image

Markus Berger

Alles über psychoaktive Kakteen

Arten, Geschichte, Botanik, Anwendung

Markus Berger

Alles über psychoaktive Kakteen

Arten, Geschichte, Botanik, Anwendung

image

Impressum

Verlegt durch:

Nachtschatten Verlag AG

Kronengasse 11

CH - 4502 Solothurn

Tel: 0041 32 621 89 49

Fax: 0041 32 621 89 47

info@nachtschatten.ch

www.nachtschatten.ch

Revidierte und stark erweiterte Ausgabe des 2003 im Verlag Werner Pieper and The Grüne Kraft erschienenen Buches Psychoaktive Kakteen. Eine weitere, wesentlich erweiterte und übersetzte Auflage des Werks ist im September 2004 in Spanien unter dem Titel Cactus Enteógenos im Verlag La Canameria Global (Barcelona) erschienen.

© 2013 Nachtschatten Verlag AG

© 2013 Markus Berger

© Fotos:

Soweit nicht anders vermerkt, stammen alle Fotos aus dem Archiv des Autors.

Umschlaggestaltung und Layout:

Janine Warmbier, Hamburg (Covervorlage M. Berger)

Korrektorat: Nina Seiler, Zürich

e-Book: mbassador GmbH, Luzern

Printed in Germany

ISBN 978-3-03788-265-8

Alle Rechte der Verbreitung durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronischer digitaler Medien und auszugsweiser Nachdruck nur unter Genehmigung des Verlages erlaubt.

Achtung! Jeder Drogenkonsum, insbesondere die Einnahme von unbekannten Gewächsen, ist gefährlich. Die hier dargestellten Informationen verstehen sich nicht als Anleitung zur unsachgemäßen Anwendung machtvoller psychoaktiver Substanzen, sondern als ethnologisch-wissenschaftliche Information. Verlag und Autor schließen jedwede Haftung für eventuelle Schäden aus, welche auf die Lektüre dieses Buches zurückgeführt werden.

INHALT

Vorwort von Christian Rätsch

Vorwort des Autors

Danksagung

Der Kaktus, der Mensch und die Geschichte

Historisches

Der Kaktus im Mythos

Der Kaktus als Nutzpflanze

Essbare Kakteen

Der Kaktus und die Kaktus-Kultur

Einführung

Richtige Pflanzenpflege

Probleme und Krankheiten

Winterharte Kakteen

Zucht und Vermehrung

Die psychoaktiven Kakteen

Acanthocereus subinermis

Aporocactus flagelliformis

Ariocarpus

Armatocereus laetus

Astrophytum

Aztekium ritteri

Azureocereus ayacuchensis

Backebergia militaris

Carnegiea gigantea

Cephalocereus

Cereus

Cleistocactus

Coryphantha

Denmoza rhodacantha

Dolichothele

Echinocactus

Echinocereus

Echinopsis

Epiphyllum

Epithelantha micromeris

Escontria chiotilla

Espostoa

Ferocactus wislizenii

Gymnocalycium

Harrisia

Helianthocereus

Hylocereus

Islaya minor

Lemaireocereus

Leocereus bahiensis

Leuchtenbergia principis

Lobivia

Lophocereus

Lophophora (williamsii)

Machaerocereus

Mammillaria

Matucana madisoniorum

Melocactus

Monvillea spegazzinii

Myrtillocactus geometrizans

Neochilenia

Neoporteria

Neoraimondia

Notocactus

Obregonia denegrii

Opuntia

Pachycereus

Parodia sanguiniflora

Pelecyphora

Peniocereus greggii

Pereskia

Pereskiopsis

Phyllocactus

Pilosocereus

Polaskia chende

Pseudolobivia kermesina

Pterocereus

Rebutia marsoneri

Rhipsalis

Schlumbergera

Sclerocactus intertextus

Selenicereus

Solisia pectinata

Stenocereus

Stestonia coryne

Strombocactus disciformis

Sulcorebutia kruegeri

Thelocactus bicolor

Trichocereus

Turbinicarpus

Wigginsia

Zygocactus truncatus

Die meskalinhaltigen Kakteen

Aphrodisisch genutzte Kaktusarten

Rezepte zur Zubereitung entheogener Kakteen

Das Phenylethylamin Meskalin und andere psychoaktive Kaktuswirkstoffe

Kaktus-Erfahrungen

Extraktion von San Pedro

Erhöhung der Meskalinkonzentration

Gesammelte Materialien

Rechtslage, Gefahren und Gegenmittel, Dosierungshinweise

Die rechtliche Einordnung von psychoaktiven Kakteen

Zugabe 1: Ariocarpus en detail

Zugabe 2: Einige aktive Trichocerei

Zugabe 3: Ein früher Versuch der Kommerzialisierung von Peyotl in Deutschland

Andere Pflanzen, die Peyote genannt werden

Neuzuordnung der Gattungen

Anhang

Glossar

Quellenangaben & Literatur

Bezugsquellen

Anmerkungen

image

Kakteen sind auf dem amerikanischen Doppelkontinent wichtige Schrittmacher für die soziokulturelle Entwicklung.

