Fürstenkrone – 133 – Gefangen in Pracht und Herrlichkeit

Fürstenkrone
– 133–

Gefangen in Pracht und Herrlichkeit

Wer rettet Komtess Olivia aus ihrem Albtraum?

Jutta von Kampen

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

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E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74093-394-4

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Olivia drehte sich vor dem großen Spiegel in ihrem Ankleidezimmer. Sie war mit sich sehr zufrieden. Eigentlich, so fand sie, sah sie viel zu gut aus für diesen dämlichen Adelsball. Aber ihre Eltern wollten sie ja wieder unbedingt dorthin schleifen!

Sie ächzte und probierte, ob sie diese weiße Seidenrose in ihr Haar stecken sollte, oder vielleicht war es doch zu viel? Ja oder nein? Sie wendete sich nach links und nach rechts und lächelte ihrem Spiegelbild zu.

Es wäre geradezu ein Wunder gewesen, wenn Olivia nicht gewußt hätte, daß sie eine wirkliche Schönheit war.

Sie sah es in dem verzückten Blick ihrer Eltern, wenn sie ins Zimmer kam, und an den Plänen, die sie für sie hatten. Sie merkte es an der Zahl ihrer Verehrer, die sich heute wieder um sie reißen würden – und auch daran, daß wirklich nur sehr hübsche Mädchen mit ihr befreundet waren, weil die anderen sie ›affig‹ und ›eingebildet‹ fanden. Dabei traf das keineswegs zu: sie war nur selbstbewußt und stolz. Und dazu hatte sie auch wirklich allen Grund.

Gräfin Olivia Birkenstein stammte aus einem uradeligen Geschlecht. Ihr Vater war erfolgreicher Innenarchitekt, und ihre Mutter kam gleichfalls aus einer vornehmen Familie und gehörte noch heute zu den elegantesten Damen ihrer Kreise – auch wenn die Birkensteins keineswegs reich waren. Sie besaßen eine angeborene Eleganz und einen sicheren Geschmack, und das war oft mehr wert als ein großes Vermögen.

Für den heutigen Ball hatte Olivia das Kleid hervorgeholt, das sie schon vor zwei Jahren zum Tanzstunden-Abschlußball getragen hatte: ein schlicht fallendes weißes Chiffonkleid, das beim Tanzen graziös mitschwang. Auf die schmalen Träger hatte sie kleine rosa Seidenröschen genäht und das Kleid damit ›verändert‹. Die Frage war jetzt nur, ob die aufgeblühte, große Seidenrose in ihrem aufgesteckten goldblonden Haar nicht zu viel des Guten war. Andererseits betonte sie die schöne Linie ihres schlanken Halses und machte die kleine Perlenkette überflüssig, die ihr ohnehin zu schulmädchenhaft vorkam.

Jetzt hörte sie draußen den leichten Schritt ihrer Mutter. Sehr gut! Dann konnte die ihr raten!

Die Tür flog auf, und Gräfin Nella Birkenstein trat mit ärgerlichem Gesicht ein – das sich aber sofort aufhellte und zufrieden strahlte, als sie Olivia sah. Trotzdem bemühte sie sich um einen ungeduldigen, strengen Ton.

»Was brauchst du denn so ewig lang? Du warst doch schon vor einer halben Stunde fertig?! Michael wartet unten auf dich!«

Michael Graf Tuboff, der eben seinen Referendar mit Erfolg gemacht hatte, war der von ihren Eltern bevorzugte Verehrer. Er gefiel auch Olivia – aber sie fand, daß sie ihn schon viel zu lange kannte, um sich leidenschaftlich in ihn zu verlieben. Und nur so eine Art Vernunftehe aus Standes- und Finanzgründen, nein, dazu war sie nicht bereit. Nicht mit gerade zwanzig, da hatte man schon noch Zeit, auf seinen Traumprinzen zu warten!

Zugegeben: Michael war sowohl von seiner Herkunft wie auch, was das zu erwartende Vermögen anging, durchaus als Traumprinz zu bezeichnen. Er sah auch erstklassig aus: groß, schlank, dunkel, tanzte hervorragend, war ein auf allen eleganten Jagden gern gesehener Schütze, konnte segeln, reiten, Tennis spielen und selbstverständlich Ski fahren – aber, wie schon erwähnt, sie kannten sich seit Kindertagen, und zumindest Olivia fand das ernüchternd.

