GESCHICHTEN AUS DEM FRÜHSTÜCKSRAUM

Erna R. Fanger & Hartmut Fanger (Hg.)

Pension Sonntag

DIE OFFENE SCHREIBGRUPPE HAMBURG

schreibfertig.com

PRÄSENTIERT IHRE TEXTE

INHALT

VORWORT

Erna R. Fanger & Hartmut Fanger
Geschichten aus dem Frühstücksraum

MAGISCHE WELTEN UND MOMENTE

Erna R. Fanger

Heinz Herwig Bock

Christa Hilscher

Vogelbar

Barbara Rossi

Kein Ort so still wie in mir

SPIELARTEN DER LIEBE

Elvi Stammeier

Konzertbesuch

Eva-Maria Böhm

Kaleidoskop

Petra Thelen

Hannah

KINDER, ELTERN & VERWANDTE

Sabine Beilmund

Bescheidenheit ist eine Zier

Barbara Rossi

Väter & Töchter

Vera Gerling

Eisbären

Martina Frank

Die ganze Verwandtschaft

Franz Molnar

Kinderglaube

KATASTROPHEN UND ANDERE KLEINIGKEITEN

Barbara Rossi

Auf den Winterbäumen

Susanne Bertels

Absturz

Vera Gerling

Sonnenschein

Ava Nitsche

Verkehrtes Lächeln

VOM AUFBRECHEN

Barbara Schirmacher

Mittagsdämon

Petra Thelen

Schlittenrennen

Jürgen Schöneich

Die Kaffee Baroninnen

VOM ABSCHIEDNEHMEN

Hartmut Fanger

Unweit Landungsbrücken

Petra Thelen

Abschied

Christa Hilscher Zeit zu gehen

Sabine Gräter Gepäck

PAPAGEIENKÖNIG, GÄNSEBLUME UND TYRANN

Sabine Bellmund

Der Papageienkönig und die Schmetterlingsfrau

Eva-Maria Böhm

Die Gänseblume

Norbert Niemann

Der Tyrann und der Philosoph

MIT AUGENZWINKERN

Hartmut Fanger

Der Wein vom Mittwoch

Jürgen Schöneich

Austern

Susanne Bertels

Ein Festessen

Elvi Stammeier

Die Überraschung

ZU GUTER LETZT

Erna R. Fanger

Alle Flüsse zieht es ins Meer

AUTORINNEN &AUTOREN

DANKE!

VORWORT

 

GESCHICHTEN AUS DEM FRÜHSTÜCKSRAUM

Nun sind es bereits bald sechs Jahre, in denen wir das Fernschulprojekt „schreibfertig.com“ etablieren konnten. Zugleich ein so spannendes wie faszinierendes Abenteuer, das immer wieder Überraschungen bereithält. Vornehmlich jedoch sind es die fantastischen Begegnungen mit Menschen und ihren nicht selten tief berührenden Geschichten, was uns im wahrsten Sinne des Wortes bereichert hat.

Etliche Teilnehmer haben mittlerweile unser Angebot, wie den Kompaktkurs Belletristik, die Grundschule Belletristik, die Romanwerkstatt oder den Sachmedienkurs, wahrgenommen und mit Zertifikat abgeschlossen. Darüber hinaus konnten wir zunehmend Schreib-Coaching und Lektorat ausbauen, sei es im Bereich Belletristik, sei es im Bereich Wissenschaftliches Schreiben.

Überdies besteht nun schon seit über vier Jahren die Offene Schreibgruppe unserer Kleinenfeinen Schreibschule für Jung & Alt. Neben einem festen Stamm kommen immer wieder neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer hinzu. Unser besonderer Dank gilt hier der Betreiberin der Pension Sonntag und langjährigen Freundin, Eva Sonntag, die uns den Frühstücksraum für Schreibgruppen und Coaching-Sitzungen zur Verfügung stellt.

Wer den Frühstücksraum der Pension Sonntag in Hamburg kennt, weiß die dort herrschende freundliche und vor allem schöpferische Atmosphäre, wie Eva Sonntag sie der gesamten Villa aus der Gründerzeit angedeihen lässt, zu schätzen. Und bei so mancher der in diesem Band zu lesenden Geschichten hat der Frühstücksraum buchstäblich mitgeschrieben. Die teils wöchentliche, teils vierzehntägige Zusammenarbeit an diesem Ort und in dieser Straße sind es dann auch, die uns auf die Idee brachten, „Geschichten aus dem Frühstücksraum“ in einem kleinen Buch zusammenzutragen.

