Fremdsprachendidaktische Professionsforschung: Brennpunkt Lehrerbildung
Michael K. Legutke / Michael Schart
A. Francke Verlag Tübingen
Eine ähnliche Vorstudie zur Kompetenzmessung von Lehrkräften im Fach Latein (FALKO-L) publizierten Lindl und Kloiber (2015).
Appel unterscheidet drei Ebenen des Erfahrungswissens: „Erfahrung zu haben bedeutet, etwas tun zu können, zum Beispiel mit der Unterrichtssituation zurecht zu kommen. Erfahrung wird zweitens im Laufe einer Biografie als Lebenserfahrung erworben […] Erfahrung ist drittens sozial. Sie wird in vergleichbaren Situationen von mehreren Personen gemacht. Diese haben hierdurch Wissen, Ansichten und Wertvorstellungen miteinander gemeinsam.“ (Appel, 2001, S. 187). Auf die erste Ebene nimmt FALKO-E Bezug.
Die fremdsprachliche Kompetenz der individuellen Lehrkraft im Englischen konnte in FALKO-E aus Gründen der Testpraktikabilität und der beschränkten Ressourcen nicht abgeprüft werden.
Gerade das Beispiel der Interferenzfehler zeigt sehr deutlich, wie sehr sich das Fachwissen und das fachdidaktische Wissen vor allem im Bereich des Spracherwerbs und dem damit verbundenen Konzept der Interlanguage überschneiden. In FALKO-E wurde das Item zur kontrastiven Linguistik dem Fachwissen zugeordnet.
Zu einer genauen Vorstellung eines komplexen Kodiermanuals sowie zur Frage der Normativität vgl. Kirchhoff (2016).
Cronbachs Alpha (α) ist ein Maß für die interne Konsistenz (Genauigkeit bzw. Reliabilität) des Tests (= der Skala), das Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann. Nach Field sind Werte für Cronbachs Alpha ab α ≥ .70 gut (Field, 2013, S. 712f.).
Im Vergleich dazu erreichte TEDS-LT .50 im fachdidaktischen und .64 im literaturwissenschaftlichen und .77 im linguistischen Teil der Studie (2013, S. 709f.).
Die Trennschärfe (rit) eines Items ist dessen Korrelation mit dem Summenwert der übrigen Items der Skala. Die in Tabelle 6 angeführte durchschnittliche Trennschärfe (M von rit) berechnet sich als arithmetisches Mittel der Trennschärfen der zur jeweiligen Skala gehörigen Einzelitems, wobei das jeweilige Item aus dem Summenwert ausgenommen wurde, um Autokorrelationen zu vermeiden. Die Trennschärfe eines Items (die ebenfalls zwischen 0 und 1 liegen kann) gibt an, wie repräsentativ dieses Item für die Gesamtskala ist. Trennschärfen von rit ≥ .20 sind in der Regel als akzeptabel anzusehen (Roters et al., 2011, S. 94).
Mit Cohen d lassen sich die Mittelwertunterschiede zweier verschieden großer Gruppen bestimmen. Die Effektstärke berechnet sich aus der Mittelwertdifferenz beider Gruppen dividiert durch die gepoolte Standardabweichung. Nach Cohen entspricht ein d = .20 einem kleinen, d = .50 einem mittleren und d = .80 einem großen Effekt (1992).
Spearmans Rho ist für .50 < ρ ≤ .70 als mittel, für .70 < ρ ≤ .90 als hoch und für .90 < ρ ≤ 1.0 als sehr hoch zu beurteilen (Wirtz & Caspar, 2002).
Catell, Eber und Tatsuoka sprechen daher auch von „faith validity“ (Catell, Eber & Tatsuoka, 1970). Ebenso kritisch äußert sich Popham in Bezug auf die Validierung von Testverfahren für Lehrkräfte (Popham, 1990, S. 8).
An dem Projekt nahmen neben den benannten Tutoren weiterhin als Forschende teil: Cédric Brudermann, Grégory Miras, Ramona Schneider, Sofia Stratilaki, Donatienne Woerly, Lin Xue. Projekthomepage: http://www.univ-paris3.fr/projet-jeunes-chercheurs-2014-2015-cognitions-emotions-et-mediationsen-formation-des-enseignants-de-langues-conforme-255059.kjsp.
