Die Rebellen von G’oerr: Weg in die Galaxis

Margret Schwekendiek

Published by Cassiopeiapress Extra Edition, 2018.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Die Rebellen von G’oerr

Copyright

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

Further Reading: 30 Sternenkrieger Romane - Das 3440 Seiten Science Fiction Action Paket: Chronik der Sternenkrieger

Also By Margret Schwekendiek

About the Publisher

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Die Rebellen von G’oerr

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Weg in die Galaxis

von Margret Schwekendiek

Der Umfang dieses Buchs entspricht 147 Taschenbuchseiten.

Nach der Entführung von Andrew Frost und mehreren Anschlägen auf die FSC-Werft versuchen die Sicherheitsleute der Asteroidenwerft zusammen mit der Spaceguard die Attentäter zu finden. Doch es scheint selbst in den eigenen Reihen Verräter zu geben. Lynsha Nash und die FERRUM nehmen Kontakt zu den G’oerron auf, doch was sie über dieses Volk erfahren, macht jede Hoffnung auf Hilfe illusorisch. Auf Katta versuchen die Rasuuner einer Frau im Wachkoma zu helfen, aber das ist nur ein Vorwand denn die Besatzung der RASUUN ist auf der Suche nach Gestaltwandlern. Nur sind die nicht einfach zu finden.

Im  Kosmos der Serie 'Weg in die Galaxis' sind bisher erschienen:

Spur ins andere Kontinuum

Planet der Maschinen

Die Rebellen von G'oerr

Aron Lubor und die Energiefalle – Raumschiff PLUTO 1

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Copyright

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

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© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

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Prolog

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Persönliches Bordtagebuch von Lynsha Nash, Kommandantin der FERRUM, 14. Juni 2109:

Während wir warten, bringe ich meine persönlichen Aufzeichnungen auf den neuesten Stand.

Der Failtronic-Einsatz gegen das Flaggschiff und die Bodenstationen der G’oerron war erfolgreich, obwohl wir wegen der unberechenbaren physikalischen Gegebenheiten des Para-Kontinuums zuerst starke Bedenken hatten. Aber uns war keine andere Wahl geblieben, nachdem die G’oerron auf unsere Funkrufe nicht reagiert und den Angriff fortgesetzt hatten. Ein Verständigungsproblem konnte es nicht sein, denn wir stellten fest, dass ihr Idiom dem doranischen sehr ähnlich ist.

Die Situation wurde brenzlig für die FERRUM. Nicht nur, dass wir durch die Nottransition aus dem Stand heraus im Para-Kontinuum gestrandet waren; die Waffen der G’oerron setzten uns zusehends zu.

Professor Manuel Dorfmann, unser Wissenschaftler vom Dienst, hatte keine andere Lösung parat, als es mit der Failtronic zu versuchen.

Und es funktionierte wie gewünscht – die Computersysteme der G’oerron fielen aus, wohingegen unsere voll einsatzfähig blieben. Nach weiteren Aufforderungen, die Funkrufe zu beantworten, stellten die G’oerron endlich den Kontakt zu uns her, zeigten sich allerdings nicht allzu gastfreundlich.

Überrascht bin ich deswegen nicht, immerhin verliefen die ersten Begegnungen mit den G’oerron schon am Para-Kontinuum-Verteiler keineswegs friedlich. So isoliert, wie sie hier leben, werden sie nicht besonders erfreut sein, plötzlich entdeckt worden zu sein. Ich frage mich, was es für einen Grund haben mag, dass dieses Volk ausgerechnet hier in der Blase im Zwischenraum existiert. Ich hätte es bis jetzt nicht für möglich gehalten, dass überhaupt ein ganzes Sonnensystem in diesem Nullzeit-Zwischenkontinuum bestehen kann.

Umso mehr ist unser Interesse, mit diesem Volk, das entfernt humanoid ist, in friedlichen Kontakt zu treten.

Die Aufklärungssonden übermittelten bisher – bevor es zum nächsten Angriff kam –, dass die G’oerron eine technisch hochentwickelte Zivilisation besitzen und keine besonderen existenziellen Probleme zu haben scheinen.

