Elisabeth Lukas

DEIN LEBEN IST DEINE CHANCE

 

Elisabeth Lukas

 

Dein Leben

ist deine Chance

 

Anregungen zu einer

sinnvollen Lebensgestaltung

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus der Reihe: LebensWert

 

 

 

 

 

 

 

© Verlag Neue Stadt, München, 2009

Downloads und Zitate nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung des Verlags Neue Stadt.

 

E-BOOK-Ausgabe der gleichnamigen deutschen Ausgabe von 2008

© Verlag Neue Stadt, München

Umschlaggestaltung (unter Verwendung eines Fotos von Klaus Honermann) und Satz: Neue-Stadt-Graphik

 

ISBN 978-3-87996-904-3

 

Datenkonvertierung eBook:

Kreutzfeldt Electronic Publishing GmbH, Hamburg

www.kreutzfeldt.de

 

 

Inhalt

 

 

 

Lebenssinn und Lebensziele7

 

Junge Menschen „auf der Suche wonach?“23

 

Schach der Reizüberflutung!31

 

Die guten Gaben der Stille39

 

Sich selbst überschreiten51

 

Falsche und richtige Prinzipien61

 

Des Lebens überdrüssig?73

 

Die guten Gaben der Dankbarkeit91

 

Erster Tipp für „junge Alte“97

 

Zweiter Tipp für „junge Alte“113

 

Von guten Gewohnheiten oder:

Ein Habitkatalog aus dem Hause „Klug“121

 

Der Liebesbogen der Generationen135

 

 

Über die Autorin154
Weitere Bücher der Autorin156

Lebenssinn und Lebensziele

Ab der Pubertät, dem Zeitpunkt, da das personale Ich des Menschen seine eigene Steuerung übernimmt, macht sich jeder von uns Lebensentwürfe und Lebenspläne. Diese Entwürfe werden in einem dynamischen Prozess wieder und wieder geändert, mit Idealen durchsetzt, den Umständen angepasst, von Hoffnungen hochgezogen und auf begrabenen Illusionen neu errichtet. Trotz dieses wogenden Auf und Abs zeichnet sich oft eine konstante Linie darin ab, gleichsam ein „roter Faden“, dem alles folgt.1

1 In der Individualpsychologie Alfred Adlers spricht man von der „Finalität“ menschlicher Strebungen, in der Transaktionsanalyse Eric Bernes vom je persönlichen Lebensskript.

Nun verraten solche Lebensentwürfe und Lebenspläne genauso etwas über die Person, die sie konstruiert, wie ihre bereits abgelaufene Lebensvergangenheit etwas über sie aussagt. Was einer beabsichtigt zu tun und was einer später tatsächlich getan hat, klafft zwar häufig auseinander, offenbart aber dennoch Charakteristisches über den Betreffenden; ja, die Diskrepanz zwischen dem Geplanten und dem Vollzogenen, sollte eine solche bestehen, offenbart noch dazu Personentypisches.

Manche Menschen greifen ununterbrochen nach den Sternen, besitzen aber keine Leiter, um hinaufzuklettern, wie der Volksmund es lächelnd formuliert. Andere Menschen wandeln gesenkten Blickes durch ihre Lebenslandschaft und begnügen sich ambitionslos mit den Kieselsteinen, über die sie zufällig stolpern. Demnach können wir in der Psychologie nicht nur aus den durchlebten und durchlaufenen Entwicklungsstadien eines Menschen Schlüsse ziehen, sondern wir können auch seine mehr oder weniger vagen Zukunftsvorstellungen durchleuchten, um zu verstehen, wer er ist.

 

Natürlich haben Vergangenheit und Zukunft des Menschen, oder exakter formuliert: stattgefundene Vergangenheit und vorweggenommene Zukunft, einen unterschiedlichen Gewissheitsgrad.

