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Oberon

Textbuchedition

Oberon

A Romantic and Fairy Opera

König der Elfen. Romantische Feenoper

Text von James Robinson Planché

Übersetzung von Karl Gottfried Theodor Winkler

Musik von Carl Maria von Weber

Kritische Textbuch-Edition

von Solveig Schreiter

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INHALT

Vorwort

Abkürzungen, Siglen

Einleitung

I. Vorbemerkung zur Edition

1.Zu den Quellen

2.Zur Textgestaltung bzw. Anlage des Edierten Textes

II. Werktext

Vorreden der Originalquellen

Personenverzeichnisse

Act I / Aufzug I

Act II / Aufzug II

Act III / Aufzug III

Anhang ursprüngliche Nr. 5

Anhang ursprüngliche Nr. 16

Anhang ursprüngliche Nr. 20

III. Zur Werkentstehung und Uraufführung

1.Stoffgeschichte und zeitgenössische Dramatisierungen des Oberon

1.1Zur Stoffwahl

1.2Vorlagen zu Wielands Epos

1.3Der Inhalt des Wielandschen Oberon im Vergleich zu Planchés Libretto

1.4Deutsche Dramatisierungen auf Grundlage von Wielands Oberon

1.5Englische Dramatisierungen des Oberon-Stoffes

2.Zur Entstehung des Librettos von James Robinson Planché und zu Webers Einflüssen auf die englische Textfassung

2.1Zu den Vorbereitungen des Londoner Opernprojekts

2.2Zum Librettisten des Oberon und den Ausgangsbedingungen für die Zusammenarbeit

2.3Beginn der Arbeit am Libretto sowie Änderungen Webers am Text

2.4Zum Kompositionsprozess

3.Zu den Bedingungen der Uraufführung des Oberon

3.1Zur Ausstattung und Besetzung der ersten Aufführungen

3.2Letzte Vorbereitungen zur Uraufführung

3.3Das Uraufführungslibretto im Urteil von Zeitgenossen

IV. Zur Werktradierung und Bearbeitungsgeschichte

1.Zur deutschen Übersetzung von K. G. Theodor Winkler im Zuge der Vorbereitung des Klavierauszuges

1.1Vorbemerkungen zur Entstehung des Klavierauszuges

1.2Zur Entstehung der Übersetzung Winklers während der Anfertigung des deutschen Klavierauszuges

1.3Zu Webers Einfluss auf die deutsche Übersetzung zum Oberon

1.4Reaktionen auf das deutsche Libretto

2.Zur Rezeptionsgeschichte des Oberon

2.1Erstaufführungen der originalen Fassung von Weber

2.2Zur Bearbeitung des Oberon – ein Überblick

V. Quellenbeschreibung

1.Handschriftliche und gedruckte Textbuch-Quellen

2.Musikalische Quellen

2.1Skizzen und Entwürfe

2.2Partituren

2.3Quellen für den Druck des Klavierauszuges (englisch und deutsch)

VI. Bewertung der für die Edition massgeblichen Quellen

1.Handschriftliche und gedruckte Textbuch-Quellen

2.Musikalische Quellen

2.1Skizzen und Entwürfe

2.2Partituren

2.3Quellen für den Klavierauszug

VII. Varianten, Lesarten und Anmerkungen

Vorbemerkungen

Verzeichnis (englischer Text)

Verzeichnis (deutscher Text)

Literaturverzeichnis

Register der erwähnten Personen und Werke

Opernlibretti – kritisch ediert

Herausgegeben von Irmlind Capelle und Joachim Veit

Bd. 3

VORWORT

Operntextbücher stehen als Bühnentexte vielfach nicht nur in der Tradition der vorangehenden dramatischen Bearbeitungen des verwendeten Stoffes, sondern positionieren sich durch ihre Struktur und Machart zugleich in bestimmte lokale Traditionen. Bei keinem anderen von Weber vertonten Libretto ist dies so deutlich wie bei James Robinson Planchés „Oberon“. Auch wenn seine Bearbeitung wesentlich auf eine von Wielands Versepos inspirierte reichhaltige, vorwiegend kontinental-europäische Tradition der Dramatisierungen des Stoffes zurückgeht, so ist sie doch noch weit stärker von der spezifisch britischen Form eines „Melodrama with songs“ geprägt, d. h. eines Schaustücks mit begrenzten, aber möglichst eingängigen und charakteristischen Musikanteilen. Webers Oper litt trotz des großen Erfolgs der Uraufführung in London daran, dass die Musik für die dortigen Verhältnisse eigentlich einen zu anspruchsvollen Part einnimmt, auf dem Kontinent wurde dagegen das revueartige Bühnengeschehen zu einem Stolperstein für die hochgelobte Musik. Im Gegensatz zu den britischen Zeitgenossen würdigte außerhalb Englands niemand die Qualitäten des englischen Textes, dessen Exotismus mit der Hervorhebung nobler Eigenschaften des Fremden die Bildungsideale der Zeit verdeutlicht, in dem sich aber auch darüber hinaus Planché als ein sehr literaturkundiger Autor erweist. Dagegen fällt die Übertragung ins Deutsche durch Karl Gottfried Theodor Winkler sprachlich deutlich ab. – Erstmals werden nun beide Versionen im Parallelabdruck vorgelegt und erlauben so auch eine Beurteilung der Adaption auf der Folie des englischen Originals.

Es ist zu hoffen, dass die vorliegende kritische Textbuchedition, für die alle authentischen Quellen herangezogen wurden und die in den kommentierenden Teilen das Libretto in den zeitgenössischen Bühnenkontext einbettet, das Verständnis für die spezifische Gestalt dieses Textbuches fördern hilft und den Leser Webers Urteil, das Buch sei „voll wirklich poetischen Lebens“, nachvollziehen lässt.

Detmold, im Mai 2018

Irmlind Capelle, Joachim Veit

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Illustration zu Webers Oberon, Szene I/1 mit Rezia
„Warum musst Du schlafen? Held voll Muth!
Ein Mädchen sitzt weinend an Babylons Fluth.“
Kupferstich von Carl August Schwerdgeburth nach Johann Heinrich Ramberg

ABKÜRZUNGEN, SIGLEN, AUSZEICHNUNGEN

1. Quellen-Kürzel

A

Autograph des Komponisten

AK

Autograph mit Zusätzen von der Hand eines Kopisten

L

Autograph des Librettisten

LA

Autograph des Librettisten mit Eintragungen des Komponisten

K

Kopie

KA

Kopie mit autographen Eintragungen des Komponisten

M

Manuskript

-pt

Partitur

-kl

Klavierauszug

-tx

Textbuch

/sk

Skizze

/ew

Entwurf

/sv

Stichvorlage

2. Bibliothekssiglen

A-Wn

Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Musiksammlung

CH-Bu

Basel, Öffentliche Bibliothek der Universität Basel, Musiksammlung

D-B

Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

D-Dl

Dresden, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek, Musikabteilung

D-HVsa

Hannover, Staatsarchiv

D-LEm

Leipzig, Musikbibliothek der Stadt Leipzig

DK-Kk

Kopenhagen, Det Kongelige Bibliotek

EV -Tal EAM

Tallin, Eesti Ajaloomuseum (Estnisches Geschichtsmuseum)

