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Mami Bestseller
– 13 –

Ich habe ja Kitty

Für mein Kind nehme ich das alles auf mich

Jutta von Kampen

Impressum:

Epub-Version © 2020 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74093-382-1

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»Ich wünschte, ich könnte dir etwas anderes mitteilen«, sagte Dr. jur. Konstantin von Ferrer zu seinem Vetter. »Aber der Erbvertrag ist leider nirgendwo anzugreifen!« Er war ein sehr interessant aussehender Mann von Anfang dreißig, groß, hager, dunkel, und sah seinen jüngeren Verwandten jetzt mit aufrichtigem Mitgefühl an.

Patrick Freiherr von Richter lehnte sich mit einem verzweifelten Ächzen in seinem Stuhl zurück. Er war blond und blauäugig und sah seinem Vetter nicht im Geringsten ähnlich, wenn man davon absah, dass auch er groß, schlank und gut aussehend war.

»Ich hatte so sehr gehofft …«, begann er.

Konstantin unterbrach ihn.

»Ich weiß. Ich hatte es auch gehofft. Wegen dir, aber auch wegen Daria, die in keiner Weise das Verhalten deiner Mutter verstehen lässt. Es ist völlig unberechtigt. Von Kitty will ich erst gar nicht reden!«

»Wenn ich wenigstens Kitty meinen Namen geben könnte!«, rief Patrick. »Es ist so schrecklich ungerecht. Ein kleines Mädchen, das nun wirklich nichts für alles kann – drei Jahre! Und immerhin ihre Enkelin!«

»Zwei Jahre gehen schnell vorbei«, versuchte Konstantin, ihn zu trösten.

»Natürlich. Aber Daria leidet unter der Verachtung meiner Mutter. Und viele Freunde und Verwandte ziehen sich auch von mir zurück.«

»Nun, um die ist es wohl nicht besonders schade«, fand Konstantin spöttisch.

»Mag sein. Trotzdem. Wann immer ich noch irgendwo eingeladen bin, wird auf der Einladung vermerkt: Allein! Dann gehe ich natürlich nicht hin.«

»Ich weiß«, erwiderte Konstantin mitleidig. Ja, er kannte die ganze Geschichte, was keineswegs hieß, dass er sie verstehen, geschweige gutheißen konnte.

Patrick hatte die damals neunzehnjährige Daria Waldner vor vier Jahren auf einer Party bei Verwandten kennengelernt. Sie besuchte nach dem Abitur eine Kosmetikschule. Ihr Vater war Deutscher, ihre Mutter Russin. Ihre Eltern waren vor drei Jahren tödlich verunglückt, aber sie hatte von ihrem Vater ein wenig Geld geerbt. Davon bezahlte sie ihre Ausbildung. Trotz ihres keineswegs einfachen Lebens war sie bezaubernd, charmant, fröhlich – und bildschön.

Patrick hatte sich Hals über Kopf in sie verliebt.

Genauso, wie auch sie.

Aber sie war von Patricks Heiterkeit und seinem jungenhaften Charme hingerissen. Beide hatten nur mehr Augen füreinander. Gegen seinen Rat – Patrick lachte ihn nur aus: Bist du eifersüchtig? Es traf zu! Auch wenn er es leugnete – zog Daria bei Patrick ein, der während seines Studiums in einer eleganten 3-Zimmer-Dachterrassenwohnung in einem der exklusiven Mietshäuser aus dem 19. Jahrhundert lebte, die seiner Familie gehörten.

Anfangs amüsierte sich seine Mutter über diese Verbindung – bis Daria schwanger wurde und Patrick von Heirat sprach. Von da an verfolgte sie die junge Frau mit ihrem Hass.

Elisabeth Baronin Richter war eine geborene Prinzessin T. Sie hatte den steinreichen, blendend aussehenden Baron unbedingt haben wollen und gehofft, er würde ihren Namen annehmen – doch er weigerte sich und lachte sie aus. Das verzieh sie ihm nie. Aus dem fröhlichen, jungen Herrn wurde ein depressiver Mann, der, wann immer es möglich war, sein Zuhause, das prächtige Schloss Richthofen nahe der großen Stadt, mied. Er verunglückte tödlich auf einer Safari in Afrika. Patrick war damals vierzehn und vermisste den Vater unbeschreiblich. Seine kalte Mutter konnte ihn nicht ersetzen.