Nach einigem Zögern erklärten sich die G’oerron bereit, uns auf ihrer Heimatwelt G’oerr landen zu lassen. G’oerr ist der vierte von sechs Planeten des Sonnensystems in der Para-Kontinuum-Blase, die einzige lebensfreundliche Welt. Syd, unsere Bordtronic, hatte acht Milliarden Intelligenzen geortet –

Aufzeichnung unterbrochen

Fortsetzung:

Na also, jetzt ist endlich Bewegung in die Sache gekommen. Nach zähem Hin und Her haben die G’oerron uns zu sich „eingeladen“, wie auch immer das gemeint sein mag. Wir kommen der Aufforderung, auf G’oerr zu landen, nach, auch wenn ich kein gutes Gefühl dabei habe. Aber anders kommen wir nicht weiter. Vielleicht erhalten wir die Chance, unsere Gastgeber von unseren friedlichen Absichten zu überzeugen, und sie helfen uns, wieder in unser „normales“ Universum zu kommen.

Syd hat bereits die notwendigen Navigationsdaten für die Landung eingespeist bekommen. Die FERRUM verlässt den Orbit und nimmt Kurs auf den Raumhafen nahe der Hauptstadt M’Alak. Ich habe kurz Zeit, die Stadt von oben zu betrachten – sechzig Millionen Einwohner verteilen sich auf beachtliche 3500 Quadratkilometer. Es gibt viele Grünflächen zwischen den sich um die eigene Achse drehenden, zylindrischen Wohnblöcken. Aber das Ganze wirkte auf mich wie ein Baukasten, alles genau abgezirkelt, kein Wildwuchs, jeder Quadratzentimeter perfekt geplant und  perfekt steril.

Besondere Angst scheint man nicht vor uns zu haben. Die Ankerschiffe bleiben im Orbit zurück, und nur der Leitstrahl eskortiert uns hinunter. Auch auf dem Raumhafen kann ich niemanden entdecken – um nicht zu sagen, das Areal, wo wir landen sollen, ist gespenstisch leer. Keine Ankerschiffe, keine Panzer, Aufmärsche oder sonstiges.

Seltsam finde ich das schon nach all dem, was bisher passierte. Selbst bei einer von Anfang an friedlichen Kontaktaufnahme hätte es bei uns auf der Erde einen enormen Sicherheitsaufwand gegeben, angefangen beim Militär, das für alle Eventualitäten bereit stände.

Aber hier im Para-Kontinuum scheint alles anders zu sein. Ich werde der Einladung folgen, aber natürlich wird es eine Rückendeckung geben, ich bin schließlich keine Närrin.

Aufzeichnung beendet

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1.

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Ihr werdet hier bleiben, und darüber gibt es nichts mehr zu diskutieren“, befahl Lynsha Nash energisch und ging darüber hinweg, dass Lord Hobble empörte Gesten des Protests machte. Er, sowie Manuel Dorfmann und die Bordärztin Alienor Domestan sollten an Bord bleiben. Die Kommandantin hatte fest umrissene Anweisungen gegeben, nachdem nach einer schier endlosen Wartezeit eine knappe Aufforderung zu einem Besuch in der Stadt eingetroffen war. Kaum hatte Qui eine Möglichkeit gehabt zu antworten.

„Man erwarte die geehrten Gäste und freue sich auf Nachrichten aus dem Universum, nachdem man sich so lange Zeit bereit abgeschottet hatte“, war die etwas merkwürdig formulierte Einladung fast ohne Punkt und Komma ausgesprochen worden. Dann hatte das Wesen abgeschaltet, ohne sich überhaupt mit Namen zu nennen. Eine Weile hatten alle verblüfft geschaut, bis Lynsha fest umrissene Anweisungen erteilt hatte, die bei den Kameraden nicht auf ungeteilte Zustimmung getroffen waren.

„Wir wurden von diesen – diesen Wesen eingeladen, auf dem Planeten zu landen und uns umzusehen. Man verspricht uns, keinerlei Feindseligkeiten vorzunehmen, und ich denke, wir sollten uns diese Chance nicht entgegen lassen, so viel wie möglich über dieses fremde Volk zu lernen. Keinesfalls werde ich die gesamte Besatzung mitnehmen, und es ist vernünftig, auch euch drei hier an Bord zu lassen. Nur Qui und Seamus werden mich begleiten.“

„Ich bezweifle, dass diese Astgestelle der verehrten Kommandantin und den übrigen Besatzungsmitgliedern freundlich gegenübertreten werden“, gellte Lord Hobble mit seiner lauten kratzenden Stimme und schritt auf und ab, als warte er nur auf einen Gegner für ein ritterliches Turnier.