F-Pn

Paris, Bibliothèque Nationale

GB-Cfm

Cambridge, Fitzwilliam Museum

GB-Lbl

London, The British Library

GB-Ob

Oxford, Bodleian Library

PL-Kj

Krakau, Biblioteka Jagiellonska

RF-SPsc

St. Petersburg, Russische Nationalbibliothek

US-Bu

Boston, Boston University, Mugar Memorial Library, Paul. C. Richards Collection

US-PHhs

Philadelphia, The Historical Society of Pennsylvania Library

US-SM

San Marino (Californien), Henry E. Huntington Library & Art Gallery

US-STu

Stanford, Stanford University, Stanford Memorial Library of Music

US-Wc

Washington (D.C.), Library of Congress, Music Division

3. Sonstige Abkürzungen

[ ]

Kennzeichnung von Herausgeberzusätzen

Bd.

Band

b. S.

beschriebene Seiten

Bl./Bll.

Blatt, Blätter

EA

Erstaufführung

Jh.

Jahrhundert

Kap.

Kapitel

r

recto

Sp.

Spalte

TB

Tagebuch, D-B, Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 1

UA

Uraufführung

v

verso

WFN

Weber-Familien-Nachlass

Zitierte Briefe aus der online-Edition der Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe werden statt mit vollständigem Link (z. B. http://weber-gesamtausgabe.de/A042758) im Text nur mit der entsprechenden Identifikationsnummer in Klammern, z.B. (A042758), angegeben.

EINLEITUNG

Carl Maria von Webers letzte Oper Oberon, sein sogenannter „Schwanengesang“, hat eine wechselvolle Geschichte. Zwar nicht an den singulären Erfolg des Freischütz anknüpfend, aber auch nicht das Schicksal seines missverstandenen Versuchs einer „großen Oper“ Euryanthe teilend, konnte sich der in England 1826 uraufgeführte Oberon dennoch durchgängig im Repertoire der internationalen Bühnen verankern.

Markant und einzigartig ist allerdings dabei die Entwicklung, die Webers Dramatisierung, basierend auf dem Libretto von James Robinson Planché, genommen hat. Obwohl explizit als Auftragswerk für die englische Bühne (Covent Garden Theatre) entstanden und dort überaus erfolgreich aufgeführt, war es natürlich Webers Bestreben, seine Komposition auch in Deutschland zu etablieren. Diesen Weg ebnete er mit der Herstellung eines zusätzlichen deutschen Klavierauszuges (mit Textunterlegung in deutscher Sprache), den er noch vor seinem Tod kurz nach der Uraufführung fertigstellte. Dass sich das Werk jedoch trotzdem auf dem Kontinent nicht in der ursprünglichen Gestalt durchsetzte, sondern die nachfolgenden Generationen immer wieder zu Bearbeitungen inspirierte und somit mannigfaltige Veränderungen über sich ergehen lassen musste, wirft die berechtigte Frage auf, worin diese Anpassungswünsche begründet liegen.

Um die Bühnentradierung des Oberon in seiner wechselhaften Geschichte nachzuvollziehen, erscheint es daher unabdingbar, zu den Ursprüngen und Wurzeln der Entstehung des Werkes zurückzukehren. Dass der Oberon innerhalb der einschlägigen Weber-Biographien erörtert wurde1, versteht sich von selbst, darüber hinaus sind verschiedentlich wissenschaftliche Texte basierend auf unterschiedlichen Fragestellungen und kleinere Arbeiten zum Oberon entstanden2.

Aus jüngerer Zeit stammen zwei wegweisende Monographien von Joseph E. Morgan und Markus Schroer3, die der vorliegenden Auseinandersetzung mit dem Werk wesentlich als Anregung und Grundlage dienten. Während Morgan sich dem Werk mehr von der stilistischen Seite im philosophischen Kontext von Romantik und Nationalismus nähert, betrachtet Schroer ausführlich die Stoffgeschichte und analysiert die Entstehung und Gestalt der Oper im Hinblick auf Text und Musik. Beide Autoren beschäftigen sich eingehend mit der Vorlage, dem berühmten Vers-Epos von Christoph Martin Wieland4, und deren Verhältnis zum Libretto von Planché5. Beide erörtern den für die Entstehung maßgeblichen zeitgenössischen Kontext der englischen Opernbühnen.

Die vorliegende Edition versteht sich sowohl als (in erster Linie auf den Text bezogene) Revision als auch als Ergänzung zu diesen beiden grundlegenden Untersuchungen, indem sie die textliche Grundlage des Werkes ins Zentrum stellt: Planchés Libretto, dem gemeinhin allein der Misserfolg der Oper zugeschoben wird. Durch eine erstmalige eingehende und umfassende Betrachtung und Auswertung aller zu dem Textbuch gegenwärtig nachweisbaren überlieferten Quellen werden etliche in der Literatur überlieferte Urteile in Frage gestellt und erscheint Webers Werk in einem veränderten Licht.

„Das bisherige mangelnde Interesse der Philologie an der […] literarischen Sonderform des Librettos steht in einem Mißverhältnis zu ihrer weiten Verbreitung und Popularität, die von kaum einem Dramatiker der Weltliteratur erreicht wird, aber auch zu ihrer eminenten Bedeutung als Traditionsträger nicht nur theatraler Strukturen und Topoi, sondern auch allgemeinen Kulturwissens.“6

Abgesehen von einzelnen früheren Untersuchungen wurde das lange Zeit „den schlechten Ruf einer subliterarischen Zweckgattung“7 genießende und daher vernachlässigte Genre des Libretto erst in den letzten vier Dezennien innerhalb der Literatur-, Theater- und Musikwissenschaft überhaupt zum Forschungsgegenstand8 mit dem positiven Effekt, dass das Interesse an ihm und am gegenseitigen Austausch in der sich konstituierenden Wissenschaft einer Librettistik stetig wächst9.

Im Hinblick auf Webers Oberon sind vor allem zwei Schwerpunkte der Libretto-Forschung von Belang: Zum einen ist stärker auf den Kontext und die Gesetzmäßigkeiten der englischen Bühnentradition zu achten10, zum anderen ist die Rolle der Wielandschen Vorlage zu prüfen, insbesondere die Frage, inwieweit einzelne Situationen problemlos „aus ihrem ursprünglichen motivierenden Kontext“ gelöst werden können, so dass die von Ferruccio Busoni geäußerte Forderung, ein Libretto habe eine „Abfolge prinzipiell isolierbarer Stationen“ zu liefern, erfüllt wird11.

