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CHRISTOPHER GOLDEN

SOMETHING SHE LOST

Ins Deutsche übersetzt von
Stephanie Pannen

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Für Charles L. Grant,
einen stillen Typen
.

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Titel der Originalausgabe: WILDWOOD ROAD

Copyright © 2008 by Christopher Golden

German translation copyright © 2019, by Amigo Grafik GbR.

Print ISBN 978-3-95981-971-8 (September 2019)

WWW.CROSS-CULT.DE

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Epilog

Danksagungen

1

Der Abend des Maskenballs war eine Art wahnwitziger, riskanter Walzer, die Stimmen lauter und das Gelächter alberner, als irgendjemand erwartet hätte. Das lag nun einmal in der Natur von Masken.

Michael Dansky lehnte mit einem Guinness in der Hand an der Wand und beobachtete das Kommen und Gehen der bunten Kostüme und die Körpersprache ihrer Träger. Ein Maskenball hatte etwas an sich, das die Menschen veränderte. Die Hemmschwelle sank, und das nicht nur aufgrund des Alkohols. Die Frage war, dachte Michael, ob eine Maske dem Träger erlaubte, sich in der Illusion zu verlieren, jemand anderes zu sein, oder ob es das Verbergen des Gesichts war, das ihm den Mut verlieh, mehr von dem zu zeigen, der er tief im Inneren wirklich war.

Das Wayside Inn war ein charmantes Fleckchen Erde, an dem man sich vorstellen konnte, dass das neunzehnte Jahrhundert niemals geendet hatte. Michael beobachtete, wie sich seine Frau Jillian in ihrer elisabethanischen Robe durch den Ballsaal bewegte. Unter ihrer eleganten Halbmaske lächelte sie. Für Michael war sie immer sexy gewesen, doch heute war sie mehr als das. Es lag eine unbestreitbare Laszivität in der Art, wie sie sich über die Tanzfläche bewegte, und in ihren Augen hinter dieser Maske schimmerte eine Sinnlichkeit, die ihm den Atem raubte. Während sie durch den Raum ging, berührte eine andere Frau sie am Arm und die beiden begannen eine Unterhaltung, die sich in Lächeln und Lippenbewegungen ausdrückte. Die Worte selbst verloren sich im Stimmengewirr des Maskenballs. Jillians Haare waren von einem tiefen Kastanienbraun und ihre braunen Augen funkelten schelmisch. Die Frau, mit der sie sprach, war eine dünne Blondine, die als Flaschengeist verkleidet war.

Michael stieß sich von der Wand ab und ging durch den Ballsaal auf sie zu. Er war sich vage bewusst, dass die Flasche Guinness in seiner Hand die Wirkung seines eigenen Kostüms ein wenig untergrub: Umhang, Stiefel, Hut und Degen des schneidigen Musketiers D’Artagnan. Dennoch lag eine gewisse Selbstsicherheit in seinem Gang, die entweder das Kostüm, der Alkohol oder noch wahrscheinlicher eine Mischung aus beidem hervorrief.

Der Ballsaal wurde von zwei großen Treppen eingerahmt, die sich zu beiden Seiten des Raums zu einem Balkon im ersten Stockwerk hinaufwanden, der auf das Erdgeschoss hinabsah. Es gab Kronleuchter, aber sie waren nicht so kitschig wie die, die er bei Hochzeitsfeiern in den Bankettsälen diverser Hotels gesehen hatte. Der Maskenball war ein jährliches Ereignis zugunsten des Merrimack Valley Children’s Hospital und in den drei Jahren ihrer Ehe hatten Jillian und er ihn sich niemals entgehen lassen. Es war Samstagabend, drei Tage vor Halloween, und auch wenn der Feiertag inzwischen von moderneren Kostümen geprägt war, bestanden die Veranstalter des Balls darauf, dass niemand eine Verkleidung tragen durfte, die von etwas aus der Zeit nach dem neunzehnten Jahrhundert inspiriert worden war. Die Musik unterlag der gleichen Beschränkung. Einigen Leuten, mit denen Michael gesprochen hatte, fehlte zwar die vertraute Tanzmusik, aber andere machten das Beste daraus, versuchten sich an Menuetten und Walzern oder sogar an einer Quadrille, die Miri Gallaway und Victoria Peristere den Teilnehmern jedes Jahr beibrachten.

Michael liebte das alles. Die Musik und die altmodischen Kostüme erinnerten an eine einfachere Zeit, eine Ära, in der die Menschen noch an das Geheimnisvolle geglaubt hatten. Er arbeitete als Artdirector bei Krakow & Bester, einer Werbefirma aus Andover, und auch wenn er durch seine Arbeit die Geschichte von Stilen und Bildern erforschen konnte, brachte sie ihn auch mit viel zu vielen Leuten in Kontakt, die vollkommen fantasielos waren.

Das hier war die reinste Freude.

Auf dem Weg zu seiner Frau verbeugte er sich galant vor einer wunderschönen Piratin und einer von Draculas Bräuten. Inmitten ihrer Unterhaltung mit dem blonden Flaschengeist entdeckte ihn Jillian aus dem Augenwinkel und ein Schmunzeln umspielte ihre Lippen. Sie winkte ihm zu.

Plötzlich wurde sein Blick auf Jillian von mehreren Paaren versperrt, die zu einer fröhlichen Melodie tanzten. Er versuchte sich einen anderen Weg zu ihr zu bahnen und stieß fast mit einem stämmigen Heinrich dem Achten und einer blutverschmierten Anne Boleyn zusammen. Michael lachte so laut auf, dass er fast sein Guinness verschüttet hätte.

»Was ist denn so verdammt witzig, Bauer?«, verlangte König Heinrich zu wissen.

»Zum Beispiel dieser Bart«, erwiderte Michael.

Der König schnaubte beleidigt, berührte aber besorgt seinen angeklebten Bart. Sein richtiger Name war Teddy Polito und seine liebreizende tote Braut war seine Ehefrau Colleen. Teddy war Texter bei Krakow & Bester, ein halber Neurotiker, dessen Gesicht zu einer ewigen Grimasse verzerrt zu sein schien. Doch trotz seiner diversen Ticks und Schrullen hatte der beleibte Mittvierziger ein großes Herz.

»Hab fast eine Stunde gebraucht, um dieses verdammte Ding richtig hinzubekommen«, murmelte Teddy.

Michael gelang es nicht, sein Grinsen zu unterdrücken. »Das ist … ziemlich erstaunlich.«

Colleen warf ihrem Mann einen Blick mit erhobener Augenbraue zu. »In der Tat. Man sollte doch meinen, dass nach so viel Aufwand etwas weniger Klebstoff zu sehen wäre.«

Teddy legte sich eine Hand aufs Herz. »Das tat weh.«

Seine Frau stieß ihn mit ihrer ausladenden Hüfte an. »Du Riesenbaby.« Ihre braunen Haare hatten einen rötlichen Schimmer und ohne ihre großen grünen Augen hätte sie ziemlich durchschnittlich ausgesehen.

»Das stimmt, Colleen. Keine Ahnung, warum wir es überhaupt mit ihm aushalten.«

»Ich bin ein Enigma«, sagte Teddy fröhlich.