Hierbei handelte es sich um einen zweiseitigen argumentativen Text, in dem sich die Studierenden anhand einer Ausgangshypothese mit wissenschaftlichen Artikeln auseinandersetzten und diese Konzepte mit ihren eigenen Erfahrungen verknüpften.
Die Studierenden sollten drei fremdsprachendidaktische Konzepte aus der vorherigen Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Artikeln auswählen und diese Konzepte in Beobachtungsparameter zergliedern. In der zweiten Phase des Ausbildungsprojektes wurden die Analyseraster von den Studierenden anhand von videographierten Unterrichtsstunden selbst erprobt.
Siehe Anhang.
Siehe Anhang.
Die Reflexionsberichte hatten eine intensive Auseinandersetzung mit dem Ausbildungsprojekt zum Ziel. Hierbei sollte verhindert werden, dass mangelnde Ausdrucksfähigkeit in der Fremdsprache die Reflexionsprozesse beeinflusst.
Umfassende definitorische Ausführungen zum Begriff der Emotion und zu seiner Bedeutung im Projekt siehe Schneider/Xue 2015.
Das Selbst soll hier mit van Lier (2004: 107) verstanden werden als „real entity, but one that is dialogically and socially constructed.“
„(…) emergence is a reorganization of simple elements into a more complex system“ (van Lier 2004: 81).
Identitäten sind nach van Lier verschiedene Rollen (vgl. ebd.: 122, 125) oder „a project as well as a projection of the self, in interaction with social groups, institutions, and particular political contexts. Identities are formed from within as well as from without, so that they can become a site of struggle for individuals and groups“ (ebd.: 131, Hervorhebung im Original).
Zur Bildungsgangforschung siehe Hericks/Kunze 2002.
Die einzelnen Arbeitsschritte und Inhalte können den Aufgabenstellungen im Anhang entnommen werden.
Alle Namen wurden anonymisiert.
Alle Zitate wurden unverändert, d.h. ohne Korrektur übernommen.
An dieser Stelle sei noch einmal darauf verwiesen, dass hier nur eine Auswahl an Reflexionsverläufen einzelner Studierender exemplarisch skizziert werden konnte. Generalisierungen sind weder möglich, noch von den Autorinnen intendiert.
Ein ausführlicher Ergebnisbericht zusammen mit einer Präsentation der Items und der Auswertungsmethode wird an anderer Stelle erfolgen, in: Astrid Diener. Förderung des Transfers von der Theorie in die Praxis. Effekte der Verzahnung von wissenschaftlichen und anwendungsbezogenen Ausbildungsinhalten auf die Kompetenzentwicklung von Lehramtsstudierenden der Fachdidaktik Englisch. Arbeitstitel der Habilitationsschrift. Universität Stuttgart (Abschluss voraussichtlich 2017).
So veranstaltete die Universität Bremen im Dezember 2015 einen mit BMBF-Mitteln geförderten „Workshop zum Einsatz von design-based research in der Empirischen Bildungsforschung und in den Fachdidaktiken unter besonderer Berücksichtigung der grundlegenden Planung und praktischen Durchführung“ (http://www.uni-bremen.de/cu-fabit/design-based-research.html, zuletzt geöffnet am 27.2.2016).
Eine Zusammenfassung beider Forschungsprojekte mit theoretischer Einbettung sowie methodischer Vorgehensweise findet sich in Steininger/Gerlach (im Druck).
Eine umfassende Übersicht der Strukturen und Bedingungen des Vorbereitungsdienstes in den unterschiedlichen Bundesländern haben Walke (2007) sowie Walm/Wittek (2014) zusammengestellt.
Auch der Transfer internationaler Forschung zur Lehrerbildung ist im Kontext des deutschen Vorbereitungsdienstes schwierig, da ähnliche Makrostrukturen zwar in anderen Ländern vorhanden sind, diese dann allerdings bei detaillierterer Betrachtung an Aussagekraft und Vergleichbarkeit verlieren. Wir beziehen internationale Ergebnisse zur Lehrerbildung und den daran beteiligten Prozessen und Akteuren (insbesondere in fachdidaktischer Hinsicht) daher erst in den nachfolgenden Kapiteln gezielt ein.
Überblicke der Forschung zum Vorbereitungsdienst liefern Krüger (2014) (auch mit einem Fokus auf Ausbildungskräfte), Böhner (2009) sowie Abs und Anderson-Parks (2014).
Für eine ausführlichere Darstellung zu Fragestellung, Forschungsdesign sowie Datenanalyse und -interpretation siehe Steininger/Gerlach (im Druck).
