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Vorwort

Eine Welt aus Wasser und Land, insgesamt 300.000 Quadratkilometer groß und von über 100 Millionen Menschen bevölkert, bietet eine kaum vorstellbare Vielfalt an Landschaftseindrücken. Nicht weniger abwechslungsreich ist das kulturelle Spektrum, das den Besucher erwartet. Die Philippinen waren nicht nur seit Jahrtausenden Ziel und Ausgangsbasis für Wanderungsbewegungen im südostasiatischen und pazifischen Raum, sondern auch Objekt der Begierde für europäische Seefahrer, was eine über drei Jahrhunderte währende Herrschaft der Spanier begründete und damit die am längsten währende Kolonialzeit, die ein Land je zu erdulden hatte. Die neuere Geschichte des südostasiatischen Staates, in dessen Landesnamen weiterhin der spanische König Philipp seinen Platz behauptet, brachte anschließend, unterbrochen durch die japanische Besatzung während des Zweiten Weltkrieges, eine erneute koloniale Abhängigkeit: 50 Jahre lang fühlten sich die USA berufen, die philippinischen Menschen auf den „rechten Weg der modernen Zivilisation zu geleiten“.

Entsprechend vielschichtig zeigt sich die Lebensart, die den Fremden in dem aus 7107 Inseln bestehenden Archipel erwartet. Die Philippinen sind kein Ziel des Massentourismus, auch wenn es zu bestimmten Jahreszeiten mancherorts danach aussehen mag. Hierzulande haben nur wenige Veranstalter das Inselreich im Angebot. Die sich wiederholenden Naturkatastrophen, die darauf folgenden Negativschlagzeilen, aber auch die vermeintlich größere „Exotik“ anderer Länder der Region Südostasien mögen Gründe dafür sein. Umso mehr liegt der Reiz für Philippinenreisende im Entdecken und Erkennen der eigenständigen Kultur, deren augenfälligstes Merkmal paradoxerweise darin liegt, dass sie sich in vier Jahrhunderten Kolonialgeschichte eine westliche Fassade zugelegt hat. Eben diese ruft bei Fremden zunächst Verwunderung, manchmal Verwirrung hervor. Hinter sie zu blicken, ist aber auch die Herausforderung, für die der Autor dieses Buches, zusammen mit den hoffentlich zahlreichen zwischenmenschlichen Begegnungen unterwegs, den Reisenden Anreize geben möchte. Denn die westlich-moderne Attitüde vieler Filipinos und deren freundliche Toleranz auch dem Fehlverhalten anderer gegenüber, mag Ausländer aus Europa, Amerika oder Australien dazu verleiten, den eigenen kulturellen Hintergrund, die vertraute Gefühlswelt auf die besuchten Menschen zu übertragen, zu erwarten, dass diese direkt verstanden wird.

„Filipino“ ist nicht nur der Name der nationalen Sprache, sondern auch die Nationalitätsbezeichnung und wird im nachfolgenden Text i. d. R. als „gemeinsamer Nenner“ für alle Bewohner – männliche wie weibliche – verwendet. Den zu erwartenden Erfahrungen der meisten Leser angepasst, stellt das Buch insbesondere Eigenheiten der „Tiefland-Filipinos“ vor und hinterfragt sie. Einige Kapitel beschäftigen sich darüber hinaus mit indigenen Bevölkerungsgruppen.

Auch wenn vieles, erleichtert durch die landesweit recht gut kommunizierbare englische Sprache, vertraut erscheinen mag, gibt es jede Menge lokaltypischer Kulturfacetten. Dabei zu helfen, sie auszumachen, zu verstehen und sich ihnen entsprechend zu nähern, ist ein wichtiges Anliegen des „KulturSchock Philippinen“. So gelingt es hoffentlich, Berührungsängste abzubauen und den global dringend benötigten „sanften“ Tourismus – namentlich durch Geduld, Höflichkeit, Toleranz und Zurückschrauben eigener Ansprüche sowie Wertmaßstäbe anzustoßen. Sicher wird die Bereitschaft, sich mit den kulturellen Eigenarten anzufreunden, mit der Länge des Aufenthaltes im Gastland steigen. Doch auch die Besucher, die nur ein paar Wochen in den Philippinen reisen oder arbeiten, sind eingeladen, sich dem Kulturschock zu stellen. Es ist ein echtes Abenteuer, weil es anregt, auch die eigenen Normen und ethischen Grundlagen, Essgewohnheiten und Gesten zu hinterfragen. Wer wagt gewinnt!

Zur Entstehung des Buches: Einige Recherchen und eigene Erlebnisse des Autors fielen in die Zeit während des Übergangs zwischen zwei Regierungen, von denen die aktuelle vieles besser und anders machen will, auf teilweise sehr drastische Weise. Nicht auf alle dieser angekündigten und teilweise schon umgesetzten Neuerungen kann an dieser Stelle genauer eingegangen werden. Nichtsdestotrotz empfehle ich Philippinenreisenden das aktuelle Tagesgeschehen, gerade vor dem Hintergrund der derzeitigen Entwicklungen im Land, in den Medien zu verfolgen.

Ich wünsche Ihnen eine kurzweilige Lektüre!

Albrecht G. Schaefer

Dank

In dankbarer Erinnerung an Estelita Sevillo „Esteling“, die selbst an materiellen Gütern nie viel besaß und doch so viel geben konnte – an Verständnis und Menschlichkeit.

Extrainfos im Buch

ergänzen den Text um anschauliche Zusatzmaterialien, die vom Autor aus der Fülle der Internet-Quellen ausgewählt wurden. Sie können bequem über unsere spezielle Internetseite www.reise-know-how.de/kulturschock/philippinen17 durch Eingabe der jeweiligen Extrainfo-Nummer (z. B. „#1“) aufgerufen werden.

Inhalt

imageVerhaltenstipps von A bis Z

imageDie geschichtlichen Wurzeln

Ein rastloser Vogel zwischen Himmel und Erde

Erste Siedler, Vorfahren der heutigen „Ureinwohner“ (ab ca. 250.000 v. Chr.)

