Bjørnstjerne Bjørnson

Ein fröhlicher Bursch

Eine Erzählung
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2022
goodpress@okpublishing.info
EAN 4064066116880

Inhaltsverzeichnis


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Inhaltsverzeichnis

Öyvind hieß er, und er weinte, als er geboren wurde. Als er aber erst aufrecht auf dem Schoße der Mutter saß, lachte er, und wenn sie des Abends Licht anzündeten, lachte er so, daß es sang, weinte aber, als er nicht daran durfte. — „Aus dem Jungen muß etwas Besondres werden,“ sagte die Mutter.

Dort, wo er geboren war, ragte eine kahle Felswand empor, aber sie war nicht sehr hoch; Föhren und Birken sahen von oben herunter, der Faulbaum streute Blüten auf das Dach. Aber oben auf dem Dache lief ein kleiner Bock herum, den Öyvind fütterte; er sollte dort oben bleiben, daß er sich nicht verliefe, und Öyvind trug ihm Laub und Gras hinauf. Eines schönen Tages sprang der Bock herunter und lief auf den Berg hinauf; er kletterte geradeswegs in die Höhe und kam an einen Ort, wo er noch nie zuvor gewesen war. Öyvind sah den Bock nicht mehr, als er nach dem Abendbrot hinauskam, und dachte gleich an den Fuchs. Es lief ihm heiß über den ganzen Körper; er sah sich um und lockte: „Kille — kille — kille — Böckchen!“ — „Bä—ä—ä—ä!“ sagte der Bock oben am Bergesrand, legte den Kopf auf die Seite und sah herab.

Aber neben dem Bock lag ein kleines Mädchen auf den Knien. — „Gehört dir der Bock?“ fragte sie. Öyvind stand da, sperrte Mund und Augen auf und steckte beide Hände in die Kittelhose, die er trug. — „Wer bist du?“ fragte er. — „Ich bin Marit, Mutters Töchterchen, Vaters Fiedel, der Kobold im Hause, Ole Nordistuens Enkelin auf den Heidehöfen. Vier Jahre im Herbst, zwei Tage nach den Frostnächten, ich!“ — „Bist du die?“ sagte er und schöpfte Atem, denn er hatte nicht zu atmen gewagt, solange sie sprach.

„Gehört der Bock dir?“ fragte das Mädchen noch einmal. — „Jawohl,“ sagte er und sah hinauf. — „Ich möchte den Bock so gern haben — willst du ihn mir nicht schenken?“ — „Nein, das will ich nicht.“

Sie lag da und wackelte mit den Beinen und sah zu ihm hinunter, und dann sagte sie: „Aber wenn du einen Butterkringel für den Bock bekommst, kann ich ihn dann bekommen?“ Öyvind war armer Leute Kind, er hatte nur einmal in seinem Leben einen Butterkringel gegessen; das war, als der Großvater zu Besuch gekommen war, und etwas Ähnliches hatte er nie, weder früher noch später, gegessen. Er sah zu dem Mädchen hinauf: „Laß mich den Kringel erst einmal sehen,“ sagte er. Das ließ sie sich nicht zweimal sagen, sie zeigte ihm einen großen Kringel, den sie in der Hand hielt. — „Hier ist er,“ sagte sie und warf ihn hinab. „Ach! er ist zerbrochen,“ sagte der Junge; sorgfältig sammelte er jeden Bissen auf; den allerkleinsten mußte er schmecken, und der war so gut, daß er noch einen schmecken mußte, und ehe er sichs versah, hatte er den ganzen Kringel verputzt.

„Jetzt gehört der Bock mir,“ sagte das Mädchen. Dem Knaben blieb der letzte Bissen im Munde stecken, das Mädchen lag da und lachte, der Bock stand daneben mit weißer Brust und braunschwarzem Haar, legte den Kopf auf die Seite und sah herüber.