Die Überzeugung der Praxisferne universitärer Lehrerbildung wird in nahezu allen einschlägigen Studien und Beiträgen zur Lehrerbildung der letzten Jahre angeführt (z.B. u.a. in Felbrich et al. 2008, Schubart et al. 2007, Abs/Anderson-Parks 2014).
Die Festlegung des Untersuchungsdesigns ist abhängig von der Evaluationsfragestellung sowie methodischen und ethischen Überlegungen. In der Evaluationsforschung gelten die allgemeinen Prinzipen der Wissenschaftlichkeit sowie verbindliche Evaluationsstandards (Gesellschaft für Evaluation, 2008).
Details zum Untersuchungsaufbau, den verwendeten Instrumenten und der Auswertung finden sich in Heinrich (2015).
Die Ergebnisse gelten jedoch nur für die Pilotstudie und können aufgrund methodischer Einschränkungen (z.B. Größe der Stichprobe und Gruppenzuordnung) nicht generalisiert werden.
Als Effektmaß dienten Spearman-Rangkorrelationen der Veränderung, d.h. die Differenz zwischen den Messzeitpunkten (Prä- und Posttest, Prä- und Follow-up Test, Prätest und der Mittelwert des Post- und Follow-up Tests) und der Zugehörigkeit zur Versuchsgruppe.
Die Namen der Studienteilnehmerinnen (alle weiblich) wurden geändert
In diesem Beitrag ist im Kontext von E-LINGO von (angehenden) Lehrerinnen die Rede. Während einige Studierende bereits mehrere Jahre als Englischlehrerinnen gearbeitet hatten, kamen andere aus gänzlich anderen Tätigkeitsfeldern und hatten keinerlei Berufserfahrung im Englischunterricht der Primarstufe.
Für eine detaillierte Diskussion des bildungspolitischen Hintergrundes, der der Genese von E-LINGO zugrunde liegt, und ausführliche Informationen zu den einzelnen Entwicklungsphasen des Studiengangs siehe Landesstiftung Baden-Württemberg, Legutke & Schocker-von Ditfurth (2008) und Zibelius (2015), Kapitel 4. Der Studiengang befindet sich nach zweijähriger Unterbrechung zurzeit im Prozess der Umgestaltung und Reakkreditierung und wird ab Wintersemester 2016/2017 wieder angeboten.
Die Teams wurden vor Beginn des Studiums von den Tutorinnen zusammengestellt. Ziel der Teambildung war, dass die Teampartnerinnen sich möglichst in ihren Stärken (z.B. viel Berufserfahrung, hohe Sprachkompetenz, etc.) ergänzen und voneinander lernen können.
Der Zeitraum der Lehrerfahrung bezieht sich ausschließlich auf frühen Englischunterricht (Grundschule, Vorschule, Kindergarten). Einige der Studienteilnehmerinnen hatten bereits vor Studienbeginn Lehrerfahrung in anderen Disziplinen oder mit anderen Lernergruppen.
Daniela ist gebürtige US-Amerikanerin, ihre Erstsprache ist Englisch.
Die Transkription erfolgte nach den Richtlinien für eine einfache Transkription von Dresing, Pehl & Schmieder (2013).
E-LINGO kann berufsbegleitend von Lehrkräften studiert werden, die sich weiterqualifizieren möchten – in diesem Fall führen die Lehrkräfte die Aktionsforschungsprojekte in ihrem eigenen Lehr-/Lernkontext durch. Alternativ müssen diejenigen Studierenden, die keine Anstellung haben, mit einer Institution ihrer Wahl kooperieren, um die Aktionsforschungsprojekte durchführen zu können.
Der vorliegende Band beruht auf der Arbeit in einer Sektion zur Aus- und Fortbildung von Lehrenden auf dem 26. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg (30. September – 3. Oktober 2015).
In der Sektion sollten Forschungsprojekte zusammenfinden, die auf der Grundlage empirischer Erkenntnisse eine oder mehrere der folgenden Fragen thematisieren:
Wie tragen einzelne Elemente eines Programms zur Kompetenzentwicklung bei?
Wie wirken bereits zuvor erworbene, medial vermittelte und direkte Lehrerfahrungen als Teil eines Programms zusammen?
Wie verändern sich das professionelle Selbstverständnis und die Lehrkompetenz in der Aus- und Fortbildung unter verschiedenen Kontextbedingungen?
