werden erstaunt sein, was Sie erreichen können, wenn Sie einfach am Ball bleiben, sich aufrappeln und es noch einmal versuchen.

6. HÖREN SIE ZU, MACHEN SIE SICH VIELE NOTIZEN UND STELLEN SIE SICH IMMER WIEDER NEUEN HERAUSFORDERUNGEN

Hören Sie mehr zu und reden Sie weniger. Machen Sie sich Notizen – jede Menge Notizen. Wenn Sie Ihre spontanen Ideen (und die anderer) nicht aufschreiben, kann es sein, dass sie im nächsten Augenblick schon wieder weg sind. Machen Sie sich Listen, um Ihre Ziele im Auge zu behalten.

Sie werden erstaunt sein, welche Herausforderungen man mit einer Kultur des Zuhörens meistern kann.

7. DELEGIEREN SIE UND VERBRINGEN SIE MEHR ZEIT MIT IHRER FAMILIE

Die Kunst des Delegierens ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die jeder Unternehmer beherrschen muss. „Stellen Sie Leute zum Abdecken Ihrer Schwächen ein“ – wenn Sie Leute finden, die Aufgaben übernehmen können, in denen Sie nicht gut sind, schafft Ihnen das Freiräume, um für die Zukunft zu planen. Es verschafft Ihnen auch Zeit, die Sie mit Ihrer Familie verbringen können, und das ist wirklich das Wichtigste von allem. Ach ja, und vergessen Sie nicht, sich bei Ihren großen Ideen hin und wieder Input von Ihrer Familie zu holen – wie ich das zum Beispiel getan habe, als es um Virgin-Kondome ging!

8. SCHALTEN SIE LAPTOP UND HANDY AUS UND BEWEGEN SIE IHREN HINTERN NACH DRAUSSEN

Anstatt Ihr ganzes Leben vor einem Bildschirm zu sitzen, versuchen Sie, ihn regelmäßig auszuschalten und in die Welt hinauszugehen. Fangen Sie mit Ihrem eigenen Garten an und erweitern Sie dann Ihren Horizont. Das Leben ist keine Generalprobe. Es gilt so viele faszinierende Menschen kennenzulernen, aufregende Abenteuer zu erleben und lohnenswerte Aufgaben zu meistern. Sie haben keine Zeit zu verlieren.

9. KOMMUNIZIEREN SIE, ARBEITEN SIE MIT ANDEREN ZUSAMMEN UND KOMMUNIZIEREN SIE NOCH MEHR

Halten Sie Ihre Kommunikation so einfach wie möglich und, vor allem, kommunizieren Sie mit anderen. Mag sein, dass Pilze im Dunkeln auf Dung gedeihen, aber bei Menschen funktioniert das nicht.

Denken Sie an Steve Jobs und die Pixar-Piazza: Richten Sie offene Arbeitsumgebungen ein, die Ihre Mitarbeiter dazu animieren, sich mit anderen zu treffen und ihre Ideen auszutauschen.

10. TUN SIE, WAS SIE GERN TUN, UND STELLEN SIE EIN SOFA IN DIE KÜCHE

Solange Sie von den Menschen umgeben sind, die Sie lieben, und tun, was Sie gern tun, spielt es nicht wirklich eine Rolle, wo Sie sind. Wenn wir auf Necker Island sind, verbringen wir die meiste Zeit in der Küche. Ergänzen Sie noch ein Schlafzimmer und einen Partner, den Sie lieben, und Sie brauchen wirklich nicht viel mehr.

Jetzt muss ich aber wirklich zurück in meine Hängematte und ein paar Geschäfte machen – hier in der Gegend nennen wir das den „Virgin Island Way“!

Danksagung

 

Das Schreiben eines Buches übers Zuhören, Lernen, Lachen und Führen hat mir (wieder) sehr deutlich vor Augen geführt, was für ein unglaubliches Glück ich über die Jahre hatte, mit einer scheinbar endlosen Schar wunderbarer Kollegen zusammenarbeiten zu dürfen. Ohne diese Zehntausende erstaunlich talentierter und engagierter Menschen hätte es niemals einen „Virgin Way“ gegeben.