Prägende Geschichtsereignisse und Personen (1521–1935)

Die jüngere Geschichte

Geschichtstabelle

imageDer kulturelle Rahmen

Zusammensetzung der Bevölkerung

Religion und Kirche

Glaube und Aberglaube

Feste, Bräuche, Traditionen

Denkweisen und Verhaltensformen

imageDie Gesellschaft heute – Staat, Politik und Wirtschaft

Politische Landschaft in Asiens ältester Demokratie

Staatsaufbau, Gesetz, Korruption, Militär

Wasserbüffel und Mega-Malls: zur Wirtschaftslage und Konjunktur

Die soziale Pyramide, Privilegierte und Unterprivilegierte

Einkommensverhältnisse und Sozialsysteme

Fremde im eigenen Land – ethnische Minderheiten

Inseln der Hoffnung – Einwanderungs- und Fremdenproblematik

Separatismus, Terrorismus und Kriminalität

imageGeschlechter und Familie

„Malakas“ und „maganda“ – Mann und Frau

Frauen in der Gesellschaft

Hochzeit und Familie

Kinder in der Gesellschaft

Der Lebenszyklus: Geburt, Jugend, Alter, Tod

imageDer Alltag

Arbeitsleben – drei Beispiele

Flüssige und rauchende Laster

Gesundheit und Hygiene

Kino, Musik und Theater

Imitation und indigenes Erbe – Mode und Zeitgeschmack

Natur- und Umweltschutzdenken

Blick über den Horizont – Rundfunk, TV, Internet und Presse

Das Leben ist ein Spiel – mancher verspielt es

Sport, Freizeit, Urlaub

Sprache, Schrift, Literatur

Sehen und gesehen werden – Treffpunkte

Haus, Hütte oder Villa – Wohnen

imageAls Fremder im Kulturkreis

Das Bild von Touristen und von Deutschen

Was dem Fremden sofort auffällt

Begegnungen, Begrüßungen, Verabschiedung

„Haben Sie schon gegessen?“ – Gastfreundschaft

Verabredungen und Ausgehen

Zu Gast in der Familie

Reisen geht durch den Magen – Ess- und Trinkkultur

Namen und Anrede

Wer das Wort hat – Gesprächsverhalten

Wenn zwei sich streiten, vermittelt der Dritte – Konfliktverhalten

Umgang mit Behörden und Polizei

Schlagzeilen aus dem „wilden Osten“ – die Sicherheitslage

Der Weg ist das Ziel – Verkehr und Transportmittel

imageAnhang

Literaturtipps

Informatives aus dem Internet

Register

Übersichtskarte Philippinen

Der Autor

Exkurse zwischendurch

Rote Mützen, roher Reis, Kanonendonner – die erste Begegnung

Der Galeonenhandel – Drehscheibe zwischen Asien, Amerika und Europa

Mi Último Adiós

Auserwähltes Land des Morgens

Climaco, der Held von Zamboanga

„Ich sagte Paoay, nicht Hawaii“

Pinatubo – ein Vulkan mischt sich ein

Präsident Rodrigo Duterte – mehr als ein Poltergeist?

Geist- oder Wunderheiler, Scharlatanerie oder Naturheilkunde

Kollektive Lebensfreude auf Rädern – der Jeepney

Landreform – eine unendliche Geschichte

Die Stufen zum Himmel – die Ifugao-Reisterrassen

Begegnung der Revolverhelden

Die ewige Nummer zwei

Sungka – das Brett für den (kühlen) Kopf

Verhaltenstipps von A bis Z

imageAberglaube: Unter modernen, westlich-christlich erzogenen Filipinos scheinen metaphysische Erscheinungen wie nächtliche Geister oder die Wirksamkeit von Amuletten und Zeichen höchstens mit einem Lächeln registrierte Phänomene zu sein, die sie eigentlich nicht betreffen. Doch wie so vieles im Verhalten der Menschen ist diese Reaktion oberflächlich. Immer noch werden Kinder mit der Warnung vor blutsaugenden aswang (s. S. 108) am Abend ins Haus gerufen, auch Hochschulabsolventinnen erscheint manchmal in der Nacht eine white lady (s. S. 106) und oft genug denkt mancher sich versehentlich auf die Lippe beißende Politiker ernsthaft darüber nach, wer gerade wohl schlecht über ihn spricht. Wenn ein Löffel während der Mahlzeit zu Boden fällt und tatsächlich ein weiblicher Gast auftaucht, freut man sich, dass die Sprüche der Großeltern doch nicht ganz von gestern sind. Alte Bräuche und mit Traditionen eng verknüpfte Aktivitäten wie der Hausbau, die Aussaat und Ernte, die Beschneidung, der erste Haarschnitt oder der Hahnenkampf gehen auch in den Philippinen des dritten Jahrtausends immer noch einher mit Ritualen und Prozeduren, die wir „abergläubisch“ nennen würden. Auf dem Land und besonders bei verschiedenen ethnischen Gruppen ist sehr oft keine klare Unterscheidung zwischen Aberglaube und Glaube an die Mächte der Natur und der Vorfahren zu treffen (siehe auch das Kapitel „Glaube und Aberglaube“ ab Seite 106, insbesondere „Von Blutsaugern, Hexern und Heilern“ ab Seite 108).

imageAhnenverehrung: Indigene Filipinos identifizieren sich eindeutig mit ihrer genealogischen Herkunft, d. h. die Ahnen, die ihnen Land, Kultur und Religion hinterlassen haben, verlangen unaufhörlich nach Respekt und Achtung. Prominent sind die Bergvölker im Norden von Luzon, wo allein beim Anblick der seit Jahrtausenden bestehenden Reisterrassen jeder Besucher den Einfluss spürt, den die frühen Filipinos auf ihre Nachfahren ausüben. Zuweilen lernen Fremde dabei auch, wie sehr Konflikte zwischen Ahnenverehrung und modernen, bürokratischen und auf ökonomische Erfolge abzielenden Interessen die Gesellschaft spalten. Themen wie Landraub, Abholzung, Vertreibung durch Minengesellschaften oder Staudammprojekte haben leider auch in den postkolonialen Philippinen Tradition. Darauf geht u. a. das Kapitel „Fremde im eigenen Land – ethnische Minderheiten“ ab Seite 171 mit den Unterkapiteln „Die ersten Filipinos auf den hinteren Plätzen“ ab Seite 173 sowie „Im Fadenkreuz der Mächtigen“ ab Seite 176 ein. Auch die sogenannten „Tiefland-Filipinos“, eine andere Bezeichnung für die modernen, mehrheitlich christianisierten Bewohner der Inseln, halten ihre durch die Kolonialgeschichte zuweilen sehr gemischte Abstammungsgeschichte in Ehren. Das drückt sich z. B. in großen Familienzusammenkünften, der Pflege der Familiengrabstätten, dem gemeinhin zu verteidigenden Landbesitz aus und in der traditionell oral vermittelten Historie der Vorfahren, die oft bis zum Beginn der spanischen Kolonisation oder noch weiter zurückreichend erzählt werden kann.