»Das ist Teil deines Charmes«, bestätigte Michael. Er sah sich um. »Und wo ist jetzt meine bezaubernde Frau hin?«

Jillian stand noch immer bei ihrer blonden Flaschengeistfreundin auf halber Höhe der rechten Treppe, einen Drink in der Hand. Als Michael sie wiederentdeckte, begann Jillian zu lachen. Ihre Wangen wurden rot, sie hob den Handrücken vor ihren Mund – ein Überbleibsel ihrer Zeit mit Zahnspange – und trat einen Schritt von dem Flaschengeist zurück.

Sein Herz schien stehen zu bleiben, als ihr Fuß die Stufe verpasste. Von der Tanzfläche des Ballsaals aus, inmitten der Tanzenden und mit dem Klang von Lauten, Fiedeln und Blechflöten in den Ohren, musste er mit ansehen, wie sie fiel. Jillian ließ ihr Getränk los und das Glas purzelte über den Rand des Treppengeländers und zerschellte auf dem Boden. Sie fing sich mit der leeren Hand ab, die andere verdeckte weiter ihren Mund. Ihre Augen waren vor Schreck weit aufgerissen. Dann erhellte eine Art peinlich berührter Belustigung ihr Gesicht, sie drehte den Leuten unter sich den Rücken zu und tat so, als sei der Vorfall nie passiert. Die Hand hatte sie immer noch vor dem Mund und Michael wusste, dass sie ein Lächeln verbarg. Der Flaschengeist lachte vor Erleichterung. Sie nahm Jillian am Arm und führte sie weiter die Stufen hinauf.

Erst da atmete Michael wieder aus.

»Ich glaube, da hat jemand etwas zu viel Spaß«, kommentierte Colleen, aber es lag kein Vorwurf in ihren Worten. Jillian trank nicht viel und wurde schnell beschwipst, wenn sie mehr als ein Glas Wein hatte. Die Politos wussten das.

»Ich sehe mal nach, ob sie in Ordnung ist«, beschloss Michael.

»Tu das«, sagte Teddy. »Wir können ja mitkommen und ihr Hallo sagen.«

»Keine Sorge«, erwiderte Michael, den Blick weiter auf Jillian gerichtet, die sich inzwischen mit Ned Bergh, einem örtlichen Immobilienmakler, und seiner Frau Sue unterhielt.

Jillian gestikulierte wild mit ihren Händen und ihr Gesichtsausdruck war sehr lebhaft, während sie eine Geschichte erzählte – vielleicht sogar die, wie sie kurz zuvor ihr Glas hatte fallen lassen. »Wir werden uns schon nicht plötzlich in Kürbisse verwandeln.«

Michael drehte sich mit wehendem Umhang um und die drei gingen Richtung Treppe. Er gab sich dabei ganz seiner Rolle des D’Artagnan hin, eine Hand auf dem Griff seines Degens trug er die Arroganz eines Musketiers zur Schau.

D’Artagnan führte König Heinrich und die auferstandene Anne Boleyn die Stufen hinauf. Einige Leute riefen Teddys Namen und er winkte. Einmal blieb er stehen, lehnte sich vor und murmelte etwas in das Ohr eines Mannes, den Michael vage als Lokalpolitiker wiedererkannte. Der Mann reagierte mit einem wissenden Lachen voll versteckter Andeutungen. Teddy hatte eine Vorliebe für versaute Witze. Colleen hatte nicht gehört, was ihr Mann gesagt hatte, aber sie gab ihm aus Prinzip einen Klaps auf die Schulter.

Michael sah ebenfalls Menschen, die er kannte, auch wenn es durch die Kostüme und Masken manchmal ein bisschen schwierig war, direkt zu erkennen, um wen es sich handelte. Gary Bester, Sohn eines der Gründer seiner Agentur, winkte ihm von der anderen Treppe aus zu und Michael war froh, so weit entfernt zu sein. Gary war als Großer Böser Wolf verkleidet und seine Freundin Brittany als Rotkäppchen. Das Mädchen war neunzehn, die Rezeptionistin der Agentur und die Art Frau, von der selbst der anständigste Mann kaum den Blick abwenden konnte. Gary war unglaublich nervig, redete endlos, ohne etwas zu erzählen zu haben, und war irrsinnig eifersüchtig auf jeden Kerl, den Brittany auch nur ansah. Es war am besten, den beiden aus dem Weg zu gehen.

Der Blick auf den Maskenball vom oberen Treppenabsatz war außergewöhnlich. Die wirbelnden Farben, der Klang von Fiedel und Laute, Akkordeon und Cembalo sowie das altmodische Dekor des Ballsaals kombiniert raubten ihm den Atem. Teddy und Colleen wurden von einem etwa fünfzig Jahre alten Mann beiseitegezogen, den Michael nicht erkannte, also blieb er einen Moment an der Balustrade stehen, um den Anblick auf sich wirken zu lassen.

Das Lachen seiner Frau riss ihn aus seiner Träumerei und als er sich umdrehte, stellte er fest, dass sie immer noch mit den Berghs sprach. Inzwischen hatten sich ihnen weitere Personen angeschlossen, einschließlich eines stämmigen Mannes mit dicker Nase und ergrauenden Locken und eines dünnen Iren mit schütterem weißem Haar. Michael kannte den ersten Mann nicht, der einen Sombrero und einen Poncho trug, aber der ältere Bursche war Stadtrat Bob Ryan. Er trug eine verblichene Jeans, alte Stiefel, eine lange Jacke und einen Hut, der seine erstaunlich blauen Augen verdunkelte. An seiner Hüfte konnte Michael zwei sich überkreuzende Waffengürtel aus Leder sehen. Bisher hatte Michael auf diesem Ball niemanden entdeckt, der in seinem Kostüm authentischer wirkte.

»Anwälte sind nicht mehr als ein Sprachrohr«, verkündete Jillian, als sich Michael dem Kreis anschloss, der sich um sie herum gebildet hatte. Ihre Zuhörer lachten mit ihr und sie bedachte sie mit einem sarkastischen Grinsen. »Das ist genau wie bei der modernen Medizin. Die Krankenschwestern machen die ganze Arbeit. Die Ärzte sahnen den Ruhm ab. In einer Kanzlei machen die Rechtsanwaltsfachangestellten alles und die Anwälte tauchen nur kurz vor Gericht auf und unterschreiben den Papierkram.«

Der Mexikaner kniff die Augen zusammen. Ein Anwalt. So viel war offensichtlich. »Ich kenne nicht viele Anwaltsgehilfen, die einem Richter Fälle vortragen.« Jillian winkte ab. »Ach bitte, Benny. Das ist doch nur Show. Ich rede von der eigentlichen Arbeit. Sicher, wir stehen nicht im Rampenlicht, aber wir haben die Choreografie festgelegt, mein Lieber. Wir haben die Musik und den Text geschrieben. Aber wie auch immer, das ist nicht mein Bereich. Ich mache Wirtschaftsrecht. Da gibt es genauso viele Kriminelle, aber sie sitzen hinter Schreibtischen statt hinter Gittern.«

Noch während sie sprach, bemerkte sie Michael und ihre Augen leuchteten auf. »Hallo, mein hübscher Musketier.«