Wie lässt sich forschendes Lehren und Lernen in die Aus- und Fortbildung integrieren?
Wie sollten einzelne Aus- und Fortbildungsinhalte gewichtet werden und welche Überlegungen sind bei dieser Entscheidung ausschlaggebend?
Wie wirkt Fort- und Ausbildung langfristig?
Welche Rolle spielen die Kompetenzen der Aus- und Fortbilder?
Wie ist das aus- und fortbildungsdidaktische Potenzial digitaler Medienarrangements mit ihren Lehr- und Lernformen (z.b. Blended Learning) einzuschätzen?
Wie können sich Lehrkräften selbstinitiiert, kollektiv und kooperativ fortbilden?
Für die Sektionsleiter war wichtig, mit den ausgewählten Beiträgen nicht nur die verschiedenen Arbeitsbereiche in der Aus- und Fortbildung abzudecken, sondern auch die Didaktiken möglichst unterschiedlicher Sprachen einzubeziehen. Das ist uns auf dem Kongress nur teilweise gelungen. Um ein umfassenderes Bild der gegenwärtigen Forschungslage zu den einzelnen Ausbildungsphasen und den im deutschen Sprachraum am häufigsten unterrichteten Fremdsprachen zu erreichen, haben wir deshalb für diesen Band neben den in Ludwigsburg präsentierten Forschungsprojekten weitere Beiträge aufgenommen.
Im Verlauf der Sektionsarbeit zeigte sich eine große Übereinstimmung bei der Einschätzung, dass die Fremdsprachendidaktik der Lehrerbildung jahrzehntelang bestenfalls einen Nebenschauplatz in der Forschung zugestanden hat. Ebenfalls konstatiert wurde, dass die konkreten Lehr- und Lernzusammenhänge, das Zusammenspiel von inhaltlichen Angeboten, Unterstützungssystemen, Sozialformen und Lehrpraktiken an der Hochschule als eine Black Box beschrieben werden müssen. Andererseits haben die Beiträge und Diskussionen gezeigt, dass auf einem lange vernachlässigten Feld Bewegung entstanden ist, die es zu stärken gilt. Als Empfehlung wurde formuliert, dass es für die weitere Entwicklung des Forschungsfeldes zweifellos von Vorteil wäre, wenn es gelänge, größere Forschungsverbünde zu schaffen, und wenn qualitativ-explorative und quantitativ Hypothesen testende Herangehensweisen verstärkt in gemischten Designs zusammengeführt würden. Der vorliegende Band versteht sich als ein Schritt in diese Richtung.
Wir bedanken uns bei allen Autorinnen und Autoren für die inspirierende Zusammenarbeit während des Kongresses und bei der Vorbereitung dieses Bandes. Unser Dank gilt weiterhin der Kongressleitung für die erfolgreiche Organisation des Kongresses und ihre Unterstützung dieser Publikation. Ferner danken wir Ilse Braun und Darja Brotzmann für die kompetente Unterstützung bei der Herstellung der Druckfassung.
Im August 2016
Michael Legutke und Michael Schart
Die gesellschaftlichen Umwälzungen der letzten vierzig Jahre, die gemeinhin mit dem Begriff Globalisierung zusammengefasst werden, haben die Bedingungen, unter denen Sprachen gelehrt, gelernt und gebraucht werden, grundlegend verändert. Schulische Bildungseinrichtungen im Allgemeinen und die sprachlichen Fächer im Besonderen müssen nicht nur der wachsenden sprachlichen und kulturellen Heterogenität der Lernenden Rechnung tragen, sondern gezielt die Fähigkeit junger Menschen entwickeln, selbstbestimmt mit Sprachen und Kulturen umzugehen, sich kritisch in Diskurse einzuschalten und sie zu gestalten.
