Vorbemerkung des Herausgebers

In seinem letzten Roman ›Jeder stirbt für sich allein‹ schildert Hans Fallada den authentischen Fall des Ehepaars Otto und Elise Hampel, das Postkarten-Flugblätter gegen Hitler an öffentlichen Plätzen Berlins auslegte, dafür denunziert und 1943 hingerichtet wurde. Im Roman tragen die Protagonisten die Namen Anna und Otto Quangel.

Ursprünglich durchaus Anhänger Hitlers, wächst das Unbehagen der Quangels gegen das Nazi-Regime zunehmend; den letzten Anstoß zum Widerstand gibt die Nachricht vom Tod des Sohnes an der Kriegsfront. Die Eheleute beginnen einen einsamen und stillen Kampf gegen das Naziregime und legen auf Postkarten geschriebene Botschaften des Widerstands an öffentlichen Plätzen der Stadt aus, wie: »Der gemeine Soldat Hitler und seine Bande stürzen uns in den Abgrund.«

Doch Falladas Roman schildert nicht nur das Einzelschicksal dieser mutigen Eheleute, sondern er zeigt mittels zahlreicher weiterer Romanfiguren das Kaleidoskop des Schreckens im Terrorregime: Einschüchterung, Bespitzelung, Unterdrückung des freien Willens, Denunziation, Suizid und Mord. So urteilte der italienische Schriftsteller und Auschwitz-Überlebende Primo Levi: »Das beste Buch, das je über den deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus geschrieben wurde.«

Die Erstausgabe erschien 1947 und war damals – vermutlich ohne Zustimmung des Verfassers – vom Verlag gekürzt und in Details verändert worden. Erst durch eine Neuübersetzung ins Englische im Jahr 2009, die auf der Ursprungsfassung beruhte, wurde das Werk im Original ›wiederentdeckt‹, und erscheint seither auch in Deutschland in der international hochgelobten Urversion. So auch dieses vorliegende eBook.

© Redaktion eClassica, 2018

 

Über den Autor: Hans Fallada (eigentlich Rudolf Ditzen) (1883–1947) war der produktivste deutsche Schriftsteller der 30er Jahre. In der Zeit des Nationalsozialismus lebte Fallada als »unerwünschter Autor« zurückgezogen auf einem Anwesen in Mecklenburg. Einige seiner Bücher waren von den Nazis aber auch geduldet, weil sie die Weimarer Republik kritisierten, wodurch er persönlicher Verfolgung entging.

Lesen Sie mehr über den Autor im Anhang

 

 


Vorbemerkung des Autors

Die Geschehnisse dieses Buches folgen in großen Zügen Akten der Gestapo1 über die illegale Tätigkeit eines Berliner Arbeiter-Ehepaares während der Jahre 1940 bis 1942. Nur in großen Zügen – ein Roman hat eigene Gesetze und kann nicht in allem der Wirklichkeit folgen. Darum hat es der Verfasser auch vermieden, Authentisches über das Privatleben dieser beiden Menschen zu erfahren: er musste sie so schildern, wie sie ihm vor Augen standen. Sie sind also zwei Gestalten der Phantasie, wie auch alle anderen Figuren dieses Romans frei erfunden sind. Trotzdem glaubt der Verfasser an »die innere Wahrheit« des Erzählten, wenn auch manche Einzelheit den tatsächlichen Verhältnissen nicht ganz entspricht.

Mancher Leser wird finden, dass in diesem Buche reichlich viel gequält und gestorben wird. Der Verfasser gestattet sich, darauf aufmerksam zu machen, dass in diesem Buche fast ausschließlich von Menschen die Rede ist, die gegen das Hitlerregime ankämpften, von ihnen und ihren Verfolgern. In diesen Kreisen wurde in den Jahren 1940 bis 1942 und vorher und nachher ziemlich viel gestorben. Etwa ein gutes Drittel dieses Buches spielt in Gefängnissen und Irrenhäusern, und auch in ihnen war das Sterben sehr im Schwange. Es hat dem Verfasser auch oft nicht gefallen, ein so düsteres Gemälde zu entwerfen, aber mehr Helligkeit hätte Lüge bedeutet.

Berlin, am 26. Oktober 1946

H. F.