Michael verbeugte sich. »Mademoiselle.«

»Ah, D’Artagnan«, sagte Bob Ryan und tippte sich an den Hut. »Señor Bartolini und ich wollten Ihre bezaubernde Frau gerade davon überzeugen, dass sie nächsten Herbst eine wunderbare Kandidatin für den Stadtrat abgeben würde.«

Michael hob eine Augenbraue und sah zu Jillian. In ihren Augen lag ein Funkeln, das er sofort erkannte. Sie hatte sich einst in den Kopf gesetzt, Jura studieren zu wollen, aber nachdem sie Rechtsanwaltsfachangestellte geworden war und mitbekommen hatte, wie viel Stress und Überstunden Anwälte im ersten Jahr erwarteten, war ihr klar geworden, dass sie für diesen Beruf einfach nicht masochistisch genug war. Dennoch genoss sie es, alles über die Vorgänge zu erfahren, und mochte ihre Arbeit in der Kanzlei. Rechtsanwaltsfachangestellte zu werden war ein Kompromiss gewesen, aber einer, mit dem sie leben konnte.

Jillian war in sehr kurzer Zeit an die Spitze der Anwaltsszene Bostons geklettert. Sie pendelte jeden Tag in die Stadt und kam fast jeden Abend spät nach Hause. Sie war leitende Rechtsanwaltsfachangestellte bei Dawes, Gray & Winter, der größten und mächtigsten Kanzlei in Boston. Und auch wenn sie nicht oft darüber sprach, wusste Michael, dass sie auf die Büroleitung aus war.

Dieses Funkeln in ihren Augen war ihr stiller Ehrgeiz.

»Du bist jetzt also Politikerin?«

»Nö«, erwiderte sie. »Aber ich bin eine Frau des Volkes.«

Sie streckte die Hand nach ihm aus und Michael ergriff sie. Ihr Gang war temperamentvoll, als sie den Kreis der Zuhörer durchbrach und auf ihn zukam, doch er wusste, dass das vom Alkohol kam. Wenn sie eine Trinkerin gewesen wäre, hätte es ihn beunruhigt. Doch stattdessen hatte ihr Schwips etwas Süßes, sogar Unschuldiges an sich. Jillian schlang ihre Arme um ihn und küsste sanft seine Schläfe, dann löste sie sich langsam von ihm und stellte sich an seine Seite.

»Tja, Süße«, sagte Michael mit Blick auf seine Frau, »meine Stimme ist dir sicher.«

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Um Mitternacht war der Maskenball immer noch in vollem Gange. Michael und Jillian hatten stundenlang getanzt und waren durch den Ballsaal gewirbelt. Die Politos hatten sich ihnen angeschlossen, aber die Danskys waren jünger und in besserer Verfassung und schon bald mussten Teddy und Colleen eine Pause einlegen und verbrachten einen Großteil des Abends mit anderen Freunden.

Das Tanzen forderte seinen Tribut. Michaels Füße taten in seinen D’Artagnan-Stiefeln weh und seine Stirn, seine Brust und sein Nacken waren schweißbedeckt. Und doch kam es ihm mit seiner Frau in den Armen so vor, als seien sie beide Marionetten, dass der gleiche Zauber, der sie in die Vergangenheit versetzt hatte, sie mit einer Art kindlicher Freude erfüllte, die es ihnen unmöglich machte nicht zu tanzen.

Es gelang ihnen sich ab und an auszuruhen, zumindest lange genug, um sich ein wenig mit anderen zu unterhalten und sich gegenseitig alberne Dinge zuzuflüstern. Beim Tanzen verbrannten sie beide etwas vom Alkohol, also machte sich Michael keine Sorgen wegen der zusätzlichen Drinks, die Freunde ihnen ausgaben. Es wäre unhöflich sie abzulehnen.

Doch schließlich stieg Jillian der Alkohol zu Kopf.

»Zeit, nach Hause zu gehen«, flüsterte Michael ihr ins Ohr.

Sie verzog das Gesicht. »Aber Liebling, es ist noch zu früh. Niemand sonst geht schon.« Sie musste kurz stehen bleiben, um das zu sagen, und als sie es tat, schwankte sie gegen ihn. Sie runzelte die Stirn und sah auf ihre Füße hinab, als hätten diese sie verraten. Dann lachte sie sanft und hob ihren Blick wieder.

»Andererseits …«

Jillian hakte sich bei Michael unter und sie gingen zum Ausgang. Auf dem Weg verabschiedeten sie sich von Freunden und Bekannten. Jillians Blick war verschleiert und jetzt, wo sie nicht mehr tanzte, konnte Michael sehen, wie betrunken sie war. Als sie zu Ned Bergh »Bis dann« sagte, lallte sie. Es war das erste Mal, seit er sie kannte, und Michael schwor sich, es ihr gegenüber niemals zu erwähnen. Er wusste, dass es ihr peinlich sein würde.

Am unteren Absatz einer der Treppen sah er den Revolverhelden Bob Ryan wieder, doch er mied seinen Blick und manövrierte Jillian schneller zum Ausgang. Vielleicht würde es Ryan davon abhalten, Jillian als Kandidatin zu unterstützen, wenn er sie für eine Trinkerin hielt.

Mit jedem Schritt stützte sie sich mehr auf ihn und als sie endlich am Ausgang waren, hielt er sie praktisch aufrecht. Eine kalte Brise wehte ihnen ins Gesicht, als sie in den schwachen Lichtkegel der Lampe über der Tür traten. Er reichte nicht ganz bis zum Parkplatz, doch der Mond strahlte hell und wurde von Chrom und Glas reflektiert.

Michael hielt inne und blinzelte ein paarmal. In der eiskalten Luft streckte er sich. Seine Wangen brannten. Es war Ende Oktober, aber heute Abend fühlte es sich wie Dezember an. Sein Atem gefror.

»Michael«, begann Jillian.

Das Lächeln war aus ihrem Gesicht verschwunden, ersetzt von Scham.

»Pst«, flüsterte er. »Wir bringen dich jetzt nach Hause ins Bett.«

Sie zog eine Augenbraue hoch. »Das ist deine Antwort auf alles.«

Er musste lachen. »Was ist falsch daran?«

»Gar nichts.«

Während sie das sagte, verlor ihr Blick seinen Fokus und ihre Lider flatterten. Er befürchtete, dass sie jeden Moment das Bewusstsein verlieren könnte.

Michael musste sich erst einmal orientieren. Ihr waldgrüner Volvo stand ganz links auf dem Parkplatz. Er nahm sich einen Moment, um Jillian besser zu stützen, schlang ihren Arm um seinen Hals und half ihr dann über den Parkplatz zu taumeln. Wenn sie irgendwo anders gewesen wären, hätte er sie einfach auf den Arm genommen, so wie er sie in ihrer Hochzeitsnacht über die Schwelle ihres Zimmers getragen hatte. Aber sie kannten hier so viele Leute und Jillian würde nicht wollen, dass jemand Zeuge eines solchen Spektakels wurde.

