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KARL KRAUS

kam 1874 als neuntes Kind wohlhabender jüdischer Eltern im böhmischen Jičín zur Welt. 1877 siedelte die Familie nach Wien um, wo Karl von 1884-1892 die Volksschule besuchte. Ein prägendes Erlebnis war der Tod seiner Mutter 1891. Kraus studierte zunächst Jura, wechselte dann aber gegen den Willen seines Vaters auf die Philosophische Fakultät. Zwischen 1892 und 1899 verfasste er Artikel für verschiedene Zeitungen. Von 1908 bis 1910 schrieb er unter anderem für den März und Satirezeitschrift Simplicissmus. 1899 gründete er seine eigene Zeitschrift Die Fackel, die sich als einzigartiges Medium der Gesellschaftskritik etablierte. 1936 starb Kraus nach langem Herzleiden.

Zum Buch

Heute dienen die Schriften von Karl Kraus vor allem als dekoratives Element in den Regalen der letzten bildungsbürgerlichen Privatbibliotheken. Dabei ist seine brachiale Kulturkritik – und davon nicht zu trennen - seine virtuose Sprachvivisektion wichtiger denn je.

Kraus zeigt eindrucksvoll, wie ein wacher Geist Hass auf Missstände in produktiven und vernünftigen Zorn verwandeln kann. Wer Kraus liest, entwickelt ein feines Gespür für die versteckte Propaganda und Ideologie in Wort und Satz.

Die Wirkung der Vorlesungen von Karl Kraus, die in Georg Trakl das Bild des „weißen Hohepriesters“ hervorriefen, der absteigt „zur Hölle, zu richten die Lebendigen und die Toten“ (Oskar Kokoschka), zeigen die enorme Aura und Wirkung, die von ihm und seinen Worten ausgingen. Karl Kraus war die fleischgewordene Ein-Mann-Gegenöffentlichkeit und einer der wichtigsten Sprach- und Kulturkritiker Österreichs. Sein exzellentes Sprachgefühl, kombiniert mit seinem unbarmherzigen Zorn auf Doppelmoral und Propaganda, machen ihn zum Archetypus des einsamen, unkorrumpierbaren Gesellschaftskritikers.

Hier in Berlin wäre er längst ein toter Mann (…). Wohl ihm, dass er in Wien lebt.
Kurt Tucholsky über Karl Kraus

Karl Kraus

Auch Zwerge werfen lange Schatten

Karl Kraus

Auch Zwerge werfen
lange Schatten

Sprüche und Widersprüche
– Aphorismen –

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Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2014
Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2013
Redaktion: Dr. Bruno Kern, Mainz
Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH
Bildnachweis: Breslauer Zwerge, Breslau, Polen
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0338-0

www.marixverlag.de

INHALT

Karl Kraus oder die schöpferische Ohnmacht des Wortes

Erstes Buch – Sprüche und Widersprüche

I.

Weib, Fantasie

II.

Moral, Christentum

III.

Mensch und Nebenmensch

IV.

Presse, Dummheit, Politik

V.

Der Künstler

VI.

Schreiben und Lesen

VII.

Länder und Leute

VIII.

Stimmungen, Worte

IX.

Sprüche und Widersprüche

Zweites Buch – Pro domo et mundo

I.

Vom Weib, von der Moral

II.

Von der Gesellschaft

III.

Von Journalisten, Ästheten, Politikern, Psychologen, Dummköpfen und Gelehrten

IV.

Vom Künstler

V.

Von zwei Städten

VI.

Zufälle, Einfälle

VII.

Pro domo et mundo

Drittes Buch – Nachts

I.

Eros

II.

Kunst

III.

Zeit

IV.

Wien

V.

1915

VI.