„Könntest du nicht ein wenig warten?“ bat der Knabe; das Herz fing ihm an zu klopfen. Da lachte das Mädchen noch mehr und richtete sich schnell auf den Knien auf. — „Nein, der Bock gehört mir,“ sagte sie und schlang die Arme um seinen Hals, löste eins ihrer Strumpfbänder und band es ihm um. Öyvind sah ihr zu. Sie erhob sich und fing an, den Bock mit sich fortzuziehen; er wollte nicht mitgehn und reckte den Hals zu Öyvind herunter. „Bä—ä—ä—ä!“ sagte er. Sie aber griff ihm mit der einen Hand ins Haar, zog mit der andern Hand am Bande und sagte schmeichelnd: „Komm nur, Böckchen, bei mir darfst du in der Stube laufen und aus Mutters Schüsseln essen und meine Schürze fressen.“ Und dann sang sie:

„Komm Böckchen zum Jungen,
Komm Kälbchen zur Kuh,
Komm Kätzchen gesprungen
In schneeweißem Schuh,
Kommt aus dem Versteck
Ihr Entlein nur keck,
Kommt Täubchen mein
Mit Federchen fein,
Kommt Küchlein in Haufen,
Ihr könnt doch schon laufen,
Naß wirds im Gras bald sein,
Warm ists im Sonnenschein.
Wie schön ists im Sommer und lind,
Im Herbst weht der Wind, kommt geschwind!“

Und da stand nun der Junge!

Seit dem Winter, wo der Bock geboren war, hatte er ihn gehütet, und er hatte nie daran gedacht, daß er ihn verlieren könnte; aber nun war das im Handumdrehen geschehen, und er sollte ihn nie wiedersehen.

Die Mutter kam trällernd mit Kübeln, die sie gescheuert hatte, vom Strande herauf; sie sah den Jungen, die Beine unter sich gezogen, im Grase sitzen und weinen und kam zu ihm heran. — „Weshalb weinst du?“ — „Ach, der Bock, der Bock!“ — „Ja, wo ist der Bock?“ fragte die Mutter und sah nach dem Dache hinauf. — „Der kommt nie wieder,“ sagte der Junge. — „Aber Kind, wie ist denn das zugegangen?“ — Er wollte es nicht gleich gestehen. — „Hat ihn der Fuchs geholt?“ — „Ja, wollte Gott, es wäre der Fuchs!“ — „Bist du von Sinnen?“ sagte die Mutter, „was ist aus dem Bock geworden?“ — „Ach, ach, ach — ich bin zu Schaden gekommen, ich habe ihn für einen Kringel verkauft!“

In dem Augenblick, wo er das Wort heraus hatte, begriff er wohl, was es bedeute, den Bock für einen Kringel verkauft zu haben; bisher hatte er noch gar nicht darüber nachgedacht. Die Mutter sagte: „Was glaubst du wohl, was der kleine Bock von dir denken muß, daß du ihn für einen Kringel hast verkaufen können?“

Und der Junge dachte es selbst und begriff sehr wohl, daß er auf dieser Welt nie wieder froh werden könne — und auch wohl nicht einmal bei Gott, dachte er dann.

So tiefen Kummer fühlte er, daß er sich selber gelobte, nie wieder etwas Böses zu tun, weder den Faden des Spinnrockens durchzuschneiden, noch die Schafe hinauszulassen, noch allein an die See hinabzugehn. Er schlief ein, dort, wo er lag, und er träumte von dem Bock, und daß der in den Himmel gekommen sei; der liebe Gott saß da mit einem großen Bart, gerade so wie im Katechismus, und der Bock stand neben ihm und fraß Laub von einem schimmernden Baume; Öyvind aber saß allein auf dem Dach und konnte nicht hinaufkommen.

Da fühlte er plötzlich etwas Nasses in seinem Ohr, er fuhr in die Höhe: „Bä—ä—ä—ä!“ sagte es, und das war der Bock, der wieder zurückgekommen war!

„Nein, bist du wiedergekommen!“ — Er sprang auf, faßte ihn bei den Vorderbeinen und tanzte mit ihm herum, als sei er sein Bruder; er zupfte ihn am Bart, und er wollte gerade mit ihm zur Mutter hinein, als er etwas hinter sich hörte und das Mädchen dicht neben sich auf dem Rasen sitzen sah. Jetzt begriff er alles. Er ließ den Bock los: „Bist du mit ihm hergekommen?“ — Sie saß da und zupfte Gras mit der Hand aus und sagte: „Ich durfte ihn nicht behalten; Großvater sitzt da oben und wartet.“ — Während der Junge dastand und sie anstarrte, hörte er eine scharfe Stimme oben vom Wege her rufen: „Nun?“ Da fiel ihr ein, was sie tun sollte; sie stand auf, ging zu Öyvind hin, steckte ihre mit Erde beschmutzte Hand in die seine, wandte sich ab und sagte: „Verzeih mir!“ Aber dann war es auch aus mit ihrem Mut, sie warf sich über den Bock und weinte.