„Ich bin auch nicht überzeugt davon, dass man diesen Wesen trauen kann“, wandte Domestan ein. „Wir wissen nichts über diese Leute, außer, dass sie auf uns einen denkbar schlechten Eindruck machen, uns grundlos angreifen und außerdem nicht vom menschlichen Standpunkt aus zu beurteilen sind. Da muss ich dem mutigen Ritter Recht geben, wir sind nicht einmal in der Lage, deren Mimik zu beurteilen. Und was von freundlichen Beteuerungen der Friedfertigkeit zu halten ist ...“

„Im Grunde stimme ich den beiden zu“, mischte sich nun auch Dorfmann ein, „aber ich weiß, dass es nicht anders geht, und ich kann euch ein paar meiner nützlichen Kinderchen mitgeben – wenn ihr mir versprecht, sie heile wieder mitzubringen.“ Seine Sorge um die von ihm konstruierten und programmierten Roboter war schon legendär, er schien sie höher zu schätzen als lebende Menschen.

„Die Kommandantin könnte doch in Gefahr geraten, und das werde ich keinesfalls zulassen. Ich kämpfe natürlich an ihrer Seite ...“, meldete sich Lord Hobble erneut.

„Es reicht!“ Nash schlug mit der schmalen Faust auf das Kontrollpult. Die Rasuunerin nahm die Bedenken der Kameraden durchaus ernst, aber nachdem nun schon soviel Zeit vergangen war, in der sie vergeblich auf eine Kommunikation gehofft hatten, wollte sie die Chance nicht einfach vertun.

Natürlich war wieder es einmal Lord Hobble, der einer 2,20 m großen Heuschrecke glich, der das Schlusswort der von ihm verehrten Kommandantin nicht hinnehmen wollte.

„Ich sehe ein, hochverehrte Lynsha, dass der Wissenschaftler und die Ärztin hier bleiben müssen. Aber Ihr werdet die Kraft meiner Kampfgesänge benötigen, um diesen G’oerron die Macht unserer vereinten Völker klarzumachen.“ Wie zur Bestätigung begann er mit einem seiner berüchtigten Lieder, die in den Ohren von Menschen und Rasuunern weder melodisch noch überhaupt musikalisch klangen und einfach als Lärmbelästigung empfunden wurden.

„Wir sind ein Forschungsschiff, es ist unsere Aufgabe zu forschen, zu erkunden, Fragen zu stellen und Kontakt aufzunehmen. Mal abgesehen davon, dass wir Hilfe brauchen, um dieses verrückte Kontinuum wieder zu verlassen. Ihr dürft mich aber nicht für naiv halten, ich traue diesen G’oerron nicht und habe nicht vor, ohne Rückendeckung nach draußen zu gehen.“

„Dann wirst du aber doch gestatten, dass ich noch einmal nachfrage bei den G’oerron. Es gibt da auch noch einen Punkt, der mir nicht ganz klar ist. Die haben doch vorhin tatsächlich behauptet, sie wären froh darüber, mal wieder Nachrichten aus dem normalen Universum zu bekommen. Die haben sich doch selbst abgeschottet, oder habe ich da was falsch verstanden? Sie könnten doch diese selbst gewählte Einsamkeit wieder aufgeben, oder nicht? Bei der Gelegenheit werde ich dann auch gleich nachfragen, wie sich die Herrschaften unseren Besuch überhaupt im Einzelnen vorstellen“, wandte Quiberon Four ein.

„Einverstanden“, erwiderte Lynsha.

„Dann kannst du auch gleich fragen, was es zu essen gibt“, mischte sich Seamus O’Connell ein. „Ich hätte gern ein ordentliches Steak, medium gebraten. Und dazu ein großes kühles Bier ...“

„Halt den Mund, du verfressenes Subjekt, wir haben hier eine schwierige Mission vor uns“, begann Dorfmann mit dem üblichen Geplänkel, brach jedoch sofort ab, ab Lynsha eine herrische Handbewegung machte.

„Ich bin verfressen?“, murrte Seamus und ließ seine Blicke anzüglich über die dickliche Gestalt des Professors gleiten, der für seine Attacken auf alles Süße berüchtigt war.