Vorwort von Christian Rätsch

Als die Neue Welt »entdeckt« wurde, wurde auch eine Neue Welt der Kakteen entdeckt. Die üppige Fülle an Kaktusspezies allein in Mexiko war für europäische Pflanzenkenner überwältigend. Ganze Landschaften waren von Kakteen in allen Größen und verschiedensten Gestalten bevölkert. Viele wurden von den Ureinwohnern genutzt: als »lebende Zäune«, als Nahrungsmittel, als Medizinen, als Schamanenpflanzen, also als Entheogene. Für manche Indianer war (und ist) ein Kaktus Gott ... wie der berühmte Peyotl oder Peyote (Lophophora williamsii) aus Mexiko. Dieser kleine, kugelförmige und stachellose (!) Kaktus galt schon den Azteken als heilig und wurde von ihren Schamanen, die Nahualli (Verwandler), genannt wurden, eingenommen, weil sein Genuss prächtige und erkenntnisfördernde Visionen, genannt temixoch, »Blühende Träume«, schenken konnte. Für die Indianer stammt diese Kraft von der göttlichen Seele, die in dem kleinen Kaktus schlummert. Wir würden diese »Seele« wohl als den psychoaktiven Wirkstoff Meskalin bezeichnen. Aber, egal ob wir die Ursache der visionären Wirkung »Seele« oder »Wirkstoff« nennen, die davon ausgelösten menschlichen Erfahrungen bleiben die gleichen. Diese psychedelischen Erfahrungen eröffnen einen erstaunlichen Einblick in eine andere Wirklichkeit, die ansonsten dem Auge verschlossen bleibt. Für die Indianer ist die andere Wirklichkeit, die vom normalen Schein befreite »wahre Wirklichkeit«. Für konservative Psychiater ist eine derartige Erfahrung eine künstlich erregte Psychose, bestenfalls eine illusionäre Halluzination, also etwas Pathologisches.

Der Peyotekaktus bzw. das Meskalin war die erste »psychedelische« Droge, die im Westen, vor allem in Deutschland zu Anfang des 20. Jahrhunderts, erforscht wurde (Beringer). Seither wurden weitere Kaktusarten entdeckt, die von Schamanen als Entheogene benutzt werden, und die ebenfalls das Meskalin als Hauptwirkstoff enthalten, wie der südamerikanische San-Pedro-Kaktus (Trichocereus pachanoi). Es wurden auch Kakteen, von denen keine traditionelle, d. h. schamanische Nutzung bekannt ist, chemisch analysiert. Auch bei dieser Forschung hat man Meskalin, aber auch weitere psychoaktive Phenethylamine in vielen Kakteen entdeckt. Im vorliegenden Buch werden die Kakteen, die psychoaktive Substanzen enthalten, erschlossen. Dabei wird bei den ethnobotanisch relevanten Arten ihre kulturelle Bedeutung aufgezeigt.

Deshalb ist das vorliegende Buch sicherlich ein brauchbares Werk für Botaniker, Ethnobotaniker, Naturstoffchemiker, Ethnopharmakologen, ethnologische Schamanismusforscher, interdisziplinäre Bewusstseinsforscher, visionäre Künstler, magische Adepten, moderne Alchemisten, spirituell Suchende, für Mediziner, Psychiater, Therapeuten, Heilpraktiker, für professionelle Gärtner, Pflanzenzüchter, für Gartenfreunde, Kakteenliebhaber und Naturphilosophen. Ihnen allen kann das Kakteenbuch von Markus Berger nützen. Ich hoffe, dass es eine breitere Leserschaft findet.

Christian Rätsch

Hamburg, im August 2012

Vorwort des Autors

Seit Erscheinen meines kleinen und gleichzeitig ersten Buches Psychoaktive Kakteen im März 2003 ist für mich und, wie ich finde, auch innerhalb der entheogenen Gemeinde einiges passiert. Ohne nun analysieren zu wollen, was vielleicht gut und was eher schlecht sein könnte (derlei bringt uns sowieso nicht weiter), so darf doch schlussfolgernd festgehalten werden, dass sich das Wissen der Psychonauten in erheblicher Weise gesteigert hat. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, in denen viele nicht einmal wussten, dass THC der hauptwirksame Inhaltsstoff des Cannabis ist. Nun, es gibt heutzutage viele gute Bücher zu den diversen Psychoaktiva, die Menschen informieren sich. Zum Glück. Auch wenn die allgemeine Kaufkraft im Buchsektor anscheinend eher rückläufig ist. Gab es früher die echte Drogenliteratur fast ausschließlich im Headshop, so findet sich in dieser Zeit glücklicherweise ein enormes Kontingent an nicht-prohibitionistischer psychoaktiver Literatur im gängigen Buchhandel.

Zu den psychotropen Kaktusgewächsen gibt es außer Adam Gottliebs Peyote und andere psychoaktive Kakteen im deutschsprachigen Raum nur mein Buch Psychoaktive Kakteen, das im Werner-Pieper-Verlag in Deutschland erschienen ist. Das Buch enthält so gut wie keine Abbildungen zu den einzelnen Kaktusarten, was eine Identifikation ohne Hilfsmittel somit leider fast unmöglich macht. Die spanischsprachige Übersetzung namens Cactus Enteógenos (Verlag La Canameria Global, Barcelona) hingegen wartet mit einer Vielzahl farbiger Fotos auf. Das vorliegende Buch, das verdichtete Werk Alles über psychoaktive Kakteen, ist eine wesentlich weitergeführte und veränderte Kombination aus den beiden älteren. Hinzugekommen sind nicht nur Bilder, sondern auch Rezepturen, Extraktionsanleitungen, weiterführende historische Hintergründe, eine ausführliche Extra-Monografie zur wichtigen Gattung Ariocarpus, Informationen zur Erhöhung der Meskalinkonzentration, zahlreiche bedeutsame Zitate, Fremdbeiträge und vieles mehr.

Möge der geneigte Leser ins Reich der entheogenen, der geistbewegenden Kakteen eintauchen und sein Glück, seinen Ursprung und seinen Sinn finden. Möge der Leser den Weg des Peyote gehen, um schließlich in seinem eigenen Herzen anzukommen. Höre der Leser sein Herz sprechen, es spricht wie die heiligen, zauberkräftigen Pflanzen, all die Pilze, Kräuter, Wurzeln und natürlich die heiligen und heilsamen Kakteen. Höre der Leser es sprechen, und lasse der Leser es gewähren. Zum Wohle aller und zum Wohle der Entheogenen Reformation.