„Ich meine, du solltest den Bock doch behalten,“ sagte Öyvind und sah weg.

„Beeile dich jetzt!“ sagte der Großvater oben auf dem Berge. Und Marit stand auf und ging schleppenden Schrittes den Berg hinan. — „Du vergißt ja dein Strumpfband,“ rief ihr Öyvind nach. Da wandte sie sich um und sah erst das Strumpfband an und dann ihn. Endlich faßte sie einen großen Entschluß und sagte mit erstickter Stimme weinend: „Das kannst du behalten.“ — Er lief ihr nach und ergriff ihre Hand. — „Ich bedanke mich vielmals!“ sagte er. — „Ach, keine Ursache zu danken!“ entgegnete sie, seufzte tief auf und ging weiter.

Er setzte sich wieder ins Gras nieder, der Bock graste neben ihm, aber er hatte ihn nicht mehr so lieb wie vorher.

2

Inhaltsverzeichnis

Der Bock war an der Wand des Hauses angebunden, Öyvind aber stand da und schaute zu dem Berge empor. Die Mutter kam zu ihm heraus und setzte sich zu ihm; er wollte Märchen über das hören, was weit weg war, denn jetzt war ihm der Bock nicht mehr genug. Da hörte er denn, daß einstmals alles sprechen konnte: der Berg sprach mit dem Bach, und der Bach mit dem Strom, und der Strom mit dem Meere, und das Meer mit dem Himmel; dann aber fragte er, ob denn der Himmel mit niemand spräche; ja, der Himmel spräche mit den Wolken, und die Wolken mit den Bäumen, und die Bäume mit dem Grase, und das Gras mit den Fliegen, und die Fliegen mit den Tieren, und die Tiere mit den Kindern, die Kinder mit den Erwachsenen; und so ging es weiter, bis es rundherum ging, und niemand wußte, wer begonnen hatte. Öyvind sah den Berg an und die Bäume und die See und den Himmel und hatte das alles eigentlich bisher noch niemals gesehen. In diesem Augenblick kam die Katze heraus und legte sich auf die steinerne Schwelle in die Sonne. — „Was sagt die Katze?“ fragte Öyvind und zeigte auf sie. Die Mutter sang:

„Die Katze liegt im Sonnenschein,
Der abends sieht zur Tür herein:
Ein Mäusepärlein kam
Und naschte von dem Rahm,
Vier Stück Fisch,
Die stahl ich mir vom Tisch,
Und bin so rund und satt,
Und bin so faul und matt!
Sagte die Katze.“

Aber der Hahn und alle Hühner kamen. — „Was sagt der Hahn?“ fragte Öyvind und klatschte in die Hände. Die Mutter sang:

„Gluckhenne ihre Flügel senkt,
Hahn steht auf einem Bein und denkt:
Die graue Gans seht bloß,
Dünkt sich wer weiß wie groß,
Doch ob sie haben kann
Verstand so wie ein Hahn?
Nun flink, ihr Hennen, soll ich euch jagen?
Unters Dach! Gute Nacht mag die Sonne jetzt sagen.
Sagte der Hahn.“

Aber oben auf dem Dachfirst saßen zwei kleine Vögel und sangen. — „Was sagen die Vögel?“ fragte Öyvind und lachte.

„Herr Gott, wie ist es gut zu leben
Für den, der nicht braucht zu schaffen und streben!
Sagten die Vöglein.“

Und er erfuhr, was sie alle miteinander sprachen bis hinab zur Ameise, die durch das Moor kroch, und dem Wurm, der in der Borke pickte.

In demselben Sommer begann die Mutter, ihn lesen zu lehren. Bücher hatte er schon lange gehabt, und er hatte viel darüber nachgedacht, wie es wohl zugehn würde, wenn auch sie zu sprechen anfingen. Nun wurden die Buchstaben zu Tieren, Vögeln und zu allem, was da kreucht und fleugt. Bald aber fingen sie an, zusammen zu gehen, immer zu zweien; A blieb stehn und ruhte unter einem Baume aus, der B hieß, dann kam C und tat dasselbe; als sie aber zu dreien und vieren zusammenkamen, da war es, als wenn sie böse aufeinander würden; es wollte nicht recht gehn. Und je weiter er kam, desto mehr vergaß er, was sie waren; am längsten dachte er an das A, das er am liebsten hatte; es war ein kleines, schwarzes Lämmchen und war gut Freund mit allen. Bald aber vergaß er auch das A, das Buch enthielt kein Märchen, nur Aufgaben.

