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Fußnoten

1

Harenbergs Lexikon der Weltliteratur. Autoren – Werke – Begriffe, Bd. 2: Coc-Hea, Dortmund 1989, S. 1078.

2

Brief vom Oktober 1835, in: Georg Büchner, Sämtliche Werke nebst Briefen und anderen Dokumenten, Gütersloh 1963, S. 446.

3

Brief von Karl Gutzkow vom 621836, in: Gerhard Schaub, Erläuterungen und Dokumente. Georg Büchner, »Lenz«, Stuttgart 1987, S. 72.

4

Schaub (s. Anm. 3), S. 82.

5

Arnold Zweig, in: Schaub (s. Anm. 3), S. 88.

6

Elias Canetti, in: Schaub (s. Anm. 3), S. 89.

7

Jan-Christoph Hauschild, Georg Büchner. Biographie, Stuttgart/Weimar 1993, S. 499.

8

Hauschild (s. Anm. 7), S. 499.

9

Der Bericht Oberlins, in: Georg Büchner, Lenz, hrsg. von Ralf Kellermann, Stuttgart 2015, S. 5971.

10

Udo Müller, Lektürehilfen. Georg Büchner. »Lenz«, Stuttgart/München [u. a.] 1997, S. 50.

11

Johann Wolfgang Goethe, Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche, Bd. 10: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, Zürich 1948, S. 547.

12

Sigrid Damm, Vögel, die verkünden Land. Das Leben des Jakob Michael Reinhold Lenz, Frankfurt a. M. / Leipzig 1992, S. 101.

13

Georg Büchner, Sämtliche Werke und Schriften, Historisch-kritische Ausgabe mit Quellendokumentation und Kommentar (Marburger Ausgabe), Bd. 5: Lenz, hrsg. von Burghard Dedner und Hubert Gersch, Darmstadt 2001, S. 140.

14

Büchner (s. Anm. 13), S. 141.

15

Büchner (s. Anm. 13), S. 141.

16

Büchner (s. Anm. 13), S. 161.

17

Büchner (s. Anm. 13), S. 166, 176.

18

Büchner (s. Anm. 13), S. 220.

19

Büchner (s. Anm. 13), S. 221.

20

Büchner (s. Anm. 2), S. 446.

21

Büchner (s. Anm. 13), S. 142 f.

22

Büchner (s. Anm. 13), S. 143.

23

Büchner (s. Anm. 13), S. 168.

24

Büchner (s. Anm. 13), S. 169.

25

Büchner (s. Anm. 13), S. 169.

26

Büchner (s. Anm. 13), S. 166.

27

Benno von Wiese, Georg Büchner. »Lenz«, in: B. v. W., Die deutsche Novelle von Goethe bis Kafka. Interpretationen II, Düsseldorf 1962, S. 105.

28

Wiese (s. Anm. 27), S. 105.

29

Büchner (s. Anm. 13), S. 129.

30

Büchner (s. Anm. 13), S. 181.

31

Johannes Hoffmeister, Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Hamburg 1955, S. 316.

32

Büchner (s. Anm. 13), S. 419.

33

Büchner (s. Anm. 13), S. 423.

34

Büchner (s. Anm. 2), S. 446.

35

Goethe (s. Anm. 11), S. 657.

36

Büchner (s. Anm. 13), S. 135.

37

Büchner (s. Anm. 13), S. 133.

38

Büchner (s. Anm. 2), S. 369.

39

Büchner (s. Anm. 2), S. 381.

40

Büchner (s. Anm. 2), S. 434.

41

Hauptwerke der deutschen Literatur. Einzeldarstellungen und Interpretationen, hrsg. von Rudolf Radler, Bd. 2: Vom Vormärz bis zur Gegenwartsliteratur, München 1994, S. 19.

42

Büchner (s. Anm. 13), S. 176.

43

Müller (Anm. 10), S. 56.

44

Brigitte Kronauer, Jeder Mensch ist ein Unikat in Detail und Variation. Dankrede zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises, in: FAZ vom 7112005.

45

Peter Schneider, Lenz, Köln 2008, S. 7. – © 2008 Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG, Köln.

46

Martin Walser, Woran Gott stirbt. Dankrede, in: Büchner-Preis-Reden. 19721983, Stuttgart 1984, S. 167 ff.  [auch in: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung: Jahrbuch, Göttingen 1982, S. 91–96 und online: www.deutscheakademie.de/de/auszeichnungen/georg-buechner-preis/martin-walser/dankrede] – © Mit Genehmigung von Martin Walser, Überlingen.