imageAIDS: Mehr als zuvor stellt die seit 1984 im Land festgestellte, global präsente Krankheit in den Philippinen ein sehr ernstes Problem dar. Nachdem die neue Bedrohung unter der Marcos-Diktatur kaum ernst genommen wurde, gehen seit den 1990er-Jahren staatliche Institutionen, kirchliche und gesellschaftliche Gruppen mit offensiven Aufklärungskampagnen an die Öffentlichkeit. Die weite Verbreitung von Prostitution vor allem in urbanen und touristischen Zentren sowie in Hafenstädten liefert eine schwierig zu kontrollierende Ansteckungsbasis. Als der philippinische Kongress noch zu Regierungszeiten von „Noynoy“ Aquino auf Druck der katholischen Kirche – zumindest mit ihrer wohlwollenden Zustimmung – den kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln wie Kondomen stoppte, stieg die Zahl der Neuinfizierten besonders in den armen Bevölkerungsteilen sprunghaft wieder an. Der Anstieg der Infizierten unter Jugendlichen bereitet nun auch dem Gesundheitsministerium der Duterte-Regierung Sorge. Dieses plant, ab 2017 Kondome in Schulen gratis zu verteilen. 2016 warnten UN, staatliche wie private Gesundheitsinstitutionen und Experten bereits vor einer schweren HIV-Krise im Land. Von 1984 bis Oktober 2016 wurden insgesamt rund 38.000 HIV-Infektionen registriert, darunter allein zwischen 2011 und 2016 über 10.000 Fälle in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen. Vor allem unter jungen Männern ist der Anteil an Neuinfizierten auffallend hoch: Von den rund 22.800 HIV-Fällen im Zeitraum von 2010 bis 2015 machten Männer 95 % aus. Das soll die Gefahr im Kontakt zwischen heterosexuellen Sexualpartnern nicht verharmlosen, Vorsicht und Vorsorge sind auf jeden Fall dringend geboten.

imageAlkohol: Das Angebot ist groß und für fremde Besucher teilweise exotisch und verlockend. Die fröhliche Runde beim einheimischen Bier, der Sonnenuntergang über dem südchinesischen Meer oder der Visayas-See mit dem unvermeidbaren „Sundowner“ in der Hand, bei einer Fiesta mit lokalem Rum mal so richtig einen draufmachen, das sind Situationen, die Touristen und auf den Inseln lebende Ausländer ausgiebig erfahren können. Abgesehen von der weitverbreiteten Alkoholsucht im Land, die in allen Gesellschaftsschichten – bei Frauen, aber mehrheitlich unter Männern – zu finden ist, spielen hochprozentige Destillate aus Reis, Palmensaft und Zuckerrohr auch bei ethnischen Gruppen eine rituelle Rolle. Vorsicht ist ratsam, wenn es in einer trinkfreudigen Gruppe allzu laut zugeht und Aggressivität spürbar wird. Bei Einladungen zum Umtrunk mit Unbekannten sollte dem Fremden stets bewusst sein, dass in den Getränken nicht nur alkoholische, sondern vielleicht betäubende Zutaten enthalten sein können (siehe auch die Kapitel „Schlagzeilen aus dem ‚wilden Osten‘ – die Sicherheitslage“ ab Seite 332 und „Flüssige und rauchende Laster“ ab Seite 248).

imageAmulette, Schutzgeister: Ein Kruzifix oder ein Miniatur-Reisgott an der Halskette, beide Symbole sollen ihren Träger schützen, ihm Glück bringen, sei es beim Examen, beim Hahnenkampf oder in der Hoffnung auf eine gute Ernte. Amulette und Talismane wirken bei indigenen Gruppen authentisch und sind deswegen begehrte Mitbringsel, die – wer weiß – einem selbst sogar Schutz spenden werden. Fromme katholische Filipinos schwören auf Kreuz und Rosenkranz, philippinische Muslime schöpfen Kraft aus der kunstvoll gearbeiteten Darstellung des legendären Wundervogels Sarimanok. Die Igorot, Bontoc und andere Bergvölker von Nordluzon vertrauen Bulul, dem Schutzgott der Reispflanze – alles eine Frage von Glaube und Überzeugung. Gleichwohl boomt der Markt mit derlei „Ethno Art“, wie man beispielsweise rund um die weltberühmten Reisterrassen von Banaue und Bontoc, im Bergstädtchen Sagada, in Zamboanga an der Sulusee oder anhand der Kunst der Batak auf Palawan sehen kann. Solange diese „indigenen“ Souvenirs als lokale Produkte und nicht als Chinaimporte angeboten werden, haftet dem Geschäft mit dem Übersinnlichen wenigstens etwas von philippinischer Originalität an.

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Der Beistand des Jesuskinds stärkt das Selbstvertrauen des jungen Steuermanns

imageAnrede: „Sir“ und „Ma’am“ hören ausländische Besucher von freundlichen Filipinos sehr oft, nicht selten auch das philippinische, für beide Geschlechter zutreffende Pendant „pò“, das in jedem höflich formulierten Satz Anwendung findet. Das weltweit zunehmend lokale Grußformeln ersetzende „Hallo“ bzw. „Hello“ ist auf den Inseln auch in die Alltagssprache eingegangen und hat mancherorts das aus der amerikanischen Kolonialzeit stammende „Hey Joe“ (angewendet für weiße Mitmenschen beider Geschlechter) verdrängt. Wer diesen „Hello“-Trend nicht immer und überall mitmachen will, sollte sich ein kleines Repertoire an Filipino- und regionalen Grußformeln zulegen. Damit erntet er auf jeden Fall Sympathie und noch mehr Freundlichkeit. Gerade beim Kontakt mit Angehörigen der indigenen Gruppen, in denen man Englisch als Lingua franca der Nationalsprache häufig vorzieht, kommen die lokalen Grüße immer gut an. Als praktische Sprachführer empfehlen sich die Bände „Tagalog“ und/oder „Cebuano“ der Reihe „Kauderwelsch“ aus dem REISE KNOW-HOW Verlag (auch als Audioausgaben verfügbar).

imageAnsehen, Gesicht wahren: Darum dreht sich alles – in der zwischenmenschlichen Kommunikation, im eigenen sozialen Verhalten und in der Wahrnehmung des Verhaltens der anderen. Das Bestreben, das eigene Gesicht stets zu wahren, soll unbedingt dem Ansehen der Familie nützen (siehe auch die Kapitel „‚Hiya‘ – Selbstachtung, Schande, Scham – was denn nun?“ ab Seite 117 und „‚May mukha‘ – Gesicht haben, ehrenhalber“ ab Seite 119). Umso unangenehmer fällt es auf den Einzelnen zurück, wenn er durch sein Fehlverhalten der Reputation der Familie schadet. Für den Fremden empfiehlt es sich nachdrücklich, dieser Mentalität Rechnung zu tragen, auch wenn das äußerlich westlich und aufgeschlossen wirkende Verhalten vieler Filipinos dazu verleiten kann, ihre Reaktionen nach eigenen Normen und Wertemustern einzustufen.