Ich habe mein gesamtes Erwachsenenleben damit verbracht, ihnen zuzuhören und von ihnen zu lernen. Immer wenn wir in ein neues Geschäft eingestiegen sind, über das ich wenige oder gar keine Kenntnisse aus erster Hand besaß – was fast jedes Mal so ist – war das fast immer ein Fall von „dem Hans (oder vielleicht könnte man auch sagen „dem ollen Chef“) etwas beibringen, was Hänschen noch nicht wusste“. Ich selbst bekomme häufig viel zu viel Anerkennung für den Erfolg dieser Unternehmen, wo er doch häufig darauf basiert, dass unsere Mitarbeiter, dank der Virgin-Art, die Freiheit haben sich auszudrücken, indem sie ihre Ideen frei entfalten können.

An jedem Haltepunkt entlang des Weges, vom Magazin Student bis hin zu Virgin Galactic und bei allen Dingen dazwischen, haben wir die tollen Zeiten miteinander auf jeden Fall genossen und dabei viel gelacht – oftmals auf meine Kosten, etwa als ich eine Nacht lang in einer Zelle der Londoner Polizei verbrachte! Virgin gründet auf Lachen, und so ist auch dies ein Beitrag zu jenem unbezwingbaren gemeinschaftlichen Sinn für Humor, der dafür gesorgt hat, dass die mehr als 40 Jahre wie im Flug vergangen sind.

Und was das Führen betrifft, so habe ich bei unzähligen Gelegenheiten oft innegehalten und mich gefragt, wer bei einem bestimmten Projekt eigentlich wen führte. Doch ob ich nun führte oder geführt wurde – was zählt, ist, dass wir die Arbeit erledigten und dabei Spaß hatten. Das ist der eigentliche Kern des „Virgin Way“.

Die Zeit zu finden, meine Gedanken in eine Manuskriptform zu bringen, aus der schließlich ein Buch wird, war immer eine Herausforderung für mich. Der Entstehungsprozess basiert in der Regel zu einem großen Teil auf langen, unterbrechungsfreien Flügen oder auf solchen Tagen, an denen ich ein paar Stunden auf Necker Island erübrigen kann, in denen ich auf meinem iPad herumtippe oder etwas in mein treues Notizbuch kritzle.

Die Tatsache, dass dieses Buch überhaupt zustande gekommen ist, beruht überwiegend auf der Hartnäckigkeit von Ed Faulkner von Virgin Books – und fertig wurde es wiederum dank seiner unglaublichen Nachsichtigkeit und seines unermüdlichen Redigierens. Wie immer war mir Nick Fox eine wertvolle Hilfe, der mich immer wieder gecoacht, angestupst und mit solchen Sätzen ermuntert hat wie „Hey, das ist eine Idee, die du im Buch ausbauen solltest“ oder auch „Ich hoffe doch, dass du nicht vorhast, das ins Buch aufzunehmen!“ Ebenso mein alter Freund (tut mir leid, vielleicht sollte ich sagen „langjähriger Freund“) und ehemaliger Kollege David Tait, der mir enorm dabei geholfen hat, die Inhalte zusammenzufügen. Er hat nicht nur viel Spaß daran, meine Ausdrucksweise zu korrigieren, sondern er ist ebenso geübt darin, meine Erinnerungen mit einem kleinen Schubs wieder in die richtige Spur zu lenken mit kernigen Kommentaren wie „Ach, tatsächlich, Richard? Ich war an jenem Tag auch dabei und habe das etwas anders in Erinnerung.“

Und dann sind da noch meine erstaunliche Mutter, meine wunderbare Frau, großartigen Kinder, Kollegen von früher und heute, Freunde, Mitbewerber und viele andere, die ich nicht alle aufführen kann, die mir großzügigerweise ihre Zeit geschenkt haben, um mit treffenden Beispielen aus der Praxis unserer Firmenfamilie mein Gedächtnis aufzufrischen, was die Feinheiten des „Virgin Way“ betrifft.

Ich danke euch allen.

Richard

Kapitel 1

VON ÄPFELN UND STÄMMEN

Die ersten Lektionen über Menschenführung
lernt man zu Hause

Manchmal können die großartigsten Lektionen über Menschenführung von den am wenigsten erwarteten Stellen kommen. Einige Komponenten des Führens sind mit ziemlicher Sicherheit genetisch bedingt, und wir können uns nicht der Tatsache entziehen, dass wir alle Produkte unserer Erziehung und unseres Umfelds sind. Ein Sprichwort besagt: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“ Wie jeder, der meine Mutter Eve und meinen verstorbenen Vater Ted kennt, bestätigen wird, bin ich da sicher keine Ausnahme. Ich erkenne an mir viele Charakterzüge, die ich definitiv von meinen Eltern geerbt habe – meistens gute – obwohl auch einige Dinge, die mich als Kind bei meinen Eltern auf die Palme gebracht hatten, sicher die gleiche Wirkung auf meine eigenen Kinder haben.