»Wenn mein Vater noch lebte …«, sagte er jetzt bekümmert.

»Ja, dann gäbe es dieses Problem nicht«, vollendete Konstantin den Satz für ihn. Dann fragte er nach einer Pause: »Und? Was hast du jetzt vor?«

»Ich werde noch mal mit ihr sprechen!«, erwiderte der entschlossen.

»Willst du dir das wirklich antun?«, fragte sein Vetter. »Sie wird garantiert dir das Gleiche sagen wie immer.«

»Ich habe ein Foto von Daria und Kitty dabei!« Er holte es aus einer Brieftasche und reichte es dem Freund und Vetter über dessen Schreibtisch hinüber. »Könntest du da widerstehen und so voller Hass sein?«

Konstantin nahm das Bild und betrachtete es schweigend. Es zeigte eine bildschöne junge Frau, die glücklich in die Kamera lächelte. Sie sah um keinen Tag älter aus als damals, als er sein Herz an sie verlor. Das schmale, fein geschnittene Gesicht umrahmt von weichen dunklen Haaren, die großen sanften grauen Augen, die kleine Nase, der wunderschöne Mund … Dass sie eine hinreißende Figur hatte, sah man nicht, aber er wusste es. Warum hatte sie sich damals nicht in ihn verliebt?! So viel wäre ihnen allen erspart geblieben!

Auf dem Schoß hielt sie die kleine Katharina, genannt Kitty, welche ihre Patschhändchen nach dem geliebten Papi ausstreckte und sichtlich vor Vergnügen quietschte. Sie war Patrick wie aus dem Gesicht geschnitten.

»Und? Was sagst du?«, fragte der ungeduldig.

»Man kann es sich nicht vorstellen«, erwiderte er traurig auf die Frage. »Besonders wegen Kittys Ähnlichkeit mit dir! Aber – ich fürchte trotzdem, dass sie dabei bleiben wird: Daria ist nicht standesgemäß. Sie hat kein Geld! Willst du es dir wirklich nicht ersparen? Und du kannst, laut Vertrag, vor deinem fünfundzwanzigsten Geburtstag nicht heiraten. Und du hast auch keine Möglichkeit, Kitty als deine Tochter anzuerkennen.«

»Ich werde ihr sagen …!«, brach es heftig aus Patrick.

»Egal, was du ihr sagst: Sie hat ein Herz aus Stein!«

»Nimm mir nicht allen Mut.« Patrick stand auf. »Ich fahre jetzt zu ihr – und sage ihr, dass sie mich heute zum letzten Mal sieht, wenn sie nicht einwilligt. Und dass ich sie aus dem Haus werfen werde, sobald ich fünfundzwanzig bin!«

»Das darfst du auf keinen Fall sagen! Damit setzt du dich nur ins Unrecht!«, rief Konstantin erschrocken. »Und ich bezweifle, dass du laut Erbvertrag dazu überhaupt ein Recht hättest!«

»Gut. Ich werde mich beherrschen! Aber überprüfe den Erbvertrag daraufhin. Sie kann ja dann in meine jetzige Wohnung ziehen!«

»Sei vernünftig! Sei vorsichtig!«, mahnte Konstantin wiederholt, während er Patrick zur Tür begleitete.

Besorgt sah er ihm nach, wie er die Treppe hinunterlief.

»Haben Sie versucht, vernünftig mit ihm zu sprechen?« Dr. Veit, der Senior der renommierten Anwaltskanzlei, in der Ferrer arbeitete, kam zufällig aus seinem Büro. Er war Fachanwalt für Erbrecht und hatte zusammen mit dem jungen Kollegen den Vertrag geprüft.

»Er kann es sich einfach nicht vorstellen!«, erwiderte Konstantin bedrückt. »Ich – auch nicht!«

Dr. Veit lachte trocken auf.

»Wenn Sie einmal so viel gesehen haben wie ich, werden Sie es anders betrachten. Aber kommen Sie doch in mein Zimmer, da ist etwas, das ich mit Ihnen besprechen möchte.«

Konstantin folgte ihm schweigend. Er war froh, wenn er von dem tragischen Fall seines Vetters abgelenkt wurde, der ihn seine aussichtslose Liebe nicht vergessen ließ.

