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Nr. 7

 

Land der Seligen

 

Gucky in geheimer Mission – auf Olymp steht ein Aufstand bevor

 

Madeleine Puljic

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Piri Harper

2. Gucky

3. Piri Harper

4. Gucky

5. Piri Harper

6. Gucky

7. Piri Harper

8. Gucky

9. Trade City

10. Gucky

11. Piri Harper

12. Ypheris Bogyr

Lesermagazin

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

Das Jahr 1550 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Seit über 3000 Jahren reisen die Menschen zu den Sternen. Sie haben zahlreiche Planeten besiedelt und sind faszinierenden Fremdvölkern begegnet. Sie haben Freunde ebenso wie Gegner gefunden, streben nach Verständigung und Kooperation.

Besonders Perry Rhodan, der die Menschheit von Beginn an ins All geleitet hat, steht im Zentrum dieser Bemühungen. Mit der Gründung der Liga Freier Galaktiker tragen diese Bestrebungen inzwischen Früchte. Eine neue Ära des Friedens bricht an.

Aber nicht alle Gruppierungen in der Milchstraße sind mit den aktuellen Verhältnissen zufrieden – besonders die Tefroder hegen eigene Pläne. Rhodan wird in diese Aktivitäten verwickelt, als er zur Museumswelt Shoraz reist.

Während Sichu Dorksteiger und Gucky sich den Tefrodern vorerst entziehen können, sitzt Perry Rhodan weiterhin in Gefangenschaft. Auf Olymp gehen die Proteste gegen den korrupten Kaiser weiter. Aber es fehlt eine Führungsfigur für die Rebellen. Sie suchen daher Unterstützung im LAND DER SELIGEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Gucky – Der Mausbiber begibt sich auf geheime Mission.

Talin Buff – Der Rospaner erweckt Guckys Mitleid.

Piri Harper und Frank Sulu – Die Olymper geraten im Urlaubsparadies an einen Drogenhändler.

Krystophar – Der mysteriöse Olymper versteckt sich im Land der Seligen.

1.

Piri Harper

Trade City, Olymp, 13. Mai 1550 NGZ

 

Piri Harper erwachte in absoluter Finsternis. Ihr Rücken schmerzte, und ihr fehlte jede Orientierung. Wo war sie? Verwirrt tastete sie umher, fand eine Decke und flache Matten, aber keinen Anhaltspunkt.

Von irgendwo drang das an- und abschwellende Gemurmel unzähliger Stimmen heran. Dann sprang mit einiger Verzögerung endlich auch der olfaktorische Teil ihres Neurotecs an, und mit dem Geruch von Sandelholz und Räucherstäbchen, den die Positronik ihr vorgaukelte, kam die Erinnerung an den vergangenen Abend zurück.

Sie befand sich nicht in ihrer Wohnung, auch nicht in der des Schlichters Frank Sulu, bei dem sie in letzter Zeit untergekommen war, sondern in der Residenz von Ram Nanuku, seines Zeichens Erleuchteter von Olymp. Noch am Vortag hätte Harper ihn als gewieften Scharlatan bezeichnet. An sein Getue von Friede-Freude-Belbakuchen glaubte sie nach wie vor nicht. Doch inzwischen hatte sie eingesehen, dass er vor allem eins war: ein cleverer und verdammt einflussreicher Geschäftsmann.

»Licht an!«, befahl sie. Ohne Ergebnis. Der Guru beharrte offenbar auch in diesen Dingen auf seinen Marotten, sonst hätte er die Sprachsteuerung der Hauspositronik nicht desaktiviert.

Harper rollte mit den Augen, hob die Hände und klatschte. Augenblicklich wurden die Fenster des Zimmers volltransparent. Geblendet blinzelte Harper in das jäh hereinfallende, rote Tageslicht. Olymps Sonne stand bereits hoch am Himmel, Harper hatte länger geschlafen, als sie gedacht hatte. Dabei hatte sie nach der Aufregung der zurückliegenden Stunden befürchtet, überhaupt keinen Schlaf zu finden.

Amtsenthebung des Argyris. Von so einer Story träumte jeder Mediant. Harper hatte sich persönlich bislang zwar mehr für die schönen Dinge des Lebens begeistert, aber ein Skandal war ein Skandal. Sie hätte allerdings niemals erwartet, sich auf der aktiven Seite dieser Affäre wiederzufinden.