Seit ich mich erinnern kann, war meine Mutter ein umtriebiger Mensch und ständig in Aktion. Sie besaß eine scheinbar grenzenlose Fantasie und hatte immer wieder neue Geschäftsideen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie sich je selbst als Unternehmerin gesehen hätte – was wahrscheinlich nur daran lag, dass es den Begriff des „Unternehmers “, denke ich, damals noch nicht gab, und wenn doch, wusste niemand, was er bedeutet – meine Mutter war auf jeden Fall die „Unternehmungslust“ in Reinkultur. Eve ist ein Wirbelwind in Menschengestalt. Egal, was für ein großes Projekt sie wieder am Wickel hatte, sie kümmerte sich immer um alles selbst, von der Ideenentwicklung über das Fertigen der Produkte und Verhandeln mit den Distributoren bis hin zum Ausliefern und Verkaufen der Waren.

Sie ließ nicht zu, dass ihr irgendjemand in die Quere kam; das war allein ihre Show! Ich erinnere mich daran, wie sehr ich von einer ihrer erfolgreicheren Unternehmungen beeindruckt war, als sie Papierkörbe und Kästchen für Papiertücher aus Holz anfertigte und verkaufte. Diese schafften es in einige ziemlich schicke Läden, aber die meisten Unternehmungen fanden eher auf lokaler Ebene statt. Sie war absolut hartnäckig und brachte mir bei, über Vergangenes nicht zu lamentieren. Wenn eine Sache sich nicht verkaufte, schrieb sie sie einfach ab, lernte aus der Erfahrung und machte ohne große Emotionen weiter und probierte etwas anderes aus. Meine Schwestern und ich wurden immer einbezogen und verrichteten als Kinder unbezahlte Arbeit, „Liebesdienste“, wie sie es nannte, oder Mum übertrug uns Aufgaben im Haushalt, während sie mit der Herstellung von Dingen beschäftigt war. Natürlich war mir das damals nicht bewusst, aber in unserem Haus gab es ohne Frage eine Menge Inspirationen, die mir später im Leben zugutekamen.

Eve hat sich nicht sehr verändert, obwohl sie inzwischen … ups. Da sie es war, die mir beibrachte, niemals über das Alter einer Frau zu sprechen, belassen wir es dabei, dass sie „in den späten 80ern ist“. Als junges Mädchen war sie eine Weile Tänzerin am Londoner West End, und später wurde sie Stewardess bei British South American Airways – in den wahrhaft glorreichen Zeiten des Fliegens, als man beim Flug über die Anden noch Sauerstoffmasken tragen musste. Bis heute ist sie immer in Bewegung! Auch ich sitze nicht gerade viel herum, aber ich schwöre, dass ich manchmal Schwierigkeiten habe, mit ihr Schritt zu halten.

Zum Beispiel verkündete sie vor einiger Zeit völlig aus heiterem Himmel beiläufig, dass sie vorhatte, ein Benefiz-Polospiel zu organisieren – nicht gerade das, was man von einer Achtzigjährigen erwarten würde! Aber diese Veranstaltung sollte nicht daheim auf der Dorfwiese stattfinden – sondern sie plante sie für Marokko! Leicht überrascht, aber nicht völlig perplex, sagte ich ihr klar und deutlich, dass ich das für eine wirklich verrückte Idee hielt; es würde nicht nur eine riesige Menge Arbeit bedeuten, sondern würde sie wahrscheinlich am Ende mehr kosten als ihr einbringen. Sie hörte meinen Ausführungen aufmerksam zu und machte es dann trotzdem. Die Veranstaltung fand nicht nur statt, sie war auch ein voller Erfolg und brachte rund eine viertel Million Dollar ein. Nicht nur, dass mir die Chance genommen wurde zu sagen: „Siehst du, Mum, das habe ich dir doch gesagt“, ich musste ihre Hartnäckigkeit wirklich bewundern und sagte stattdessen einfach (sehr leise): „Gut gemacht, Mum.“