Am Auto angekommen war er gezwungen, Jillian gegen die Tür zu lehnen, während er in der Tasche seines Kostüms nach dem Schlüssel suchte. Sie hing unsicher am kalten Metall und das Marionettenbild von vorhin kam ihm wieder in den Sinn. Doch dieses Mal war es eine Marionette mit durchtrennten Fäden. Ein leises Summen lag auf ihren Lippen, aber er konnte sich keinen Reim darauf machen.

»Schatz, du bist komplett durch«, sagte er mit einem sanften Lächeln.

Während er mit einer Hand seine Frau in Position hielt, drückte er auf den Knopf des Autoschlüssels und die Türen wurden entriegelt. Es war ein wenig mühselig, doch es gelang ihm, sie auf den Rücksitz zu befördern und hinzulegen. Ihre Augenlider flatterten kurz und langsam streckte sie ihm eine Hand entgegen.

»… liebe dich so sehr«, murmelte sie.

»Ich dich auch«, sagte Michael und sah zu, wie ihr die Augen zufielen. Sie wirkte in diesem Moment so unschuldig und er stellte sich vor, wie sie als kleines Mädchen gewesen sein musste. Damals allerdings natürlich nicht betrunken, dachte er und musste schmunzeln.

Er hatte fest vor, sie am nächsten Tag gnadenlos zu necken.

Er klappte die hintere Tür zu und setzte sich dann auf den Fahrersitz. Sobald er saß, spürte er ein Kribbeln im Gesicht, ein leichter Bierschwips, der durch seinen Kreislauf zirkulierte. Er startete den Volvo und der Motor schnurrte leise auf. Er spürte die sanfte Vibration unter sich, als er sein Fenster öffnete und die kalte Nachtluft hineinließ. Ein paar Sekunden lang zog er Bilanz über seinen Zustand. Abgesehen von diesem kleinen Schwips fühlte er sich eher erschöpft als betrunken.

Er legte beide Hände ans Steuer, atmete tief ein und ließ die kalte Luft erneut über sein Gesicht strömen. »Das wird schon«, sagte er laut. Seine Stimme klang im Inneren des Wagens seltsam und seine Hände wurden von der Anzeige unheimlich beleuchtet. »Das wird schon.«

Michael ließ das Fenster auf, während er vom Parkplatz herunterfuhr. Er warf einen Blick über seine Schulter, eine Hand am Steuer, um nach Jillian zu sehen. Wein und Erschöpfung hatten sie in einen tiefen Schlaf versetzt und sie schnarchte leise. Ab und an murmelte sie etwas. Er lächelte und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße.

Ein Teil des Charmes des Wayside Inn bestand darin, dass es an der Old Route 12 lag, die sich durch ein halbes Dutzend Städte im Merrimack Valley schlängelte, auf der aber nie viel Verkehr war. Seit der Einweihung der Old Route 12 vor vielen Jahrzehnten hatten andere große Highways sich in die Region erstreckt. Drei verschiedene Interstates verliefen kreuz und quer durch den nördlichen Teil von Massachusetts und jeder, der es eilig hatte, tat gut daran, sie zu benutzen. Dadurch blieb der Old Route 12 nur Lokalverkehr. Und um diese Uhrzeit war sie absolut verlassen.

Die Straßenlaternen lagen weit auseinander, aber sie glitten in ihrem ganz eigenen Rhythmus über ihn hinweg, ließen ihr Licht auf die Windschutzscheibe fallen und beleuchteten das Innere des Wagens. Von Telefonmasten hingen schwarze Kabel und an einigen Stellen kreuzten sie auch hoch über ihm die Straße. Ein Großteil der Old Route 12 war von Bäumen gesäumt und auch wenn gelegentlich ein Einkaufszentrum, eine Tankstelle oder ein Restaurant auftauchte, lagen an dieser Straße hauptsächlich Wohnhäuser. Einige waren noch recht neu – Ende des vergangenen oder Anfang dieses Jahrhunderts erbaut –, aber die Mehrheit war viel älter. Schon oft hatte Michael die Gebäude im georgianischen, viktorianischen und Kolonialstil bewundert.

Die Fenster waren alle dunkel, aber an einigen Häusern waren die Lampen über den Haustüren eingeschaltet. Auf den Stufen standen ausgehöhlte Kürbisse und an Laternenmasten waren Vogelscheuchen gebunden. In einer Seitenstraße sah er eine Villa, deren kompletter Vorgarten in eine Halloweenszene verwandelt worden war, mit orangen Lichtern, riesigen Kürbissen und einem Sensenmann. Es war, als hätten die Besitzer Halloween mit Weihnachten verwechselt.

Die Reifen surrten über die Straße und trotz des Oktoberwinds in seinem Gesicht begann Michael sich schläfrig zu fühlen. Das Vorbeiziehen der Straßenlampen lullte ihn ein. Er blinzelte ein paarmal und als ihm zum ersten Mal der Kopf auf die Brust sank, setzte er sich aufrechter hin.

»Scheiße«, flüsterte er.

Er schlug sich ein paarmal ins Gesicht, gerade fest genug, dass es auf seinen eiskalten Wangen brannte, und riss seine Augen so weit wie möglich auf. Zeit für Musik. Etwas Lebhaftes.

Vor ihm lag eine lange Kurve, also wartete er, bis er sie durchfahren hatte, bevor er einen erneuten kurzen Blick auf die Rückbank warf. Jillian schlief tief und fest. Er bezweifelte, dass das Radio sie aufwecken würde. Aber selbst wenn, besser so, als wenn sie im Graben erwachte … oder Schlimmeres. Michael schaltete das Radio ein und wechselte schnell zum Sender Kiss 108. Er hasste die gesamte Hip-Hop-Szene, aber er wusste, dass die Musik ihn wachhalten würde. Der hämmernde Bass, den er so oft aus anderen Autos hatte dringen hören, während sie an ihm vorbeigefahren waren oder neben ihm an der Ampel gewartet hatten, drang aus den Lautsprechern und er drehte die Musik sogar noch lauter, wenn auch mit angewidertem Gesicht.

Tief in seinem Schädel breitete sich ein dumpfer Schmerz aus. Er war nicht sicher, ob das Guinness, die Musik oder die kalte Luft der Grund dafür war. Wahrscheinlich eine Kombination aus allem, dachte er. Er wurde sich eines bitteren Geschmacks im Mund bewusst und fuhr mit seiner Zunge über seine Zähne. Er liebte Guinness, aber wie jedes andere Bier hinterließ es einen Film im Mund. Michael wollte etwas anderes trinken. Er versuchte sich zu erinnern, ob es auf der Old Route 12 einen Dunkin’ Donuts gab. Wenn der immer noch geöffnet hatte, könnte er sich einen Kaffee holen. Den einen bitteren Nachgeschmack durch einen anderen ersetzen.

Die Straße summte. Der Motor schnurrte. Seine Lider begannen trotz der Musik wieder schwer zu werden. Seine Wangen fühlten sich taub an und auch wenn er glauben wollte, dass es an der kühlen Oktoberluft lag, wusste er es besser. Hauptsächlich, weil seine Füße ebenfalls taub waren, obwohl es unten im Fußraum nicht so kalt war.

Nein, es war das Guinness, das zu wirken begann.