Nachts

KARL KRAUS ODER DIE SCHÖPFERISCHE OHNMACHT DES WORTES

Dass wir Karl Kraus die besten Witze und Wortspiele seiner Zeit, die schärfsten Satiren und treffsichersten Pointen verdanken, das wurde ihm vielfach attestiert. Nichts wäre jedoch unangemessener, als sich seiner Aphorismen wie aus der Pralinenschachtel zu bedienen. Sie sind eben – im Gegensatz etwa zu Oscar Wilde – alles andere als gefällige Bonmots zum Ergötzen eines erlesenen Geschmacks. Nach Aussage von Karl Kraus selbst kann ein Witz nur dann bestehen, wenn er eine ethische Deckung aufweist. Und: Gerade in der Abbreviatur des Aphorismus gelingt es Kraus, die Fülle eines Gedanken in antithetischer Zuspitzung zur Sprache zu bringen. Kraus war überhaupt ein Meister der kleinen Form: die Glosse, die Stellungnahme, die Randbemerkung und der Essai sind die literarischen Gattungen, in denen er zu Hause ist. Die fast tausend Bände der »Fackel« – der roten Hefte, die nach anfänglichen Gastbeiträgen bald ausschließlich von ihm verfasst wurden – zeugen davon. Mit den sparsamsten Mitteln konnte Kraus ein Höchstmaß an satirischer Wirkung erzielen. Bewährt hat sich diese Methode vor allem im Ersten Weltkrieg. Aus dieser Zeit stammt der auch hier wiedergegebene Aphorismus, dass eine Satire, die der Zensor versteht, mit Recht verboten werde. Gegen Karl Kraus jedenfalls erwies sich die Zensur immer wieder als machtlos. Oftmals druckt er nur ab, was andernorts bereits gedruckt und von der Zensur genehmigt war. Seine satirische Eigenleistung besteht lediglich in der Anordnung für die Leser. So etwa, wenn er einen Leitartikel Moritz Benedikts und ein Gebet des gleichnamigen Papstes synoptisch gegenüberstellt unter der Überschrift: »Zwei Stimmen – Benedikts Gebet, Benedikts Diktat«. Oder wenn er eine unerhebliche Lokalnachricht aus Kriegszeiten abdruckt, die von der Arrestierung einer jungen Frau handelt, welche durch ungebührliches Heben des Rockes öffentliches Ärgernis erregt habe. Kraus kommentiert den Zeitungsbericht knapp mit den Worten: »Hoch den Rock! Die Waffen nieder!« In ernste Gefahr geriet er erst, als er in einer Vorlesung von der „chlorreichen Offensive“ sprach. Das Ende des Krieges kam seiner Verurteilung zuvor.

Die hier gesammelten Aphorismen sind ein hervorragender Zugang zum Werk des Karl Kraus – spiegeln sie doch das gesamte Spektrum der Themen und Gegenstände wider, deren sich Kraus sprachgewaltig angenommen hat: die Presse, Sprache, Literatur und Phraseologie, die Erotik und die Moral der Philister, Lüge und Krieg, die geschundene Kreatur. Die konkreten Anlässe (und Personen) seiner Satiren sind – wie er es selbst vielfach prophezeit hat – heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Bleibende Gültigkeit und unsterbliche Aktualität gewannen seine Texte eben durch die sprachliche Form, durch die Kraus diesen Ereignissen Gestalt verlieh. Ein immer wieder erhobener Vorwurf gegen Kraus lautet, dass er »mit Kanonen auf Spatzen« gezielt habe. Dieser Vorwurf verkennt aber genau dieses Verhältnis der Satire zu ihrem Gegenstand. Im scheinbar Nebensächlichen erkannte Kraus Symptome eines grundsätzlichen Übelstandes, und gerade die aufmerksame Beobachtung dieser Symptome lässt ihn diese Übelstände viel tiefer durchdringen als die meisten Zeitgenossen. Das Beispiel schlechthin hierfür ist sein gewaltiges Kriegsdrama – das Kraus selbst für unaufführbar hielt und das nach seiner Auskunft »einem künftigen Marstheater zugedacht« war – Die letzten Tage der Menschheit: Es ist eine imposante Collage von Einzelszenen, die gerade in individuellen Borniertheiten, Eitelkeiten, Spießigkeiten das Gemälde jener geistigen Disposition entwirft, die diese Menschheitskatastrophe erst ermöglicht hat. Ähnliches gilt für das Buch Die dritte Walpurgisnacht, das Kraus 1933 unter dem Eindruck der Machtergreifung Hitlers schrieb und dessen immerhin dreihundert Seiten er den Satz voranstellte: »Mir fällt zu Hitler nichts ein«. Kraus ließ dann allerdings den Druck stoppen, weil er für das Schicksal derer nicht verantwortlich sein wollte, die man »im Reich« mit seinem Buch ertappte. Erst nach dem Krieg kam es zur Veröffentlichung. Sein Material sind allen zugängliche Zeitungsberichte, mit deren Hilfe er den Charakter des Regimes entlarvte. Die verlogene Phraseologie ließ ihn das Künftige – »mit apokalyptischer Genauigkeit«, hätte er wohl selbst gesagt – vorwegnehmen. Damit straft er alle Lügen, die hinterher behaupteten, man hätte von nichts gewusst, und er entlarvt darin vor allem die geistigen Wegbereiter wie Martin Heidegger oder Gottfried Benn, die nach dem Krieg wieder ihre soziale Anerkennung und akademische Position behaupten konnten.