Noch ein für die Familie typischer Charakterzug, den ich angeblich geerbt haben soll, ist, bei jedem Thema immer das letzte Wort haben zu müssen. Nur um Ihnen zu zeigen, wie flexibel ich solche Dinge handhaben kann, lasse ich Eve gleich zu Anfang dieses Buchs zu Wort kommen. Ich lud sie (die selbst schon Bücher veröffentlicht hat) ein, ein paar Gedanken niederzuschreiben. Auf Basis dessen, was ich Ihnen gerade von ihr erzählt habe, schauen Sie mal, ob Ihnen irgendetwas von dem, was folgt, bekannt vorkommt. Ich sage nur: „Äpfel und Stämme!“

Lieber Ricky,

wenn du mich in deinem nächsten Buch wirklich etwas sagen lässt, dann sage ich Folgendes.

Wir konnten es praktisch schon in dem Moment bei dir erkennen, als du anfingst zu sprechen. Doch bereits davor, als du laufen lerntest, wurde uns bewusst, dass wir alle Hände voll zu tun haben würden; du warst noch ein Kleinkind, aber ziemlich offensichtlich jemand, der die Dinge gern auf seine Art und zu seinen Bedingungen machte.

Und damit es nicht langweilig wurde, hattest du als Heranwachsender ständig irgendeinen verrückten neuen Plan in petto, von dem du überzeugt warst, dass man damit entweder die Welt verändern oder reich werden konnte oder beides! Und dann sagten wir manchmal Dinge wie: „Mach dich nicht lächerlich, Ricky! Das wird niemals funktionieren.“

Doch in den meisten Fällen entschieden dein Vater und ich stattdessen, dir viel Freiraum zu geben, damit du aus deinen Fehlern lernen konntest, also ließen wir dich gewähren mit deiner Tannenbaumschule, deiner Vogelzucht und all den anderen seltsamen und wunderbaren Unternehmungen, die dir in den Sinn kamen. Sie erwiesen sich fast ausnahmslos alle als Flops, und wir mussten die Scherben aufsammeln – im buchstäblichen und metaphorischen Sinne – aber wir machten weiter und hofften weiter, dass du im Leben eines Tages von den gelernten Lektionen profitieren würdest.

Und es machte wirklich den Anschein, als wäre das eingetreten. Als du und Virgin nach einem holprigen Anfang erfolgreich etabliert waren, überlegten Ted und ich oft, wie anders du dich vielleicht entwickelt hättest, wenn wir dich stärker kontrolliert hätten oder, wie mancher möglicherweise sagen würde, „bessere“ Eltern gewesen wären. Was, wenn wir darauf bestanden hätten, dass du nicht so viele unsinnige Risiken eingehst und dich, anstatt dir zu erlauben, mit 16 die Schule hinzuschmeißen, gezwungen hätten, dich am Riemen zu reißen und deine Ausbildung zu beenden? Wie dein Schulleiter an der Stowe, (heute) berühmt für seine Prophezeiung, dass du mit 21 entweder im Gefängnis gelandet oder Millionär sein würdest, hatten auch wir einige ernsthafte Bedenken, was die Zukunft für dich bereithalten könnte.

Wie wir heute wissen, hätten wir uns natürlich keine Sorgen zu machen brauchen. Der eigensinnige kleine Junge, den wir da vor uns hatten und der fest entschlossen war, sein eigenes Ding durchzuziehen, entpuppte sich als nichts anderes als ein angehender Unternehmer mit Wachstumsschmerzen. Wenn wir das nur schon damals erkannt hätten, dann wären uns vielleicht viele schlaflose Nächte erspart geblieben!

In Liebe, Mum

Ich las, dass irgendein Spaßvogel mal über mich sagte: „Dieser Branson ist der größte Glückspilz, den ich kenne. Warten Sie mal ab – sollte der irgendwann von einem hohen Gebäude fallen, dann fällt er mit ziemlicher Sicherheit nach oben!“ Bitte halten Sie jetzt nicht den Atem an, da dies keine Theorie ist, die ich in nächster Zukunft in die Praxis umzusetzen gedenke! Andere behaupten, ich wäre einfach als „Glückskind“ geboren. Vielleicht!