Seltsame Zeiten erforderten eben ungewöhnliche Taten. Wenn die freie Handelswelt Olymp von tefrodischen Truppen besetzt wurde und der gewählte Kaiser sein Volk dem Feind auf dem Silbertablett servierte, halfen keine schönen Worte und keine Kunst. Obendrein hatte sie eine ganz persönliche Rechnung mit den kaiserlichen Schergen zu begleichen.

Piri Harper rappelte sich von dem Futon hoch, den Nanuku für sie mitten auf dem Bambusteppich hatte platzieren lassen, und streckte den Rücken durch, bis er knackte. Sie versuchte, die Sache trotz malträtierter Wirbelsäule positiv zu sehen: Immerhin hatte der Trivid-Guru ihr kein Nagelbett zugemutet.

Sie aktivierte eine Spiegelfläche an der Wand, zupfte notdürftig ihre Frisur zurecht und wischte das Feld beiseite. Sulu hatte sie bereits in schlimmerem Zustand erlebt, während er sie nach dem Anschlag auf ihren Neurotec wieder aufgepäppelt hatte. Es waren die anderen beiden, denen sie lieber frisch und munter gegenübergetreten wäre. Den Leuten, mit denen sie eine Revolution anzettelte.

 

*

 

Als Piri Harper den lichtdurchfluteten Wohnbereich von der Größe einer Turnhalle betrat, hatte sich Sulu bequem auf einer Auswahl der unzähligen Kissen platziert, die auf dem Fußboden verteilt waren. Er tippte auf seinem Multifunktionsarmband herum und schlürfte etwas aus einer dampfenden Tasse, was nach einem äußerst spirituellen Tee roch. Sulus zerknittertes Hemd bewies, dass auch er in seinen Klamotten geschlafen hatte.

Nicht so Ram Nanuku. Der Guru saß in perfektem Schneidersitz ein paar Kissen weiter, der Rücken gerade, kein Härchen seines grauen Barts lag am falschen Platz. Sein heller Kimono war mit floralen Mustern bestickt und saß wie angegossen. Dennoch wirkte er, als hätte er an all das keinen Gedanken verschwendet. Wie er so dasaß, den Kopf andachtsvoll gesenkt, die Hände im Schoß gefaltet, schien der Guru die Ruhe selbst zu sein. Eins mit sich und dem Universum, sowohl dem physischen als auch dem in seinem Innern.

War ja klar, dachte Harper. Im Gegensatz zu ihr verbrachte der Guru seine Zeit vor der Kamera, nicht dahinter. Kein Wunder also, dass er großen Wert auf sein Erscheinungsbild legte.

Nachgerade wegen der Wirkung, die er mit seinem Auftreten auf seine Anhänger hatte, hatten Harper und ihre zwei Gefährten ihn schließlich aufgesucht. Vermutete Harper jedenfalls, denn der Vorschlag war nicht aus der Bürgerversammlung entstanden, sondern von Derin Paca gekommen. Und die hatte es nicht der Mühe wert gefunden, ihre Gedankengänge zu erklären.

Wo sie schon beim Thema war ... »Wo ist Derin?«

Nanuku blickte auf, und nun erst bemerkte Harper den kleinen, tragbaren Holoprojektor, den er in den Händen hielt. So viel zur Andacht. Der Guru hatte nicht meditiert, er hatte das Programm eines Trivid-Senders verfolgt!

Der Anblick rief Harper schmerzlich ihre eigene Isolation in Erinnerung. Von der Mediantin, die jederzeit und überall über ihren Neurotec mit ihrem Publikum und der Welt in Verbindung treten konnte, war sie nun also zu einer Frau verkommen, die jemandem seinen Holoprojektor neidete.

Piri, du bist erbärmlich.

Es war an der Zeit, dass Olymp wieder frei wurde. Pressefreiheit für Olymp und Netzwerkzugang für Piri Harper. Wenn das mal kein Motto war!

Allerdings lag die Hauptpriorität ihrer Rebellion ein paar Stufen höher. Die Presse war nicht das Einzige, was auf Olymp unterdrückt werden würde, wenn die Tefroder die Macht übernahmen.

Harper sah in die warmen, verständnisvollen Augen des Gurus und registrierte beschämt, dass sie so sehr in ihre Gedanken versunken gewesen war, dass sie seine Antwort überhaupt nicht mitbekommen hatte.

»Entschuldige«, murmelte sie.

»Ich bin hier«, hörte sie eine leise, melodische Stimme hinter sich.