Markus Berger, Sundhof/Berlin/Solothurn, im August 2012

Danksagung

Wer mich kennt, der weiß, dass ich ohne eine ausführliche Danksagung im Rahmen eines solchen Buchs nicht auskomme. Daher bedanke ich mich aufrichtig und voller Liebe bei meiner Familie, meiner Frau Jutta, meinen Kindern Mirko und Melina und meinen Eltern. Für die unfassbare Unterstützung bei der Realisierung dieses Bandes danke ich meinem Freund und Verleger Roger Liggenstorfer sowie Barbara Blankart, Janine Warmbier und der gesamten Nachtschatten-Crew. Für das herrliche Vorwort zu diesem Buch bedanke ich mich bei meinem geschätzten Freund und Kollegen Christian Rätsch, der maßgeblich dafür mitverantwortlich ist, dass ich mich seit nunmehr weit über 20 Jahren mit den psychoaktiven Welten beschäftige. Derselbe Dank geht an Christians Frau, meine liebe Kollegin Claudia Müller-Ebeling. Ich umarme euch!

Allen, die direkt oder indirekt an der Entstehung dieses Buchs mitgewirkt haben, danke ich ganz herzlich – sei es durch ihre Freundschaft zu mir, ihre aufbauenden Worte und Taten, ihr Mitleiden während der Zeit meiner verheerenden Erkrankungen, ihre Inspiration, ihre Unterstützung, ihre Tipps und die Weitergabe ihrer Erfahrungen und/oder Bibliotheken – als da wären: Albert Hofmann (in memoriam), Sergius Golowin (in memoriam), Jochen Gartz, Wolfgang Bauer, Hans Cousto, Ralph Metzner, Ann und Alexander Shulgin, Jon Hanna, Ernst und Meizhen Meerbeck, Richard Rainsford, Lieyong Su, Hartwin Rohde, Tobias Szuwart, Mark „Marker“ Meritan, Michael Knodt, Dieter Hagenbach, Daniel Trachsel, Ernesto Blume, Moisés Lopez, Enric Galega, Gianluca Toro, Alan Shoemaker, Alexander Ochse, Olit R., Günter Weiglein, Winni Fleckner und Klaudia Kolks, Michael Arnotti a.k.a. Tim, Kathrin Gebhardt, Mathias Bröckers, Ed Rosenthal, Thomas Chong, Jörn Werner, Jan Onym, Chris Groß, Johnny Appleseed, Ganesh Baba, K. Trout, D. M. Turner (in memoriam) und alle, die ich trotz intensiver Belastung meiner Großhirnrinde vergessen habe.

Musikalisch danke ich für jegliche Unterstützung meiner Arbeit den einzigartigen Beastie Boys (in memoriam Adam Yauch), Cypress Hill, Kottonmouth Kings, The Individuals, Adam Freeland, Alex Metric, Anoraak, Skrillex, Beginner, Infected Mushroom, Goa Gil, Evil Nine, Supergrass, Armin van Buuren, Boogie Army, Lady Waks, Fu Schnickens und dem venerablen Selassikai.

Ich danke allen Psychonauten, Psychoaktiva-Enthusiasten, Blazin-Tommy-Fans und Ethnopharmakologen dieser Welt! Möge der Hauch unseres Geistes fortbestehen und der von uns und unseren Vorfahren gesetzte Same keimen und aufgehen. Blühe, Entheogene Reform!

Unter den richtigen Umständen
führt Peyote den Schamanen
und seine Schüler zur Erleuchtung.
Peyote erhellt ihr Bewusstsein
und stellt sie auf die Lebenskraft der Natur ein
.

HUICHOL-WEISHEIT

Und auf einmal verstand Schwarzhaar die Sprache der Sterne. Er lauschte ohne Angst dem Brausen des unendlichen Himmels. Glühender Staub zog an ihm vorbei, ballte sich zu Kugeln, wurde dichter und dichter. Es tauchten Sonnen auf und lockten mit der Stimme der Mutter des Lebens den sengenden Tod davon. Was hier verloren ging, setzte sich anderswo fort. Ein ewiges Wirken und Weben. Es gab kein Fragen mehr, denn keine Zunge formte die Worte. Das Höhere stieg noch höher, und das Niedrige erklomm mühsam Stufe um Stufe. Schwarzhaar hörte tausend Lieder, und jedes Staubkorn sprach von ewigen Zeiten, vom Vergehen und Entstehen, von Welten, die entstanden und längst verweht ein anderes Dasein führen. Er sank ohne Angst tiefer und tiefer, bis sein Fuß auf einmal etwas Weiches fühlte. Da hörte er über sich eine Stimme. „Schwarzhaar, frage dein Herz, was es zu sagen hat!“ Und das Herz antwortete ihm: „Ich will, dass ich immer einig bin mit dem Kopf!“ „Und nun“, sagte die Stimme, „frage deinen Kopf, was er zu sagen hat!“ Und der Kopf antwortete: „Ich will, dass ich immer einig bin mit dem Herzen!“ Als der Kopf diese Worte sprach, fühlte Schwarzhaar eine Hand, die ihn über eine Wiese führte. „Bist du es, oberster Herrscher Mescál?“ „Ja“, antwortete dieser, „und nun höre: Was immer du an Wissen hast, es ist trocken und ohne Wert, wenn nicht Mitleid und Güte die Schale des Kopfes füllen!“

Aus: SCHÄFER et CUZ, Im Reiche des Mescál

image

Diese prächtige Kakteensammlung umfasst mehrere psychoaktive Arten.