Meiner Ansicht nach ist „Glück“ ein in hohem Maße missverstandenes Gut. Es ist sicherlich nichts, was einfach so vom Himmel fällt, man kann wirklich daran arbeiten, ihm auf die Sprünge zu helfen – aber dazu später. Für den Augenblick möge die Feststellung genügen, dass ich auf diese Welt kam und viel mehr Glück hatte als die meisten anderen. Ich hatte das große Glück, in eine wunderbare, liebevolle Familie hineingeboren zu werden, in der ich eine sichere und „bewusste“ Kindheit im England der Nachkriegszeit verbrachte. Ich wuchs auf in einem Zuhause, in dem selten, wenn überhaupt, Überfluss herrschte, aber gleichzeitig mangelte es meinen zwei Schwestern und mir eigentlich nie an irgendetwas, besonders nicht an elterlicher Liebe und Führung.

Wenn ich auf diese Periode meines Lebens zurückblicke, muss ich meine Mutter und meinen Vater für ihre unerschütterlichen Anstrengungen in den Himmel loben, da mich zu erziehen sicher nicht gerade einfach war. Abgesehen von einer Lese-Rechtschreib-Schwäche war ich gesegnet mit einem unbezähmbaren Geist, den ich, ob sie es nun zugeben will oder nicht, ohne Zweifel von der Familie meiner Mutter Eve hatte. Vielleicht erkannte sie diese Geistesverwandtschaft in mir, da sie es sich zur Aufgabe gemacht hatte zu versuchen, den jungen „Ricky“ (also mich) auf Linie zu halten. Gleichzeitig geschah dies zu einem großen Teil auch in Teamarbeit mit meinem Vater Ted, selbst wenn den beiden das damals nicht immer bewusst war.

Dafür gibt es viele Beispiele. Wie eines Sonntags in der Kirche, als ich mich strikt weigerte, neben dem Sohn einer Freundin meiner Mutter zu sitzen, einfach, weil ich das Kind nicht leiden konnte. Auch wenn meine Mutter laut flüsternd dagegen protestierte, ich setzte mich stattdessen neben einen Freund auf der anderen Seite des Kirchenschiffs. Ich dachte wirklich nicht, dass das eine so große Sache war, daher war ich absolut geschockt, als ich nach Hause kam und meine Mutter, zum vielleicht ersten Mal, darauf bestand, dass mein Vater mir den Hintern versohlte. Sie verkündete laut, dass „der Junge lernen muss, dass solch ein Verhalten in diesem Haus einfach nicht toleriert wird.“ Während ich noch dachte: „Aber ich habe es gar nicht in diesem Haus getan“, packte Dad mich am Genick, zog mich aus dem Raum und erklärte dann, gerade laut genug, um sicherzugehen, dass meine Mutter ihn hörte: „So, junger Mann. Es ist an der Zeit, dass ich dich eine Lektion lehre, die du nie vergessen wirst!“

Und das tat er. Seinen hastig geflüsterten Anweisungen folgend stieß ich passende Schmerzlaute aus, während mein Vater ein halbes Dutzend Mal laut in die Hände klatschte. In einem konspirativen Flüsterton sagte er zu mir, ich solle zu meiner Mutter gehen und mich entschuldigen und dabei einen „ordentlich geprügelten Eindruck“ machen. Es gelang mir gerade noch, keine Grimassen zu schneiden, als Dad mir mitten in meiner Entschuldigungsrede hinter dem Rücken meiner Mutter zuzwinkerte.

Dad war im Grunde bloß ein sehr weichherziger Mensch, aber ich bin überzeugt, dass ich durch die Art, wie er nach dem Kirchbesuch an jenem Tag mit der Situation umging, eine viel nachhaltigere Lektion lernte, als er mit einem ordentlich versohlten Hintern (und gestraftem Ego) jemals hätte bewirken können. Ich bin nicht sicher, ob meine Mutter jemals von dem Hinternversohlschwindel erfahren hat – falls nicht, wird sie es auf jeden Fall jetzt erfahren, wenn sie diese Zeilen liest – aber es gab eine noch ernsthaftere Situation, in der Teds Erziehungstalent sich mir für immer einprägte. Es kam früher vor, dass ich von dem Münzgeld, das mein Vater aus seinen Hosentaschen in die oberste Schublade seiner Schlafzimmerkommode leerte, ein paar Pennys stibitzte. Zu meinem kindlichen Vergnügen hatte ich zudem entdeckt, dass die Kommode auch das Geheimversteck war, wo Dad seine „Schmuddellektüre“ aufbewahrte, wie wir es nannten – aber ich schweife ab.