Da geschah es eines Tages, daß die Mutter zu ihm hereinkam und sagte: „Morgen fängt die Schule wieder an, du sollst mit mir nach dem Hofe gehn.“ Öyvind hatte gehört, daß die Schule ein Ort sei, wo viele Knaben spielten, und dagegen hatte er nichts einzuwenden. Er war sehr vergnügt; auf dem Hofe war er oft gewesen, allerdings nie, wenn Schule war, und so schritt er denn schneller als die Mutter die Hügel hinan, von Sehnsucht erfüllt. Sie kamen an die Altenteilerwohnung; ein entsetzliches Geräusch, wie bei der Mühle daheim, schallte ihnen entgegen, und er fragte die Mutter, was das sei. — „Das sind die Kinder, die lesen,“ antwortete sie, und darüber war er sehr erfreut, denn geradeso hatte er auch gelesen, ehe er die Buchstaben kannte. Als er hineinkam, saßen da so viele Kinder um einen Tisch herum, daß in der Kirche nicht mehr waren; andre saßen auf ihren Eßbütten an den Wänden entlang, einige umstanden in einem kleinen Haufen eine Tafel. Der Schulmeister, ein alter, grauhaariger Mann, saß auf einem Schemel am Herde und stopfte sich eine Pfeife. Als Öyvind und die Mutter eintraten, sahen alle auf, und das Mühlradgeklapper hielt inne, geradeso wie wenn der Bach gestaut wird. Alle sahen die Eintretenden an, die Mutter begrüßte den Schulmeister, der den Gruß erwiderte.

„Hier komme ich mit einem kleinen Jungen, der gern lesen lernen möchte,“ sagte die Mutter. — „Wie heißt der kleine Schelm?“ fragte der Schulmeister und wühlte nach Tabak in dem ledernen Beutel.

„Öyvind!“ sagte die Mutter, „er kennt die Buchstaben, und er kann sie zusammenfügen.“ — „Sieh nur an!“ sagte der Schulmeister; „komm einmal her, du Flachskopf!“ — Öyvind ging zu ihm hin, der Schulmeister setzte ihn auf seinen Schoß und nahm ihm die Mütze ab. — „Was für ein hübscher kleiner Junge!“ sagte er und strich ihm über das Haar. Öyvind sah ihm in die Augen und lachte. — „Lachst du über mich?“ Er runzelte die Brauen. — „Ja, das tue ich!“ antwortete Öyvind und lachte aus vollem Halse. Da lachte auch der Schulmeister, die Mutter lachte, die Kinder merkten auch, daß sie lachen dürften, und so lachten sie dann alle zusammen.

Damit war Öyvind in die Schule aufgenommen.

Als er sich hinsetzen sollte, wollten sie ihm alle Platz machen. Er sah sich auch lange um; sie flüsterten und sie zeigten, er drehte sich nach allen Seiten um, die Mütze in der Hand, das Buch unterm Arm. — „Nun, wirds bald?“ fragte der Schulmeister, der sich wieder mit seiner Pfeife beschäftigte. Als er sich nach dem Schulmeister umwenden wollte, sah er dicht neben sich am Herde auf einer kleinen rot angestrichnen Eßbütte Marit mit den vielen Namen sitzen; sie hatte das Gesicht hinter beiden Händen verborgen und saß da und guckte zu ihm hinüber. — „Hier will ich sitzen,“ sagte Öyvind schnell, nahm eine Eßbütte und setzte sich neben sie. Jetzt erhob sie den Arm, der ihm zunächst war, ein wenig und sah ihn unter dem Ellenbogen weg an; sofort bedeckte auch er sein Gesicht mit beiden Händen und sah sie unter dem Ellenbogen weg an. So saßen sie und stellten sich an, bis sie lachte, da lachte auch er. Die Kinder hatten das gesehen und lachten mit. Da aber fuhr eine fürchterlich starke Stimme, die jedoch allmählich milder wurde, dazwischen: „Still, ihr Kobolde, ihr Krabbenzeug, ihr Nichtsnutze! Still, und seid hübsch artig gegen mich, ihr Zuckerferkelchen!“ — Das war der Schulmeister, der die Gewohnheit hatte, aufzubrausen, aber wieder gut zu werden, ehe er fertig war. Sogleich wurde es ruhig in der Schule, bis sich die Pfeffermühlen von neuem in Bewegung setzten. Sie lasen jedes laut in seinem Buche, die feinsten Diskante spielten auf, die gröbern Stimmen trommelten lauter und lauter, um das Übergewicht zu haben, und zuweilen jodelte auch wohl einer dazwischen; Öyvind hatte sein ganzes Leben lang keine solche Kurzweil gehabt.