imageAnsprechen: Vielen ausländischen Besuchern geht es zwar irgendwann auf die Nerven, doch das Ansprechen, die Fragen nach dem Namen, dem Familienstand, den Kindern, der Herkunft etc. ist für Filipinos in erster Linie ein Resultat guter Erziehung und ein Gebot der Höflichkeit. Damit soll dem Fremden gezeigt werden, dass er wahrgenommen und ihm notfalls geholfen wird. Zudem sollen die erhofften Antworten sicherlich auch die Neugier stillen. Damit haben viele Westler, die einen eher von Anonymität und Distanz gekennzeichneten sozialen Umgang mit Fremden gewohnt sind, oft Schwierigkeiten. Der gute Rat in solchen Situationen: Lassen Sie ein paar der Fragen über sich ergehen, antworten Sie mit Geduld und Höflichkeit und vergessen Sie das Lächeln nicht. Dann, vorausgesetzt, Sie haben Zeit und wollen sich „revanchieren“, drehen Sie die Situation um und fragen ebenso lächelnd und höflich den philippinischen „Interviewer“ nach seinen „Eckdaten“. Sie werden staunen, dass Sie in den meisten Fällen lehrreiche Informationen zum Alltagsleben erhalten (siehe auch die Abschnitte „Wohin, woher Fremder? Ich bin hier!“ und „Die höfliche Hand“ ab Seite 308). Zu den möglicherweise schlechten Absichten von allzu neugierigen Gesprächspartnern siehe das Kapitel „Schlagzeilen aus dem ‚wilden Osten‘ – die Sicherheitslage“ ab Seite 332.

imageArmut und Bettler: Wer sich nach Ankunft an einem internationalen Flug- bzw. in einem Seehafen gleich zu einem exklusiven Strandresort fliegen, mit Privatfahrer in ein Fünf-Sterne-Hotel chauffieren lässt oder einen der Kreuzfahrt angepassten Ausflug gebucht hat, wird von Bettlern und auch von durch Armut geprägten Stadtvierteln zunächst wenig, vielleicht sogar gar nichts wahrnehmen. Andere Besucher empfinden die auf den von Wolkenkratzern gesäumten Straßen schlafenden, im Müll nach Essen und verwertbaren Wohlstandsresten suchenden, in Kartonverschlägen oder auf Friedhöfen hausenden Menschen zweifellos als Kulturschock. Bettelnde Straßenkinder können unbestritten lästig werden, zumal sie sehr früh in Kontakt mit Kriminalität wie Taschendiebstahl, Betrügereien, Prostitution und Drogenabhängigkeit kommen. Die Bekämpfung der Armut findet sich in jedem Aktionsplan der sich abwechselnden Regierungen wieder, schließlich sind auch die Ärmsten der Armen wahlberechtigt und schenken in ihrer Existenzangst den Versprechen der Wohlhabenden immer wieder aufs Neue Glauben. Naturkatastrophen und Vertreibung aus aufgrund ihrer Bodenschätze interessant gewordenen Gebieten und allgemeine Landflucht mehren die Massen der Armen unaufhörlich (siehe auch die Kapitel „Die Schere klafft“ ab Seite 166 und „Einkommensverhältnisse und Sozialsysteme“ ab Seite 169). Vor jeder Kirche, insbesondere wenn Gottesdienste abgehalten werden, kauern Arme und Behinderte, oft ältere Leute, die die Hände nach Almosen ausstrecken. An Straßenkreuzungen vor Ampeln warten bettelnde Kinder und Erwachsene auf aus dem Fenster gereichte Münzen, zuweilen bieten Jungs an, die Windschutzscheibe gegen einen Obolus zu reinigen. Die Gelegenheiten, milde Gaben zu geben oder zu verweigern, sind vielfältig. Manch ein Reisender lehnt es ab, bettelnden Kindern etwas zukommen zu lassen, da sie, so vermutet man nicht immer unberechtigt, von den Eltern zum Betteln geschickt würden. Andere verteilen Lebensmittel an Straßenkinder. Es ist schwer und an dieser Stelle kaum gerechtfertigt, verlässliche Faustregeln im Umgang mit Armen und Bettlern zu verfassen. Wer sein Gewissen ab und zu beruhigen will, sollte sich beim Geben vor allem um die Alten, Gebrechlichen und Behinderten, die kaum zu einer „anständigen“ Arbeit in der Lage sind, kümmern. Wer objektiv unterscheiden kann, ob die Frau mit dem Kind auf dem Arm zu den „Profis“ gehört oder wirklich in großer Not ist, wird seinem gesunden Menschenverstand entsprechend handeln. Andere mögen sich in guter Absicht vor oder nach einer Reise in die Philippinen erkundigen, wo und welche Hilfsorganisationen sich um die Armen, auch um Kinder kümmern, und dort einen Beitrag leisten wollen.

imageAusländer/Touristen (generelles Verhältnis, Ansehen): Dem seit vielen Jahrhunderten bestehenden, wenn auch nicht immer freiwilligen Kontakt mit Menschen aus anderen Teilen der Welt ist es geschuldet, dass Ausländer i. d. R. freundlich aufgenommen werden (siehe u. a. das Kapitel „Inseln der Hoffnung – Einwanderungs- und Fremdenproblematik“ ab Seite 185). Auch der hohe Anteil an im Ausland lebenden Filipinos begünstigt eine generell hohe Akzeptanz von Fremden im eigenen Land. In fast jeder Familie gibt es jemanden, der in anderen Staaten Geld verdient und hin und wieder Produkte oder Ideen mitbringt. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Kenntnisse über dortige Lebensumstände immer der Realität entsprechen. Generell gelten Ausländer als reich, schon allein deswegen, weil sie sich die weite Reise und die für die Mehrheit der Filipinos im Land unerschwinglichen Aufenthalte leisten können. Das gilt genauso für sogenannte Backpacker-Touristen, die allzu gerne aufgrund ihres eher lässigen Habitus meinen, sich dem einfachen Lebensstil der Filipinos besser annähern zu können. Nachlässige Kleidung und geiziges Verhalten kommen allerdings bei den Bewohnern der Philippinen gar nicht gut an und leicht resultiert die verächtliche Reaktion auf einzelne Touristen in der Pauschalierung einer ganzen Nationalität. Ähnlich verallgemeinernd, idealisierend stuft man die in den reichen Industriestaaten hergestellten Waren, Kleider und Geräte ein, die seit Kolonialzeiten als schlichtweg besser gelten und allzu gerne als Statussymbole genutzt werden. Wer mit Ausländern in näheren Kontakt kommt, wie Angestellte in der Fremdenverkehrswirtschaft, Firmenkollegen etc., kann sicher zwischen den einzelnen Nationalitäten und deren typischen Eigenschaften unterscheiden. Gelegentlich spielen Ressentiments eine Rolle, die sich ähnlich wie bei uns Europäern aus Erfahrungen beispielsweise aus der kriegreichen Vergangenheit begründen, die aber auch nach Jahrzehnten immer noch Vorurteile nähren (siehe das Kapitel „Das Bild von Touristen und von Deutschen“ ab Seite 302). Touristen sind pauschal Menschen, die Geld ins Land und möglichst direkt zu ihren Gastgebern, Bootsleuten, Jeepneyfahrern etc. bringen und sich hier und da ein Fehlverhalten erlauben dürfen. Überheblichkeit, Arroganz, beleidigende, herrische Attitüden quittieren Filipinos verständlicherweise mit zunächst stillem, „heruntergeschlucktem“ Ärger, der sich eventuell bei wiederholter Erniedrigung auch aggressiv Luft machen kann.