Bereits 1880 formulierte Heinrich Dorn den Wunsch: „Gönnen wir also dem Publikum den Oberon in der von dem Meister hinterlassenen Form, und nicht blos aus Rücksichten der Pietät.“12 In diesem Sinne soll mit dieser Textbuch-Edition auch die Voraussetzung für die Klärung der Frage geschaffen werden, in welchem Maße Inhalt und Anlage des originalen Librettos von Planché dafür verantwortlich gemacht werden können, dass nachfolgende Generationen unablässig versuchten, die Gestalt des Weberschen Oberon durch Bearbeitung bzw. Adaption zu verändern.

Inspirierend für die Auseinandersetzung mit den Oberon-Bearbeitungen wirkte Marita Fullgrafs Euryanthe-Dissertation, in der wesentliche Aspekte und Kriterien im Hinblick auf die Bearbeitungsgeschichte von Webers Oper herausgearbeitet sind13. Fullgrafs Einschätzung könnte durchaus auf die Problematik des Oberon übertragen werden. Auch bei der Euryanthe wurden die dramaturgischen Probleme des Librettos

„ […] als so vordergründig empfunden, daß man sie immer wieder zu verbessern suchte. Webers ‚unverwirklichten‘ ästhetischen Idealen, […] glaubte man sich durch Revisionen der Oper nähern zu können. Die eigentlichen ‚Fehler‘ wurden dabei der Textautorin [Helmina von Chézy] zugewiesen und den Bearbeitern so eine Rechtfertigung für die Korrekturen an die Hand gegeben. Dabei blieb außer acht, daß das Libretto Webers Vorstellungen durchaus entsprach. Die Textprobleme wurden oft genug viel zu wörtlich genommen und nicht erkannt, daß die Partitur das Libretto zwar unterstützt, aber auch über es hinausweist, es ergänzt.“14

„Hans Pfitzners vielzitiertes Wort, Weber sei lediglich auf die Welt gekommen, um den Freischütz zu komponieren, war einer verbreiteten Rezeption seiner anderen Opern keineswegs zuträglich. Bis in die Gegenwart ist das Urteil über die beiden in der Folge komponierten Bühnenwerke, Euryanthe und Oberon, weniger unfreundlich als von einem gewissen Unverständnis getragen: dass ein Komponist von Rang, als der Weber zumal nach dem Freischütz gelten konnte, Libretti zu wählen im Stande war, deren mangelnde Stringenz ebenso wie ihre poetologischen Defizite ihm hätten auffallen müssen.“15

Das hier fast milde ausfallende Fazit steht im starken Kontrast zu überaus vernichtenden Urteilen, wie z. B. das von C. Dahlhaus gefällte: „Das Libretto [zum Oberon] ist miserabel. [...] James Robinson Planché hat Wielands Versroman, in dem die Handlung nichts und der Tonfall alles ist, in eine Szenenfolge verwandelt, deren Texte an Schwachsinn grenzen; sein Libretto ist der Ausverkauf der Romantik an die Revue.“16

Und selbst die diplomatischer formulierte Kritik von John Warrack veranschaulicht noch deutlich das allgemeine Unbehagen, welches hinsichtlich des Librettos generell empfunden wurde:17

„Tatsächlich ist sein [Planchés] Text von einer Dürftigkeit, die in einer fremden Sprache nur schwer zu ermessen ist, und obwohl Webers Englisch beachtlich gut war – seine Briefe sind flüssig geschrieben, nur gelegentlich kommen kleine Schnitzer vor, und in seiner Vertonung findet man nur sehr wenige falsche Akzentuierungen –, konnte man von ihm nicht erwarten, daß er die Hohlheit des Tons, die Mängel des Stils, die Armut des Wortschatzes empfand. [...] Daß Planché und andere Schriftsteller seiner Zeit in erster Linie Literaturhistoriker oder anderweitig historisch interessiert waren, machte sie nur noch abhängiger von überkommenen Formen, ohne daß sie die großen Dichter, die sie nachahmten, auch wirklich verstanden hätten; und in einer Niedergangsperiode des Theaters waren sie nur darauf bedacht, den damaligen Stars der englischen Bühne Rollen zu liefern, die deren Eitelkeit schmeichelten und ihnen den Beifall des Publikums sicherten.“

Die stereotyp wiederkehrenden Urteile konzentrieren sich vor allem auf folgende Punkte:

1.Die Einwirkung von Weber auf die Entstehung des Librettos sei im Vergleich zu seinen anderen Opern nicht so groß gewesen (dies wird vor allem mit der Sprachbarriere begründet),

2.Weber hätte die Oper, angeblich unzufrieden mit deren Gestalt, für Deutschland umarbeiten wollen,

3.Webers Musik zur Oper würde durch das „schlechte“ Libretto im Vergleich zu seinen anderen Opern qualitativ „herabgezogen“ und

4.Webers originaler Oberon wäre auf der Bühne wenig erfolgreich gewesen, woraus sich meist zusätzlich zur inhaltlichen Kritik am Libretto eine Begründung der Bearbeitung ableitet18.

Da bereits der oberflächliche Blick in die überlieferten Quellen Zweifel an diesen Beurteilungen aufkommen ließ und daher davon auszugehen war, dass diese entweder falsifiziert oder korrigiert werden können, wird im vorliegenden Band eine Antwort in dreifacher Weise versucht:

1.Um eine qualitative Einschätzung von Planchés Libretto zu ermöglichen, wurde das Originallibretto durch einen Vergleich mit zeitgleichen Dramatisierungen zum selben Sujet in den zeitgenössischen Kontext gestellt und anhand der nachweisbaren Aufführungsdaten nach der Bühnenpräsenz von Planchés/ Webers Oper gefragt.

2.Durch die Einbeziehung und Auswertung aller überlieferten authentischen und autorisierten Quellen wurde eine genaue Darstellung der Textgenese angestrebt mit der besonderen Fragestellung, wie groß Webers Einfluss auf die Entstehung des Librettos bzw. die Werkgestalt tatsächlich war und welche konkreten Änderungen er für die Aufführung in Deutschland vornahm.

3.Die ausgewählte Betrachtung einiger markanter Bearbeitungen wurde anhand von drei Schwerpunkten durchgeführt: ob der Bearbeitungsansatz vordergründig aus veränderten opernästhetischen Gründen erfolgte oder eher aus der grundsätzlichen Kritik am Libretto, wo man Schwächen des Werkes empfand und durch welche Lösungen diese in der Bearbeitung beseitigt werden sollten und ob diese Mängel dadurch wirklich erfolgreich „kaschiert“ wurden.