War die Aufmachung des Mediengurus bereits beeindruckend gewesen, war das jedoch nichts gegen das makellose Erscheinungsbild ihrer mysteriösen Begleiterin. Die rotblonden Locken umrahmten ihr delikates Gesicht, das dezente Make-up um die Augen betonte die rot geschminkten Lippen. Die weiße, uniformähnliche Kleidung, die Derin Paca am Vorabend für die Trivid-Übertragung angelegt hatte, hatte sie gegen die Kombination aus einer dunklen Bluse und einer Hose getauscht, die wie eine hübschere Version eines Einsatzanzugs anmutete. Die Aufmachung sah praktisch aus, aber Harper war sicher, dass Paca nichts davon dem Zufall überlassen hatte.

Durchgestylt bis zu den manikürten Fingernägeln. Und verflucht noch eins, es wirkte. Harper musste zugeben, dass sie in der Nähe der Rebellin unwillkürlich aufrechter stand.

Paca nickte ihr zu. »Ich habe mich ein wenig umgehört. Auf den Straßen ist der Teufel los.«

Mit diesen Worten tänzelte sie geradezu durch den Raum, vorbei an dem plätschernden Zimmerbrunnen. Sie ließ sich grazil auf eins der Sitzkissen neben Nanuku nieder und streckte die Hand nach dem Projektor aus. Sobald der Guru ihr die flache Scheibe ausgehändigt hatte, aktivierte sie das Hologramm und vergrößerte es, sodass alle im Raum sehen konnten, was sie meinte.

 

*

 

In ihrer Trivid-Ansprache hatten Nanuku und Paca die Olymper aufgefordert, auf die Straße zu gehen. Harper kannte die Umfragen, die im globalen Kommunikationsnetz kursierten. Zwar ließ die Medienabteilung des Kaisers alle kritischen Inhalte umgehend sperren, aber schon die Ergebnisse, die sich innerhalb der wenigen Minuten abzeichneten, bis die Zensur des Argyris griff, zeigten ein klares Bild. Olymp verabscheute seine Besatzer.

Es war jedoch eine Sache, die Stimmung im Komnetz zu ermitteln – und eine völlig andere, konkret zu sehen, wie unzählige Olymper unterschiedlichster Völker Schulter an Schulter, Flügel an Kieme demonstrierend durch die Straßen von Trade City zogen. Friedlich, wie Nanuku es verlangt hatte – aber zu allem entschlossen.

Nun war auch klar, was das leise Gemurmel gewesen war, das sie geweckt hatte – es waren die Stimmen von Abertausenden Olympern, die dem Platz der Morgendämmerung zustrebten.

Harper sah Mehandor, Cheborparner, Arkoniden, Jülziish und sogar zwei oder drei Topsider. Dazwischen einige Spezies mehr, die von außerhalb gekommen sein mussten und sich von dem olympischen Geist der Zusammengehörigkeit hatten anstecken lassen. Sie füllten die Straßen von Trade City von einer Häuserwand zur nächsten.

Viele der Läden waren geschlossen, dafür hatten die Imbissbudenbesitzer ihre Chance erkannt und versorgten die Demonstranten mit allem, was sie brauchten. Wer seinen Geldchip hochhielt, bekam Getränke, Grillfleisch, Tacos und mehr einfach zugeworfen. Die Abrechnungsoptik der Geschäftsleute erledigte den Bezahlvorgang automatisch.

Über den Köpfen der Menge schwebten Holoschilder mit dem Gesicht von Nanuku, vereinzelt aber auch mit Standbildern aus der Übertragung, die Paca an der Seite des Spiritisten zeigten. Dazwischen schalteten die Schilder immer wieder um, verkündeten Botschaften wie »Olymp bleibt frei«, »Argyris Mogaw, besinne dich!« und »Olymp hat gewählt – Olymp wird wieder wählen«. Einige gingen sogar noch weiter und verlangten, den Argyris sofort zu entmachten.

Gib Leuten eine Richtung, und sie werden gehen. Gib ihnen die Mittel, und sie werden kämpfen. Gib ihnen den Glauben, und sie werden fliegen. War es nicht ein terranischer Philosoph gewesen, der das gesagt hatte? Er war Thema eines Seminars für angehende Journalisten gewesen, das Piri Harper einmal besucht hatte. Sie erinnerte sich nicht mehr an den Namen.

Die Möglichkeit des Amtsenthebungsverfahrens hatte jedenfalls Wunder bewirkt.