DER KAKTUS, DER MENSCH UND DIE GESCHICHTE

Historisches

„... Ich arbeite mit Aldous Huxley, Alan Watts und Allen Ginsberg, dem Poeten. Wir glauben, dass die Synthese des Peyote (Meskalin) und der Pilze (Psilocybin) Möglichkeiten bietet, das Bewusstsein zu erweitern, die Wahrnehmung zu verändern und Abstraktionen zu beseitigen ...“

TIMOTHY LEARY6

„Dass Peyotl ritualisiert angewendet wird, ist ganz wichtig. Jene, die es anwenden, sind durch einen Ritus betreut und geschützt, und darum gibt es auch keinen Missbrauch. Wir haben in unserer Gesellschaft keine solchen kulturellen Riten mehr, deshalb sind wir auch viel gefährdeter.“

VANNINI et VENTURINI 1999: 16

„Es gibt die, Peyote Meetings‘ der, Native American Church‘, der, Kirche der Ureinwohner Amerikas‘, bei denen ein Visionen schenkender Kaktus (Peyote, botanisch, Lophophora williamsii‘, meskalinhaltig) verspeist wird; in Mexiko werden verschiedene vergorene Getränke (Balché, Octli, Chicha usw.) rituell getrunken; es gibt die, mesa‘-Rituale in Peru, bei denen der meskalinhaltige San-Pedro-Kaktus (Trichocereus pachanoi) als Tee getrunken wird (...).“

RÄTSCH et OTT 2003: 74

Der Gebrauch psychoaktiver Kakteen hat eine lange Geschichte und Tradition. Wie archäologische Funde7 ergaben, wird seit etwa 7000 Jahren Peyote (Lophophora williamsii und weitere Arten) in Texas und Mexiko sakral verwendet8. Im Lauf der Zeit fanden sich andere, ebenfalls psychoaktive Alkaloidkakteen, wie San Pedro (Trichocereus pachanoi, T. peruvianus), Doñana (Neocoryphantha macromeris), Tsuwiri und Sunami (Ariocarpus spp.) oder Peyotillo (Pelecyphora aselliformis), welche entweder als Beigabe im Rahmen eines Peyoterituals, als Medizin, als Zaubermittel oder als Substitut in Zeiten der Peyoteknappheit eingenommen werden (siehe Abschnitt Die psychoaktiven Kakteen).

Die Huichol- und die Tarahumara-Indianer, die Accaxeen, Cora und Yaki übten den Peyotekult am intensivsten aus. Die Huichol, Cora und Yaki praktizieren ihn bis heute, bei den Tarahumara scheint er sich langsam einzustellen.

Die Mescalero-Apachen und die Lipan etablierten wahrscheinlich den rituellen Kakteengebrauch in Nord-Amerika, wo er von den Arapahos, den Cheyennen, Chippewa, Comanche, den Delawaren, Navajo, den Pawnee, Shawnee, den Sioux und einer Reihe anderer Stämme übernommen wurde9.

Die schamanischen Peyote-Esser sehen während eines Rituals die Zukunft voraus, heilen Kranke (s. u.) und lösen sogar scheinbar marginale, weltliche Probleme, was eine eindrucksvolle Demonstration der Macht des Peyote darstellt. Peyote wird außerdem auf Stammesfesten oder als leistungssteigernde Medizin, z. B. bei rituellen Wettläufen der Tarahumara, eingenommen.

Die beiden Haupt-Störfaktoren der freien geistigen Entfaltung, der Staat und die christlichen Kirchen, versuchen seit langer Zeit und immer wieder, den Kakteenkult zu zerschlagen oder wenigstens größtenteils zu unterbinden. Dies gelang allerdings niemals vollständig. 1995 erließ Bill Clinton ein Gesetz, das den Angehörigen der Native American Church10 die rituelle Einnahme meskalinhaltiger Kakteen innerhalb der USA gestattet.

Die Hikuri-Jagd

Eine kleine Gruppe der Huichol unternimmt jedes Jahr eine lange Reise nach Wirikuta, um Peyote zu sammeln. Ein Mara’ akame (Schamane) leitet die Jagd. Heutzutage wird die räumliche Distanz mit dem Auto überwunden. Früher mussten die Huichol den etwa 300 Kilometer langen Weg zu Fuß bewältigen – eine Peyote-Jagd dauerte 43 Tage. Der Legende nach, hinterließ ein gejagter Hirsch anstatt Fußspuren kleine Peyote-Kakteen. Die Jäger waren von dieser Speise der Götter so angetan und entzückt, dass sie von dem Hirsch abließen. Giorgio Samorini erzählt den Mythos:

„Vor langer Zeit, als die Vorfahren der Huichol zum erstenmal an den Ort gelangten, wo heute der hi’kuli wächst, sahen sie einen Hirschen, der kaum dass er fünf Schritte machte, verschwand. Als sie sich den Spuren (des Hirschen) näherten, entdeckten sie, dass jede einzelne ein hi’kuli war. Insgesamt waren es fünf, einer pro Fußspur. Sie schossen auf jeden einzelnen hi’kuli Pfeile, ohne ihn zu verletzen, zwei Pfeile auf die Spitze jedes einzelnen, sodass das hintere Stück des einen Pfeiles gegen Osten und das hintere Stück des anderen gegen Westen zeigte. An dem Ort, wo der Hirsch verschwunden war, wurde ein hi’kuli von riesiger Größe gefunden, der Pa’li oder Wapa’li genannt wurde. Nach einer Weile zogen sie die Pfeile heraus und verwahrten sie in den Köchern. Sie ließen lediglich diejenigen zurück, die sie in den größten hi’kuli gesteckt hatten, wie es ihnen von Urgroßvater Hirschschwanz aufgetragen wurde. Dann setzten sie sich und aßen den hi’kuli. Tamat’s Palisi’ke blieb an dem Ort, wo der erste hi’kuli erschienen war, und heute kann man ihn in der Form eines Altars sehen. Es ist der Hauptaltar, ein großer hi’kuli“ (SAMORINI 1998: 37).

hikuri (=Peyote) darf nicht einfach geerntet werden. Wird hikuri gesichtet, schießen die Jäger einen Pfeil dicht neben ihn in den Boden. Der Kaktus ist nun erlegt und jeder Teilnehmer nimmt ein Reinigungsritual, eine Art Beichte, rituelle Waschungen und Gebete um Regen und Erntesegen vor. Dann werden mehrere Tage lang große Körbe mit Peyote befüllt. In Christian Rätschs Tabakbuch wird uns in diesem Zusammenhang auch die Verknüpfung zwischen Kaktus und Tabak erläutert:

„Die Huichol gehen einmal im Jahr auf die Peyotejagd. Dazu haben sie kleine Pfeile und Bögen bei sich, mit denen sie den meskalinhaltigen Kaktus (...) schießen, so als ob sie tatsächlich als Jäger einen Hirschen, der den Peyote symbolisch in animalischer Form darstellt, erlegen. Dieser Pfeil ist gleichzeitig ein Gebet dafür, dass die Flaschenkürbisse an den Bäumen gut gedeihen, um daraus die rituell wichtigen Tabakkürbisse gewinnen zu können.