»Was will er denn?« fragte Olivia unwillig. »Ich fahre doch mit euch, wenn ich schon zu diesem Heiratsmarkt muß!«

»Olivia!« Die Gräfin lachte. »Er möchte wahrscheinlich sichergehen, daß ihm kein anderer zuvorkommt!«

»Pah!« machte Olivia daraufhin nur und kam auf ihr Problem zurück: »Mami: mit oder ohne Rose im Haar?«

»Mit!« sagte die Gräfin und half ihrer Tochter, die Rose so festzustecken, daß sie schmeichelnd hinter dem Ohr den Hals berührte. »Michael wird begeistert sein!« meinte sie zufrieden.

»Wo war er denn die vergangenen zwei Wochen?« fragte Olivia, als sie neben ihrer Mutter die Treppe hinunter über die Diele zum Salon ging.

»Frag ihn selbst!« erwiderte die Gräfin und amüsierte sich heimlich. Wenn Michael Tuboff da war, tat Olivia immer so uninteressiert, aber wenn er sich einmal nicht sehen ließ, dann fiel es ihr doch auf!

Als die beiden den Salon betraten, erhoben sich die zwei Herren.

»Wir werden wieder einmal die elegantesten Damen haben«, sagte Graf Woldemar Birkenstein mit sichtlichem Stolz und küßte seiner Frau die Wange. Sie sah fabelhaft aus in dem pflaumenfarbenen Seidenkleid und dem schönen alten Amethystschmuck. Das Grau in ihrem blonden Haar ließ es silbrig wirken und schmeichelte ihrem etwas strengen, klassisch geschnittenen Antlitz.

Auch Graf Woldemar war ein bemerkenswert gut und vornehm aussehender Herr. Groß, etwas füllig, was der gut geschnittene Smoking verbarg, und mit einem intelligenten Gesicht.

Michael küßte der Gräfin die Hand und Olivia rechts und links auf die Wangen.

»Süß siehst du aus!« stellte er fest.

»Süß!« Sie verdrehte die Augen.

»Soll ich sagen: cool und sexy?« fragte er und lachte.

»Was willst du überhaupt hier, wenn du mich so blöd und kindisch findest?« reagierte sie verärgert.

»Olivia!« tadelte ihre Mutter kopfschüttelnd. »Willst du Michael nicht zu seinem Referendar gratulieren?«

»Ach, hast du dich deshalb nicht sehen lassen?« fragte Olivia.

»Wie schön, daß du es bemerkt hast!« fand Michael, was Olivia wieder eine genervte Grimasse ziehen ließ. »Aber natürlich schlossen sich an die Prüfung auch die entsprechenden Feiern an. Und außerdem war da die große Reitjagd bei den Greifenbergs.«

»Hach! Die Daisy Greifenberg! Die war ja schon zu Tanzstundenzeiten hinter dir her!« bemerkte Olivia spitz. »Kein Wunder, daß sie uns nicht dazu gebeten hatten!«

»Du vergißt, daß niemand von uns reitet!« erinnerte ihr Vater sie etwas ungehalten.

»Olivia hat heute keinen guten Tag, wie es scheint«, glaubte die Gräfin ihre Tochter entschuldigen zu müssen.

»Nun, wenn es ist, weil sie mich vermißt hat, so stört es mich nicht. Ganz im Gegenteil!«

»Es wird Zeit«, mahnte Graf Birkenstein, und Michael bot mit einer höflichen Verneigung Olivia den Arm.

»Ich bitte dich«, sie lachte ärgerlich, »laß das altmodische Getue! Das steht uns noch den ganzen Abend bevor!«

»O.k.«, erwiderte er gelassen. »Sind wir eben cool!« Er steckte die Hände in die Hosentaschen und stieß die nur angelehnte Salontüre lässig mit der Schulter auf. Jetzt mußte Olivia doch lachen, und ihre Eltern lachten mit.

Michael wäre schon der Richtige für sie – er wußte sie zu nehmen, auch wenn sie gerade mal wieder glaubte, sich schwierig geben zu müssen.