Diese Aufgabe, als Kernbestand einer zeitgemäßen und zukunftsfähigen allgemeinen Bildung, beinhaltet die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen, die die Mehrsprachigkeit, die Fähigkeit zur Sprachmittlung und die interkulturelle Kompetenz einschließen (KMK/BMZ 2016: 156–191). Dem Fremdsprachenunterricht kommt dabei sicher eine ganz besondere Bedeutung zu. Er muss sich zudem den Herausforderungen und Möglichkeiten stellen, die die technologischen Umwälzungen mit sich bringen. Legen doch letztere nahe, das fremdsprachliche Klassenzimmer als institutionellen Ort des Lehrens und Lernens von Sprachen neu zu bestimmen, nämlich als ein Ensemble vernetzter Lernorte. In diesem nimmt das Klassenzimmer, so wie wir es kennen, nach wie vor eine zentrale Stelle ein. Aber es ist zugleich in vielfacher Weise mit der Lebenswelt und anderen Lernorten verknüpft. Es schafft das Umfeld für virtuelle und direkte Begegnungen, fungiert als Produktionsort multimodaler Texte und stellt den Reflexionsraum für individuelles und kooperatives Lernen bereit. Didaktische Arrangements sind gefragt, die diese neuen Möglichkeiten produktiv nutzen und die Herausforderungen zu meistern helfen (vgl. Legutke 2015).
Dass es dabei in einem erheblichen Maße auf die Lehrkraft ankommt, haben die Diskussionen um Hatties Metastudie (Hattie 2008, 2011; Terhart 2014) eindrücklich bestätigt. Gefragt sind fremdsprachlich, fachdidaktisch und pädagogisch qualifizierte Lehrkräfte, denen es gelingt, zusammen mit den Lernenden einen lebendigen (Fremd)Sprachenunterricht zu gestalten, in dem genau jene oben angesprochenen Schlüsselkompetenzen zur Entfaltung kommen können. Die Frage, wann, wo und wie zukünftige und bereits praktizierende Lehrkräfte entsprechend qualifiziert werden, scheint leicht beantwortet: in den im europäischen Vergleich höchst komplexen und anspruchsvollen Lehrerbildungsprogrammen der Bundesländer, die auch dort, wo die Umstellung auf BA und MA erfolgte, für die erste Ausbildungsphase an einem breit angelegten Zweifachstudium festhalten, das fachwissenschaftliche, fachdidaktische, bildungswissenschaftliche wie unterrrichtspraktische Anteile vorhält. Trotz aller Reformen hat sich die fremdsprachliche Lehrerbildung in seiner Grundstruktur kaum verändert. Sucht man jedoch nach Studien, die die Bildungsprozesse dieser komplexen Programme oder ihre Effekte für die Ausbildung der Kompetenzen der Lehrkräfte erforschen, wird man bis heute kaum fündig: Die fremdsprachendidaktische Forschung im deutschsprachigen Raum hat sich dieser Zusammenhänge erst in jüngster Zeit angenommen (Roters/Trautmann 2014 mit Überblick).
Diesen Umstand könnte man so deuten, als seien die positiven Effekte der Programme, die Angemessenheit der Inhalte und Lehr- und Lernarrangements über viele Jahre hinweg im deutschsprachigen Raum als gegeben angenommen worden. Ein Blick in die internationale fremd- und zweitsprachliche Lehr- und Professionsforschung legt hingegen nahe, die Wirkungsmechanismen in Aus- und Fortbildungsprogrammen zu hinterfragen: Sie stellen aus gutem Grund einen genuinen Forschungsgegenstand dar. In den letzten vierzig Jahren haben Studien zur Lehrerbildung (second/foreign language teacher education and professional development) erheblich an Bedeutung gewonnen und dabei unter anderem verdeutlicht, weshalb Urteile über den Erfolg von Aus- und Fortbildungsprozessen auf empirischen Erkenntnissen beruhen sollten (z.B. Singh/Richards 2006; Wideen u.a. 1998).
Die Diskussion wird allerdings in auffälliger Weise durch Englisch als Fremd- und Zweitsprache dominiert. Forschungen, das Lehren anderer Sprachen betreffend, und nicht englischsprachige Publikationen finden international durchweg keine Beachtung. Da ein umfassender Forschungsbericht den Rahmen dieser Einleitung sprengen würde, verweisen wir auf die einschlägigen Artikel zum State-of-the-Art (Man 2005, Wright 2010) und vergleichbare Überblicksdarstellungen (Burns/Richards 2009, Benitt 2016: 28–77, Crandall/Christison 2016). Wie Crandall/Christison aufzeigen, lassen sich innerhalb der anglo-amerikanischen Forschungen seit den 1990er Jahren die folgenden Schwerpunkte identifizieren, an denen die gesamte Breite des Forschungsfelds deutlich wird:
Language teacher cognition, teacher experience, and novice teacher development
Teacher identity, globalization, and non-native English speaking teachers
Reflection and reflective teaching
Classroom research, action research, and teacher research
Language teacher learning, collaboration, communities of practice (…) and professional learning communities (Crandall/Christison 2016: 6)
Bei der Durschicht der Forschungsberichte fällt auf, dass sich auch unter den englischsprachigen Publikationen so gut wie keine Studien finden lassen, die die Prozesse der universitären und postuniversitären Lehrerbildung selbst, die dort zum Einsatz kommenden Lehr- und Lernformen in Verbindung mit den erarbeiteten und vermittelten fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Inhalten untersuchen. Auf dieses deutliche Manko weist auch Karen Johnson hin, wenn sie, gestützt auf soziokulturelle Lerntheorien, für eine Forschung plädiert, die sich mit dem befasst „what happens inside the the practices of L2 teacher education“ (Johnson 2015: 515). Wie wir im Folgenden darlegen werden, schreiben auch wir dieser Frage eine zentrale Bedeutung zu, und Antworten aus verschiedenen Kontexten von Aus- und Fortbildung finden sich in mehreren Beiträgen dieses Bandes.