Dass ich mir sein Münzgeld nahm, betrachtete ich an sich nicht als Stehlen. Meinem unreifen Verständnis nach „borgte“ ich es mir nur, und wir hatten lediglich nie die Rückzahlungsmodalitäten vereinbart.

Doch wie sich herausstellte, bestand die Rückzahlung darin, dass ich mir eine Menge Ärger einhandelte. Da, wo wir lebten, gab es um die Ecke einen Süßwarenladen, und ich hatte mein unrechtmäßig erworbenes Geld dazu verwendet, mir Schokolade zu kaufen, die von Cadbury mit Früchten und Nüssen war meine Lieblingssorte. Doch eines Tages hatte ich mir aus Dads Kommoden-Bank einen viel größeren Betrag „geborgt“ als sonst und mich sogleich daran gemacht, Cadburys Shareholder-Value anzukurbeln. Die „ältere Dame“, der der Laden gehörte, die damals aber vermutlich höchstens 40 war, roch den Braten sofort. Sie sagte nichts zu mir, aber das nächste Mal, als ich ihren Laden in Begleitung meines Vaters aufsuchte, schockte sie mich, indem sie herausplatzte: „Ich will den kleinen Richard ja nicht in Schwierigkeiten bringen, Mr. Branson, aber ich weiß nicht, wo er all das Geld herhat. Er ist inzwischen so ziemlich mein bester Kunde – ich hoffe, er hat es nicht gestohlen.“

Ich erinnere mich an ihre Worte, als wäre es gestern gewesen, und daran, dass ich dachte: „Musste sie diese Bemerkung jetzt unbedingt noch loswerden?“

Doch dann, gerade als ich dachte: „Oh je, jetzt bin ich echt geliefert!“, überraschte mein Vater mich, indem er direkt auf Augenhöhe mit ihr ging, sie ansah und laut erklärte: „Madam, wie können Sie es wagen, meinen Sohn des Diebstahls zu bezichtigen?“ Noch überraschter war ich, dass er, nachdem wir den Laden verlassen hatten, nie wieder ein Wort über die Sache verlor. Doch manchmal kann die Kraft des ungesprochenen Wortes erschreckend wirksam sein, und das absichtliche Schweigen meines Vaters für den Rest des Tages sprach Bände. Außerdem hatte ich wegen der Tatsache, dass er sofort für mich in die Bresche gesprungen war und die Integrität seinen Langfinger-Sohnes vehement verteidigt hatte, viel stärkere Schuldgefühle und fühlte mich viel mieser, als wenn er mich vor der Frau heruntergeputzt hätte.

Dads Umgang mit der Situation lehrte mich eine auf jeden Fall immens wirkungsvolle Lektion. Nicht nur, dass ich nie wieder einen Penny von meinen Eltern klaute, es war auch eine Lektion fürs Leben über die Macht der Vergebung und darüber, dass man Menschen eine zweite Chance geben soll. Ich würde auch gern sagen, dass der Vorfall mich die Bedeutsamkeit der Unschuldsvermutung gelehrt hat, bloß, dass mein Vater in diesem speziellen Fall überhaupt keine Zweifel hatte, was genau da vor sich gegangen war.