Resultierend aus diesen drei Problembereichen sollte eine Neubewertung des Librettos möglich werden. Zugleich ist damit der Versuch einer Rekonstruktion der ursprünglichen englischen und deutschen Fassungen dieses Bühnenwerks verbunden.

Nur mit Hilfe eines detaillierten Quellenvergleiches waren genaue Aussagen über den Entstehungsprozess des Werkes zu treffen, nur anhand der Rekonstruktion der authentischen bzw. autorisierten Gestalt des Librettos ist dieses innerhalb des zeitgenössischen Kontexts korrekt zu bewerten.

Im Kapitel „Werkentstehung/Textgenese“ ist der Aspekt der Stoffgeschichte mitbehandelt. Oberon als Sujet war bereits vor Webers/Planchés Bühnenadaption weit verbreitet. Markus Schroer befasst sich mit der Frage, warum das auf dem berühmten Epos von Wieland basierende Oberon-Sujet zu einem dem romantischen Zeitgeist adäquaten Opernstoff avancierte. Über Schroers Ausführungen hinausgehend, wurde nachfolgend der Fokus geweitet bzw. besonders auf die überlieferten zeitgenössischen deutschen und englischen Bühnendramatisierungen zum selben Sujet19 gerichtet, wovon einige sehr erfolgreich waren und zumindest Weber teilweise bekannt gewesen sein dürften. Die Sichtung der ermittelten Werke ergab dabei, dass sich kurz vor der Entstehung des Weberschen Oberon ein wesentlicher Traditionsstrang von Deutschland aus nach England bildete. Zu fragen ist, ob und wie dieser auf die Weber/Planché-Fassung eingewirkt haben kann.

Die Schwierigkeit sämtlicher Bühnenadaptionen bestand vorrangig darin, die epische Vorlage von Wieland bühnentauglich umzusetzen. Der bereits bei Schroer vorgenommene Vergleich des Wielandschen Gedichts mit dem Libretto von Planché ist um den Vergleich dieser beiden Stoff-Fassungen mit den übrigen ausgewählten zeitgenössischen deutschen und englischen Dramatisierungen der Zeit zu erweitern20. Im Vordergrund steht dabei die Fragestellung, inwieweit die verschiedenen Dramatisierungen zu ähnlichen Lösungen fanden und ob diese sich aus der Vorlage erklären lassen oder ob sie aus den jeweils vorherrschenden ästhetischen Grundsätzen hervorgingen.

Auf den Weberschen Oberon bezogen ist zu fragen, ob sich konkrete Abhängigkeiten des Werks von den in Deutschland und England aufgeführten Bühnenadaptionen finden lassen.

Dies erfordert einen Blick auf das Verhältnis von Webers Oper zu den in London vorherrschenden Theatertraditionen. Bereits Schroer verweist auf diese Zusammenhänge und den Aspekt, dass sich Planché bei der Anfertigung seines Librettos den gängigen Konventionen und Publikumsvorlieben der Metropole anzupassen hatte und es sich somit zwangsläufig im Kontext der damals etablierten Form des englischen Melodramas bewegt, Planché aber ebenso den Anforderungen und Vorstellungen eines deutschen Komponisten entsprechen wollte/musste, was zweifellos zu der dem Stück innewohnenden formalen Ambivalenz beigetragen hat. Diese Verbindung, die in der späteren Kritik am Libretto vielfach vernachlässigt wurde, muss an dieser Stelle präzisiert werden, um zu verstehen, warum Oberon in seiner ursprünglichen Anlage in Deutschland auf Dauer nicht ansprechen konnte21.

Ein zweiter Teil des Kapitels „Werkentstehung/Textgenese“ widmet sich konkret den Entstehungsbedingungen des Librettos, welche anhand der überlieferten authentischen bzw. von Weber oder Planché autorisierten Quellen unter Einbeziehung der für den Entstehungszusammenhang erhellenden Quellen (wie Webers Tagebücher und Briefwechsel, Zeitungsrezensionen usw.22) beschrieben werden, wobei auch der Frage nach dem Einfluss Webers auf die Anlage des Librettos nachgegangen wird. Aufgrund der zweisprachigen Überlieferung des Werkes ist zwischen den Quellen der englischen Originalfassung, den Quellen zur deutschen Übersetzung und einigen Quellen, die beide Texte überliefern, zu unterscheiden23.

Auf Basis dieser ausgewählten Quellen wird eine wissenschaftlich-kritische Neuedition des Librettos vorgelegt, die gemäß den Richtlinien der Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe erstellt wurde24.

Ergänzend zur Edition beschäftigt sich dieses Kapitel auch mit den Bedingungen der Uraufführung des Oberon, indem anhand der erhaltenen Primär- und Sekundär-Quellen Webers Aufenthalt in London, die mit der Uraufführung zusammenhängenden letzten Vorbereitungen und Veränderungen am Werk (im Besonderen auch am Libretto) und den zeitgenössischen Reaktionen auf die Uraufführung nachgegangen wird. Diese Darstellung ist mehrfach in der Literatur bereits versucht worden25, dies allerdings nie mit der Fragestellung, welche Auswirkungen diese speziellen Bedingungen auf die weitere Tradierung der Oper hatten.

Das Kapitel „Werktradierung und Bearbeitungsgeschichte“ gliedert sich in zwei Teilbereiche. Der erste Teil befasst sich mit der Entstehung des Klavierauszuges des Oberon in deutscher Sprache, dessen Fassung für die Verbreitung der Oper auf den Bühnen des europäischen Kontinents prägend war und zumindest bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in dieser Form bestehen blieb. Hier galt es, speziell Webers besonderen Einflüssen auf die in diesem Klavierauszug überlieferte Textfassung des Oberon-Librettos von Karl Gottfried Theodor Winkler nachzuspüren. Anhand des direkten Vergleichs der Stichvorlagen mit den gedruckten Klavierauszug-Ausgaben und des damit einhergehenden genauen Studiums der von Weber vorgenommenen Eintragungen in den autographen Quellen zum deutschen Klavierauszug lassen sich Webers konkrete Eingriffe in den Libretto-Text verdeutlichen, die ihn (ähnlich effizient wie beim Freischütz) als erfahrenen Theatermann mit Gespür für dramatischen Ausdruck und sprachimmanente Wirkung ausweisen.

Ein zweiter Teil dieses Kapitels befasst sich mit der Rezeptionsgeschichte der originalen deutschen Fassung und fasst die Analyse der Bühnenbearbeitungen, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzten und bis in die jüngste Zeit reichen, im Hinblick auf die o. g. Fragestellungen zusammen26.