Nun folgt die Zeremonie der Tabakverteilung. Es werden Pfeilbogen ausgelegt, die in die vier Himmelsrichtungen weisen. Um Mitternacht wird ein Feuer entfacht; denn für die Huichol ist der Tabak eng mit dem Feuer verknüpft. Der Schamane betet, während er den Tabak vor das Feuer legt, ihn mit den Federn berührt und dann an alle Pilger verteilt. Diese legen ihn in ihre Kürbisflaschen, als Symbol der Geburt des Tabaks.’ (SCHULTES und HOFMANN 1998: 149f.)

Die Huichol-Indianer fertigen aus den getrockneten Baumkürbissen (Crecentia cujete L.) zeremonielle Tabakkalebassen oder ‚Tabakkürbisse’ (...) an, die z.T. mit visionären Mustern oder symbolischen Bildern, die sie bei ihren Peyoteerfahrungen visionär gesehen haben, verziert sind (...); sie dienen auch als Opfergaben an einen erlegten Hirschen [= Peyote] oder an den halluzinogenen Goldkelch (Solandra spp., Solanaceae), den magischen, Baum des Windes’ (...). Manchmal werden die, Tabakkürbisse’ auch aus den Skrotum des Hirsches, einer mythischen Personifikation des Peyotekaktus, hergestellt (...)“ (RÄTSCH 2002: 181).

Damit das Wissen um die hikuri-Wallfahrt nicht verloren geht, werden schon Kinder für die spätere Suche und Peyotejagd ausgebildet.

Jedes Jahr wird im frühen Herbst, wenn der erste Mais und die ersten Kürbisse auf den Feldern gereift sind, eine längere Zeremonie für die jüngeren Kinder abgehalten, die gleichgesetzt werden mit den ersten Früchten auf dem Feld. Für sie rezitiert der Schamanenälteste der Verwandtschaftsgruppe die Geschichte in sich wiederholendem Gesang, den er mit seiner magischen Trommel begleitet. Diese ist ein dreifüßiges, aufrecht stehendes Instrument, das aus einem ausgehöhlten Baumstamm gemacht und mit einem Hirschfell bespannt ist. Diese Trommel erinnert sehr an jene huehuetl genannte der Azteken, doch nennen die Huichol sie tepu, von teponaztli abgeleitet, dem Nahuawort für die horizontale hölzerne Zungentrommel aus vorspanischen Zeiten. Mit seinem Gesang und den Schwingungen seiner Trommel verwandelt der Schamane die teilnehmenden Kinder in Vögel, die er in einem magischen Flug über den Weg der Peyotewallfahrt führt, wobei er auf alle wichtigen Stellen hinweist, sie einzeln benennt und die Kleinen dabei über die Geschehen in alten Zeiten belehrt, als die göttlichen Peyotesucher oder, wie die Huichol sie nennen, die hikuritámete, die heilige Suche einführten und den Hirsch-Peyote erfolgreich in Wirikúta jagten. Wenn die Kinder dann alt genug sind, um selbst auf eine solche Pilgerfahrt zu gehen, ist die heilige Geographie unauslöschlich in ihr Gedächtnis eingeprägt.“ (FURST 1981)

Ein Neuling der hikuri-Jagd, ein sogenannter Primero, darf bei seiner ersten Ankunft in Wirikuta das Land nur mit verbundenen Augen betreten. Seine Augen würden, so die Huichol, in jedem anderen Fall durch die Herrlichkeit und Brillianz dieses heiligen Ortes erblinden. Bevor der Primero die Augenbinde abnehmen darf, wird er vom Mara’ akame feierlich getauft. Der Schamane erklärt ausführlich, welch göttlicher Anblick den jungen Peyote-Jäger erwartet. Erst auf diese Weise vorbereitet, sind Körper und Geist des Primero befugt, hikuri zu finden und zu sammeln.

Die Tarahumara gehen nicht mehr auf Peyote-Jagd. Sie erwerben heute ihren hikuri käuflich bei den Huichol. Früher hingegen unternahm der Stamm noch seine eigenen Expeditionen:

„Da (...) die Peyotekakteen im Land der Tarahumara fehlen, müssen sie dort geholt werden, wo sie noch wachsen, vor allem im Gebiet des Bundesstaates San Luis Potosí. Zu diesem Zweck werden Männer in Gruppen von etwa einem Dutzend Sammlern alljährlich ausgesandt. Die Sammelgebiete befinden sich viele hundert Kilometer entfernt, so dass es sich um eine Art Expedition handelt. Diese wird rituell vorbereitet. Während einer vorangehenden Reinigungszeremonie wird Kopalharz verbrannt – Weihrauch der Indios Mexikos. Auf dem Weg ins Sammelgebiet dürfen die Männer essen und trinken, was ihnen beliebt. Haben sie aber das Gebiet, in dem Peyote wächst, erreicht, so ist ihnen nur noch pinole erlaubt, in Wasser aufgelöstes Mehl aus geröstetem Mais. Wenn die Sammler den ersten Peyotekaktus entdecken, errichten sie ein hohes Kreuz, Sinnbild des Lebens oder, wie manche Forscher annehmen, der vier Himmelsrichtungen (...)” (LEUENBERGER 1970: 23).