So mancher Wirtschaftsboss hat sich sein persönliches Markenimage (und sein Geschäft) um seine Schrulligkeit und seine unverblümte Exzentrik herum aufgebaut, egal ob er hartgesotten, autoritär oder einfach nur launisch ist. Michael O’Leary, CEO der irischen Fluglinie Ryanair, beschrieb seinen idealen Kunden einmal als „jemand, der einen Puls und eine Kreditkarte hat“ und in demselben „Lunch with the Financial Times“-Interview bezeichnete er die British Airports Authority, Besitzer und Betreiber mehrerer britischer Flughäfen , als das „Evil Empire“ (Böses Imperium) und die Civil Aviation Authority (Behörde für zivile Luftfahrt) als einen Haufen „Kretins und Blödmänner“. Während niemand den unglaublichen finanziellen Erfolg von Ryanair infrage stellen kann (als ich das letzte Mal nachschaute, betrug die Marktkapitalisierung des Billigfliegers mehr als 13 Milliarden Dollar), würde es mir nicht gefallen, von den Mitgliedern von TripAdvisor zu Europas „unbeliebtester Airline“ gewählt zu werden, egal, wie gut die Gewinne sind. Der US-amerikanische Immobilienmogul Donald Trump ist ein weiterer kontroverser Charakter, den die Verbraucher scheinbar entweder lieben oder hassen, und er ist vielleicht am berühmtesten für seinen Spruch „You’re fired“ (Sie sind gefeuert), den er in seiner TV-Sendung The Apprentice den Leuten nur allzu gern zu sagen scheint. Im Gegensatz zu diesen beiden sehr erfolgreichen Herren habe ich immer daran geglaubt, dass eine versöhnlichere Herangehensweise an das Leben und ans Business immense Vorteile bietet – eine Haltung, die selbst Michael O’Leary inzwischen öffentlich bekundet und von seiner vielfach gescholtenen Airline fordert, wobei abzuwarten bleibt, ob es diesem keltischen Tiger gelingt, seine Streifen zu ändern oder nicht. Ich bin kein Wettmensch, aber wenn ich es wäre, bin ich mir nicht sicher, ob ich hierauf Geld setzen würde!

Während ich nicht so töricht sein würde, so zu tun, als hätte es bei den drei Airlines von Virgin niemals Passagiere mit berechtigten Beschwerden gegeben oder als hätte ich nie jemanden gefeuert, kann ich ehrlich sagen, dass Letzteres, im Gegensatz zu Mr. Trump, nichts ist, was mir auch nur das geringste Vergnügen bereitet hätte. Im Gegenteil, ich setze normalerweise Himmel und Hölle in Bewegung, um zu verhindern, dass jemand gehen muss, denn wenn dies der letzte Ausweg ist, habe ich das Gefühl, dass beide Seiten auf irgendeine Weise gescheitert sind. Es ist so viel besser, sofern möglich, wenn man versucht, den Delinquenten zu verzeihen und ihnen eine zweite Chance zu geben, so wie meine Mutter und mein Vater es so oft taten, als ich Kind war.

Es gab viel später in meinem Leben einen Vorfall, der ganz ähnlich war wie das, was ich im Süßwarenladen erlebt hatte, bloß dieses Mal durfte ich die Rolle meines Vaters spielen. Eines Tages erhielt ich bei Virgin Records einen Anruf vom Besitzer eines Plattenladens in der Nähe, der mich auf die Tatsache hinweisen wollte, dass einer unserer Mitarbeiter, dessen Namen er nannte, ihm zu verdächtig niedrigen Preisen und nur gegen Barzahlung massenhaft brandneue Virgin-Platten anbot. Als er den Anruf beendete mit den Worten: „Ich hoffe bloß, er hat sie nicht gestohlen“, hatte ich eindeutig einen Déjà-vu-Moment, und die Erinnerung an die gleiche Anschuldigung, die mir als Junge im Süßwarenladen vorgehalten worden war, kam blitzartig zurück.

Bedauerlicherweise war die Person, die der Mann im Plattenladen benannte, ausgerechnet jemand, den wir als einen unserer helleren jungen Leute im A-&-R-Bereich einschätzten, und ich hatte, so sehr ich diese Art Konfrontation verabscheue, in dieser Situation keine andere Möglichkeit, als ihn ins Büro zu zerren und zu wiederholen, was mir gerade erzählt worden war. Der arme Kerl lief puterrot an und es war ihm offensichtlich schrecklich peinlich, aber er machte keine Anstalten zu leugnen oder sein Handeln zu verteidigen; stattdessen entschied er sich einfach, sich in aller Form zu entschuldigen, aber auch zu sagen, dass es für sein Verhalten eigentlich keine Entschuldigung gebe. Anstatt ihn sofort zu feuern, was er mit Recht erwartet hatte, beschloss ich spontan, ihm vielmehr zu sagen, dass wir ihm, obwohl er sich selbst und das Unternehmen arg enttäuscht hatte, eine zweite Chance geben würden. Der fassungslose und erstaunte Gesichtsausdruck sagte alles, und von diesem Tag an rackerte er sich für uns ab und machte eine steile Karriere, in der er eigenhändig einige der erfolgreichsten Künstler von Virgin Records entdeckte – Boy George war nur einer von ihnen.