imageBaden/Nacktbaden: Im katholischsten Land Asiens überrascht es nicht, dass es am Strand und beim Baden in Pool, See oder Fluss zuweilen recht konservativ, ja geradezu prüde zugeht. Zumindest kommt es uns Westlern so vor, wenn Frauen in T-Shirt und Shorts auf und ins erfrischende Nass eintauchen. Oder unter dem Schutz eines langen Handtuchs oder Sarongs bis an den Rand des Wassers gehen, um nur nicht zu viel ihres Körpers zu zeigen. Häufig erklärt man diese Gewohnheit auch mit der Scheu vor Sonnenlicht, das die Haut dunkeln lässt. Philippinische Männer sind da schon freizügiger in Badehose oder mangels dieser in Unterhose zu sehen. Ausländer, vor allem solche, die knappe Badekleidung gewohnt sind, finden die „zugeknöpfte“ Bademode philippinischer Frauen und heranwachsender Mädchen manchmal belustigend. Denen, die zu Hause oder in anderen Urlaubsländern der Freikörperkultur frönen, mag es schwerfallen, sich dem allgemeinen Nacktbadeverbot auf den philippinischen Inseln zu unterwerfen. Teilweise erscheint es höchst paradox, dass in einem Land, das immer noch als Mekka für Sextouristen gilt und wo in zahllosen Bars spärlich bekleidete Frauen an der Stange tanzen, diese eingeschränkte Badekleiderordnung herrscht. In der Regel hat niemand etwas gegen die Bikinis und knapp sitzenden Badehosen von Touristen einzuwenden, auch sich modern verhaltende Filipinos und Filipinas folgen in der Hinsicht häufig den westlichen Vorbildern. Und wenn eine Ausländerin beim Sonnenbaden am Strand den Oberkörper entblößt, wird auch nicht gleich die Sittenpolizei gerufen. Allerdings darf man sich nicht wundern, wenn sich bald kichernde Kinder und gaffende Männer in der Nähe aufhalten wollen. Die Betreiber mancher Beach Resorts genehmigen übrigens, sozusagen in Eigenverantwortung, an abgeschirmten Strandnischen das textilfreie Baden.

imageBegrüßung/Verabschiedung: Sich per Handschlag zu begrüßen ist üblich, aber nicht zwingend.

Männer sollten einer ihnen zunächst unbekannten Frau nicht sofort die Hand reichen. Wenn die Frau von sich aus die Handbegrüßung einleitet, ist es natürlich höflich, diese mit der eigenen rechten Hand zu erwidern. Manch ein Filipino will dem Westler imponieren, indem er beim Handschlag Druck ausübt. Doch landestypisch ist eher eine kurze, spürbare, aber nicht feste Berührung. Umarmungen zur Begrüßung und Verabschiedung sind auch unter guten Freunden und Verwandten in den Philippinen seltener als bei uns. So sollte der Fremde dieses gewohnte Ritual nicht unbedingt an den Mann oder die Frau bringen wollen. Küsschen links und rechts auf die Wangen werden nur sparsam verteilt, unter Männern allerdings gar nicht, zwischen Erwachsenen und kleinen Kindern schon eher. Für Kinder wird es manchmal zur ungeliebten Mutprobe (die eigene Kindheit lässt grüßen), wenn die älteren Verwandten sie auffordern, dem fremden Besucher ein Küsschen aufzudrücken und sich eins abzuholen. Da ist die gute alte Sitte, den rechten Handrücken des höher stehenden Erwachsenen – und diesen Rang kann ein ausländischer, einigermaßen vertrauter Besucher ebenfalls erlangen – an die eigene Stirn zu legen, vielen Kindern angenehmer. Generell lächeln die Menschen zur Begrüßung und zum Abschied. Tränen der Freude oder der Betrübtheit fließen, wie am Flughafen häufig zu sehen ist, auch schon mal in Strömen. Für weitere Details hierzu siehe auch das Kapitel „Begegnungen, Begrüßungen, Verabschiedung“ ab Seite 307.

imageBekleidung: Schuluniformen, adrett, sogar richtig fein gekleidete Kirchgänger aller Altersstufen, sauber gekleidetes Personal … allerorten fällt auf, wie viel Wert Filipinos auf ein attraktives Äußeres legen. Selbst die Armen halten stets gewaschene und gebügelte Kleidung unter ihren wenigen Habseligkeiten bereit, falls sie mal für einen Behördengang, eine Geburtstags- oder Trauerfeier gebraucht wird. Andererseits wirkt es auf uns etwas befremdlich, wenn Männer gerne ihr Hemd oder Shirt bis zu den Brustwarzen hochkrempeln und ihren oft dicken, nackten Bauch zwecks Abkühlung zur Schau tragen. Komisch muten mitunter auch die eigentlich feschen Uniformen von Polizisten an, wenn sie sich über die von viel Bier und Schweinefleisch aufgeblähten Bäuche ihrer Träger spannen. Doch unangenehm bis peinlich ist manchmal auch die Kleidung von Touristen, die meinen, weil sie in einem warm temperierten Land unterwegs sind, im vermeintlich coolen Schlabberhosen-, Fransen- oder Hippielook mit Badelatschen oder womöglich ganz asketisch barfuß, in verschwitzen Hemden, ohne BH und in superknappen Shorts auftreten zu müssen. Geradezu unhygienisch wirkt es, wenn sich aufgekratzte Mückenstiche entzündet haben und diese den Mitmenschen im Jeepney oder im Restaurant an nackten Füßen, Beinen oder Armen präsentiert werden. Niemand wird sie deswegen kritisieren oder anfeinden, doch die befremdeten Gefühle der Filipinos lassen sich oft am stummen, eingefrorenen Lächeln ablesen. Begibt sich ein Westler allerdings in derart lässiger und provozierender Weise gekleidet auf einen Behördengang, z. B. zur Einwanderungsbehörde, um das Visum verlängern zu lassen, wird er die Ablehnung sehr bald spüren und manchmal auch eine Mahnung hören. Dass ein Restaurant nicht mit nacktem Oberkörper und sakrale Orte wie Kirchen, Gebetsstätten, Friedhöfe etc. in dezenter Kleidung besucht werden sollen, muss hier nicht explizit erwähnt werden. Oder doch? Manch ein Globetrotter hängt vielleicht heute noch dem naiven Trugschluss an, dass seine einfache Kleidung ihn den Menschen auf der Straße näherbringen und ihn vor Betrug schützen würde …