So kommt der Opener „Heinz Herwig Bock“ von Erna R. Fanger nicht von ungefähr, handelt die Geschichte mit magischen Momenten doch von Menschen, die in der Neubertstraße zu Hause waren, wo man seine Nachbarn kennt, mit ihnen nicht selten eine tragfähige Gemeinschaft bildet. Christa Hilschers Geschichte „Vogelbar“ hingegen besticht durch die feine Irritation, wenn mitten in die scheinbare Realität surreale Momente einbrechen, die den Leser in entlegene Szenarien entführen, wo die Grenze zwischen Vogel- und Menschenwelt außer Kraft gesetzt scheint. Die Magie in „Kein Ort so still wie in mir“ von Barbara Rossi wiederum basiert auf einem innigen Wunsch, einer zwischen Traum und Wirklichkeit oszillierenden Fantasie von diskretem Witz, leiser Melancholie und manch überraschender Wendung.

Einmal mehr verdeutlicht „Spielarten der Liebe“ unterschiedliche Facetten des wohl stärksten Impulses, der alles, was ist, bewegt. So etwa bei Elvi Stammeier, deren Protagonistin sich bei einem „Konzertbesuch“ – so auch der Titel – unverhofft dem Mann gegenüber sieht, den sie einst geliebt und in dem sie sich böse getäuscht hatte. Leichtes Spiel hat die Liebe hingegen nach etlichen Irrwegen gemäß dem Titel „Kaleidoskop“ von Eva-Maria Böhm, wo sie ganz unerwartet Aufschwung nimmt. Die zarte Sprengkraft der erotischen Anziehung und den damit sich ausbreitenden himmlischen Frieden bringt uns Petra Thelen in dem berührenden poetischen Porträt „Hannah“ nahe.

Und natürlich kommen wir in diesem Bändchen auf die Kindheit zu sprechen und werfen mit Sabine Bellmunds eindringlicher Kurzgeschichte, „Bescheidenheit ist eine Zier“, einen erhellenden Blick hinter die Kulissen, was Mädchen bewegen kann, das Essen zu verweigern. Um „Väter & Töchter“ geht es bei Barbara Rossi, die hier Erinnerungsarbeit in poetischer Bildersprache von zartfühlender Melancholie leistet, um sich dem Vater anzunähern. Schonungslos wiederum der Blick auf Eltern und Kind in „Eisbären“, wo der Zoo lediglich die Kulisse abgibt für eine von Vera Gerling bissig intonierte Art Familienstudie – Vater, Mutter, Kind –, die nicht zuletzt vom Wiedererkennungseffekt lebt, der erheitert. Krass wiederum, wenn einem mit einem Mal „Die gesamte Verwandtschaft …“ auf den Leib rückt, wie von Martina Frank mit martialischer Wucht und in starker Bildersprache erzählt. Aber auch die Gewissheit, dass wir gehalten sind, macht Kindheit aus, wie von Franz Molnar in „Kinderglaube“ feinfühlig nahegelegt.

Und stets stellt uns der Alltag auf die Probe, wie in ‚Katastrophen und andere KLEINIGKEITEN nachzulesen. So in Barbara Rossis „Auf den Winterbäumen“, wo ein Unfall die Karriere einer jungen Eisläuferin zerstört hat. Aber auch eine dramatische Nachricht, mitten im erhebenden Chorgesang, die die Erzählerin abstürzen lässt, kann uns ereilen, wie von Susanne Bertels so knapp wie packend zur Sprache gebracht. „Sonnenschein“ von Vera Gerling, als Satire auf die teils bis heute aberwitzig anmutenden Praktiken in der Psychiatrie lesbar, sorgt bei skurriler Prognose mit beißendem Humor für Heiterkeit. Der durchweg dramatische Abschnitt schließt dann auch mit der Kriminalgeschichte „Verkehrtes Lächeln“ von Ava Nitsche. Nicht nur ‚unheimlich’ spannend, lebt das Ganze darüber hinaus von dem so diskret platzierten wie treffenden Einsatz von Schwarzem Humor.