1. Schnelleinstieg

Für Der Büchner-Preis deutschsprachige Gegenwartsautoren ist es eine besondere Auszeichnung, wenn ihnen der Georg-Büchner-Preis zugesprochen wird. Dieser Preis, der 1923 vom Staat Hessen als Kunstpreis gestiftet und 1951 zu einem Literaturpreis umgewandelt wurde, wird jedes Jahr an »Dichter und Schriftsteller« vergeben, die »in deutscher Sprache schreiben, durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Maße hervorgetreten sind und an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben«1. In den Georg-Büchner-Preis-Reden setzen sich Autoren der Gegenwart mit den Möglichkeiten und Schwierigkeiten literarischen Schaffens auseinander. Die Preisverleihung erfolgt jährlich Mitte Oktober, um so den Dichter Georg Büchner indirekt zu ehren, der am 17. Oktober 1813 im Großherzogtum Hessen-Darmstadt geboren wurde.

Büchners revolutionäre Flugschrift Diese nachträgliche Anerkennung und Ehrung ist deshalb bemerkenswert, weil der Student Büchner mit der 1834 verfassten Flugschrift Der Hessische Landbote zur Revolution gegen die gegebene Staatsordnung im Großherzogtum aufgerufen hatte, deshalb von den staatlichen und polizeilichen Behörden steckbrieflich gesucht worden war und sich 1835 nur durch Flucht ins französische Ausland vor einer Verhaftung retten konnte. In Straßburg setzte er sein 1831 begonnenes Medizinstudium fort. Der geplante »Aufsatz« über Lenz Zugleich sammelte er Materialien, um, wie er seinen Eltern mitteilte, einen »Aufsatz«2 über jenen Jakob Michael Reinhold Lenz zu schreiben, der sich in den Jahren zwischen 1772 und 1775 ebenfalls längere Zeit in Straßburg und Umgebung aufgehalten hatte.

Als junger Der Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz Autor, der schon Gedichte und Dramen veröffentlicht hatte, war Lenz aus dem fernen Livland 1771 nach Straßburg gekommen und war dort in einer Gruppe von Autoren, zu denen auch der junge Goethe gehörte, aufgenommen worden. Eine Zeitlang durfte er sich als ebenbürtig mit dem erfolgreichen Autor des Werther-Romans und des Dramas Götz von Berlichingen fühlen. Dann geriet er in eine Krise.

Jahre später – 1776 – hatte Goethe seine Rolle am Hof in Weimar gefunden; Lenz dagegen war erfolg- und mittellos. Er versuchte, die alte Freundschaft zu reaktivieren, besuchte Goethe in Weimar, verspielte jedoch die Gunst der Hofgesellschaft und wurde von Herzog Karl August aus der Stadt verwiesen. Verzweifelt suchte er Hilfe bei anderen ehemaligen Freunden. Sie vermittelten ihn an den Pfarrer Oberlin im elsässischen Waldbach. Dieser bemühte sich um den offensichtlich Kranken. Ohne Erfolg.

Begleitet von seinem Bruder, kehrte Lenz 1779 nach Livland zurück. Sein Leben endete 1792 glücklos in Russland.

Büchners Studium Büchner war 1831 in Straßburg erfolgreich mit seinen naturwissenschaftlichen Arbeiten, wurde später in Zürich promoviert und hatte Aussicht, an der Schweizer Universität eine Stelle als Dozent zu erhalten. Die Arbeit an den Materialien über den Autor Lenz, mit denen er sich 1835 beschäftigte, musste warten. Die geplante »Novelle Lenz«3 blieb auch später als unfertiges Manuskript liegen.

Im Oktober 1836 zog Büchner nach Zürich. Das Fragment Als er dann am 19. Februar 1837 nach kurzer Krankheit an Typhus starb, fand man das unvollendete Manuskript zum Lenz im Nachlass. Dieses »Fragment« galt und gilt als »Reliquie«4, die authentisch die Kunst- und Lebensauffassung Georg Büchners spiegelt. Es wird gepriesen als Meisterwerk, mit dem »die moderne europäische Prosa [beginnt]«5, als einer der wichtigsten Erzähltexte der Moderne, als das »wunderbarste Stück deutscher Prosa«6.

Was als Beziehungen zwischen Büchner und Lenz Aufsatz des jungen Autors Georg Büchner über den auf unglückliche Weise in Moskau ums Leben gekommenen Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz geplant oder auch nur angekündigt war, wurde aufgrund der Entstehungsgeschichte, mehr aber noch aufgrund der situativen Beziehungen zwischen dem schreibenden Autor und dem beschriebenen Vorläufer, zu einem »Stück außergewöhnlicher Literatur«7.