Das Vergangene ist gewiss, es ist bereits zur Gewissheit geworden. Nichts darin kann mehr korrigiert oder ausgetauscht werden. Alles war, wie es war, ob wir davon wissen oder nicht, und so wie es war, wird es für alle Zeiten auch bleiben.

Das Zukünftige hingegen ist noch ungewiss. Hier sind Korrekturen möglich, hier können Zielelemente ausgetauscht werden, nichts muss sein, wie wir glauben, dass es sein wird. Alles kann noch ganz anders kommen, ob gewünscht bzw. geplant oder nicht. Wollte man die Lebensvergangenheit eines Menschen mit vollgeschriebenen Tagebuchseiten vergleichen, in denen keine Radierungen oder Streichungen mehr gestattet sind, dann müsste man die zukunftsbezogenen Visionen eines Menschen mit einem Aufsatzkonzept vergleichen, für das eine unbekannte Anzahl reiner, blütenweißer Blätter zur Verfügung steht, allerdings mit der Auflage, dass die dareinschreibende Feder nicht nur von unserer Hand allein geführt wird. Das „Schicksal“ mischt dabei fleißig mit.

 

Wenden wir uns an dieser Stelle dem Begriff des Lebenssinns zu, wie ihn der weltbekannte Arzt und Philosoph Viktor E. Frankl, Begründer einer „sinnzentrierten Psychotherapie“, definiert hat. Ich zitiere aus seinem Buch „Ärztliche Seelsorge“ (Deuticke, Wien, 1982):

 

„Der Mensch gleicht dem Flieger, der bei Nacht und Nebel im Blindflug in den Flughafen ,gelotst‘ wird. Der vorgezeichnete Weg allein führt den Piloten zu seinem Ziel.

So hat auch jeder Mensch in allen Lebenslagen einen jeweils einmaligen und einzigartigen Weg vorgezeichnet, auf dem er zur Verwirklichung der eigensten Möglichkeiten gelangen kann.“

 

Im obigen Text ist keineswegs von einer nur noch gottergeben hinzunehmenden Vorherbestimmung die Rede, denn auch ein Pilot muss dem unsichtbaren Gleitpfad, der ihn sicher zur Landepiste lotst, nicht widerspruchslos folgen. Er kann fliegen, wohin er will, ja, er ist sogar frei, die Motoren abzuschalten und sich dem Sturzflug zu überlassen, wie es die Freiheit eines Selbstmörders ist. Doch wenn der Pilot dorthin gelangen will, wo er hingelangen soll, dorthin, wohin Gewissen und Verantwortung weisen, dorthin, wo es für ihn und seine Passagiere am zuträglichsten ist, dann muss er sich in Freiheit dem vorgezeichneten Weg anvertrauen, denn dieser ist der sinnvollste Weg für ihn.

 

Ebenso gibt es für jeden Menschen einen sinnvollen Weg, ausgeschildert mit einzigartigen Aufgaben, die er und nur er allein erfüllen kann. Es liegt für jeden etwas Bestimmtes bereit, das Seines werden kann, es ist jedem etwas zugedacht in dieser Welt, in die er niemals eingetreten wäre, wäre er in ihr nicht urwillkommen. Wie auf jedes Flugzeug, wo immer es aufsteigt, ein bergender Grund wartet und auf jeden Passagier selbiger Maschine ein lieber Freund oder ein persönlicher Auftrag am Zielflughafen, so wartet auf jeden Erdenbürger jemand oder etwas, eine Liebe oder ein Werk, die ihn in ein glückendes Dasein hineinlotsen, wenn er sich ihnen überlässt und willig an sie hingibt.

Wir sehen: Die Lebensziele steckt sich der Mensch selbst, und wie und welche er sich steckt, hängt mit seiner seelischen Verfassung und seiner Charakterstruktur zusammen; aber der Lebenssinn fällt von „außen“ in sein Leben ein, ist Aufgegebenes, Vorgezeichnetes, Zugesprochenes, ist der zur höchsten Verwirklichung einer einmaligen und unwiderruflichen personalen Existenz geleiten wollende „Leitstrahl“ der Transzendenz.