*

»Ach, welch seltener Gast!«, begrüßte Baronin Elisabeth Richter spöttisch ihren Sohn. Sie saß in einem eleganten Negligé im japanischen Salon bei Frühstück. Auch mit knapp fünfzig Jahren sah sie noch gut aus. Überschlank, mit schönem graublondem Haar, hervorragend frisiert und dezent geschminkt. Doch ihre Züge waren hart, ihre Augen eiskalt und von der Nase zogen sich tiefe Furchen zu dem schmalen Mund.

Patrick küsste ihr flüchtig Hand und Wange. Dann musterte er sie einen Moment. Er bedauerte, dem Rat des Freundes nicht gefolgt zu sein. Aber nun war er schon einmal hier …

»Du weißt, weshalb ich komme?«, begann er.

»Willst du uns die Unterhaltung nicht ersparen?«, fragte sie heiter herablassend. »Lass uns doch friedlich eine Tasse Kaffee zusammen trinken!« Ehe er antworten konnte, wies sie das Hausmädchen, das im Hintergrund neben dem Büffet stand an: »Ein Gedeck für Baron Patrick!«

Das Mädchen, in schwarzem Kleid mit weißer Schürze und weißen Handschuhen, stellte das Gewünschte vor ihn. Er lächelte sie an.

»Danke, Barbara«, sagte er. »Und lassen Sie uns jetzt bitte allein.«

»Nein, Sie bleiben!«, ordnete die Baronin an.

Barbara drückte sich verlegen wieder an ihren vorigen Platz.

Sie wäre weit lieber gegangen. Allzu oft war das Personal schon Zeuge dieser unerfreulichen Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Sohn geworden.

Patrick schluckte die Zurechtweisung hinunter und zog das Foto aus der Tasche.

»Ich habe dir ein Bild mitgebracht!«, sagte er und legte es vor seine Mutter.

Sie warf einen flüchtigen Blick darauf.

»Ach ja, hübsch ist sie, die kleine Nutte!«

»Mama!«, fuhr er wütend auf. Dann schluckte er nochmals und bemühte sich um einen gelassenen Ton. »Siehst du nicht, wie ähnlich mir Kitty ist?«

Wieder ein flüchtiger Blick, ein kurzes Zögern.

»Ein kleines blondes Mädchen – wie es Hunderte gibt! Das heißt gar nichts!

Er zog ein amtliches Dokument aus der Tasche.

»Hier. Weil du es ja nicht glauben willst: Die DNA-Prüfung, die es bestätigt, dass sie meine Tochter ist.«

Sie schob das Dokument zur Seite, ohne es anzusehen, und zuckte die Achseln.

»Viele hohe Herren haben sich mit billigen Mädchen eingelassen. Das ändert nichts an der Tatsache, dass weder sie noch ihre Tochter hier willkommen sind. Oder von mir anerkannt werden.«

Patrick rumpelte aus seinem Sessel hoch, dass er umfiel und der Kaffee in seiner Tasse überschwappte und die hübsche, bestickte Decke beschmutzte. Sein Gesicht war ganz weiß, so traf ihn die Kränkung.

»Dann hast du mich heute zum letzten Mal gesehen«, sagte er leise. Seine Stimme zitterte.

Auch die Baronin war blass geworden. Trotzdem gelang ihr ein überlegenes Lächeln.

»Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass du bis zu deinem fünfundzwanzigsten Geburtstag doch noch zu Verstand kommst!«

Er drehte sich um und stürmte ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer. Die Tür blieb hinter ihm offen. Sie hörte, wie seine Schritte auf dem langen Gang verklangen.

»Schließen Sie die Tür, Barbara«, befahl sie, »und machen Sie hier Ordnung!« Eine Stunde später trafen zwei Polizisten ein, um der Baronin Richter mitzuteilen, dass ihr Sohn, Patrick Freiherr von Richter, bei einem Autounfall tödlich verunglückt war.

*

Konstantin von Ferrer wartete nervös auf einen Anruf seines Vetters und Freundes. Warum meldete er sich noch immer nicht?! Es war doch hoffentlich nicht zu einem schwerwiegenden Eklat gekommen?! Er sorgte sich nicht nur um Patrick, er sorgte sich noch mehr um Daria und die kleine Kitty. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und rief auf Schloss Richthofen an.

Die Hausdame meldete sich am Telefon. Ihre Stimme klang verschnupft, und als er seinen Namen nannte, holte sie erschreckt Atem.