„Qui, das ist eine gute Idee“, sagte sie auffordernd, und der Cyborg öffnete einen Funkkanal.

„Hier Raumschiff FERRUM, wir hätten da noch eine Nachfrage“, begann er und machte sich wieder auf eine lange Zeit des Wartens gefasst. So, wie die G’oerron bisher agiert hatten, rechnete er damit, dass wieder längere Zeit bis zu einer Antwort vergehen würde. Wider Erwarten dauerte es jedoch nicht einmal zwei Minuten, bis sich eines der astähnlichen Wesen meldete.

„Ihr erneuter Kontaktversuch erstaunt uns. Wir haben bereits gesagt, was zu sagen war, alles Weitere wird im persönlichen Gespräch erörtert werden können“, kam die abweisende Antwort.

„Nein, noch nicht“, knurrte Qui. „Zum einen möchten wir wissen, wie Sie sich unseren Besuch vorstellen. Können wir in die Stadt hineingehen, ohne behelligt zu werden? Müssen wir mit unfreundlichen Akten seitens der Bevölkerung rechnen, wenn keine Wachen dabei sind? Ist es uns gestattet, mit Wesen Ihrer Art einfach Kontakt aufzunehmen? Und was bedeutet es eigentlich, dass Sie Nachrichten aus dem Universum haben wollen? Sie haben doch Raumschiffe am Para-Kontinuum-Verteiler – von dort werden Sie doch ...“

„Sie werden von einem unserer Kommandos auf dem Raumhafen abgeholt und zu einem der Regierungsvertreter gebracht. Auf dem Weg dorthin bietet sich die Möglichkeit, die Errungenschaften unserer Kultur zu betrachten. Alle weiteren Fragen können im persönlichen Gespräch geklärt werden und bedürfen im Augenblick keiner weiteren Erörterung. Ein Gleiter wird in wenigen Zeiteinheiten an Ihrem Schiff sein und die geehrten Gäste übernehmen.“ Das Wesen am Funk schaltete einfach ab, was in der Zentrale der FERRUM wiederum einen Proteststurm auslöste.

„Lord Hobble, Schluss damit“, brüllte Lynsha Nash, als der Shatore erneut einen Kampfgesang anstimmte, der jeden anderen Laut in der Zentrale übertönte. Etwas beleidigt verstummte die Heuschrecke.

„Ihr habt es gehört, Freunde, alles weitere gibt es erst in Anwesenheit der Regierung. Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als so vorzugehen, wie ich es angeordnet habe. Alienor und Manuel, ihr behaltet uns im Auge, soweit das möglich ist, und die FERRUM bleibt startbereit. Noburu, du bereitest alles für einen Notstart vor, auch wenn ich hoffe, dass du ihn nicht durchführen musst. Sollte es zu unfreundlichen Attacken kommen, startet ihr sofort und zeigt den G’oerron, welche Macht unserer Schiff besitzt, aber ich rechne nicht wirklich damit. Die G’oerron haben ihre Lektion gelernt denke ich, sie glauben, dass sie uns unterlegen sind. Im Zweifelsfall kommt noch mal die Failtronic zum Einsatz.“

„Die Failtronic wird ihnen schon beibringen, dass wir am längeren Hebel sitzen.“

„Sollte Euch etwas passieren, werde ich natürlich sofort eine Rettungsaktion starten und die lügnerischen Äste gnadenlos vernichten“, ließ sich Hobble vernehmen.

Lynsha seufzte. „Keinesfalls, edler Ritter, Alleingänge werde ich in keinem Fall tolerieren. Ich stelle eine mögliche Rettungsaktion in das Ermessen von Manuel Dorfmann. Notfalls kann er mit seinen Robotern etwas erreichen. Das ist mein letztes Wort.“

*

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DER ROTE ÜBERRIESE, in dessen Ortungsschutz ein vergleichsweise winziges Schiff trieb, war nicht die einzige Sonne dieser Art in diesem Sektor. Insgesamt gab es vier, was darauf schließen ließ, dass es sich um alte Sterne handelte. Nicht ungewöhnlich in relativer Nähe zum Zentrum, und doch ungewohnt für die Menschen, die sich hier an Bord des irdischen Raumschiff DONNA befanden.

Die Pilotin, Caren van Boer, wie auch die Kommandantin Lory Wong, saßen mit anderen Mitgliedern der Besatzung in der Zentrale und musterten aufmerksam den Hauptbildschirm.