Das Quellenmaterial zeigt deutlich, dass die Bearbeitungen trotz der durchgehend am Libretto geübten Kritik sich nicht auf die Korrektur desselben beschränkten, sondern mehr oder weniger gravierend in die musikalische Struktur der Oper eingegriffen wurde. Außerdem sind Tendenzen zu beobachten, die in Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicklung der Oper im 19./20. Jahrhundert zu bringen wären. Die hier nur knapp zusammenfassbare Untersuchung hilft zu verstehen, warum der Webersche Oberon trotz überholter Konventionen und anhaltender Kritik nicht von der Bühne verschwand, sondern im Gegenteil in eine kontinuierliche produktive Auseinandersetzung mit dem Werk mündete. Zugleich zeigt das Scheitern vieler dieser Bearbeitungen auch auf, worin eine Chance für zukünftige, auf einem historisch adäquaten Textverständnis beruhende Operninszenierungen liegen könnte: nämlich in der Rückbesinnung auf die Stärken des Original-Librettos von Planché, das im Verbund mit Webers kongenialer Vertonung als Ausgangspunkt für heutige Bühnenadaptionen rehabilitiert werden sollte.

„Gefordert also ist eine Relektüre des Textes unter der Voraussetzung, die Heterogenität seiner Faktur nicht als Defizit, sondern als bewusstes künstlerisches Gestaltungsmittel zu verstehen: als ein Mittel, im Rückgriff auf aktuelle und dem Publikum vertraute Sujets einer höchst individuellen Disposition Ausdruck zu verleihen.“27

Illustration zu Webers Oberon, Szene I/1 mit Babekan
„Rettung! Hülfe! Hülfe! Wer rettet?!“
Kupferstich von Johann Axmann nach Johann Heinrich Ramberg

1Vgl. Literatur-Verzeichnis, ab S. 369.

2Vgl. u. a. Anna Amalie Abert, „Oberon“ in Nord und Süd, in: Beiträge zur Musikgeschichte Nordeuropas, Kurt Gudewill zum 65 Geburtstag, hg. von Uwe Haensel, Wolfenbüttel und Zürich 1978, S. 51–68; Ute Schwab, Oberon-Bearbeitungen, in: Carl Maria von Weber und der Gedanke der Nationaloper, 2. Wissenschaftliche Konferenz zum Thema „Dresdner Operntraditionen“ 1986 (Schriftenreihe der HS für Musik Dresden 10. Sonderheft), hg. von Günther Stephan und Hans John, Dresden 1987, S. 345–359; Anke Schmitt, Der Exotismus in der deutschen Oper zwischen Mozart und Spohr, Hamburg 1988, S. 440–478; Alan Fischler, Oberon and Odium The Career and Crucifixion of J R Planché, in: The Opera Quarterly, 12 (1), 1995, S. 5–26; Joachim Veit, Wranitzky contra Weber – Zu den Auseinandersetzungen um die Berliner Erstaufführung von Carl Maria von Webers „Oberon“, in: Festschrift Christoph-Hellmut Mahling zum 65 Geburtstag, hg. von Axel Beer, Kristina Pfarr, Wolfgang Ruf, Bd. 2 (Mainzer Studien zur Musikwissenschaft, Bd. 37), Tutzing 1997, S. 1439–1452; Michael Heinemann, „Oberon“: Tonkünstler Webers Traum, in: Archiv für Musikwissenschaft, Jg. 59, H. 4 (2002), S. 298–309; Claudia Küster, „Life without love, were desert for me, but life without honour, I live not to see!“ Das Exotische und Märchenhafte in den Opern der Romantik mit besonderer Berücksichtigung von Webers Oberon, in: Die ‚ Schaubühne‘ in der Epoche des Freischütz Theater und Musiktheater der Romantik Vorträge des Salzburger Symposions 2007, hg. von Jürgen Kühnel, Ulrich Müller und Oswald Panagl unter Mitwirkung von Peter Csobádi, Gernot Gruber und Franz Viktor Spechtler (Wort und Musik. Salzburger Akademische Beiträge), Anif/ Salzburg 2009, S. 213–225; Solveig Schreiter, Das Libretto zu Carl Maria von Webers Oberon Werkentstehung und Werktradierung: Studien zur Entstehung, Überlieferung und Rezeption des Werkes in Verbindung mit einer wissenschaftlich-kritischen Neuedition des Textbuchs, Dissertationsveröffentlichung auf Qucosa (http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-132072).

3Vgl. Joseph E. Morgan, Oberon – A Reevaluation of Carl Maria von Weber, 2 Teile, Waltham 2009 sowie Schroer (s. unter Literatur-Kürzeln im Literaturverzeichnis S. 369).

4Christoph Martin Wielands Epos Oberon Ein romantisches Heldengedicht bildete die Grundlage für alle Dramatisierungen des Oberon-Stoffes (erstmals erschienen 1780 in vierzehn Gesängen im ersten Vierteljahresheft des Teutschen Merkur; im gleichen Jahr erschien auch eine Einzelausgabe: Oberon, ein Gedicht in 14 Gesängen, Frankfurt und Leipzig 1780; 2. Fassung 1785 in zwölf Gesängen: Die Sieben ersten Gesänge des Oberon sowie Die Fünf Lezten Gesänge des Oberon (Wielands auserlesene Gedichte, Bd. 3 und 4), Leipzig 1785; 1798 erschien die Übersetzung von William Sotheby: Oberon, A Poem, from the German of Wieland. By William Sotheby, Esq., London 1798. Grundlage für Sotheby’s Übersetzung war die Wielandsche Fassung in zwölf Gesängen.

5Morgan (wie Anm. 3) ediert bereits den Text der englischen Originalfassung nach dem Erstdruck des Librettos zur UA, der auch Hauptquelle zur vorliegenden Textbuch-Edition ist und verweist auf die Abweichungen von Planchés erster Fassung im Manuskript (vgl. Kap. III.2.3 und Quellenbeschreibung, S. 309f.).

6Vgl. Dieter Borchmeyer, Artikel „Libretto“, Teil A, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Allgemeine Enzyklopädie der Musik, 2. Aufl., Sachteil, Bd. 5, Kassel u.a. 1996, Sp. 1118.

7Ebd., Sp. 1117.

8Vgl. Patrick J. Smith, The Tenth Muse A historical Study of the Opera Libretto, London 1971; Peter Hacks, Versuch über das Libretto, in: Ders., Oper, Berlin und Weimar 1975; Klaus Günther Just, Das Opernlibretto als literarisches Problem, in: Ders., Marginalien Probleme und Gestalten der Literatur, Bern und München 1976; K. Honolka, Kulturgeschichte des Librettos: Opern, Dichter, Operndichter, Wilhelmshaven 1979; Oper und Operntext, hg. von Jens Malte Fischer, Heidelberg 1985; Oper als Text Romanistische Beiträge zur Libretto-Forschung, hg. von Albert Gier, Heidelberg 1986; Christoph Nieder, Von der Zauberflöte zum Lohengrin Das deutsche Opernlibretto in der ersten Hälfte des 19 Jahrhunderts, Stuttgart 1989; Albert Gier, Das Libretto Theorie und Geschichte einer musikoliterarischen Gattung, Darmstadt 1998.