Vielleicht hatte er doch mehr getrunken, als ihm bewusst gewesen war.

Die Musik dröhnte in seinen Ohren und der Kopfschmerz begann zu pulsieren. Eine Straßenlampe raste an der Windschutzscheibe vorbei und er musste blinzeln. Das Surren der Reifen auf der Straße war wie weißes Rauschen. Sein Verstand wanderte zurück zu der Zeit, als er acht Jahre alt gewesen war und mit seiner Familie eine Busreise nach Florida gemacht hatte. Mitten in der Nacht waren sie durch Lafayette gefahren.

Sein Kopf sackte nach vorn und die Bewegung riss ihn aus dem Sekundenschlaf. Michael hob ruckartig den Kopf und sein Herz hämmerte in Panik. Die Straße wand sich nach rechts … aber der Volvo fuhr geradeaus, überquerte die Gegenfahrbahn und raste auf zwei Telefonmasten zu – ein älterer und ein neuerer, der diesen stabilisieren sollte.

Sein Mund schmeckte nach Alufolie. Galle stieg in seiner Kehle auf. Sein Gesicht war nicht mehr taub, sondern glühte.

Mit steifen Armen presste er sich in seinen Sitz und riss das Steuer mit aller Kraft nach rechts.

In diesem Moment fiel die Straßenlampe über ihm aus und hüllte die Kurve in Dunkelheit.

Es war niemand sonst auf der Straße.

Seine Reifen quietschten auf dem Asphalt.

Ein Freudenausbruch, wie er ihn noch nie zuvor verspürt hatte, machte sich in ihm breit, als ihm klar wurde, dass er es schaffen würde, dass er das Auto wieder auf Spur gebracht hatte. Dann erreichte er die letzten Meter der Kurve, zu weit auf dem Seitenstreifen, und sah das kleine Mädchen am Straßenrand.

Es war blond. Ein winziges Ding, gefangen im grellen Licht seiner Scheinwerfer, die goldenen Haare schimmernd, als wäre es ein Engel. Bluejeans. Eine gerüschte Bauernbluse. Und doch waren es ihre Augen, die am bemerkenswertesten waren. Sie sah Michael durch die Windschutzscheibe hindurch an, starrte vollkommen furchtlos ins Scheinwerferlicht. Sie wirkte, als sei sie gerade erst aus einem tiefen Schlummer erwacht.

»Verdammte Scheiße!«, schrie Michael.

Seine Hände rissen das Lenkrad nach links.

Der Volvo verfehlte sie so knapp, dass er aus dem Beifahrerfenster sehen konnte, wie der Luftzug an ihr zerrte. Im Schein des Armaturenbretts fluchte er immer wieder, während er auf die Bremse trat. Die Reifen rutschten leicht über den Straßenbelang, doch dann griff das Antiblockiersystem und der Wagen rollte kurz aus, bevor er stehen blieb.

»Oh mein Gott«, flüsterte er und versuchte verzweifelt seinen Herzschlag und seine Atmung zu verlangsamen. Er spitzte die Lippen und atmete tief aus.

Ich bin ihr ausgewichen, dachte er. Ich bin ihr ausgewichen.

Die Nachtluft strömte herein und umschmeichelte sein Gesicht. Das half ihm wieder zu Atem zu kommen. Sein Herz hämmerte immer noch in seiner Brust, aber es beruhigte sich langsam. Aus dem Radio drang ein weiterer Rapsong und plötzlich fühlte er sich von all dem überwältigt. Er schlug auf den Radioknopf und mit einem Mal war es still im Auto, abgesehen von seinem eigenen Atem und dem Schnurren des Motors.

Sein Blick fiel auf die Uhr des Armaturenbretts, ein grün-weißes Leuchten, das 0:21 zeigte. Warum zum Teufel wanderte ein kleines Mädchen ohne Jacke nachts um halb eins die Old Route 12 entlang? Während er auf die Uhr starrte, gab es einen Moment – nur einen kurzen Moment –, in dem er davon überzeugt war, dass das Mädchen verschwunden sein würde, wenn er aufblickte. Oder dass es vielleicht nie dagewesen war.

Den Fuß immer noch auf der Bremse warf er einen Blick über seine Schulter, und da war sie, nur ein paar Meter hinter dem Auto, in das dunkelrote Leuchten seiner Bremslichter getaucht. Abgase wirbelten aus dem Auspuff und sie schien in einem blutroten Nebel verloren zu sein. Ihr Gesichtsausdruck hatte sich nicht verändert.

Michael stockte der Atem und wieder schauderte es ihn, aber dieses Mal war weder der Alkohol noch die kalte Nachtluft die Ursache. Es war der abwesende, verlorene Ausdruck in ihren Augen.

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2

Schock, dachte Michel. Sie steht unter Schock.

Bei dieser Erkenntnis stieß er erleichtert den Atem aus. Er saß immer noch auf seinem Sitz und hatte den Kopf so weit nach hinten verdreht, wie es möglich war, ohne den Fuß von der Bremse zu nehmen. Die Bremsleuchten warfen das Mädchen in ein unheimliches Licht und die Abgase, die um sie herumwirbelten, verstärkten diesen Effekt noch. Aber jetzt, wo Michael ihr Gesicht genauer betrachtete, war er davon überzeugt, dass sie unter Schock stehen musste.

Warum sollte sie auch nicht? Ich hätte sie fast überfahren.

Das blonde Mädchen war vielleicht sieben, auf keinen Fall älter als acht. Ihr Gesicht war ausdruckslos, die Augen weit aufgerissen, aber es stand keine Überraschung in ihnen, nur eine absolute Leere.

Das arme Ding.

Michael sah zu Jillian. Sie hatte auf dem Rücksitz auf der Seite gelegen, doch die Vollbremsung hatte sie leicht nach vorn geschleudert, sodass ihr linker Arm nun auf die Fußmatte hing und ihre Knie über den Sitz hinausragten. Sie murmelte, wachte aber nicht auf.

Wieder hob er seinen Blick. Das Mädchen stand immer noch da, unbeweglich und verloren.

Michael drehte sich nach vorn, stellte den Motor ab, zog den Schlüssel ab und öffnete seine Tür.

»Bist du in Ordnung, Süße?«, fragt er so sanft, wie er konnte.

Das Mädchen bewegte sich nicht, als er auf sie zukam. Ohne die Bremsleuchten war sie nicht mehr in dieses rote Licht gehüllt. Nur der Mond erhellte jetzt noch die Straße – die nächste Laterne war zu weit entfernt – und in diesem Licht wirkten die Züge des Mädchens verschwommen und blass. Michael ging ganz langsam auf sie zu, um sie nicht noch mehr zu verängstigen.

»Hallo. Wie heißt du?«

Sie schien immer noch wie erstarrt und blickte ins Leere. Michael ging vor ihr auf die Knie. Langsam berührte er ihren Arm und zog instinktiv die Finger zurück. Ihre Haut war kalt. Eiskalt. Was hatte er in einer so kühlen Nacht auch anderes erwartet? Schließlich trug das Mädchen nur eine Jeans und eine dünne Baumwollbluse. Plötzlich fragte er sich, was passiert war, dass sie hier so allein herumlief. Hatten ihre Eltern Angst um sie oder handelte es sich um die Art grausamer Menschen, von denen er gelegentlich in der Zeitung las?