imageBeleidigungen: Beiträge von Philippinenkennern und Leuten, die sich dafür halten, geben in Internetforen Kenntnis davon, dass auch Reisende auf den Inseln hin und wieder von Beleidigungen und Beschimpfungen durch Einheimische berichten. Doch es dürften ganz sicher Ausnahmen sein, denn jemanden zu beleidigen, bedeutet gemäß guter philippinischer Erziehung einen gehörigen Gesichtsverlust und der schadet dem Beleidigenden oft mehr als dem Beleidigten. Andererseits liefert das derzeitige Staatsoberhaupt wiederholt den Gegenbeweis: Seine Schimpftiraden und rüpelhaften Kommentare, die weder den Papst noch ausländische Politiker aussparen, scheinen ihm sogar Sympathisanten im eigenen Land einzubringen. Doch sollte diese in der Tat kuriose Auslegung von Diplomatensprache nicht auf den Umgang im Alltag übertragen werden. Im Band „Tagalog/Filipino“ der Kauderwelsch-Reihe aus dem REISE KNOW-HOW Verlag zitieren die Autoren ein paar deftige Schimpfworte für den Fall der Fälle, den es aber zu vermeiden gilt! Denn eine, wenn auch unachtsam geäußerte Beleidigung z. B. in einer alkoholisierten Gruppe kann blitzschnell in blutige und im schlimmsten Fall sogar tödliche Streiterei ausarten.

imageBerührungen/Körperkontakt: Enger Körperkontakt mit völlig Fremden scheint Filipinos wenig auszumachen; das kann man täglich in vollbesetzten Bussen, Jeepneys und Tricycles beobachten. Dass mehrere Personen zusammen in einem Bett schlafen, ist ebenfalls normal und ausdrücklich erwünscht. Ältere Geschwister tragen kleinere Brüder und Schwestern oft stundenlang herum, von klein auf spüren Menschen die körperliche Nähe zu anderen. Dennoch sind physische Demonstrationen der Zuneigung in der Öffentlichkeit ausgesprochen selten und verpönt. Innige Umarmungen und Küsse erregen peinliche Aufmerksamkeit, derartige Körpersprache gehört ausschließlich an private Orte. Daher sollten ausländische Reisende es den Landesbewohnern gleichtun und sich mit Zärtlichkeitsbekundungen vor aller Augen zurückhalten, um sich nicht lächerlich zu machen. Das Anfassen des Gesprächspartners unterliegt nach philippinischer Etikette bestimmten Regeln, wonach der soziale Status vorgibt, wer z. B. wem auf die Schulter klopfen oder wen am Ellbogen berühren darf. Näheres dazu findet sich im Kapitel „Wer das Wort hat – Gesprächsverhalten“ ab Seite 327. Verwirrend mag es auf Fremde wirken, zwei Männer oder Jungen zu sehen, die Hand in Hand gehen. Obwohl sich Schwule in den Philippinen überhaupt nicht verstecken müssen (siehe das Kapitel „Toleranz für Schwule und Lesben – ja. Respekt – na ja…“ ab Seite 221), bringt dieses Händchenhalten jedoch i. d. R. lediglich eine enge (nicht sexuell motivierte) Freundschaft zum Ausdruck.

imageBestattung/Tod: Särge, die am Straßenrand zur Schau gestellt werden, sind im philippinischen Alltag ein vertrautes Bild. Mindestens einen funeral parlor, ein Bestattungsunternehmen, hat jeder größere Ort, oft finden sich gleich mehrere in ein und derselben Straße. Wie bei uns sind die Angestellten dieser Institute mit dem Herrichten der Verstorbenen beschäftigt einschließlich der christlichen Sitte des Einbalsamierens. Denn es vergehen oft Tage, wenn nicht Wochen, bis die eigentliche Bestattung, in noch seltenen Fällen die Kremation stattfinden kann. Verwandte und Freunde von Nah und Fern, häufig aus dem Ausland, werden erwartet. Je nach sozialem Stand und Wohlstand wird eine große und teure Feier mit vielen Gästen vorbereitet. Der Vermögenslage entsprechen auch die Bestattungsfahrzeuge, die Musikbegleitung, die Todesanzeigen in den Medien etc. Zuweilen sieht der Reisende unterwegs eine kleine Prozession, die einen von Männern getragenen oder auf einem Handkarren gezogenen Sarg zum Friedhof geleitet. Woanders halten Polizisten den Verkehr zurück, damit ein Korso aus großen Edellimousinen und Kleinbussen die Bestattungskarosse (bevorzugt sind amerikanische Straßenkreuzeroldtimer aus vergangenen Jahrzehnten) zur vornehmen Gräber- und Mausoleenparkanlage begleiten kann, die Memorial Haven, Peace Garden oder ähnlich feierlich heißen kann. Wie unterschiedlich die mit Tod und Bestattung verbundenen Bräuche im Land sind, versucht das Kapitel „Der letzte Weg – Alter, Tod und Trauern“ ab Seite 235 aufzuzeigen.

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Das Kreuz über dem Dalton-Pass erinnert an den massenhaften Tod, den der Zweite Weltkrieg über die Inseln brachte

In Zeiten des allseits verfügbaren und einsatzbereiten Smartphones mit eingebauter Kamera wird aus den Reihen der Trauergesellschaft fleißig fotografiert. Ob nun der zufällig anwesende Tourist das für ihn zunächst exotische Geschehen, die Prozession, die Bestattung einfach so als Urlaubsfotomotiv „mitnehmen“ muss, soll jeder selbst entscheiden. Die Grenzen zwischen ernstem Interesse und pietätlosem, voyeuristischem Jagdfieber können bekanntlich fließend sein.