Auch wenn, wie oben angedeutet, die fremdsprachendidaktische empirische Lehrerbildungsforschung im deutschsprachigen Raum kaum entwickelt ist, lässt sich während der letzten dreißig Jahre parallel zur internationalen Entwicklung ein zunehmendes Interesse an der Lehrperson feststellen; die Fachdidaktik beginnt sich zum einen für den Zusammenhang von Lehrerwissen (Erfahrungswissen) und praktischer Unterrichtskompetenz zu interessieren (Appel 2000), zum anderen versuchen Forschende aus unterschiedlichen fachdidaktischen Perspektiven zu ergründen, „was in den Köpfen von Fremdsprachenlehrer(inne)n vorgeht“ (Caspari 2014). Untersucht werden u.a. subjektive Sichtweisen von Lehrkräften zu interkulturellem Lernen und zur Mehrsprachigkeit, zum beruflichen Selbstverständnis. Gegenstand sind Reflexionsprozesse und Kognitionen, Berufsbiographien, das Erfahrungswissen oder die Verarbeitung und Einschätzung der universitären Ausbildung in den ersten Phasen selbständiger Berufstätigkeit (Überblick und Zusammenfassung bei Caspari 2014). Ohne Frage haben diese Studien Implikationen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Fremdsprachenlehrkräften; sie werden vielfach am Ende der Studien zu Empfehlungen gebündelt oder sie sind aus Vorschlägen für weitere Forschungen, mit denen die Studien enden, abzuleiten. Solche Einsichten systematisch zusammenzustellen und auszuwerten, könnte die Lehrerbildungsforschung sicher bereichern. Wir werden im Folgenden auf einige von ihnen Bezug nehmen.
Neben dem deutlich gewachsenen Interesse an der Lehrperson sind wenige Arbeiten zu nennen, die fremdsprachliche Lehrerbildungsprozesse explizit untersuchen. Dem Bereich Lehrerfortbildung zuzuordnen sind beispielsweise Paul Meyermanns Fallstudie zur Qualifizierung von Deutschlehrkräften in Costa Rica (1995) und Marita Schockers vergleichende Mehrfachfallstudie zur teilnehmerorientierten Fortbildung (Schocker-v. Ditfurth 1992). Die Rolle der schulpraktischen Studien als zentraler Baustein der Ausbildung wurde von Gabel (1997), Schocker-v. Ditfurth (2001), Elsner (2010) und Schädlich (2011, 2015) untersucht. In einer vergleichenden Studie ermittelte Roters (2012) die Reflexionsniveaus von Novizen, indem sie Lerngelegenheiten für Studierende an einer deutschen und einer US-amerikanischen Universität herausarbeitete, um dann die unter diesen Lernbedingungen entstandenen studentischen Reflexionen zu analysieren. Im Kontext eines innovativen Blended-learning Master Programms für Primarschullehrkräfte im Fach Englisch erforschten Zibelius kooperatives Lernen als ein Kernelement der Ausbildung (Zibelius 2015) und Benitt die Funktion von Aktionsforschungsprojekten für die Ausbildung von Lehrkompetenz und die Stärkung professionellen Selbstvertrauens (Benitt 2015). Forschungen, die sich der zweiten Ausbildungsphase, dem Referendariat, widmen, sucht man vergeblich. Dieses neue Forschungsfeld eröffnet der Beitrag von Gerlach/Steiniger im vorliegenden Band.