*

Der diesjährige Adelsball fand zu Beginn der Wintersaison im großen Festsaal des Hilton-Hotels statt. Und wie Olivia sehr richtig spöttisch festgestellt hatte, war es wirklich eine Veranstaltung, bei der auch die vom Lande kommenden jungen Damen und Herren Gelegenheit bekommen sollten, jemand Passenden kennenzulernen. Für die Erwachsenen war es eine Gelegenheit, mit Gleichgesinnten zu plaudern und in Gedanken unter den jungen Leuten diejenigen auszuwählen, welche man eventuell für eine Party zu Hause einladen könnte.

Die Stimmung war wie jedes Jahr erwartungsvoll, und auch Olivia, selbst wenn sie sich sehr überlegen gab, war nun voller Vorfreude.

»Neben wem sitze ich wohl?« fragte sie.

»Nun, ich hoffe, neben mir!« erwiderte Michael. Er hatte einen seiner Bekannten, welche die Damen des Kommitées bei den Vorbereitungen unterstützten, gebeten, bei der Tischordnung dafür zu sorgen, daß er Olivias Tischherr war.

Wie langweilig! dachte Olivia. Ich würde lieber neben jemandem sitzen, den ich noch nicht so gut kenne! Aber sie hielt sich zurück. Schließlich konnte sie es wirklich schlechter treffen, und sicher war es ohnehin noch nicht.

Am Eingang zum Festsaal standen Schirmherr und Schirmherrin der Veranstaltung, das Fürstenpaar Löwenstein, und begrüßten die eintreffenden Gäste. Freunde, Verwandte und gleichgestellte Gäste wurden umarmt und von der Fürstin geküßt, den anderen reichte sie die beringte Hand zum Kusse und sagte ein paar liebenswürdige Worte.

Die Birkensteins gehörten zu denen, die geküßt wurden, ebenso wie Michael.

»Himmel, sieht eure Olivia wieder süß aus!« sagte der Fürst wohlgefällig. »Neben wem sitzt du denn?« Und bevor sich Michael melden konnte, zog er einen jungen Herrn an der Hand herbei, der halb verdeckt hinter ihm gestanden hatte. »Das ist Enzo Bonaterra, der älteste Sohn meiner Schwester, die nach Italien geheiratet hat, wie ihr vielleicht wißt. Willst du dich nicht ein wenig um ihn kümmern? Er kennt hier fast niemanden!«

Olivia sah in ein Paar fast schwarze Augen, in denen ein leidenschaftliches Feuer brannte, und wußte im gleichen Moment, daß er das war und kein anderer! Ihr Traumprinz!

Der junge Fürst war groß und von einer unnachahmlichen Eleganz. Sein Gesicht war blaß, auch wenn sein Teint dunkel war. Die faszinierenden Augen lagen unter dichten schwarzen Brauen, und er hatte unglaublich lange, geschwungene Wimpern – fast zu schön für einen Mann! Seine Nase war schmal und leicht gebogen, sein Mund voll und leidenschaftlich. Als er nun Olivia anlächelte, sah sie makellos weiße, regelmäßige Zähne – er war einfach vollkommen!

»Wenn Sie nicht schon vergeben sind?« fragte er mit einem flüchtigen Blick in Richtung Michael.

»Nein!« erklärte Olivia entschieden, bevor jemand anderer etwas anderes sagen konnte.

»Ihr werdet euch doch nicht siezen!« meinte die Fürstin lächelnd. »Ganz bestimmt kommt ihr auf irgendeine verwandtschaftliche Beziehung, wenn ihr euch unterhaltet!«

Enzo bot Olivia den Arm und führte sie von der Gruppe weg.

»Eigentlich hatte ich nicht vor, über etwaige Verwandte zu reden«, sagte er mit einer aufregend dunklen Stimme und lachte.

»Furchtbar!« fand Olivia. »Glaubst du, daß unsere Eltern nur über dergleichen geredet haben, als sie jung waren?«

»Wahrscheinlich nicht. Zumindest hoffe ich es für sie. Aber sie haben es offensichtlich vergessen!«

Sie lachten beide. Jetzt reichte einer der jungen Herren, welche sich um den Verlauf des Abends kümmerten, Olivia die übliche Tanzkarte und ein Kotillonsträußchen.