Verlauf eines Peyote-Rituals

Das Peyote-Ritual (Peyote meeting) ist ein sogenanntes Kreisritual. Das Zeremoniell findet in einem eigens für das Meeting hergerichteten Tipi statt. Die Teilnehmer sitzen die ganze Nacht im Kreis um ein Feuer, welches während dieser Zeit nicht verlöschen darf. Auf einem Altar liegen der Peyotestab (talking stick = ein symbolischer Ritualgegenstand), sowie Rassel, Flöte und Trommel. Zwischen Altar und Feuer steht ein lebendiger, älterer Peyote-Kaktus, der den Großen Geist symbolisiert. Das Tipi ist Symbol für das Universum, der Peyotestab steht für die Einheit des Großen Geistes mit dem Menschen. Mit Rassel und Trommel werden gesungene Peyote-Lieder untermalt, wobei die Rassel ein Gebet symbolisiert und die Trommel für den Puls, den Herzschlag steht. Der Ritualleiter (Roadman) spricht während der Peyote-Einnahme Gebete und singt heilige Lieder. Es kommt auch vor, dass Passagen aus der Bibel rezitiert werden.

„Die Road men sind darauf trainiert, auf Leute zu achten, die sich über Maß zurückziehen [dies ist zumeist ein Zeichen von beginnenden Negativerfahrungen; Anm. d. Verf.]. Beginnt ein Teilnehmer ins Feuer zu starren und scheint sich von den anderen abzusondern, spricht der Road man ihn an und, wenn nötig, geht zu ihm und betet mit ihm. Während des Betens fächert der Road man den Teilnehmer mit einem Fächer aus Adlerfedern, besprenkelt ihn mit Wasser und fächert Zedernweihrauch.“ (BERGMAN 1971)

Die Teilnehmer singen und schweigen im Wechsel, räuchern mit Kräutern, rauchen Tabak, trinken Wasser und kauen Peyote. Es wird während des gesamten Rituals nichts gegessen, außer den Peyote-Buttons. Das Ziel des Peyote meetings ist im weitesten Sinne das Erlernen des Sehens. Des Sehens seiner selbst, der im Normalzustand sinnlich nicht greifbaren Welt und der kosmischen Zusammenhänge. Man könnte sagen, die Probanden lernen, das Sein zu durchdringen – den Sinn des Lebens zu begreifen11. Schultes bemerkt, dass jedes Peyote-Ritual auch ein Heilungsritual sei. Da Peyote so gut wie alle Krankheiten zu heilen vermag, werden den anwesenden Kranken große Mengen des Kaktus verabreicht12.

Meskalin/Peyote in der Medizin

„Meskalin machte die Experimentatoren mit einem Vermittler der ‚künstlichen Paradiese’ bekannt, der sowohl Cannabis als auch Opium an Stärke übertraf. Beschreibungen von Meskalinzuständen zogen unweigerlich die Aufmerksamkeit der Surrealisten und Psychologen auf sich, die auch ihre Faszination von den in den Tiefen des neu definierten Unbewussten verborgenen Bildern miteinander teilten. Dr. Kurt Beringer, Lewins Schüler und ein Bekannter von Hermann Hesse und C. G. Jung, wurde zum Vater der psychedelischen Psychiatrie. Sein phänomenologischer Ansatz legte besonderes Gewicht auf die Berichterstattung über die inneren Ausblicke, die der Betreffende genoss. Er führte Hunderte von Experimenten mit Meskalin bei Menschen durch.“

(McKENNA 1992: 287)

Peyote lindert Leiden und heilt Krankheiten wie Arthritis, Darmerkrankungen, Diabetes, Fieber, Grippe, Kopfschmerzen, Sonnenstich, Schwindsucht und viele andere. Er wird außerdem als Gegenmittel bei Vergiftungen mit Toloache, einer Stechapfel-Art (Datura innoxia), eingesetzt und er unterstützt die Entwöhnung vom Alkoholismus. Dr. Louis Lewin brachte den Peyotekaktus als erster für wissenschaftliche Studien nach Europa und bewies 1888 die Existenz von Alkaloiden im Peyote. Deshalb wurde der bis dahin von der Fachwelt Echinocactus williamsii genannte Peyote im Rahmen einer nomenklatorischen Änderung ehrenhalber in Anhalonium lewinii umbenannt.

Von nun an interessierte sich kurzzeitig auch die Schulmedizin, vor allem der Zweig der Psychotherapie und Psychoanalyse, für das Meskalin, welches der Leipziger Arthur Heffter 1896 als erster aus dem Peyotekaktus isolierte. Dazu Albert Hofmann: „Das Alkaloid Meskalin [...] war das erste als reine Substanz vorliegende Halluzinogen oder Phantastikum [...], mit dem chemisch erzeugte Veränderungen der Sinnesempfindungen, Sinnestäuschungen (Halluzinationen) und Bewusstseinsveränderungen studiert werden konnten.“13

Mit der in den 50er Jahren am kanadischen Hollywood Hospital von Dr. Abraham Hoffer ins Leben gerufenen psychedelischen Alkohol-Entwöhnungstherapie, der sogenannten „Psychedelic Therapy“, wurde eine psychotherapeutische und psychiatrische Behandlungsform entwickelt, die eine starke Meskalinerfahrung, z. B. mit Peyote, aber auch Psilocybin und (hauptsächlich) LSD-25 in das Therapiegeschehen einbindet. Auf diese Art wird dem Patienten ein mystisches Offenbarungserlebnis verschafft, von welchem ausgehend die Persönlichkeitsstruktur des Probanden gänzlich neu definiert werden kann.

In England wurde 1954 von den Psychiatern Sandison, Spencer und Whitelaw eine, auf der Freudschen Psychoanalyse basierende Therapie geschaffen, die sogenannte „psycholytische Therapie“ (gr. lysis = Auflösung). Der Patient bekommt über einen 6 Monate bis 2 Jahre dauernden Zeitraum Halluzinogene wie Meskalin, Psilocybin oder LSD in mittleren Dosen und verarbeitet die Erfahrungen dann mittels Malerei und Gespräch sowie anderer, vorwiegend gruppendynamischer Aktivitäten. Auf dem Gebiet der psycholytischen Forschung machte sich der deutsche Nervenarzt Hanscarl Leuner, Professor an der Universität Göttingen, durch zahlreiche Publikationen weltweit einen Namen14.

