Die Edelstein-
Girlies 2

Prinzessin Rubina

Roswitha Gruler

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Erste Auflage 2014

© net-Verlag, 39517 Tangerhütte

© Coverbild und Illustrationen: Jenny Schneider

Covergestaltung, Lektorat

und Layout: net-Verlag

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014

ISBN 978 - 3-95720 - 056-3

Träume

Wir reiten auf wilden, rosaroten Pferden,

passieren mit Stelzen ganze Maikäferherden.

Wir sind die Heldinnen der schlafenden Nacht,

erleben Abenteuer, bis die ganze Welt aufwacht.

Kein Ziel ist zu weit, keine Aufgabe zu schwer,

wenn wir kommen, macht das schon was her.

Wir fliegen auf flauschigen, weißen Wolken,

Kühe werden von Zwergenkindern gemolken.

Die Kinder sind die wahren Könige mit Macht,

weil bei denen ehrlich und froh das Herze lacht.

Neugierig und offen schauen wir uns alles an,

in den Träumen gibt es keinen Stundenplan.

Wir schaukeln weit in den Himmel hinauf,

schwingen uns wie Äffchen auf die Wolken drauf.

Ob Prinz oder Prinzessin, wir sind ohne Vorurteile,

wir spielen den ganzen Tag und sind ohne Langeweile.

Es wäre gelogen, wenn wir gerne schlafen gingen,

umso mehr lieben wir es, wenn Träume zu uns durchdringen.

Roswitha Gruler

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Träume

Gefangene des Nebels

Herr Grinspfote

Federburgenland

Schweizer-Käse-Häuser

Der Federflugdrache

Neuer König gesucht

Die Limonadenziegen

Schwarze Federn

Krönung und Abschied

Danksagung

Über die Autorin

Über die Illustratorin

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Gefangene des Nebels

Ich fühlte mich so müde, als hätte mir das Sandmännchen eine doppelte Portion Sand in die Augen gestreut. Kein Wunder, denn meine Eltern waren nach einigen Wochen Geschäftsreise endlich wieder nach Hause zurückgekehrt und überraschten mich mit ihrer Ankunft.

Vor Freude war ich so platt, dass mir am Abend vor Anstrengung die Augen buchstäblich zufielen. Dabei wollte ich ihnen unbedingt meine ganzen Abenteuer erzählen, die ich mit meinen Freundinnen – den Edelstein-Girlies – erlebt hatte.

Im Halbschlaf bekam ich noch mit, wie mich mein Papa ins Bett trug, mir mein rosafarbenes Nachthemd anzog und mich zudeckte. Danach tauchte ich ein in die wunderbare Welt der Träume.

Ich stand mitten auf einer grünen Wiese, und dichte Nebelschwaden umgaben mich. Das Gras fühlte sich sehr weich an, und ich bekam richtig Lust, mich darauf zu legen. Doch der Nebel verwirrte mich. Ich kam mir vor, als würde ich mich in einer Zuckerwattekugel befinden.

Vorsichtig streckte ich die Zunge heraus, doch ich schmeckte nichts Süßes, nur winzige, geschmacklose Tautropfen schwirrten in der Luft herum. Meine Neugierde trieb mich weiter. Ich wollte sehen, was sich hinter dem Nebel befand. Deshalb ging ich Schritt für Schritt weiter, die Hände nach vorne ausgestreckt, um ja nirgends anzuecken. So muss sich ein Blinder fühlen, dachte ich und wünschte, dass ich einen Stock dabeihätte.

Ab und zu kam ich an einen Baum vorbei, aber sonst befand sich nichts auf der Wiese. Nicht einmal Vogelgezwitscher war zu hören. Normalerweise hörte man alle möglichen Geräusche, wenn man draußen im Garten saß. Spontan fielen mir das Summen der Bienen ein, wunderschöner Vogelgesang, das Plätschern eines Springbrunnens im Teich, entfernte Geräusche von Autos und Flugzeugen, die auf dem nahegelegenen Flughafen landeten. Aber hier auf der schönen, weichen Wiese im Traumland war absolut kein Geräusch zu hören.

Nach einer Weile ließ meine Aufmerksamkeit nach. Ich wollte nur noch raus aus diesem Nebel, der einen wie eine hauchdünne, feuchte Watte umhüllte. Plötzlich stolperte ich über eine Baumwurzel und fiel der Länge nach hin.

»Aua!«, rief ich wütend und rieb mir mein schmerzendes Bein.

Doch niemand schien mich zu hören, und so rappelte ich mich notgedrungen wieder auf. Wie sehr wünschte ich in diesem Moment, dass meine Freundinnen hier wären.