Alle lieben Geschichten ‚Vom Aufbrechen’, wo etwa Barbara Schirmacher uns in „Mittagsdämon“ den Atem raubt, indem sie uns Zeugen des Abenteuers einer Frau werden lässt, die sich in abgelegener Bucht alleine wähnt, um am Ende eine böse Überraschung zu erleben. Grandios inszeniert in „Schlittenrennen“ von Petra Thelen der brennende Wunsch der jugendlichen Ich-Erzählerin, schneller zu sein als der große Bruder. Mit feiner Selbstironie gewürzt wiederum die täglichen Aufbrüche des Protagonisten in „Die Kaffee Baroninnen“ von Jürgen Schöneich in den Glück verheißenden Kosmos eines portugiesischen Cafés.

Aber auch ‚Vom Abschiednehmen’ handeln die Geschichten. So, wenn etwa Hartmut Fanger sich im Tenor subtil distanzierter Melancholie in „Unweit Landungsbrücken“ auf die Spuren eines verschwundenen Freundes begibt. Von bewegender Empathie getragen, Christa Hilschers „Zeit zu gehen“, wo die Diskrepanz zwischen dem wachen Geist des betagten Protagonisten und den nachlassenden Kräften facettenreich durchgespielt wird. Berührend „Abschied“ von Petra Thelen – dort verlieren lebenslange Trennlinien mit einem Mal ihre Gültigkeit zugunsten gemeinsamen Erlebens. In heiterem Kontrast hierzu steht „Gepäck“ von Sabine Gräter, wo die gleichwohl bereits betagte Protagonistin ein letztes Mal gedenkt, ihre alten Freundinnen zu besuchen. Das Unterfangen beschert ihr unverhofft Vergnügen, zugleich aber auch Freiraum, den sie, mit allen Wassern gewaschen, zu nutzen weiß.

Märchenhaftes lesen wir in „Der Papageienkönig und die Schmetterlingsfrau“ von Sabine Bellmund, einer Liebesgeschichte, die, wie alle Liebesgeschichten zu gegebener Zeit, scheitert; voller Zärtlichkeit und von Melancholie, aber letztlich doch vom Enthusiasmus der Liebe getragen. Auch bei „Die Gänseblume“ von Eva-Maria Böhm entspricht der Erzähltenor dem Märchen, zugleich verbirgt sich dahinter eine kleine Entwicklungsgeschichte. Gefolgt von der eher dunkel gefärbten Märchenstimme à la Wilhelm Hauff von Norbert Niemann, wo ein grausames Schicksal eine überraschende Wende erfährt, um festzustellen, dass auch danach das Paradies auf Erden nicht einfach zu haben ist, sondern Zoll für Zoll erobert werden will.

Nach manch schwerer Kost lassen wir uns ‚mit Augenzwinkern’ gerne erheitern. So etwa von dem schrägen Humor Hartmut Fangers in „Der Wein vom Mittwoch“, der in dieser komisch intonierten Kurzprosa immer wieder zu kippen droht. „Austern“ wiederum eine höchst vergnügliche, feinsinnige Satire von Jürgen Schöneich über den Eigensinn mit vielfältigen Referenzen auf eine Arbeitswelt, die zusehends abgekoppelt von grundlegender menschlicher Befindlichkeit scheint. Ohne Absprache die Korrespondenz mit Susanne Bertels gleichfalls satirisch gefärbtem „Ein Festessen“, wo die Protagonistin das Signum für die Zugehörigkeit zu den besseren Kreisen, nämlich Austern zu schlürfen, zurückweist, obschon nicht ohne manchen Winkelzug, den es dabei zu bewerkstelligen gilt. Last but not least erzählt Elvi Stammeier mit leiser, dabei wohlwollender Ironie vom geregelten Akademikerleben in abgezirkelten Bahnen ihres Protagonisten, das durch eine Überraschung der besonderen Art aus der Fassung gerät.

Als anspielungsreiches Fazit – ‚zu guter Letzt’ – Erna R. Fangers „Alle Flüsse zieht es ins Meer“, ins Offene hin …

Hamburg, im Oktober 2018

Erna R. Fanger & Hartmut Fanger

MAGISCHE WELTEN UND MOMENTE