Nach ihrer Flucht vor den fremden ankerförmigen Schiffen war es der DONNA nur knapp gelungen, sich hier in den Ortungsschutz zu retten. Weitab von jeder bekannten Siedlung von Menschen oder Außerirdischen war das Schiff mit seiner relativ kleinen Besatzung auf sich allein gestellt. Die FERRUM war spurlos verschwunden – ebenfalls auf der Flucht vor den Ankerschiffen in den „Schlund“ eingeflogen, weil kein anderer Ausweg mehr blieb. Seitdem hatte es keinen Kontakt mehr zu Lynsha Nash und den anderen Besatzungsmitgliedern gegeben. Auch vorher war die Verständigung nur unter Schwierigkeiten möglich gewesen, ebenso wie alle Ortungsgeräte nur unzureichend funktionierten. In der Nähe des Verteilers schien es eine Reihe von physikalischen Merkwürdigkeiten zu geben, die besonders die irdischen Schiffe beeinträchtigten, denn die ankerförmigen Schiffe unterlagen offenbar keiner Beschränkung.

Im Augenblick schien es jedoch keine Angreifer zu geben. Das konnte natürlich auch eine Täuschung sein. Wer konnte schon sagen, über welche Möglichkeiten zur Tarnung oder Ortung die Fremden verfügten? Vielleicht hielten sie sich in unmittelbarer Nähe auf, ohne dass die DONNA eine Ortung empfangen konnte.

„Ich will, dass alles ununterbrochen im Auge behalten wird“, ordnete Lory an.

„Mehr als alles zu beobachten können wir sowieso nicht tun“, bemerkte Caren van Boer etwas spitz.

„Ich will verhindern, dass wir wieder angegriffen werden. Sobald ein Ankerschiff auftaucht, sind die anderen bestimmt nicht weit. Und wir haben dem allein nicht viel entgegenzusetzen. Wir können uns also nur selbst schützen, wenn wir dafür sorgen, dass uns niemand findet“, gab die Kommandantin ruhig zurück. „Aber wieso erzähle ich dir das eigentlich, du weißt es doch ebenso gut wie ich.“

Die Pilotin starrte verbissen vor sich hin in das rötliche Universum draußen vor dem Schiff.

„Du hast dich von den Ankerschiffen ziemlich beeindrucken lassen. Ich bin dafür, dass wir ihnen unsere Kampfkraft demonstrieren“, sagte sie schließlich hart.

Lory W, wie sie meist kurz genannt wurde, wirkte irritiert. Was war los mit Caren? Sie war doch sonst die Vernunft in Person, woher also dieser Anschein von Leichtsinn?

„Mir ist nicht ganz klar, wie du auf eine solche Ansicht kommst. Beeindrucken? Meinst du vielleicht sogar einschüchtern? Wovon redest du eigentlich, Caren? Wir sind gerade mal so entkommen, sollen wir jetzt etwa leichtsinnig werden und uns gleich wieder in Gefahr bringen?“, fragte sie schärfer als beabsichtigt.

„Ach Quatsch, hier im Ortungsschutz kann uns doch gar nichts passieren. Hier kann uns kein Mensch finden, schon gar nicht so ein fliegender Anker. Sollten wir nicht besser zur Erde zurückkehren und von dort Hilfe holen? Allein können wir im Zweifelsfall gegen diese Schiffe ohnehin nichts ausrichten. Wir brauchen Verstärkung.“ Die Stimme der Pilotin klang auch weiterhin gereizt, und ihre Handbewegungen auf den Konsolen wirkten lustlos, gleichzeitig aber nur mühsam beherrscht.

Lory Wong hatte nicht vor, hier vor aller Augen eine absolut überflüssige Auseinandersetzung über Sinn oder Unsinn ihrer eigenen Anweisungen zu führen. Sie wusste, dass die Disziplin auch weiterhin gewahrt bleiben würde, wenn sie jetzt zu einem etwas ungewöhnlichen Mittel griff. Statt die Pilotin vor aller Augen zu maßregeln und damit vielleicht das eigene Ansehen zu riskieren, zwang sie sich selbst zur Ruhe und legte Caren eine Hand auf die Schulter, eine freundschaftliche Geste.