»Süße? Ich heiße Michael. Kannst du mir deinen Namen sagen?«

Keine Antwort.

»Hast du dich verlaufen?«

Sie blinzelte, stieß ein kaum hörbares Keuchen aus und richtete endlich ihren Blick auf ihn. Ihr Gesicht war engelsgleich, aber es versetzte ihm einen Stich ins Herz, als sie an ihrer Unterlippe zu kauen begann. Dann verzog sie einen kurzen Moment die Lippen zu einem Schmollen.

»Die Lichter waren hell«, sagte sie. Ihre leise Stimme war von jener Wichtigkeit erfüllt, die die Äußerungen von Kindern oft begleitete.

»Ja. Ich weiß. Mein Auto. Ich hätte dich fast erwischt, Süße, aber es ist alles gut gegangen. Ja? Du bist in Ordnung. Also … hast du dich verirrt? Stimmt das?« Inzwischen vermutete er, dass sie einem Eichhörnchen, Vogel oder sonst etwas gefolgt war und dabei die Orientierung verloren haben musste. So etwas konnte hier im Wald leicht passieren.

Halloween. Wie aus heiterem Himmel kam ihm dieser Gedanke in den Kopf. Der Tag selbst war zwar erst nächste Woche, doch in den meisten umliegenden Städten durften die Kinder schon am Samstag davor Süßigkeiten sammeln, um es für berufstätige Eltern leichter zu machen. Sie war bestimmt wegen Halloween unterwegs gewesen, war von Haustür zu Haustür gegangen und irgendwie …

Michael starrte auf die steifen Ärmel seines D’Artagnan-Hemds. Der Hut lag im Auto auf dem Beifahrersitz – oder jetzt wahrscheinlich im Fußraum, er hatte nicht darauf geachtet –, doch das Hemd war genug, um seine Theorie zunichte zu machen. Das Mädchen hatte keine Süßigkeiten gesammelt, nicht ohne Kostüm.

»Mir ist so kalt«, sagte sie mit etwas kräftigerer Stimme.

»Hast du dich verlaufen?«, fragte er erneut. »Weißt du, wo du wohnst?«

Die Frage schien sie zu überraschen und sie blinzelte ein paarmal. Dann sah sie ihn wieder an und schüttelte langsam den Kopf.

»Weißt du deine Telefonnummer?«

Noch ein Kopfschütteln.

Hundert Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er konnte ihre Eltern nicht anrufen, um ihre Adresse herauszufinden. Der nächste logische Schritt wäre, sie ins Auto zu setzen und zur nächsten Polizeistation zu fahren. Aber Michael spürte immer noch den Alkohol in seinen Wangen und sein beeinträchtigtes Gleichgewicht, sogar während er kniete. Wie zum Teufel sollte er den Polizisten weismachen, er hätte nur dieses verloren gegangene Mädchen zu ihnen gebracht, wenn sie mit Sicherheit bemerken würden, dass er getrunken hatte?

Ich könnte ja einfach nur anrufen. Melden, dass sie hier ist. Wo sie zu finden ist.

Aber sofort verwarf Michael diese Option wieder. Es gab keinen bestimmten Ehrenkodex, nach dem er lebte – so wichtig nahm er sich selbst nicht –, aber er wusste ohne jeden Zweifel, dass er nicht die Art Mann war, die ein zitterndes kleines Mädchen am Straßenrand zurückließ, um seine eigene Haut zu retten. Ihr könnte alles Mögliche zustoßen. Vielleicht irrte sie einfach weiter.

Er ließ kurz den Kopf hängen und als er wieder zu ihr aufsah, lag etwas Flehendes in ihren Augen, als ob sie ihn etwas fragen wollte, doch die Worte nicht aussprechen konnte. Sie hatte ihre Arme um sich geschlungen und zitterte vor Kälte. Auch wenn sie nicht mehr ganz so erschüttert wie am Anfang wirkte, kam sie ihm immer noch ein bisschen geistesabwesend und desorientiert vor. Ihm war klar, dass sie von einem Arzt untersucht werden musste.

Seit den frühen Tagen ihrer Beziehung hatte er bei jeder wichtigen Entscheidung Jillian um Rat gefragt. Doch die lag schlafend auf dem Rücksitz des Wagens. Von ihr konnte er gerade kein Lächeln erwarten, keine funkelnden Augen, keine Weisheit.

Während Michael aufstand, legte er einen Arm um das Mädchen. »Es kommt schon wieder alles in Ordnung«, versprach er. »Ich bringe dich jetzt nach Hause. Dorthin zurück, wo du hingehörst.«

Er würde sie zur Polizei bringen. Ihm kam der Gedanke, dass es auf katastrophale Weise falsch ausgelegt werden könnte, wenn er mit einem vermissten Mädchen in seinem Auto dort auftauchte, doch Michael machte sich keine Sorgen. Er war bis gerade eben noch auf der Party gewesen. Niemand würde ihm unterstellen können, etwas anderes getan zu haben, als dem Mädchen zu helfen. Er hoffte, die Polizei würde das berücksichtigen, wenn sie Guinness in seinem Atem rochen.

Hör auf darüber nachzudenken. Tu einfach das Richtige.

»Hier. Hüpf rein und ich drehe die Heizung auf. Das wird dich wieder aufwärmen.«

Michael ließ das Mädchen auf den Beifahrersitz klettern. Sein D’Artagnan-Hut lag tatsächlich auf dem Boden, doch bevor er ihn aufheben konnte, stellte sie ihren Fuß darauf und zertrat ihn. Er sagte nichts, doch zum ersten Mal, seit er am Steuer eingenickt war, musste er lächeln. Während er die Tür schloss, schaute er noch einmal auf den Rücksitz zu Jillian und wünschte sich, sie wäre wach.

Er schüttelte den Kopf über die seltsame Wendung, die dieser Abend genommen hatte, öffnete die hintere Tür und manövrierte Jillian zurück in eine bequemere Position. Sie war wahrscheinlich zu betrunken, um sich von irgendetwas stören zu lassen, selbst wenn sie bei der Vollbremsung vom Sitz gerutscht und im Fußraum gelandet wäre, aber es gefiel ihm nicht, sie so verdreht wie eine Stoffpuppe daliegen zu sehen. Sein Schlüsselbund klirrte, als er wieder ins Auto stieg und den Motor anstellte.

Die Scheinwerfer sprangen an und warfen ein gelbliches Licht in den Wald vor ihnen. Das kleine Mädchen hatte sich nicht angeschnallt. Er hatte sie wiederholt darum gebeten, aber sie schwieg wieder. Besorgt presste er die Lippen zusammen, dann beugte er sich zur Seite und schnallte sie an. Der diagonale Gurt war zu hoch und lag an ihrem Hals, also steckte er ihn hinter sie, weil er sich gar nicht vorstellen wollte, was passieren würde, sollte es einen Unfall geben und der Gurt sich straff ziehen.

Michael verließ um eine Minute vor halb eins den Seitenstreifen.