 

*

 

»Respekt«, kommentierte Frank Sulu. »Da habt ihr ja ganz schön was in Bewegung gesetzt.«

»Leider nicht nur wir.« Derin Paca tippte an das Holo und wechselte zu einer anderen Liveübertragung. Diese zeigte den Platz der Morgendämmerung, der völlig verwaist dalag. Das lag allerdings nicht an einem Mangel an Demonstranten. Vielmehr riegelten tefrodische Soldaten den Platz großflächig ab. Sie waren schwer bewaffnet, als würde ihre Absperrung nicht friedliche Demonstranten, sondern einen wütenden Mob zurückhalten, der sie jederzeit mit Molotow-Cocktails und Heugabeln angreifen mochte.

Paca stieß ein helles Lachen aus. »Mogaw glaubt, er könnte die Demonstration aufhalten, indem er uns den Zugang zum Versammlungsort verwehrt. Ich frage mich, ob das wirklich seine beschränkte Sicht der Dinge ist, oder ob auch hier Onara Gholad dahintersteckt. Zuzutrauen wäre es der Tefroderin jedenfalls, uns derart falsch einzuschätzen.«

Ram Nanuku schaltete das Holo aus und nahm ihr den Projektor wieder ab. »Ein Missverständnis, das mich nicht unbedingt mit Freude erfüllt«, sagte er. »Die tefrodischen Soldaten sind nervös. Nach dem Aufruhr der vergangenen Tage erwarten sie bei einem derartigen Auflauf eine Eskalation, und mit dieser Befürchtung haben sie nicht ganz unrecht. Die Truppen sind verstärkt worden ... Und ich würde sagen, die Finger liegen nicht nur zufällig am Abzug ihrer Strahler. Ich möchte kein Blutbad in meiner Stadt – noch weniger, wenn es mein Abbild trägt.«

Paca wurde ernst. »Eine Eskalation möchte ich ebenso verhindern wie du, mein Freund«, beruhigte sie ihn. »Und deshalb brauchen wir dich auf unserer Seite. Ich vermute, dass Gholad es genau darauf anlegt. Sie will einen Grund, und wenn wir nicht eingreifen, werden die Olymper ihn ihr liefern. Wir müssen die Bevölkerung beruhigen und in eine demokratische Richtung lenken, ehe die Tefroder sie so weit provozieren, dass ein Unglück geschieht.«

Piri Harper schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber wozu? Was hätte Gholad davon? Damit würde sie doch bloß weiter den Hass gegen das Neue Tamanium schüren.«

»Politik«, antwortete Paca. »Nach allem, was passiert ist, glaube ich nicht, dass Gholad eine beliebige militärische Handlangerin ist. Sie verfolgt ein politisches Ziel. Wahrscheinlich will sie Tamrätin werden.«

Allmählich begriff Harper. »Und indem sie Olymp destabilisiert ...«

»... glaubt sie zu beweisen, dass wir den Schutz und die Ordnung des Tamaniums benötigen.«

»Sie wäre nicht die Erste, die ein Blutvergießen forciert, um sich in eine bessere Position zu hebeln«, pflichtete Sulu ihr bei. »Die Tefroder haben schon einige kleinere Systeme auf diese Weise ›gewonnen‹.«

»So ist es«, bestätigte Paca. »Und damit ist auch klar, warum sie Beryn Mogaw unterstützt. Sie wird ihn zur politischen Marionette degradieren, und blind, wie er ist, wird er diese Konsequenzen erst viel zu spät bemerken. Hat Gholad Olymp erst einmal militärisch fest in der Hand, hat sie auch ihn.«

Nanuku brummte nachdenklich. Er strich sich über den langen, grauen Bart und fragte leise: »Könnt ihr denn irgendwas davon beweisen?«

Harper sah zu Sulu, der wiederum blickte zu Paca, die frustriert die Arme verschränkte und auf ihrem Sitzkissen zurückrutschte.

»Nein«, gestand sie. »Das sind nur naheliegende Vermutungen. Und ich bin mit Sicherheit nicht die Einzige, die diese Schlüsse zieht.«

»Das bestimmt nicht.« Bruchstücke dieser Theorie hatte Harper jedenfalls schon seit Tagen immer wieder im Netz gehört. Die Olymper waren nicht dumm.

»Umso wichtiger ist es, dass wir keinen Fehler begehen«, fuhr Paca fort. »Wir müssen jegliche Gewalt vermeiden. Auf keinen Fall dürfen wir den Tefrodern auch noch in die Hand spielen.«

Nanuku seufzte. Er erhob sich mit einer fließenden Bewegung, trat an den schmalen Tisch, der an der Fensterfront entlanglief, und goss sich eine Tasse Tee ein. »Du brauchst mich also, um den Frieden zu wahren.«

»Du weißt, dass es nicht nur das ist«, widersprach Derin Paca.