Der berühmte Heidelberger Psychiatrieprofessor und Meskalinforscher Professor Dr. Kurt Beringer, ein Kollege Louis Lewins und ein Freund Hermann Hesses und C. G. Jungs, griff 1920 die Idee auf, das Rauschverhalten und die „Rauschgestaltung“ unter Meskalineinwirkung zu studieren. Beringer hatte berufsmäßig, als klinischer Psychiater, ausschließlich mit Nervenkranken zu tun, die ihre Meskalinerfahrungen für wissenschaftliche Zwecke nicht befriedigend genug beschreiben konnten. Deshalb wurde die Studie an geistig gesunden Probanden vorgenommen. Ärzte, Juristen und Studenten, ein Maler, ein Philologe und ein Zoologe bekamen gezielte Meskalindosen. Die Erlebnisse eines jeden einzelnen Probanden wurden per Protokoll präzise dokumentiert. 1927 veröffentliche Beringer dann sein auf diesen Forschungsarbeiten basierendes Werk Der Meskalinrausch – seine Geschichte und Erscheinungsweise, welches bis heute weltweit das Standardwerk zum Thema ist. Im gleichen Jahr veröffentlichte Alexandre Rouhier, ein französischer Psychologe, die letzte offizielle, versuchspersonenbasierte Studie zur Wirkungsweise des Peyote unter dem Titel Le Peyotl15.

Hans Prinzhorn (1886–1933), der berühmte Kunsthistoriker, Arzt, Psychologe und Herausgeber der legendären psychiatrischen Sammlung Bildnerei der Geisteskranken (Berlin 1922), hielt 1927 bei der Gesellschaft für freie Philosophie einen Vortrag über seine erste, 1922 in Heidelberg erlebte Meskalinerfahrung:

„... Ohne Grenzen ging nun alles ineinander über – sonderte sich für kurze Zeiten angestrengter Besinnung, um bald wieder zu verschwinden zu einem Gesamtweltgefühl, das an Fieber, beginnende Narkose, schwerste Übermüdung nach Strapazen (Krieg) oder stärkerem Alkoholrausch erinnert. Der ganze Raum wurde zu einem farbigen und klingenden Gewoge, das nah um mich locker, etwas ferner hingegen dichter, fester, geballter aussah. Auch der Fußboden machte darin keinen Unterschied – wiederholt vergewisserte ich mich durch Aufstampfen, dass da in dem klingenden Wogen wirklich ein Boden sei, auf dem man stehen könne – ich schwebte mehr als ich ging. Sobald ich einen Gegenstand aufmerksam anblickte oder ihn berührte, löste er sich aus der Umgebung, bekam aber sogleich eine irritierende zudringliche Selbständigkeit und störte dadurch die Situation derart, dass ich z. B. nach einem schwarzen Klavierstuhl wütend mit dem Fuß stieß. – Beim Liegen mit geschlossenen Augen verloren die Richtungen des Raumes (oben, unten, rechts u. s. w.) nach denen der Begleiter fragte, allen Sinn. Zwang ich mich, anzugeben, wo etwa oben sei, so sagte ich mir: Du liegst auf dem Rücken, also muss oben auf deiner Gesichtsseite, da vor dir sein.

Am wunderlichsten, aber auch am schönsten war das Klingen und Schwingen, darin Farben und Raumformen zugleich enthalten waren. Ich musste immerfort summende Töne versuchen, um den vollen Einklang zu bewähren, vor allem aber den Rhythmus aufzunehmen, oder, wie ich auf Fragen sagte, den 'Kuppelzauber mit herübernehmen' in die Augenblicke der Besinnung. Hier mag ein Stück aus dem eigenen Protokoll folgen, das am Tage nach dem Erlebnis diktiert wurde: Der Drang zum Summen setzt sich immer wieder durch, und zwar so, dass erst das Summen da war und dann mein Wissen darum – wobei dann gleichsam ein Hinübergleiten zum Gefühl des eigenen Körpers eintrat, jedoch mit dem Drang, diesen 'Stimmklang' als Ausdruck oder Symbol einer unendlichen Einheit zu erläutern. Beim Übergang in das Stadium der völligen Auflösung versuchte ich mit einer gewissen unwilligen Erbitterung mir den Hergang der Dunkelzimmerereignisse genau zu reproduzieren, wobei ich jedoch stets den Faden verlor wegen der immer stärker andrängenden Auflösungserlebnisse. Als zweite Komponente zu diesem Drang stellte sich Angst und Besorgnis ein, das Erlebte könnte mir später verlorengehen. Zu dem Summen, in das mir dann auch zwangsmäßig Worte einflossen, die ich erst nachher bemerkte, wie wenn sie von einer fremden Instanz produziert wären, gesellte sich zunehmend eine andere Tendenz: den Summton zu rhythmisieren durch Laute wie 'nen – nen – nen' z. B. Diese Rhythmisierungstendenz wurzelte schon in dem eben erwähnten schallwellenartigen Schwanken zwischen Realität und Traumreich und erschien zeitweise wie ein gleichmäßiges Wogen des Alls, mit dem ich eins war. Trat nun, stets unwillkommen, der Kontakt mit der Realität ein, so nahm ich diesen wallenden Rhythmus in einer gewissen Angst in den Summton mit hinein, mehrmals deutlich in dem Sinn, hierdurch den Kontakt mit dem überwiegend schönen Rauschreich nicht zu verlieren. Für Augenblicke tauchte dann eine Erinnerung an die theoretische Einleitung meines Buches Bildnerei der Geisteskranken auf, in der die Funktion der Ordnungstendenzen in der Gestaltung mir stets besonders wichtig war, ohne dass ich zu voller begrifflicher Klarheit darüber je hoffte gelangen zu können. Manchmal ging der Rhythmus auch in die rechte Hand über und wurde auf den Liegestuhl geklopft. Mehrmals geschah der Übergang zum (stark reduzierten) Wachbewusstsein durch Berührung des eigenen Körpers: Beißen auf die Lippen, Kneifen, Beißen an den Fingern, Berührung der Nase; der übrige Körper war in diesem Stadium 'normalen' Körpergefühlen nicht mehr zugänglich. Beim Aufstehen berührte ich meine Schlüssel in der Tasche, konstatierte, dass sie es seien, zugleich aber, dass meine ganze rechte Seite konturlos in die Umwelt überging und selbst bei aufmerksamer Hinwendung nur für Augenblicke abzugrenzen war. So hatte die anfänglich ins unheimlich Bedrohliche gesteigerte Umwelt sich soweit verwandelt und den zuerst ihr gegenüberstehenden Beobachter soweit mitverwandelt und sich angeglichen, dass nun die Alltagswirklichkeit störend und quälend geworden war. Und die war verkörpert durch den Begleiter, der bald durch Hinweise, bald durch Fragen wissenschaftliche Interessen zur Geltung brachte, die mit der zwangsläufigen Erlebnisrichtung nicht das geringste mehr gemein hatten.