Alle bisher genannten Studien, einschließlich der von Caspari (2014) zusammengestellten, sind Einzelarbeiten, sie sind also in keinem größeren Forschungsverbund entstanden. Ferner handelt es sich fast ausschließlich um Qualifikationsarbeiten, d.h. sie wurden von Forschungsnovizen geleistet. Diese Bestimmungsmerkmale sprechen keinesfalls gegen ihre Qualität, belegen jedoch, dass sich die etablierten Fachdidaktiker und Fachdidaktikerinnen dem Forschungsfeld bisher nicht angenommen haben. Dem Mangel an Engagement für die Erforschung der eigenen Lehre (einschließlich ihrer institutionellen Bedingungen und dynamischen Prozesse), die ja eine zentrale Aufgabe der Wissenschaftler ausmacht, stehen allerdings zahlreiche Positionspapiere gegenüber, mit denen etablierte Vertreter der Fachdidaktik den Reformprozess der letzten Jahrzehnte kommentieren und dabei Forschungsperspektiven skizzieren, die bis heute allerdings nicht konkretisiert wurden (z.B. Zydatiß 1996; Bausch u.a. 1997, 2003).
Am Beginn unserer Bestandsaufnahme bleibt somit festzuhalten, dass die Fremdsprachenforschung über Jahrzehnte hinweg die Aus- und Fortbildungspraxis bestenfalls als einen Nebenschauplatz empirischer Forschung behandelte. Damit manövrierte sie sich gerade in den letzten Jahren zunehmend in einen Widerspruch, werden doch Studierende in den Fremdsprachendidaktiken in den BA und MA Programmen immer öfter zum forschenden Lernen angehalten. Und auch der Umfang an Publikationen, in denen das Potenzial von Aktionsforschung für das Verstehen und die Weiterentwicklung von Lehr- und Lernsituationen aus theoretischer Perspektive dargestellt wird, hat beträchtlich zugenommen. Positiv ist indes zu vermerken, dass das Forschungsfeld in jüngster Zeit bewusster wahrgenommen und aktiver erschlossen wird (vgl. z.B. Klippel 2016). Davon zeugen nicht zuletzt die Beiträge dieses Bandes. Welche neuen Akzente sie setzen und wie sie an Vorhandenem anschließen, möchten wir im Folgenden verdeutlichen, indem wir sie im Rahmen einer zeitgemäßen Aus- und Fortbildung verorten.
Modelle, die das professionelle Wissen und Können von Lehrenden veranschaulichen und damit der Ausbildung als Orientierung dienen können, beziehen sich zumeist auf Shulmans (1987) Typologie und seine Unterscheidung von Fachwissen, fachdidaktischem Wissen und pädagogischem Wissen (z.B. Baumert/Kunert 2006: 482; Blömeke 2011:15; Hallett 2006: 36). Eine Aufgliederung, die sich auch deshalb weitgehend durchsetzen konnte, weil sie die Grenzverläufe zwischen den an der Lehrerausbildung beteiligten akademischen Disziplinen nachzeichnet. Gleichwohl handelt es sich zunächst nur um ein theoretisches Konstrukt, von dessen empirischer Begründung wir gerade im Bereich der Fremdsprachendidaktik noch weit entfernt sind. Für die Forschung sind Shulmans Typologie und die auf ihr basierenden Modelle vor allem deshalb von besonderem Interesse, weil sie – als eine Heuristik gedeutet – Ansatzpunkte für die empirische Erfassung der für den Lehrberuf notwendigen Kompetenzen bieten.
In der Fremdsprachenforschung waren empirische Studien zum Wissen und Können von Lehrenden bisher vor allem dem explorativ-qualitativen Forschungsparadigma verpflichtet (z.B. Appel 2000; Schocker-von Ditfurth 2001; Zibelius 2015). Ihnen treten erst in jüngster Zeit Arbeiten mit einem quantitativen Zugang gegenüber (Roters/Trautmann 2014 mit Überblick). Diese knüpfen an die umfangreichen Vorleistungen an, die zum Schulfach Mathematik in Studien wie COACTIV, TEDS-M und MT21 erbracht wurden (Überblick bei König 2014: 625). Die augenfällige Konzentration auf den mathematischen Bereich erscheint naheliegend, handelt es sich doch – gerade im Vergleich zu den Fremdsprachen – um ein vergleichsweise gut konturiertes Wissens- und Fertigkeitsgebiet. Die für Testverfahren notwendige Operationalisierung der Wissensdomänen fällt dadurch leichter als bei den fremdsprachlichen Fächern mit ihrer deutlich stärkeren Differenzierung (z.B. in Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft, Kulturstudien, Fachdidaktik, Sprachpraxis).