Als ich wieder auf beiden Füßen stand, wagte ich einen neuen Versuch und rief verzweifelt um Hilfe. Als Antwort empfing ich jedoch nur eine seltsame Stille. Das war völlig ungewohnt für mich. Normalerweise, wenn ich zu Hause jemanden rief, antworteten entweder sofort meine Oma Loreley oder meine Mama. Irgendwie hatte ich nicht mehr das Gefühl, mich in einem wunderschönen Traum zu befinden.

Als der nächste Baum kam, kletterte ich hinauf, setzte mich auf einen bequemen Ast und wünschte mir ganz fest, dass ich aus diesem Traum aufwachte.

Auf einmal hörte ich eine leise Stimme, die zu mir sprach: »Ich kann dich nicht gehen lassen. Zumindest jetzt noch nicht. Wir brauchen deine Hilfe. Erst wenn du alle Aufgaben gelöst hast, können wir dir erlauben, wieder aufzuwachen.«

Die Stimme machte mir Angst. Ich traute mich fast nicht zu fragen, tat es aber doch. »Wer bist du?«

»Ich bin der Nebel, und ich beschütze das Traumland. Jeder Mensch, der einschläft, klopft an meine Pforte und erbittet Einlass zu den Träumen. Ich entscheide darüber, wer träumen darf und vor allem, ob jemand gute oder böse Träume haben wird.«

»Aber warum willst du ausgerechnet mich hier behalten? Ich bin doch noch ein Kind.«

»Ganz einfach: Du besitzt sehr viel Fantasie und weißt dir in fast allen Dingen zu helfen. Ich weiß, dass du und deine Edelstein-Girly-Freundinnen sehr viel Gutes getan haben, und genau diese Kombination aus Einfallsreichtum und Hilfsbereitschaft brauchen wir hier.«

»Und was genau soll ich tun?«

»Ich werde dir einen Berater zur Verfügung stellen. Er heißt Herr Grinspfote. Er wird dich herumführen und dir alles erklären. Ihr werdet nach Federburgenland gehen, und dort wirst du dem König und der Königin vorgestellt. Sie werden dir alles Weitere erklären.«

»Aber bis jetzt waren immer meine Freundinnen bei mir. Wie soll ich helfen ohne meine Freundinnen und ohne ihre Edelsteine?«

»Du schaffst das auch alleine, hab keine Angst! Du musst dir nur mehr zutrauen, dann wirst du jedes Problem meistern.«

Irgendwie überzeugte mich das nicht so. »Bitte lass mich doch wieder aufwachen! Ich glaube nicht, dass ich dir eine Hilfe sein werde. Außerdem wird sich meine Mama Sorgen machen, wenn ich morgen früh nicht im Bett liege.«

»Glaub mir, du bist die einzige Person, die helfen kann. Ich kann dich nicht aufwachen lassen, so lange nicht alle Probleme gelöst sind. Tut mir leid. Betrachte dich einfach als unseren Gast und nicht als unsere Gefangene! Deine Mama wird nicht merken, dass du weg bist. Die Zeit auf der Erde wird so lange angehalten.«

»Also gut, dann werde ich es tun. Ich habe ja doch keine andere Wahl. Wann kommt denn Herr Grinspfote?«

»Er wird bald da sein. Du musst nur noch ein kurzes Stück die Wiese hinuntergehen, bis du nicht mehr im Nebel bist. Dann kommst du zu einer Fantasiewiese und zu einem kleinen Bach. Dort steht eine Bank, und da kannst du auf ihn warten.«

»Wie sieht Herr Grinspfote denn aus? Ist er nett?«

»Tja, er hat ein paar Eigenheiten. Aber wenn du ihn ein wenig kennengelernt hast, wirst du ihn sicher mögen. Du wirst ihn an seinem Dudelsack erkennen, den er immer bei sich trägt.«

Das konnte ja heiter werden, ein Berater, der Dudelsack spielen kann! Bis jetzt hatte ich dieses Instrument noch nie in Echt gesehen. Meine Omi erzählte mir mal, dass der Dudelsack hauptsächlich in Schottland gespielt wird. Da tragen die Leute selbst im Winter Schottenröcke mit Kniestrümpfen, und die restlichen Beine bleiben nackt. Der Gedanke daran, dass ich in der Eiseskälte nur mit Kniestrümpfen und einem Röckchen bekleidet wäre, ließ mich schaudern.

Da der Nebel nicht mehr mit mir sprach, setzte ich vorsichtig meinen Weg fort. Nach einer Weile merkte ich, dass der Nebel nicht mehr so dicht war. Erleichtert beschleunigte ich meine Schritte. Ich wollte nur noch raus aus dieser Suppe.

Kaum hatte ich das zu Ende gedacht, war es so, als würde sich der Nebelvorhang zur Seite schieben, und ich hatte wieder eine klare Sicht. Und dieser Anblick lohnte sich wirklich, denn vor mir erstreckte sich, so weit das Auge reichte, eine Marienkäferwiese.