Durch diese Bemühung von außen, immer wieder den Selbstbeobachter zu wecken, steigerte sich nun neuerdings die Gegenspannung zwischen der Welt der messbaren Dinge und der beinahe dinglosen Welt des tiefen Rausches. Der Selbstbeobachter, seines Forscherberufs bewusst, trachtete intensiver denn je nach sachlich gültiger Einsicht in die erstaunlichen Geschehnisse, die ihm widerfuhren. Er bediente sich dazu der Beschreibung, versuchte mit dem Begleiter zu diskutieren, nahm Ironie, Skepsis, Scherz zu Hilfe, – während die Gegenseite, die auf ihn eindrängende und aller rationalen Schutzmaßnahmen spottende 'Fülle der Gesichte', zu immer wuchtigeren Stößen ausholte.

Teils waren es (auf der Linie der vorigen Szenen) gleichsam Erlebnisse des Eingesaugtwerdens: in einem Zimmer, das ich von früher gut kannte, zog eine neue, grobblättrige Tapete meine Aufmerksamkeit sofort auf sich. Ich konstatierte ganz sachlich die Veränderung, näherte mich der Wand, fühlte in Blätter hinein – Wald – Wogen – Baumkronen – das alles eins mit mir, ich flute als grünes Blättermeer sanft hin, eine Stimme ruft mich in das Zimmer zurück, ich finde mich schlaff hingelehnt in die Wand – Wald – und flute wieder fort, kehre zurück - versuche nun, zum Begleiter zurückzufinden – es gelingt nicht – keine Trennung möglich von Wald und Blättern – meine Hand klopft – da, was ist das? – harte Wand – Wand – Wand, – eins – zwei – drei – vier – aufatmend löse ich mich fort von der Wand, – sehe sie nun 'dort' – zähle noch lallend und verworren weiter und gerate gleitend, ohne Absetzung dieser Szene von der nächsten, in ganz neue Situationen hinein ...“

Auszug aus: Hans PRINZHORN, „Entrückung durch Rauschgift“ in: Zeitschrift für Parapsychologie Heft 1, 1927, wiedergegeben in: Werner PIEPER, Highdelberg – Zur Kulturgeschichte der Genussmittel am Beispiel einer berauschenden Stadt, Löhrbach 2000 und GARTZ, Jochen (Hrsg.), Halluzinogene in historischen Schriften – Eine Anthologie von 1913 bis 1968, Solothurn 1999.

In der Homöopathie wird aus Lophophora ein Mittel namens Anhalonium gewonnen. Man setzt es hauptsächlich bei Depressionen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, psychischen Unruhezuständen und psychiatrischen Krankheitsbildern ein.

Es existiert leider auch eine geschichtliche Verknüpfung zwischen Nazis und Meskalin. Hierzu möchte ich auf das Buch Nazis on Speed von Werner Pieper hinweisen16. Es befasst sich mit der Thematik Nazis und Drogen/Drogen im Dritten Reich und behandelt auch die Meskalin-Versuche in Konzentrationslagern. Unter anderem beschreibt Thorsten Passie, philosophischer Mediziner und Psychedelik-Forscher, die damals gängigen Praktiken im wissenschaftlichen Umgang mit Meskalin. Nazis on Speed ist ein auch auf andere Drogen bezogenes, wunderbar aufklärendes Buch, voller Dokumente, Geschichten und Grafiken.

Prominente Persönlichkeiten und Meskalin/Peyote

Eine ganze Reihe Persönlichkeiten beschäftigte (oder beschäftigt) sich mit dem Phenethylamin Meskalin und dessen psychedelischer Wirkung. Richard Alpert, Kurt Beringer (s. o.), Lewis Carroll, Allen Ginsberg, Arthur Heffter, Albert Hofmann, Aldous Huxley, Terence McKenna, Tim Leary, Louis Lewin, Hans Prinzhorn und Alexander Shulgin sind nur einige. Sie alle waren fasziniert von der unglaublichen sinnlichen, außer- oder innerweltlichen Erfahrung des Meskalin-Trips. Bei einem Großteil der Nutzer dominiert unter Meskalin die visuelle Komponente. Dazu Arthur Heffter: „Es zeigte sich häufig an Nachbilder anschließend eine Reihe farbenprächtiger Bilder, die teils Teppichmuster und Mosaiken darstellten, teils aus verschlungenen, sich blitzschnell bewegenden farbigen Bändern bestanden. Es schossen farbige Strahlen von großer Helligkeit über das dunkle Gesichtsfeld, ungefähr wie Feuerwerkskörper, aber mit größerer Geschwindigkeit. Es waren alle Farben vertreten. An diese Erscheinungen schloss sich eine Reihe schöner Landschaften, die sich vor allem durch wunderbare Farbeneffekte auszeichneten ...“1718