9Beispiele dafür sind u.a. die 2003 veranstaltete, ausschließlich dem Libretto gewidmete Ausstellung (Katalog: Gehorsame Tochter der Musik: das Libretto Dichter und Dichtung der Oper, hg. von Cécile Prinzbach, München 2003) und die vom Projekt OPERA – Spektrum des europäischen Musiktheaters in Einzeleditionen initiierte und durchgeführte interdisziplinäre Tagung: Perspektiven der Edition musikdramatischer Texte vom 22. bis 24. November 2012 an der Universität Bayreuth. Vgl. auch Esbjörn Nyström, „Nur Teil eines Ganzen? Kleiner Denkanstoß zur libretto-, drehbuchund dramentheoretischen Debatte“, in: Vom Nutzen der Editionen Zur Bedeutung moderner Editorik für die Erforschung und Literaturund Kulturgeschichte, hg. von Thomas Bein (Beihefte zu editio, Bd. 39), Berlin/Boston, 2015, S. 247–258.

10Vgl. hierzu vor allem die Arbeiten von Christine Heyter-Rauland, Das »andere« Melodrama Notizen über eine nahezu unbekannte Gattung, in: Untersuchungen zu Musikbeziehungen zwischen Mannheim, Böhmen und Mähren im späten 18 und frühen 19 Jahrhundert Symphonie – Kirchenmusik – Melodrama, hg. von Christine Heyter-Rauland und Christophhellmut Mahling, Mainz 1993, S. 296–314 sowie Webers »englische Oper« – Anmerkungen zum Textbuch des Oberon, in: Weber-Studien, Bd. 3, Mainz 1996, S. 292–299.

11Vgl. Ferruccio Busoni, Entwurf eines Vorwortes zur Partitur des „Doktor Faust“, enthaltend einige Betrachtungen über die Möglichkeiten der Oper, 1921, zitiert nach MGG (wie Anm. 6), Sp. 1122.

12Heinrich Dorn, Aus meinem Leben Im Elfenreich, in: Deutsche Musikerzeitung, Jg. 11, Nr. 34 (21. August 1880), S. 336 sowie Nr. 35 (28. August 1880), S. 346f.

13Vgl. Marita Fullgraf, Rettungsversuche einer Oper Die musikdramatischen Bearbeitungen der „Euryanthe“ von Carl Maria von Weber, Saarbrücken 1997.

14Vgl. ebd. S. 244f. Vgl. hierzu auch den Band Euryanthe-Interpretationen Studien und Dokumente zur „Großen romantischen Oper“ von Helmina von Chézy und Carl Maria von Weber, hg. von Markus Bandur, Thomas Betzwieser und Frank Ziegler (Weber-Studien, Bd. 10), Mainz 2017.

15Vgl. Michael Heinemann (wie Anm. 2), S. 298.

16Vgl. Carl Dahlhaus, Webers „Oberon“ in der Württembergischen Staats oper, in: NZfM 2/1962, S. 81.

17Vgl. John Warrack, „Oberon“ und der englische Geschmack Zum 150 Todestag Carl Maria von Webers, in: Musikbühne 76 Probleme und Informationen, hg. von Horst Seeger, Berlin 1976, S. 20ff.

18Vgl. MMW, Bd. 2, S. 600 sowie Carl von Weber, Reise-Briefe von Carl Maria von Weber an seine Gattin Carolina, hg von seinem Enkel, Leipzig 1886, S. 74, Jähns (Werke), S. 403; Eduard Hanslick, Die moderne Oper Kritiken und Studien, Berlin 1875, S. 76. Hanslick betrachtet den Oberon als „eine der schwierigsten Aufgaben für die Opernregie“ aufgrund des „äußerst ungeschickt gemacht[en]“ Librettos und der mangelnden künstlerischen Einheit des Ganzen. Vgl. ebenso Vorwort zum Textbuch der Fassung Brecher/Mahler, Universal-Edition A.-G. Wien–Leipzig [1914], S. 8–13.

19Bei der Untersuchung werden nur die auf Wieland beruhenden Bühnen adaptionen berücksichtigt, sämtliche sich auf Shakespeares A Midsummer Night’s Dream beziehende werden dagegen vernachlässigt, weil der inhaltlich wesentliche Erzählstrang des Wielandschen Epos zum Sagenkreis um Huon von Bourdeaux in diesen fehlt.

20Die bedeutenden deutschen Dramatisierungen entstammen alle dem Jahr 1789: Der Triumph der Treue, von Franz Danzi auf ein Libretto von Johann Friedrich Freiherr Binder von Krieglstein; die Oper Holger Danske von Jens Immanuel Baggesen, vertont von dem aus Lübeck stammenden Friedrich Ludwig Aemilius Kunzen; das romantische Singspiel Hüon und Amande (Amanda) von Friederike Sophie Seyler in der Vertonung von Karl Hanke sowie das Singspiel in drei Akten Oberon, König der Elfen von Paul Wranitzky, komponiert auf ein Libretto von Karl Ludwig Giesecke. An englischen Dramatisierungen wurden herangezogen: Oberon or Huon de Bourdeaux, A Mask in five Acts, eine Bearbeitung des Wieland-Übersetzers William Sotheby (1802); Oberon’s Oath, or, The Palladin and the Princess, von Benjamin Thompson, mit Musik von John Parry (1816).

21Vgl. dazu auch die in Fußnote 10 genannten Arbeiten von Christine Heyterrauland.

22Zitate aus Tagebüchern und Briefen Webers wurden, wenn dort schon erfasst, nach der Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe (Digitale Edition) wiedergegeben und sind daher nur durch Angabe des Datums bzw. Adressaten und die jeweilige ID-Nummer nachgewiesen.

23Als Quellen für die englische Fassung gelten Planchés Manuskript des kompletten Operntextes, eine Abschrift der Gesangstexte von der Hand Webers, die Kopie für die Londoner Zensur-Behörde „Lord Chamberlain’s Office“, der Erstdruck des Librettos zur UA sowie ein separater Druck der Arien und Gesänge zur UA. Hinsichtlich der Gesangstexte wurden auch die musikalischen Quellen zum Vergleich herangezogen: Webers Partiturautographen zum Werk, eine Abschrift der Partitur für die UA in London mit Eintragungen Webers (Dirigierpartitur) sowie der Erstdruck des Klavierauszugs (mit englischer Textunterlegung). Für die deutsche Fassung sind folgende Quellen überliefert: der Druck des Librettos in der Übersetzung von Karl Theodor Gottfried Winkler und die Stichvorlage des II. Aktes des Klavierauszuges mit deutschem Text. Zweisprachige Quellen sind das Autograph des Klavierauszuges mit englischem Text und der Übersetzung Winklers, das Partiturautograph der nachkomponierten Arie für John Braham mit englischem und deutschem Text sowie der Erstdruck der nachkomponierten Arie für John Braham mit englischem und deutschem Text.