 

Wenn wir uns diesem Verständnis von Lebenssinn anschließen, erkennen wir alsbald, dass sich daraus eine seltsam beruhigende Perspektive ergibt. Überlegen wir: Wäre ein Gleitpfad in der Fliegerei denkbar, der einen Jumbo-Jet zu einem Miniflughafen lotsen würde, der viel zu kurze Landepisten hätte? Das ist doch unlogisch! Es wäre völlig sinnlos, zum falschen Flughafen zu lotsen.

In gleicher Weise kann es kein uns Zugedachtes geben, für das wir nicht die erforderliche Zeit und Kraft sowie die nötigen Talente besitzen.

Wenn wirklich ein Lebenssinn auf uns wartet, muss alles, was wir zu dessen Erfüllung brauchen, potentiell in unserer Wiege liegen, von Anfang an. Und wenn auf jeden ein anderer, ganz besonders auf ihn zugeschnittener Lebenssinn wartet, dann muss in jeder Wiege Unterschiedliches bereit liegen, ein unterschiedliches Kontingent an Fähigkeiten, Gelegenheiten, an Gesundheit und Lebenskapazität. Das Flugzeug, dessen Zielflughafen hoch oben in den Bergen ist, braucht eine Enteisungsanlage usf. All dies muss beim Start schon einkalkuliert sein, sonst wird es zum Start gar nicht zugelassen; und auch unser Start ins Leben kann nicht zugelassen sein mit einem vorgezeichneten Weg, den wir nicht zu gehen vermöchten, es sei denn, wir würden ein zynisch-sadistisches „Gottesbild“ postulieren, von dem ich hier nicht ausgehe.

 

In der psychotherapeutischen Praxis kann es gelingen, dass Patienten, die diese Sichtweise adoptieren, in Bezug auf ihre Vorhaben erstaunlich ruhig und gelassen werden. Eine Lehrerin, die ich einst in Beratung hatte, fuhr zu einer wichtigen Schulleiterkonferenz und dachte sich dabei:

„Wenn ich es bin, die dort für die Anliegen unserer Schule eintreten soll, dann wird mir – bei entsprechender Vorbereitung – auch die Energie und die Geschicklichkeit zufließen, diese Anliegen zu vertreten. Und sollte sich keine Energie oder Geschicklichkeit bei mir einstellen, dann ist diese Aufgabe nicht meine Aufgabe, dann ist sie nicht mir, sondern jemand anderem zugedacht, und ich will gerne von ihr zurücktreten. Schließlich möchten andere Leute auch für etwas gut sein.“

Dieselbe Lehrerin hätte sich ein halbes Jahr zuvor noch maßlos gefürchtet, einerseits an der Konferenz überhaupt teilzunehmen, andererseits während der Konferenz selbst einen Lapsus zu begehen.

 

Ein weiteres Beispiel ist eine chronisch kranke Patientin von mir, die lange Zeit gezögert hat, eine sozialpädagogische Ausbildung zu beginnen. Immer hat ihr die Frage „Zahlt sich das für mich überhaupt noch aus?“ dazwischengefunkt. Nach unseren Gesprächen entschloss sie sich jedoch, sofort mit der Ausbildung anzufangen und keinen Gedanken mehr darauf zu verschwenden, ob sie noch lange genug leben werde, um sozialpädagogisch tätig zu werden. Sie hatte begriffen: Wenn es der für sie bereitliegende Lebenssinn war, solcherart zu wirken, würden auch Stunden und Tage für ihre sozialpädagogische Tätigkeit bereitliegen; es könnte gar nicht anders sein. Sollten hingegen die nötigen Stunden und Tage am Ende fehlen, würde eben kein sozialpädagogischer Wirkungsbereich auf sie warten, und der vorgezeichnete Weg hätte in einer interessanten Ausbildung und in der Freude daran seinen Sinn und seine Erfüllung gefunden.