„Kommst du mit auf einen Kaffee? Ich habe etwas mit dir zu besprechen.“

Die Kommandantin machte sich nicht erst die Mühe, in ihr Quartier zu gehen, so offiziell wollte sie die Sache gar nicht haben. Bisher hatte sie sich mit Caren immer gut verstanden, warum sollte dieser kleine Vorfall jetzt aufgebauscht werden?

Etwas mürrisch übergab die Pilotin die Führung des Schiffes an Doguhan Yildirim und folgte Lory nach draußen. Sie rechnete mit einem ernsten Vorwurf, doch die Kommandantin war viel zu klug, um auf diese Weise einen ernsthaften Streit heraufbeschwören. Sie griff nach dem Arm der anderen Frau und blickte ihr forschend ins Gesicht.

„Was ist los mit dir, Caren? Bist du krank? Fühlst du dich nicht wohl? Kann ich irgend etwas für dich tun? Du weißt doch, dass du über alles mit mir reden kannst. Aber mach uns beiden bitte nicht das Leben unnötig schwer, indem du meine Befehle in Frage stellst. Sag mir einfach, was los ist. Vielleicht kann ich dir ja helfen.“

Caren van Boer war von dieser Ansprache fast überrumpelt. Erst jetzt kam ihr zu Bewusstsein, dass sie mit ihrem Verhalten die Stimmung unter der Mannschaft förmlich angeheizt hatte. Sie stieß seufzend die Luft aus und blickte Lory reumütig an.

„Ich hab mich wohl ziemlich daneben benommen, was?“

Die Kommandantin konnte ein kleines Grinsen nicht unterdrücken. „Das ist kaum zu bestreiten.“

Noch einmal seufzte die Pilotin. „Ich weiß auch nicht so recht, eigentlich sollte ich doch froh sein, dass wir der Gefahr entgangen sind. Aber irgend etwas hat mich vorhin schrecklich aufgebracht, als du auf Selbstverständlichkeiten noch weiter hingewiesen hast, als wüssten wir alle nicht selbst sehr gut, was wir zu tun haben.“

„Das sollte auch eigentlich nicht als Kritik an euch allen gedacht sein“, warf Lory ein. „Aber dein Verhalten gibt mir noch immer Rätsel auf. Es sei denn – sag mal, ich will dir ja nicht in dein Privatleben hineinreden, aber könnte es sein, dass du einen drängenden Grund hast, so schnell wie möglich heile zur Erde zurückzukehren?“

Unwillkürlich wurde Caren rot, auch wenn dieses Thema eigentlich keine Verlegenheit hervorrufen sollte. Natürlich hatte jeder an Bord irgendwo auch ein Privatleben, das aber meistens viel zu kurz kam. Und für Caren stand normalerweise die DONNA an erster Stelle. Nun schaute es aber so aus, als gäbe es da noch jemanden, der die Gedanken und Gefühle der Pilotin beanspruchte, einen anderen Grund konnte sich die Kommandantin nicht denken.

Lory lächelte verständnisvoll. Caren zuckte die Schultern, machte aber nicht mehr den Versuch drumherum zu reden.

„Beim letzten Landurlaub habe ich jemanden kennengelernt, mit dem ich gern öfter zusammen sein möchte. Und eigentlich wünsche ich mir das ziemlich schnell. Natürlich ist es Unsinn, dass ich jetzt hier versuche, dir in dein Kommando hineinzureden. Wir müssen diesen Auftrag erst erledigen, dann finden wir wahrscheinlich wieder Zeit, um zur Erde zu fliegen. Ich weiß nicht warum, aber vorhin schossen mir einige Gedanken durch den Kopf, ich könnte etwas verpassen. Tut mir leid, ich habe mich wohl ziemlich daneben benommen.“

Lory W lächelte und legte der anderen verständnisvoll eine Hand auf den Arm. „Dafür musst du dich nun wirklich nicht entschuldigen, Caren. Ich finde es schon gut, dass du außer der DONNA überhaupt noch jemanden hast, der Gefühle in dir weckt. Aber du solltest trotzdem deine – na ja, sagen wir Laune – nicht in der Zentrale herauslassen. Schließlich müssen wir nicht jedermann auf die Nase binden, was mit dir los ist. Ich glaube, die meisten von uns kennen diese Gefühle schon, denn wir haben schließlich alle Bindungen an die Erde. – So, nachdem wir das geklärt haben, können wir weitermachen?“