imageBestechung/Schmiergelder: Korruption ist ein Dauerthema in Politik und Gesellschaft der Philippinen (siehe das Kapitel „Das geliebte Übel – die Korruption“ ab Seite 153). Im Land lebende Ausländer haben mit diesem „Krebsgeschwür“ sicher eher zu tun als Reisende – ob als Nutznießer oder Leidtragende. Mancher fühlt sich vielleicht versucht, im offiziell ausgebuchten Linienbus mittels eines zusätzlichen Geldscheins noch einen Platz zu bekommen oder dem Beamten der Einwanderungsbehörde einen Deal vorzuschlagen, damit die Urlaubsplanung wegen eines abgelaufenen Visums nicht durcheinanderkommt. Und schon wäre er am alle Lebensbereiche durchziehenden System der Bestechung beteiligt und würde sich laut Gesetz strafbar machen. Also Vorsicht – nicht jeder Bestechungsversuch bringt den erhofften Erfolg, denn hier und da verrichten die Verantwortlichen ihren Job aufrichtig. Man sollte besser davon ausgehen, dass Reisenden i. d. R. keine Schmiergeldforderungen gestellt werden, und es tunlichst vermeiden, jemanden dazu zu ermuntern.

imageBlickkontakt: Mit den Augen zu sprechen, ist auch in den Philippinen eine weitverbreitete Art der Kommunikation. Wie sie zu verstehen und anzuwenden ist, beschreibt das Kapitel „Mit Augenbrauen und offenem Mund – die Körpersprache“ ab Seite 291. Unterhält sich jemand mit unstetem Blick oder versucht gar, jeglichen Blickkontakt zu vermeiden, ist meist große Schüchternheit, Unsicherheit oder übertriebene Unterwürfigkeit der Grund. Starrt eine schwangere Frau Sie offen an, so hofft sie darauf, dass ihr Kind hübsch aussehen wird, sie macht Ihnen damit also ein indirektes Kompliment. Ansonsten halten Filipinos das ungenierte Anstarren anderer Menschen für unhöflich, ungebildet oder gar für aggressiv bzw. feindselig.

imageBürokratie: Im Gegensatz zu den Landesbewohnern und eingewanderten Ausländern hat der „normale“ Tourist i. d. R. wenig bis gar nichts mit dem in der Tat weit in den Alltag reichenden Bürokratieapparat zu tun. Sollte dennoch ein Behördengang notwendig werden, sind neben möglichst vollständigen Unterlagen viel Geduld und ordentliche Kleidung (z. B. lange Hosen, feste Schuhe, die Schultern bedeckende Bluse) ausdrücklich ratsam. Eine höfliche, nicht fordernde Ausdrucksweise erleichtert die Prozedur außerdem und vielleicht kommt man mit etwas Small Talk dem zügigen Ende der Amtshandlung näher – jedenfalls eher als mit mürrischem Gesichtsausdruck und dauerndem Blick auf die Uhr.

imageDrängeln: Das „Problem“ ist in den Philippinen sicher nicht so groß wie in anderen asiatischen Ländern, doch hin und wieder vergessen auch Filipinos ihre anerzogene Höflichkeit und drängen sich vor, in der Schlange beim Eincheckschalter am Flughafen oder bei der Abfertigung zur Inselfähre, in einem Selbstbedienungsrestaurant, beim Einsteigen in einen schon ziemlich gut besetzten Jeepney etc. Wenn es bei einem oder zwei „Ausreißern“ bleibt, sollte man das gelassen hinnehmen. Wird man jedoch regelrecht weggedrängt, kann man ruhig die gleiche Taktik einschlagen und sich nach vorne manövrieren, notfalls unter Einsatz von Händen, Ellbogen und vernehmlichem „Sorry pò, excuse me pò!“.

imageDrogen: Das „heiße“ Thema, das seit Amtsantritt von Präsident Duterte die Berichterstattung im In- und Ausland beherrscht, ist seit vielen Jahren ein großes Problem (siehe auch die Kapitel „Aufgeputscht“ ab Seite 189 und „Schlagzeilen aus dem ‚wilden Osten‘ – die Sicherheitslage“ ab Seite 332). In den ganz und gar nicht einladenden Gefängnissen einiger Städte sitzen auch Ausländer ein, die wegen Drogenhandels (ob durch eigene Initiative oder falsche Beschuldigungen) bzw. unerlaubten Besitzes von Rauschmitteln angeklagt wurden. Noch ist kein Fall bekannt, bei dem Ausländer von Polizei- oder Killerkommandos getötet wurden, doch Vorsicht ist absolut geboten. In aller Deutlichkeit: Wie auch immer man zu den brutalen Maßnahmen der Behörden stehen mag, den von der Regierung ausgegebenen Schlachtruf „Null Toleranz“ sollte jeder, der – animiert von tropischen Vollmondnächten am Strand oder verlockender Gesellschaft – mit dem Gedanken an einen Joint oder andersartigen Drogenrausch spielt, direkt auf sich beziehen. Auch das eigene Gepäck betreffend, gilt das Vorsichtsgebot, denn ein Päckchen mit verdächtiger Substanz ist schnell zugesteckt und wer sich dann darauf verlässt, einer Verhaftung durch ein saftiges „Lösegeld“ entgehen zu können, wählt eine äußerst riskante Option.

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Das Angebot eines Public Market reicht von Gemüse und Fisch bis zu Brühwürfeln

imageEinkaufen, Märkte, Handeln: Das Angebot in den Geschäften, auf den Märkten und natürlich in den Shoppingmalls, von denen inzwischen fast jede Kleinstadt eine hat, ist üppig bis schier unglaublich vielfältig. Das mag den Reisenden, der bereits viel an Armut und Bedürftigkeit im Land gesehen hat, überraschen und auch irritieren. Die Auswahl an Kunsthandwerk und anderen mehr oder weniger geschmackvollen Souvenirs beeindruckt. In touristischen Zentren, an Busbahnhöfen und – haltestellen, an beliebten Strand- und Ausflugsorten haben oft angereiste Verkäufer ihre Stände aufgebaut oder ziehen mit ihren Artikeln beladen umher. Bei diesen Anbietern ist Handeln meist angebracht und vielfach wird der Kunde dazu aufgefordert. Dabei sollte man nicht zu zaghaft vorgehen, aber auch den Wunschpreis nicht zu tief ansetzen, damit der/die Verkäufer/in sich noch ernst genommen fühlt. Eine grobe Faustregel hat sich bewährt: Wenn man an dem Gegenstand wirklich interessiert ist und einen besseren als den genannten Preis erzielen will, kann ein Betrag, der in etwa bei der Hälfte des Erstpreises liegt, eine vernünftige Ausgangsbasis für ein erfolgreiches, Gesicht wahrendes Ergebnis sein. Genaues Prüfen der Ware ist ebenso anzuraten wie ein ausreichender Vorrat an Kleingeld. Wer zusammen mit Filipinos auf einem der örtlichen Märkte einkaufen gehen will, wird möglicherweise gebeten, Abstand zu halten, denn die Präsenz eines Ausländers löst bei Händlern zuweilen den „Reflex“ einer plötzlichen Preissteigerung aus. Manch einen Besucher ärgert das verständlicherweise, auch wenn es nur ein paar Pesos Unterschied macht. (Es sei angemerkt, dass wenige Filipinos, Ehepartner von Ausländern eingeschlossen, sich in aller Öffentlichkeit auf eine Grundsatzdiskussion über gleiche Rechte und Preise einlassen wollen.)