Er fuhr vorsichtig, weder zu schnell noch zu langsam. Das Adrenalin, das durch seine Adern schoss, vertrieb momentan jegliche Müdigkeit, doch sie war ihm noch in frischer Erinnerung und er fürchtete ihre Rückkehr.

Die Old Route 12 folgte einem natürlichen Pfad durchs Tal und mäanderte hin und her. Ein paarmal schien sie sogar wieder zurückzuführen.

Während der Fahrt warf er einen gelegentlichen Blick zu dem Mädchen. Das Licht der jetzt noch weiter auseinanderliegenden Straßenlampen huschte vorbei. Zweimal kam ihm ein Auto entgegen, doch ansonsten war die Straße verlassen. Das Radio war ausgeschaltet und die Stille im Wagen wurde nur vom leisen Dröhnen des Motors und Jillians leichtem Schnarchen durchbrochen. Das Mädchen war wie erstarrt. Ihr Gesicht wirkte leblos und sie starrte wieder ins Leere, so wie vorhin, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Sie sah ihn nicht an und schien sich auch nicht zu fragen, wer da auf dem Rücksitz schlief.

Er war immer noch durcheinander. Daran gab es nichts zu rütteln. Michael hatte noch den metallischen Geschmack im Mund und er fühlte sich wie betäubt. Nun, wo der Adrenalinschub langsam nachließ, fühlte er sich sogar noch unsicherer als zuvor. Er musste seine Arme steif halten, um den Wagen in der Spur zu halten, und dennoch musste er immer wieder nachkorrigieren. Jetzt begann der Alkohol richtig zu wirken. Es war nicht nur ein angenehmer Schwips.

»Scooter«, sagte das Mädchen leise.

Michael zuckte zusammen.

»Was?«, fragte er und warf ihr einen Blick zu.

Ihr Gesichtsausdruck hatte sich nicht verändert. Wenn überhaupt, wirkte sie verträumt. Betäubt.

Der Gedanke ließ ihn die Stirn runzeln. War das möglich? Natürlich war es das. Alles war möglich.

»Scooter«, erklärte sie. »Du hast gefragt, wie ich heiße. Scooter. So nennt mich meine Mami.«

Scooter, dachte er. Was soll denn das für ein Name sein?

Er schaute zu ihr. Sie setzte sich ein bisschen gerader auf und kniff die Augen interessiert zusammen, dann wirkte ihr Blick plötzlich traurig. Sie hob eine ihrer winzigen Hände und deutete durch die Windschutzscheibe.

»Da vorn«, sagte sie. »Da abbiegen.«

Vor ihnen entdeckte Michael eine winzige Seitenstraße, die teilweise von Bäumen verdeckt wurde, bis er sie fast erreicht hatte. Er wurde langsamer.

»Erkennst du diese Straße?«

Sie nickte.

Die Erleichterung breitete sich so schnell in ihm aus, dass seine Haut kribbelte. Das Mädchen war nicht mehr verloren. Er konnte sie nach Hause bringen. Er würde sie nicht zur Polizeistation bringen müssen, was ihm Ärger eingebracht hätte.

»Fantastisch«, sagte er und als sie die Straße erreichten, bog er ein bisschen zu schnell ab. Sie beide wurden nach links geworfen, aber dann fuhren sie durch einen noch viel dichteren Wald, die gelegentlichen Häuser lagen hinter Bäumen verborgen.

»Schau dich gut um. Sag mir, wo ich abbiegen muss«, bat er sie.

Das Mädchen hatte die Hände im Schoß gefaltet, als wäre sie in der Kirche. Sie umklammerte den Saum ihrer Bauernbluse und studierte die Straße vor ihnen. Und doch war da etwas an ihrer plötzlichen Aufmerksamkeit, das Michael immer wieder zu ihr blicken ließ.

Sie atmete nicht schnell, aber ein wenig abgehackt und während sich ihre Brust hob und senkte, meinte er, ihr Herz wie das eines verängstigten Vögelchens schlagen hören zu können. Auch wenn ihr Blick hauptsächlich auf die Straße vor ihnen gerichtet war, schaute sie doch immer wieder in den dunklen Wald um sie herum, als würde sie zwischen den Bäumen ein Raubtier vermuten.

»Da vorn. Da abbiegen«, sagte sie mit einem weiteren nervösen Blick in die Dunkelheit zwischen zwei Häusern.

Als wäre ihre Nervosität ansteckend, hatte auch Michael damit begonnen, die Bäume zur rechten Seite des Wagens abzusuchen. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, was sie gesagt hatte. Als er es tat, erhaschte er im Licht seiner Scheinwerfer einen kurzen Blick auf ein grünes Straßenschild. Auf die Schnelle konnte er den Namen nicht lesen, aber er bog nach links ab. Währenddessen warf sie einen Blick über ihre Schulter. Michael sah in den Rückspiegel.

»Wonach schaust du dich um?«, fragte er sie und war ein wenig über das Zittern in seiner Stimme überrascht.

»Ich mag die Dunkelheit nicht.«

Er machte sich nicht die Mühe, sie darauf hinzuweisen, dass er sie bei Nacht auf einer verlassenen Straße gefunden hatte, die bis auf das Mondlicht vollkommen unbeleuchtet gewesen war.

Sie fuhren eine Weile, meistens schweigend, nur gelegentlich sagte ihm das Mädchen, dass er abbiegen sollte. Eine Straße war sehr vorstädtisch, gesäumt von Laternen, Autos in Einfahrten und Halloweendekorationen an fast jedem Hauseingang. Eine andere führte fast ausschließlich durch ein Waldgebiet. Ein paarmal schaute Michael zu Jillian auf der Rückbank, doch sie schnarchte friedlich. Obwohl seine Gedanken vom Guinness gedämpft waren, begannen sie zu wandern oder zumindest beschwipst zu torkeln. Das Mädchen hatte vor etwas Angst. Zuerst hatte sie sich verirrt. Dann doch nicht. Sie hatte eine Straße erkannt, doch nun folgten sie einem Zickzackkurs durch das Tal, sodass er sich nicht einmal mehr sicher war, ob sie sich noch in der gleichen Stadt befanden.

Einige Male döste er wieder ein und musste am Steuer reißen, um nicht auf dem Schotterstreifen zu landen. Sie befanden sich inzwischen auf einem breiten, mäandernden Weg, der einen Hügel hinaufführte. Hinter den Bäumen verbargen sich Bungalows und er erhaschte einen kurzen Blick auf ein Nurdachhaus, was er immer für die seltsamste architektonische Wahl gehalten hatte. Sein Gesicht fühlte sich angenehm warm an und seine Hände waren genauso seltsam taub wie seine Füße. Er war müde und die Kombination aus Alkoholrausch und der warmen Luft, die aus den Heizungsschlitzen des Wagens strömte, ließ ihn immer müder werden.

Schließlich machte Michael sein Fenster halb auf. Die Oktoberluft strömte herein und er genoss, wie sie sich in seiner Lunge anfühlte. Frische, knackige Herbstluft, die bereits ziemlich nach Winter roch. Er blinzelte, setzte sich auf und warf einen Blick zu dem Mädchen.