24Vgl. Friedrich Kind – Carl Maria von Weber: Der Freischütz, Kritische Textbuch-Edition von Solveig Schreiter, München 2007.

25Nähere Ausführungen über die Umstände der Entstehung des Oberon finden sich vor allem in Jähns (Werke), S. 396ff., MMW, Bd. 2, Kapitel zum „Oberon“ ab S. 587, John Warrack, Carl Maria von Weber Eine Biographie, Leipzig 1986, Kapitel 16–18, ab S. 423, Schroer, ab S. 242.

26Herangezogen wurden Bearbeitungen, die mehrfachen Einstudierungen zugrunde lagen bzw. durch gedrucktes Material (Libretti, Partituren, Klavierauszüge) eine größere Breitenwirkung erreicht haben: François-Henri-Joseph Blaze, genannt Castil-Blaze, in französischer Sprache, Toulouse 15. April 1846; Nuitter (d.i. Charles Louis Étienne Truinet), Beaumont (d.i. Louis-Alexandre Beaume) und Paul de Chazot, in französischer Sprache, Brüssel im Juli 1846; James Robinson Planché (Text), Julius Benedict (Rezitative) und Manfredo Maggioni (Übersetzung), London 3. Juli 1860 in Her Majesty’s Theatre; Ernst Lampert, Coburg 1. November 1863; Theodor Gassmann, Hamburg 1866; Franz Grandaur (Text) und Franz Wüllner (Rezitative), Dresden 30. Mai 1880; Georg von Hülsen (Konzeption), Josef Schlar (Melodramen) und Josef Lauff (Text), Wiesbaden 16. Mai 1900; Georg Hartmann, Berlin Charlottenburger Oper 1912; Gustav Brecher (Text) und Gustav Mahler (Melodramen), Köln 10. April 1913; Felix Weingartner, Erstaufführung vor Juni 1914; Karlheinz Gutheim und Wilhelm Reinking, 1953; Horst Seeger, Oktober 1966 in Leipzig sowie Anfang 1967 in Dresden; Manfred Linke, bei den Bregenzer Festspielen am 22. Juli 1977; Martin Mosebach, Frankfurt/Main 3. Februar 1995, auch Salzburger Festspiele 25. Juli 1996; Johannes Schaaf und Wolfgang Willaschek, 18. Januar 1998 in Zürich. Ein ausführliche Besprechung dieser Bearbeitungen findet sich bei Schreiter (Diss., wie Anm. 2), S. 117–155.

27Vgl. Heinemann (wie Anm. 2), S. 302.

VORBEMERKUNG ZUR EDITION

Die vorliegende Edition des Librettos von Webers letztem, für das Covent Garden Theatre in London geschriebenen Bühnenwerk stellt erstmals die beiden wichtigsten Fassungen des Textes der Oper einander gegenüber: das englische Textbuch von James Robinson Planché in der Fassung, die anlässlich der Uraufführung am 12. April 1826 in London publiziert wurde, und die deutsche Adaption von Karl Gottfried Theodor Winkler (Pseudonym Theodor Hell), die noch im selben Jahr in Deutschland (Dresden und Leipzig) herauskam.

Im Mittelpunkt steht die Wiedergabe des zur Uraufführung vorgelegten Erstdrucks des Librettos, ergänzt durch in Grausatz gekennzeichnete Hinweise auf den Beginn der musikalischen Nummern, so wie sie in seiner in London verwendeten Dirigierpartitur zu finden sind. Soweit parallelisierbar wird auf der rechten Seite jeweils synoptisch der auf dem postum erschienenen Druck des Librettos basierende deutsche Text wiedergegeben.

Für die Edition wurden beide Fassungen mit allen (im Folgenden beschriebenen) überlieferten authentischen bzw. autorisierten Quellen zum Libretto abgeglichen (vgl. dazu im einzelnen das Kap. Quellenbeschreibung und -bewertung).

1. Zu den Quellen

Die Quellenlage zum Libretto des Weberschen Oberon ist ähnlich der zum Freischütz günstig zu nennen, mit der Besonderheit, dass aufgrund der zweisprachigen Überlieferung des Werkes zwischen den Quellen der englischen Originalfassung, der deutschen Übersetzung sowie einigen zweisprachigen zu unterscheiden ist.

Die von Weber schon während der Entstehung mit beeinflusste englische Originalfassung wird dokumentiert durch Planchés Manuskript des kompletten Operntextes (LA-tx), bei dem es sich um die früheste datierbare Quelle von Ende 1824/Anfang 1825 handelt, die das Libretto in der ursprünglich vom Librettisten angelegten Gestalt wiedergibt und als Kompositionsgrundlage Webers durch dessen nachträgliche Eintragungen die Einwirkungen des Komponisten verdeutlicht. Als zweite wesentliche Grundlage während des Kompositionsprozesses diente Weber vermutlich seine Anfang 1825 angefertigte eigene Abschrift der Gesangstexte (A-tx1), in der er den englischen Arientexten eine eigene Prosaübersetzung gegenüberstellte und Änderungen am Text markierte. Dagegen bereitet die Einordnung der Zensur-Kopie (K-tx) Probleme, da sie nicht genau datiert werden kann bzw. den Text des Werkes in einer Form abbildet, der unterschiedliche, in sich widersprüchliche Entwicklungsstufen repräsentiert. So enthält sie einerseits Teile der frühen Fassung des Planchéschen Manuskripts, andererseits weist sie Eingriffe aus späterer Zeit auf.

Die Textfassung des Libretto-Erstdrucks für die UA in London (ED-tx), die sich in Bezug auf die Gesangsnummern im Wesentlichen mit dem Druck der englischen Gesangstexte (D-tx1) deckt, spiegelt die zur UA gegebene Bühnenfassung vermutlich am genauesten wider und bildet daher die Hauptquelle dieser Neuedition, die darum bemüht ist, eine Werkfassung vorzulegen, die der von Weber für die Uraufführung vorgesehenen Version entspricht. Der Erstdruck zeichnet sich dadurch aus, dass er im Vergleich zu Planchés Manuskript auffällig gekürzt wurde und signifikante Unterschiede enthält: den Austausch einer Gesangsnummer (Nr. 5), den Ersatz zweier Gesangstexte (Nr. 16 und Nr. 20) und den Einschub eines neuen Textes (Nr. 12A) – von zahlreichen kleineren Änderungen in den Dialogen abgesehen.