Für angehende Mathematiklehrkräfte konnte gezeigt werden, dass sich die theoretische Unterscheidung von mathematischem und mathematikdidaktischem Wissen auch empirisch dokumentieren lässt und beide Domänen – zumindest in Deutschland – zugleich einen hohen Zusammenhang aufweisen (Blömeke 2011:8f). Ermutigt von solchen vielversprechenden Ergebnissen lässt sich in den letzten Jahren beobachten, wie der quantitative Forschungsansatz auch im Umfeld des Fremdsprachenunterrichts allmählich mehr Beachtung findet und sich die „dürftige Forschungslage“ (Roters u.a. 2013: 156) zu verbessern beginnt.
Eine wegweisende Rolle kommt dabei zweifelsohne der TEDS-LT-Studie zu (Teacher Education and Development Study – Learning to Teach, Blömeke u.a. 2011; Blömeke u.a. 2013; Roters u.a. 2013). Sie führte zu der Erkenntnis, dass für das Fachwissen von angehenden Englischlehrenden Subdimensionen bedeutsam sind, die eher gering korrelieren. Angesichts der bereits erwähnten Heterogenität dessen, was man in den fremdsprachlichen Fächern als Fachwissen bezeichnen kann, ein nicht unerwarteter Befund. Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass im Unterschied zum Fach Mathematik der Zusammenhang von Fachwissen und fachdidaktischem Wissen deutlich schwächer ausfällt. Letzteres steht stattdessen eher mit dem pädagogischen Wissen in Verbindung. Die von Voss u.a. (2015: 214) geäußerten Zweifel daran, dass das pädagogische Wissen tatsächlich fächerübergreifend konzeptualisiert werden kann, erscheinen demnach gerade vor dem Hintergrund der Fremdsprachendidaktik mit ihrer eigenständigen Forschungstradition zu wichtigen pädagogischen Aspekten wie Lehr- und Lernmethoden, Unterrichtsinteraktion oder Lernbiografien berechtigt.
Es spricht einiges dafür, dass die Erforschung professioneller Kompetenzen von Fremdsprachenlehrenden fachspezifische Herangehensweisen erfordert und gleich mehrere Arbeiten im vorliegenden Band widmen sich dieser Aufgabe. Während sich die Studien von Kirchhoff und Hoinkes/Weigand in ihrem Design an quantitativen Vorarbeiten orientieren, verfolgen Diener und Gießler qualitativ-interpretative Ansätze, um die Entwicklung des professionellen Wissens im Verlauf der Ausbildung zu erfassen.
Sowohl Kirchhoff als auch Hoinkes/Weigand setzen sich mit dem Problem einer angemessenen Gestaltung von Testitems angesichts der spezifischen Struktur von Fachwissenschaft und Fachdidaktik in den Fremdsprachen auseinander. Und beide Arbeiten thematisieren im Besonderen die Verknüpfung dieser Wissensdomänen. Kirchhoffs Beitrag ist im Kontext der Studie FALKO-E verortet, einem Populationstest, in dem Fallvignetten zum Einsatz kommen. Auf diese Weise soll über das deklarative Wissen hinaus auch die Entwicklung des Erfahrungswissens im Verlauf des Professionalisierungsprozesses im Lehrberuf nachgezeichnet werden. Hoinkes/Weigand hingegen widmen sich im Rahmen der ZeBiG-Studie der Frage, mit welchen Messinstrumenten die Schnittmenge von Fachwissen und fachdidaktischem Wissen beim Aufbau des Professionswissens angehender Lehrender für das Fach Spanisch bestimmt werden kann. Am Beispiel der Bedeutung linguistischen Fachwissens für die Förderung der Sprachkompetenz veranschaulichen sie den komplexen Prozess der Item-Bildung.
TEDSLT201314
Wie jede Form von Unterricht ist auch die Ausbildung von Fremdsprachenlehrenden untrennbar an die lokalen Bedingungen gebunden, unter denen sie stattfindet (siehe dazu auch König/Klemenz 2015). Auf die zentrale Bedeutung des Kontextes werden wir daher im Folgenden immer wieder zurückkommen.