Lenz wie Büchner hatten die Heimat verlassen (müssen), ertrugen schwere Konflikte mit ihren Vätern, wollten politisch wirken, scheiterten, mussten fliehen, litten daran, dass sie in dem einen Fall auf Zeit, in dem andern endgültig von ihrer Geliebten getrennt waren. Durch diese Konstellation wurde »Lenz […] zur Fallstudie eines künstlerischen, psychischen und damit auch sozialen Grenzgängers«8. Lenz – ein Beispiel realistischer Literatur Büchners Text ist nicht nur da, wo der Autor auf gesicherte Quellen zurückgreift, wirklichkeitsnah, sondern auch da, wo er sein medizinisches Wissen einbringt. Gleichzeitig ist der Text von höchster ästhetischer Wirkung und gilt deshalb als mustergültiges Beispiel realistischer Literatur.

2. Inhaltsangabe

Abb. 1: Strukturskizze

Unter den vielen Quelle und literarischer Text Quellen, die Georg Büchner bei der Abfassung des Lenz direkt und indirekt verarbeitet hat, ist der Bericht des Pfarrers Johann Friedrich Oberlin9 über den Aufenthalt des Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz im elsässischen Steintal in der Zeit vom 20. Januar bis zum 8. Februar 1778 mit Abstand die Wichtigste. Oberlins Darstellung, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf der Grundlage seiner persönlichen Tagebuchaufzeichnungen vom März 1778 abgefasst wurde und der Rechtfertigung seines Verhaltens gegenüber eventuell zu erwartenden Vorwürfen dienen sollte, war in der Art eines Verlaufsprotokolls angelegt, das chronologisch festhielt, was geschehen war. Der Autor Georg Büchner übernimmt diese Strukturierung für seinen literarischen Text.

Lenz als Gast bei der Familie Oberlin in Waldbach (S. 3–17)

Ankunft im Haus Oberlins Nach einer beschwerlichen Wanderung durch das unwirtliche Gebirge der Vogesen erreicht Lenz »den 20. [Januar]« (S. 3) sein Ziel, wird »in Waldbach im Pfarrhause« (S. 5) von Oberlin, dem Pfarrer der umliegenden Dörfer, aufgenommen und »war gleich zu Haus« (S. 6). Er, von dem der Hausherr »einige Dramen gelesen hat«, schildert in Kürze seine Lebensumstände, wird von plötzlichen Angstzuständen gepackt, als er sich später allein in seinem »Zimmer im Schulhause« (S. 6) zurechtzufinden sucht, und beruhigt sich erst wieder, als Oberlin zu Hilfe kommt.

In den Lenz als Prediger im Gottesdienst nächsten Tagen begleitet Lenz Oberlin bei Hausbesuchen und bittet, an Stelle Oberlins die Sonntagspredigt halten zu dürfen. Dies wird erlaubt, da Lenz sich als »Theologe« (S. 9) ausweisen kann. Mit seiner Predigt erfüllt er die Erwartungen der Leute; er selbst ist von diesem Gottesdienst erschüttert. Als er allein in seinem Zimmer ist, kann er »kein Ende finden der Wollust«, empfindet »ein leises tiefes Mitleid in sich selbst« (S. 11).

» Gespräch über geisterhafte Erscheinungen Am folgenden Morgen« erzählt Lenz, dass ihm »seine Mutter erschienen sei« (S. 11); Oberlin berichtet von ähnlichen Erfahrungen; beide stimmen darin überein, dass »die einfachste, reinste Natur […] mit der elementarischen« zusammenhänge, dass »in allem eine unaussprechliche Harmonie« (S. 12) sei.

Besuch von Kaufmann Dieser Erfahrungsaustausch wird unterbrochen, als Kaufmann, ein Dichterkollege und Gefährte von Lenz aus dessen Straßburger Zeit, mit seiner Braut in Waldbach erscheint. Kaufmann erinnerte Lenz »an so vieles« (S. 13), was er glaubt überwunden zu haben, was er auch vor Oberlin geheim halten möchte, und von dem er nun fürchtet, dass Kaufmann es Oberlin mitteilen könnte.

Diskurs über die »wahre« Kunst Kaufmann und Lenz diskutieren bei Tisch kontrovers über Literatur und darstellende Kunst. Entgegengesetzte Meinungen prallen aufeinander, Lenz bleibt beherrscht, »bald lächelnd, bald ernst« (S. 16). Als Kaufmann dann nach dem Essen »Briefe von Lenzens Lenz und sein Vater Vater« (S. 16) übergibt, in denen Lenz aufgefordert wird, nach Hause zurückzukommen, und als Kaufmann diese Forderung unterstützt, wird Lenz »heftig«, fragt: »Was will mein Vater?« (S. 17) und lässt erkennen, dass er Distanz zu seinem Vater halten will.

Die Abreise von Kaufmann und Oberlin Lenz, der mit sich umgeht »wie mit einem kranken Kinde«, setzt, um gesund zu werden, ganz auf Oberlin: »Seine Worte, sein Gesicht taten ihm unendlich wohl« (S. 1717