Hinsichtlich der Gesangstexte wurden auch die musikalischen Quellen zum Vergleich herangezogen. Webers Partiturautograph zum Werk (A-pt ohne die nachkomponierten Teile) sowie die beiden separat überlieferten Autographen der nachkomponierten Arie für Braham (Nr. 5A) und der nachkomponierten Preghiera (Nr. 12A) repräsentieren den Kompositionsprozess, während die Abschrift der Partitur für die UA in London mit Eintragungen Webers (Dirigierpartitur, KA-pt) das Werk so wiedergibt, wie es zu jener Zeit unter Webers Leitung aufgeführt wurde. Diese Kopie ist in Bezug ihrer Wertigkeit für die vorliegende Neuedition dem Erstdruck des Librettos unmittelbar zur Seite zur stellen.

Der Erstdruck des Klavierauszugs, London: Welsh & Hawes (ED-kl1 und ED-kl2) aus dem Jahr 1826, ist im Wesentlichen an die handschriftlichen musikalischen Quellen angelehnt, liefert allerdings darüber hinaus noch einige interessante Informationen zum Kontext der UA, wie beispielsweise Besetzungsangaben.

Die Hauptquelle für die Edition der deutschen Textfassung bildet der Druck des Librettos in der Übersetzung von Karl Theodor Gottfried Winkler (D-tx2), der den Text jedoch nicht eins zu eins aus dem englischen Erstdruck zur UA wiedergibt, sondern markante Unterschiede enthält (z. B. den Text der ursprünglichen Nr. 5 integriert). Außerdem zeigen zahlreiche Übereinstimmungen mit Planchés Manuskript, dass diese Übertragung noch auf der Frühfassung des Librettos beruht, die im Nachhinein von Winkler nicht umfassend revidiert wurde – ob dies den Intentionen Webers für die deutsche Version des Textbuches entsprach, muss dahingestellt bleiben.

Zudem erbringt das Autograph des Klavierauszuges, das sowohl den englischem Text als auch die Übersetzung Winklers (AK-kl) enthält, aufgrund der zahlreichen Eintragungen Webers in der deutschen Textunterlegung aufschlussreiche Erkenntnisse über die Einflussnahme des Komponisten auf die Übersetzung. Die erhaltene Stichvorlage des II. Aktes des Klavierauszuges mit deutschem Text (KA/sv-kl) bildet eine Zwischenstufe zu dem von Adolph Martin Schlesinger in Berlin publizierten Klavierauszug (D+-kl), der wiederum einige Unterschiede zu den Klavierauszug-Autographen aufweist (die möglicherweise auch Einflüsse des Verlages erkennen lassen).

Schließlich liefern das Partiturautograph der nachkomponierten Arie für John Braham mit englischem und deutschem Text (A-pt, Nr. 5A) sowie der Erstdruck der nachkomponierten Arie für John Braham mit englischem und deutschem Text (ED+-kl, Nr. 5A) zwei hinsichtlich der deutschen Textunterlegung auffällig voneinander abweichende Textfassungen, deren Entstehungsanlass nicht völlig geklärt werden konnte1.

Über die hier genannten Haupt- und Vergleichsquellen hinaus konnten mit Hilfe von Webers Tagebuch und seinen Briefen einige verschollene Manuskripte erschlossen werden, die innerhalb der Rekonstruktion eines umfassenden Quellen-Überblickes wichtige Bindeglieder zwischen den erhaltenen Quellen bilden.

2. Zur Textgestaltung bzw. Anlage des Edierten Textes

Die originale Textgestalt der jeweiligen Hauptquelle wurde einschließlich ihrer Orthographie und Interpunktion übernommen. Lediglich inkonsequente Varianten bei der Einrückung der englischen Verstexte und der teils vorangestellten, teils in einer separaten Zeile aufgeführten Personenangaben wurden im Druckbild der Neuedition vernachlässigt und in vereinheitlichter Form wiedergegeben, wobei die Personennamen stets in Kapitälchen (wie in der deutschen Fassung) auf einer neuen Zeile und die (im englischen Original kursivierten) Szenenanweisungen wie in dieser allitera-Reihe üblich in kleinerer, gerader Type dargestellt sind. Die Großschreibung zu Beginn jeder neuen Zeile innerhalb der Verse wurde bewahrt. Auf die Personenangabe folgende kürzere Szenenanweisungen (wie „laut“, „beseite“, „tritt ein“ o. ä.) wurden (wie in der Regel auch im deutschen Textbuch) aus Platzgründen nicht in einer neuen Zeile wiedergegeben, Hinweise zum Abgang von Personen in einer neuen Zeile nach rechts eingerückt. Die im Englischen hier vorangestellten eckigen Klammern (die nur in Binnenanweisungen auch geschlossen sind) wurden als ein besonderes Charakteristikum des Erstdrucks beibehalten.

Die in Kapitälchen wiedergegebene Schreibung der Personennamen folgt der jeweiligen Orthographie der beiden Hauptquellen (englisch/deutsch: Reiza/Rezia, Huon/Hüon, Sherasmin/Scherasmin, Roshana/Roschana, Fatima/Fatime, Namouna/Namuna, Nadina/Nadine, Harouin/Harun).

Im Edierten Text wurden alle Eingriffe Webers in den englischen Originaltext mittels arabisch gezählter Herausgeber-Fußnoten kenntlich gemacht; die Änderungen sind im Variantenverzeichnis detaillierter erläutert. Auch einige Abweichungen der autorisierten Vergleichsquellen von den Hauptquellen sind auf diese Weise im Edierten Text markiert und im Variantenverzeichnis ausführlicher behandelt. Die wenigen originalen Textanmerkungen mit Asterisk wurden in dieser Form beibehalten und auf der jeweiligen Seite wiedergegeben.

Die nach der Londoner Dirigierpartitur übernommenen Überschriften der musikalischen Nummern wurden als Herausgeberzusätze ohne Beachtung von deutscher und lateinischer Schreibung vereinheitlicht in Graudruck und unterstrichen wiedergegeben.

Einige besondere Probleme entstanden bei der Wiedergabe durch Abweichungen zwischen den reinen Text- und den musikalischen Quellen bzw. der englischen und deutschen Version:

Zum einen differieren die Texte im Erstdruck zur UA und in Webers Partitur-Autograph bzw. in seiner damit im Wesentlichen übereinstimmenden Dirigierpartitur. Da sich hier zwei gleichwertige autorisierte Fassungen gegenüberstehen, wurde mit Fußnoten im Edierten Text auf bedeutsame Abweichungen hingewiesen; ebenso auf vergleichbare Abweichungen zwischen dem Druck des Librettos von Winkler und dem gleichfalls von Weber autorisierten deutschen Klavierauszug. Dabei wurden offensichtliche Fehler der Hauptquelle, wie z. B. Satzfehler oder die fehlerhafte Szenennummerierung im II. Akt korrigiert, aber im Variantenverzeichnis vermerkt.

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