Der Guru winkte ab. Er pustete in seine Tasse und nippte daran. »Lassen wir die Schmeicheleien, Derin. Du weißt, dass ich lieber nicht in solche Sachen hineingezogen worden wäre. Aber es liegt mir fern, die Augen vor der Not zu verschließen, die auf Olymp herrscht. Ich werde dich unterstützen, solange es in meiner Macht steht.«

Paca lächelte zufrieden. »Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.«

»Schön.« Ram Nanuku leerte seine Tasse und stellte sie zurück auf den Tisch. »Da wäre nur noch eine kleine Sache.«

 

*

 

Jetzt kommt es, dachte Piri Harper.

Im Leben gab es nichts umsonst, und auf einem Handelsplaneten erst recht nicht. Es war schlau von dem Esoteriker, sich öffentlich als Anführer der Revolution zu bekennen und erst danach die Bedingungen auszuhandeln. Welchen Preis würde jemand verlangen, der das größte Etablissement von Trade Citys Vergnügungsviertel sein Eigen nannte?

Derin, was hast du uns nur eingebrockt?

»Ich kann das Volk beruhigen«, sagte der Guru. »Ich kann es friedlich halten. Aber ich bin nicht derjenige, hinter dem es sich versammeln wird. Das weißt du, meine Liebe.«

»Ich kann ...« Derin Paca verstummte, als Nanuku den Kopf schüttelte.

»Das Volk braucht einen Anführer, Derin. Dafür genüge ich allein nicht. Wir brauchen jemanden, der bedeutenden Einfluss hat, und zwar was Politik angeht, nicht den Frieden der Seele. Du weißt, an wen ich denke.«

Paca lachte erneut, aber diesmal glaubte Harper, die Unsicherheit darin zu erkennen. »Er?«, fragte die Rebellin. Sie schüttelte den Kopf. »Da muss ich dich enttäuschen, Ram. Er wird nicht kommen.«

»Nun, es käme auf einen Versuch an, nicht wahr?« Ram Nanuku grinste und zwirbelte seinen Bart.

»Krystophar hat sich schon vor über zwanzig Jahren davongemacht«, sagte Paca säuerlich. »Er hat alles aufgegeben und Olymp verlassen. Und über uns schwebt immer noch eine Blockadeflotte, falls du das vergessen hast. Der Raumverkehr um Olymp ist eingeschränkt. Selbst wenn er wollte, er könnte gar nicht zurückkommen.«

Krystophar? Harper blickte zu Sulu, doch der sah ebenso ratlos drein, wie sie sich fühlte. Sie kannte keine Person dieses Namens, eine bedeutende schon gar nicht. War das ein Kodename?

»Mir scheint, da kenne ich unseren gemeinsamen Freund ein wenig besser«, erwiderte der Guru. »Zufällig weiß ich nämlich, dass er sich seit ein paar Wochen wieder auf Olymp aufhält.«

Zum ersten Mal, seit Paca auf der Bürgerversammlung das Wort ergriffen hatte, erlebte Harper sie sprachlos.

»Ich ...« Paca räusperte sich, strich eine rotblonde Locke aus der Stirn und setzte erneut an. »Bist du sicher? Woher weißt du das?«

Nanuku zuckte mit den Schultern und ließ sich erneut im Lotussitz auf sein Kissen sinken. »Nun, ich wäre nicht der, der ich bin, wenn ich nicht genau über alles Bescheid wüsste, was auf Olymp vorgeht, nicht wahr? Er hat ein Quartier in Elysion bezogen.«

Ein Tourist demnach? Elysion trug seinen Namen nicht von ungefähr. Es war das Urlaubsparadies schlechthin, eine riesige touristische Anlage im Zentrum Hermeias. Was konnte jemand, der seit zwanzig Jahren keinen Fuß mehr auf Olymp gesetzt hatte und auch nun nicht mal die Hauptstadt besuchte, sondern mit einer Touristenfalle vorliebnahm, für die Revolution tun?

Diese Frage schien auch Paca zu beschäftigen. »Warum Elysion?«, fragte sie. »Wieso ist er überhaupt zurückgekommen? Und ...«

Der Guru hob eine Hand und brachte Paca damit zum Schweigen. »Das, meine Liebe, musst du bitte schön selbst herausfinden.«

Paca zog missmutig die Augenbrauen zusammen. »Hilfreich ist etwas anderes«, entgegnete sie schnippisch. Sie erhob sich, strich mit einer brüsken Bewegung ihre Bluse glatt und stolzierte aus dem Zimmer.