Sie reagierte nicht, sondern suchte weiter die Straße vor ihnen ab. Was auch immer sie zuvor an den Bäumen nervös gemacht hatte, schien sie jetzt nicht mehr zu stören.

»Wenn dir kalt ist, kann ich es wieder zumachen.«

Als hätte sie ihn gar nicht gehört, hob sie eine Hand und deutete durch die Windschutzscheibe. »Da vorn. Da gehöre ich hin.«

Wird auch langsam Zeit, dachte Michael. Aber als er nach vorn sah, runzelte er die Stirn und trat, ohne es wirklich zu merken, auf die Bremse, um den Aufstieg seines Volvos den Hügel hinauf zu verlangsamen. Das Haus lag am Ende der Straße an einem Wendehammer und ragte auf, als würde es über den Hügel wachen. Es handelte sich um ein riesiges, ausgedehntes Gebäude mit dunklen Fenstern. Das Grundstück war nicht eingezäunt. Früher hätte man es wohl als Herrenhaus bezeichnet, aber Michael fand, dass ein Ort nicht allein durch seine Größe dieses Wort verdiente. Sein Zustand musste ebenfalls berücksichtigt werden. Michael wusste nicht viel über Architektur, aber dennoch hatte er den Eindruck, als bestünde das Haus aus einer seltsamen Kombination von Stilen. An der Front wurde das Giebeldach von einem Turm durchbrochen und die Veranda wirkte vollkommen fehl am Platz. Sie erstreckte sich nur um eine Seite der Fassade, aber nicht um die andere. Im Mondlicht konnte Michael erkennen, dass einige Rollläden schief hingen, auf dem Dach Schindeln fehlten und mindestens ein Fenster zerbrochen war. Das Gebäude fiel einfach auseinander.

Und doch war jemand daheim. In einem Fenster im ersten Stock sowie im Turm brannte Licht.

Hier gehöre ich hin, hatte das Mädchen gesagt.

Michael schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. Vom Rücksitz hörte er Jillian leise im Schlaf murmeln. Sie wimmerte, als hätte sie einen Albtraum.

»Hör mal, bist du sicher …«, begann er und wandte sich zu dem Mädchen um.

Doch noch während er sprach, öffnete sie ihre Tür.

»Jetzt warte doch mal kurz«, sagte er schnell.

Sie hielt die Tür auf und sah ihn an. Ihr Gesicht war wieder ausdruckslos, ihr Blick leer, genauso, wie er sie zum ersten Mal gesehen hatte, als ihr Gesicht von seinen Bremsleuchten erhellt worden war.

»Komm und such mich«, flüsterte sie, ihre Stimme noch leiser als zuvor. Sie klang sogar jünger. Wie ein winziges Kind, das sich nicht traute, allein einzuschlafen, weil es sich vor den Monstern im Schrank fürchtete.

»Finde mich, wenn du kannst. Machst du das?«

Michael blinzelte verwirrt, während er versuchte den Sinn ihrer Worte zu verstehen. Dann nickte er. »Klar. Das mach ich. Aber hör mal, Süße, ich glaube nicht, dass du …«

Sie stieg aus und lief den Hügel hinauf auf das dunkle Chaos des Hauses zu. Ihre blonden Haare flatterten im Laufen hinter ihr her und strahlten im Mondlicht, auch wenn der Rest von ihr von der Nacht eingehüllt zu sein schien.

Im Volvo ertönte ein akustisches Signal, weil sie die Tür aufgelassen hatte. Michael fluchte und sah zum Rücksitz. Jillians Gesichtsausdruck war aufgewühlt, was seinen Eindruck verstärkte, dass seine Frau einen Albtraum hatte. Ohne den Motor abzustellen, stieg er aus und ging zur Beifahrertür. Das Innere des Volvos wurde dunkel, bis auf das Leuchten des Armaturenbretts.

Er beobachtete, wie das Mädchen den Eingang des Hauses erreichte. Sie ging die Stufen hinauf und war kurz darauf im Inneren verschwunden, als hätte das Gebäude sie verschluckt. Niemand war zur Tür gekommen, um sie zu begrüßen. Keine anderen Lichter waren angegangen. Bis auf diese zwei beleuchteten Fenster sah dieser Ort verlassen aus. Unbewohnt.

Michael trat einen Schritt auf das Haus zu.

Moment mal. Was zum Teufel machst du hier? Er blieb stehen und starrte hin und her gerissen das Haus an. Er schwankte und beugte ein wenig die Knie, um sich zu stabilisieren. Geh einfach. Steig wieder in deinen Wagen und fahr weg. Du hast gehört, was sie gesagt hat. Hier gehört sie hin.

Die Versuchung, einfach wegzufahren, war stark. Ihre Eltern mussten da sein. Wahrscheinlich schliefen sie. War sie schon alt genug, um zu begreifen, dass sie sich einfach wieder reinschleichen konnte, ohne dass sie überhaupt merken würden, dass sie weg gewesen war? War es möglich, dass sie die ganze Zeit geschlafen hatten? Aber das ergab keinen Sinn. Er hatte sie meilenweit entfernt von hier gefunden. Zu Fuß hätte ein kleines Mädchen lange gebraucht, um diese Entfernung zurückzulegen.

Und was willst du jetzt tun, Michael? Wie sieht dein Plan aus? Wenn das Gebäude verlassen ist, musst du es der Polizei melden. Und wenn nicht, sind ihre Eltern Freaks und darum war sie nervös, na ja, und du musst es trotzdem der Polizei melden. Das ist wie Quantenphysik, wie bei diesem österreichischen Physiker und seiner Katze. Solange du nicht da hineingehst, wirst du es nicht wissen, also sind beide Aussagen wahr.

Er ging um die Vorderseite seines Wagens und weigerte sich, einen weiteren Blick den Hügel hinauf zu werfen. Aber als er die Fahrertür erreicht hatte und sie öffnete, wusste er, dass er sich etwas vormachte. Er musste sich davon überzeugen, dass das Mädchen in Sicherheit war.

Außerdem, dachte er, als er sich umschaute, hast du nicht den geringsten Schimmer, wie du wieder von hier wegkommst. Ohne eine Wegbeschreibung von ihren Eltern oder wem auch immer bist du vor morgen früh nicht zu Hause.

Seufzend sah er auf den Rücksitz, um zu überprüfen, wie es Jillian ging. Sie schlief immer noch tief und fest, aber er verspürte einen Moment des Zögerns, sie allein im Wagen zu lassen. Doch nach einem weiteren Blick in die Umgebung wurde ihm klar, wie unwahrscheinlich es war, dass um diese Uhrzeit jemand mit einem Auto oder zu Fuß vorbeikommen würde. Michael stellte den Motor des Volvos ab. Dann nahm er die Schlüssel, machte die Tür zu und drückte auf den Knopf, um die Türen zu verschließen. Mit einem beruhigenden tiefen Klicken wurde die Verriegelung aktiviert.

Michael blickte wieder zum Haus hinauf. Auch wenn sich seine Arme und Beine immer noch leicht taub anfühlten, spürte er den eiskalten Wind auf seinen Wangen brennen, als er den Hügel hinaufging. Doch dann versagte wieder sein Gleichgewichtssinn.

Wie viele Flaschen Guinness hatte ich denn?