imageEinladungen: Filipinos haben gerne Gesellschaft, auch von Ausländern. Diese werden es zwar kaum erleben, dass sie von der Straße weg ins Haus eingeladen werden und sollten bei solch einem eher ungewöhnlichen Angebot vorsichtig sein (siehe das Kapitel „Schlagzeilen aus dem ‚wilden Osten‘ – Sicherheitslage“ ab Seite 332). Doch wenn man sich näher bekannt gemacht hat oder durch einen Dritten vorgestellt wurde, kann man die Einladung getrost annehmen. Zu den entsprechenden Vorbereitungen und Verhaltensregeln geben die Kapitel „‚Haben Sie schon gegessen?‘ – Gastfreundschaft“ ab Seite 310 und „Zu Gast in der Familie“ ab Seite 315 hilfreiche Auskunft. Weder sind Geschenke obligatorisch noch wird eine strenge Kleiderordnung gefordert. Doch das eine oder andere pasalubong, vorzugsweise ein Mitbringsel von der Reise oder von zu Hause, Süßigkeiten, Gebäck für die Kinder oder Obst und saubere, dezente Kleidung kommen immer gut an (siehe auch den Verhaltenstipp „Geschenke“, S. 29). Ist der Anlass der Einladung eine große Feier (Hochzeit, Trauerzeremonie etc.) gilt selbstverständlich eine anspruchsvollere Etikette.

imageEss- und Trinksitten: Allgemein sind Filipinos begeisterte Esser, in Restaurants genauso wie an den Essständen der Markthallen, an ambulanten Garküchen und an Bushaltestellen. Dabei geht es i. d. R. recht ungezwungen und im Gegensatz zu anderen Ländern nicht besonders geräuschvoll zu. Schmatzen, Schlürfen und Rülpsen gehören nicht zum „guten Ton“. Die rechte Hand ist häufig im Einsatz, nach philippinischer Philosophie schmeckt es besser, wenn das Essen, vor allem der etwas klumpig gekochte Reis, direkt von der Hand in den Mund kommt (siehe auch das Kapitel „Reisen geht durch den Magen – Ess- und Trinkkultur“ ab Seite 317). Manch ein Landesbewohner betet vor dem Essen oder/und danach. Die Formel „Guten Appetit“ ist dagegen weitgehend unbekannt. Dass der Gast seine heimischen Sitten besser nicht an einen philippinischen Tisch überträgt und z. B. beginnt, das Geschirr zusammenzustellen oder abzutragen, ist im Kapitel „Zu Gast in der Familie“ ab S. 315 nachzulesen.

imageFahrer/Guides: Wer sich für eine Rundreise oder örtliche Ausflüge selbst auf die Suche nach einem Reiseführer und/oder Fahrer macht, sollte Vorsicht walten lassen. Am besten ist es, derartige Dienstleistungen über eine Agentur, die örtliche Fremdenverkehrsbehörde (Department of Tourism, DOT) oder durch Vermittlung eines vertrauenswürdigen Bekannten zu akquirieren. Zu viele schwarze Schafe sind in dem Gewerbe unterwegs, die sich unter Umständen vorher alles bezahlen lassen, ohne die erwartete Arbeit dann zuverlässig zu erfüllen oder die mehr Zeit mit der Reparatur als mit dem Steuern des Fahrzeugs verbringen, wenn dieses nicht gar ganz den Geist aufgibt. Auch ein sogenannter badge, ein registrierten Fahrern und Guides offiziell ausgestellter Identifikationsausweis (ID) lässt sich fälschen. Ist jedoch alles in Ordnung, können informative, geschulte und hilfsbereite Chauffeure und Guides eine wahre Bereicherung des Reiseerlebnisses sein. Man sollte sich nicht wundern, wenn Führer und/oder Fahrer trotz einer Einladung durch die Kunden manchmal lieber separat essen wollen. Meistens ist es höfliche Zurückhaltung, manchmal die Furcht, an der Unterhaltung am Tisch nicht in vollem Umfang teilnehmen zu können, zuweilen allein die praktische Überlegung, dass das Servieren des Essens für eine größere Gruppe länger dauert, als wenn nur ein, zwei Personen bedient werden müssen. Wenn sich ein Fahrer also nach mehreren Stunden am Steuer auf ein verdientes, schnelles, i. d. R. günstiges oder gar kostenloses Essen freut, sollte der Reisende für diesen Wunsch Verständnis aufbringen. Gelegenheiten, dem Guide und/oder Fahrer Anerkennung zu zeigen, gibt es immer mal wieder: ein erfrischendes Getränk hier oder eine gemeinsame Obstpause da und schließlich die sehr deutlich praktizierte Sitte des Trinkgelds (s. S. 40).

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Gläubige ziehen bei der Fiesta die prunkvoll geschmückte Marienstatue aus der Kathedrale von Bolinao

imageFeiern/Fiesta: Egal zu welcher Jahreszeit die Philippinen das Reiseziel sind, irgendwo wird immer eine der typischen Dorffiestas gefeiert, denn die Gedenktage für die Schutzheiligen liegen über das ganze Jahr verteilt. Eine erhöhte Frequenz von Festen ist zwischen Weihnachten und dem Monat Mai mit dem katholischen Höhepunkt der Semana Santa, der Karwoche, zu verzeichnen (siehe das Kapitel „Feste, Bräuche, Traditionen“ ab s. S. 112). Fröhlich, ausgelassen und richtig laut geht es dabei zu, von den Karfreitagsriten mal abgesehen. Aber auch wenn Passionsspiele, Trauer, Tod, wie an Allerheiligen und Allerseelen, im Vordergrund stehen, muss das mithilfe von Lautsprechern und Kirchenglocken, eventuell Großbildschirmen für Public Viewing zu hören sein. Filipinos feiern mit der Absicht, Aufmerksamkeit auch außerhalb der eigenen Familie oder Gruppe zu erregen. Fiestas sind Gelegenheiten, sich im Gedränge auf den Straßen und Plätzen näherzukommen. Nicht immer steckt allein die freundliche Neugierde dahinter, Taschendiebe feiern besonders gerne mit. Je weniger an Wertsachen der Festbesucher bei sich trägt, desto frustrierter sind die Langfinger. Gerne posieren Filipinos für Fotos und wenn sie sich dazu mit einem Ausländer gruppieren, ist der Spaß besonders groß.

imageFotografieren: „Hey Joe, give me a Kodak, give me a shot!“