Doch was die zweite Chance betrifft, so braucht niemand sie mehr als Ex-Sträflinge, die in ihrem Leben einen Neuanfang anstreben, nachdem sie ihre Zeit abgesessen haben. Das Traurige daran ist, wenn sie ehrlich sind und auf dem Bewerbungsformular bei „Vorstrafen“ Ja ankreuzen, dann bekommen sie selten eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, ganz zu schweigen vom Job selbst. Ironischerweise ist die Folge davon oft eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Wenn sie keine Arbeit finden, wählen 50 Prozent der Ex-Strafgefangenen oder mehr, wie die Statistik zeigt, den scheinbar einfachen Ausweg und begehen wieder Verbrechen als einzige Möglichkeit, um für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen, und dann landen sie schnell wieder im Gefängnis.

Meine gute Freundin und Initiatorin der Wohltätigkeitsorganisation Comic Relief Jane Tewson war eine der Ersten, die meine Aufmerksamkeit auf die traurige Lage von Ex-Sträflingen lenkte. Im Verlauf gelang Jane sogar etwas, das zu verhindern ich mich lange und intensiv bemühte hatte – sie brachte mich hinter Gitter. Tatsächlich war es nicht das erste Mal, aber das brauchen wir jetzt nicht näher zu erläutern! Möge die Feststellung genügen, dass Jane mich dazu ermunterte, mit eigenen Augen zu sehen, mit welchen Herausforderungen Häftlinge beim Versuch, wieder ins Arbeitsleben hineinzukommen, konfrontiert sind, indem ich freiwillig mit ihnen einen Tag im Gefängnis verbrachte. Ende 2009 ging ich wie vereinbart für einen Tag in ein Hochsicherheitsgefängnis im australischen Melbourne, und das öffnete mir zweifellos die Augen dafür, welche Probleme Ex-Häftlinge haben, wieder in die Gesellschaft integriert zu werden, etwas, woran ich bisher keine Sekunde einen Gedanken verschwendet hatte.

Während ich Down Under war, traf ich mich auch mit einer Gruppe inspirierender Führungspersönlichkeiten aus der Toll Group, dem größten Transportunternehmen in Australien. Ich erfuhr, wie sie versucht hatten dazu beizutragen, das Schicksal kürzlich entlassener Häftlinge zu verbessern, indem sie im Verlauf von zehn Jahren beinahe 500 von ihnen eingestellt hatten – eine Anzahl, die rund zehn Prozent der Belegschaft des Unternehmens repräsentiert. Das wirklich Inspirierende an dem, was sie mir erzählten, war aber, dass ihres Wissens nach keiner der Ex-Häftlinge je wieder straffällig geworden war!

Ich habe seitdem alle Virgin-Firmen rund um die Welt stets dazu ermutigt, engagiert daran zu arbeiten, es Toll gleichzutun. Im Vereinigten Königreich arbeiten wir eng mit der karitativen Einrichtung Working Chance zusammen, die sich seit 2007 federführend darum verdient gemacht hat, ehemalige Gefängnisinsassinnen wieder in Lohn und Brot zu bringen und dadurch den Kreislauf zu durchbrechen, der aus einem kleinen Fehler oder einer schlechten Entscheidung eine lebenslange Strafe machen kann, egal ob innerhalb oder außerhalb der Gefängnismauern. Als ich mich das letzte Mal erkundigte, hatte Working Chance fast 200 ehemalige weibliche Häftlinge bei Pret a Manger, Sainsbury’s und verschiedenen Virgin-Firmen untergebracht, darunter Virgin Trains und Virgin Management.

Die vielleicht größte Ironie ist, dass ich 1971, hätte nicht die britische Gerichtsbarkeit Gnade gezeigt, sehr gut selbst eine kriminelle Laufbahn hätte einschlagen können. Ich wurde von der britischen Zollbehörde auf frischer Tat dabei erwischt, wie ich auf geniale Weise (so bildete ich mir in meinem naiven Teenagerdenken ein) die Umsatzsteuern „manipulierte“, die beim Import und Export von Schallplatten anfielen oder eben nicht. Nur dadurch, dass meine Eltern die Selbstlosigkeit besaßen, das Elternhaus als Sicherheit für meine Kaution einzusetzen, und ich anschließend meine fette Strafe in voller Höhe abbezahlte, konnte ich vermeiden, mit einer Vorstrafe belastet zu sein. Hätte ich tatsächlich Zeit im ganz