„Ist es hier immer so?“ flüsterte er Marit zu. — „Ja, so ist es hier immer,“ sagte sie.

Nach einer Weile mußten sie zum Schulmeister kommen und lesen; ein kleiner Junge wurde dann angestellt, mit ihnen zu lesen, und dann waren sie frei und durften wieder gehn und sich ruhig hinsetzen.

„Nun habe ich auch einen Bock bekommen,“ sagte sie. — „Wirklich?“ — „Ja, aber so schön wie deiner ist er nicht.“ — „Weshalb bist du nicht öfter auf den Berg gekommen?“ — „Großvater fürchtet, daß ich hinunterfallen könnte.“ — „Aber es ist ja nicht so hoch.“ — „Großvater will es aber doch nicht.“

„Mutter kann so viele Lieder,“ erzählte er. — „Du kannst mir glauben, Großvater kann auch welche!“ — „Ja, aber nicht davon, was Mutter weiß.“ — „Großvater kann eins vom Tanzen, er. Willst du es hören?“ — „Ja, gern!“ — „Aber dann mußt du näher hierherkommen, daß es der Schulmeister nicht merkt.“ — Er rückte zu ihr heran, und dann sagte sie ihm ein Bruchstück eines Liedes vier bis fünfmal vor, so daß der Knabe es lernte, und das war das erste, was er in der Schule lernte.

„Zum Tanz! rief die Fiedel.
Die Saiten erklangen,
Der Bursch voll Verlangen
Sprang auf und rief: ho!
Halt an! sagte Ola.
Den Schulzen stieß um er,
Hinflog mit Gebrumm der,
Sie lachten nur so!
Hinauf! sagte Erik,
Die Absätze dröhnten
Am Balken, es stöhnten
Die Wände beim Sprung.
Hör auf! sagte Erling
Und packt' ihn beim Kragen,
Hinaus ihn zu jagen:
Noch bist du zu jung!
Nun fix, sagte Rasmus,
Nahm Randi ums Mieder:
Den Kuß gib mir wieder,
Du weißt! Sei gescheit!
Wird nix! lachte Randi,
Eins hinter die Ohren
Gebührt solchen Toren,
Nun weißt du Bescheid!“

„Auf, Kinder!“ rief der Schulmeister; „heute ist der erste Schultag, da will ich euch früher freigeben; vorher aber müssen wir noch beten und singen!“ Das gab ein Leben in der Schule, sie sprangen von den Bänken, sprangen durch das Zimmer, schwatzten alle durcheinander. — „Still, ihr Teufelsbrut, ihr jungen Elstern, ihr Takelzeug! Stille! Und geht fein säuberlich durch das Zimmer, Kinderchen!“ sagte der Schulmeister, und sie gingen ruhig hin und stellten sich auf, worauf der Schulmeister vor sie hintrat und ein kurzes Gebet sprach. Dann sangen sie. Der Schulmeister stimmte mit kräftigem Baß an, alle Kinder standen mit gefalteten Händen da und sangen mit, Öyvind stand zu unterst neben der Tür mit Marit zusammen und sah zu; auch sie falteten die Hände, aber sie konnten nicht singen.

Das war der erste Tag in der Schule.

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Inhaltsverzeichnis

Öyvind wuchs heran und wurde ein muntrer Junge. In der Schule war er einer der ersten, und daheim war er zu jeder Arbeit geschickt. Das kam daher, daß er daheim die Mutter liebhatte und in der Schule den Schulmeister; von dem Vater sah er nur wenig, denn entweder war dieser auf dem Fischfang, oder er besorgte ihre Mühle, in der das halbe Kirchspiel mahlen ließ.