Zuerst traute ich mich nicht weiterzugehen, denn ich hatte Angst, auf die schönen Käfer zu treten. Aber dann stellte ich fest, dass die Erde nicht mit Marienkäfern übersät war, sondern es sich um rotes Gras mit schwarzen Punkten handelte.

Ich war hin und weg und fand es richtig schade, dass meine Freundinnen es nicht sehen konnten. Serafina hätte mit Sicherheit ein Foto gemacht. Selbst meiner Omi hätte das gefallen, und ich nahm mir vor, ihr alles haargenau zu erzählen, sobald ich wieder zurück war.

Es war der reinste Genuss, über dieses schöne Gras zu gehen, weil es noch weicher war als die Wiese zuvor. Auch der Himmel war viel blauer als der zu Hause, aber das Beste daran waren die Wolken: Diese waren rosarot und hatten die Form von Kuscheltieren. Eine Wolke sah aus wie ein Teddybär, eine wie ein Frosch und eine andere sogar wie ein Nilpferd.

Fasziniert ging ich weiter und kam recht bald an der Bank an, die sich neben dem kleinen Bach befand. Artig setzte ich mich hin, lehnte mich wohlig an und schloss die Augen.

Das leise Plätschern des Bachs wirkte wie eine Schlaftablette auf mich, und so kam es, dass ich in meinem eigenen Traum einnickte.

Herr Grinspfote

Mein Schläfchen wurde jäh unterbrochen, als ich plötzlich laute Dudelsackmusik hörte. Erschrocken riss ich meine Augen auf und starrte in zwei riesige Hunde-Augen. Vor mir stand ein Wolkenkratzer von einem Hund, der mich missbilligend anstarrte.

Als er sah, dass ich meine Augen offen hatte, nahm er seinen Dudelsack herunter und steckte ihn in einen großen Rucksack. »Mein Fräulein, mir scheint, als würde ich hier nicht erwartet«, sagte er sehr förmlich.

»Du bist ja ein Hund«, sagte ich erstaunt und wollte ihn streicheln.

»Ich möchte doch bitten, mein Fräulein. Keine Vertraulichkeiten! Dafür kennen wir uns noch viel zu wenig. Außerdem sind wir nicht per Du. Nennen Sie mich doch bitte Herr Grinspfote!«

Irritiert über diese Worte fragte ich: »Und wie ist Ihr Vorname, und welche Rasse sind Sie?«

»Mein Vorname tut nichts zur Sache, und offiziell gelte ich als Bernhardiner.«

»Ach ja, die tragen doch immer so ein Holzfässchen um den Hals, oder?«

»Sehe ich wie ein Nutztier aus? Ich bin doch kein Esel oder Kamel. Die müssen immer Sachen herumschleppen, aber ich bin etwas Besonderes: Ich bin nämlich Ihr Berater und Führer. Ich trage eine große Verantwortung auf meinen Schultern.«

»Helfen Sie mir, die Aufgaben zu lösen, von denen mir der Nebel erzählt hat?«

»Ich kann Sie nur beraten und zu den Orten hinführen, zu denen Sie gehen müssen. Aber sonst kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Da müssen Sie Ihren Kopf schon selbst anstrengen.«

»Wissen Sie wenigstens, was für Aufgaben ich lösen muss?«

»Ich habe so eine Ahnung, aber mehr wird vorerst nicht verraten. Alles zu seiner Zeit. Zuerst müssen wir nach Federburgenland gehen. Der König und die Königin erwarten uns bereits. Sind Sie so weit?« Herr Grinspfote wartete nicht meine Antwort ab, schüttelte sein zotteliges Fell, zog seinen Rucksack an und trottete los.

Als ich ihm folgte, betrachtete ich ihn neugierig. Auf mich wirkte er wegen seiner Größe eher wie ein Pony als wie ein Hund. Obwohl er so ein Ungetüm war, flößte er mir keine Angst ein. Er hatte zwar eine seltsame Art zu sprechen und tat so, als wäre er etwas Besseres, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass er gefährlich war. Meine Omi sagte zwar immer, dass man bei Hunden aufpassen müsse, aber Herr Grinspfote war ja schließlich nur ein Traumhund.

Wir verließen die schöne Maikäferwiese, überquerten ein kleines Wäldchen und kamen zu einer anderen Wiese, die voll mit bunten Blumen war. Als ich näher hinsah, traute ich meinen Augen nicht. Die Blumen hatten die Form von Instrumenten. Da waren zum Beispiel pinkfarbene Trompeten, neongelbe Posaunen, gelbviolette Klarinetten, orangegrüne Saxophone, und sogar himmelblaue Schlagzeuge konnte ich erkennen.