Hans Weigel hat in seiner überaus empfehlenswerten Kraus-Biografie1 die interessante These aufgestellt, das Phänomen Kraus sei vor allem von daher verständlich, dass ihm selbst eine Karriere als Schauspieler verwehrt gewesen sei (als Neunzehnjähriger erlebte er an einer Vorstadtbühne ein Debakel) und er ein Leben lang versucht habe, sich der Sphäre des Theaters auf Umwegen zu nähern. Wenn diese These m.E. auch als Gesamtdeutung von Karl Kraus zu kurz greift, so ist sie doch aufschlussreich. Immerhin hat Kraus selbst bekannt, er wäre wohl der einzige Schriftsteller, der sein Schreiben schauspielerisch erlebe, und seine über siebenhundert Vorlesungen hat er selbst als »Theater der Dichtung« bezeichnet. Jedenfalls gewinnen seine hier wiedergegebenen Aphorismen zu Drama und Schauspielkunst biografische Plausibilität.

Einen lexikalischen Eintrag über sich, in dem zu lesen war: »kritisiert die Auswüchse der Presse« hat Karl Kraus korrigiert, indem er »Auswüchse der« tilgte. Das Unwesen der Presse galt ihm ohne Unterschied als die Verallgemeinerung der Phrase, der Lüge, des Ungeistes der Zeit. Zu beachten bleibt hierbei, dass die Presse noch nicht der heutigen Gesetzgebung und den heute geltenden journalistischen Standards unterworfen war. Eine Unterscheidung zwischen redaktionellem Bericht und bezahlter Anzeige war vielfach nicht möglich. Dennoch erscheint Kraus hier gerade angesichts unserer Durchkommerzialisierung der Medien (Privatfernsehen) und deren Rolle bei der Zurichtung der Menschen auf die Zwecke der Produktion aktueller denn je.

Viel entscheidender noch ist Kraus’ geradezu metaphysische Auffassung von Sprache. Er selbst hat sich zu einem „verbotenen Intimverhältnis“ zur Sprache bekannt. Sprache war für ihn nicht etwas, das man »beherrscht«, sondern das sich einem erschließt, eine Sphäre, in die man hineinwächst, der man zu dienen hat, und eben kein Handwerk. Seine Auffassung von Sprache, der so viele Aphorismen gewidmet sind, kann man am besten durch die Lektüre seiner Essais Nestroy und die Nachwelt bzw. Heine und die Folgen ergründen. Das Problematische, Befremdliche an Karl Kraus sei nicht verschwiegen. Da ist zunächst sein Verhältnis zur zu seiner Zeit gerade entstehenden Psychoanalyse, der hier höchst geistreiche und vergnügliche Aphorismen gewidmet sind. Sicher ist zu bedenken, dass Kraus’ satirische Angriffe vor allem jener verflachenden Breitenwirkung der jungen Wissenschaft galten und nicht in erster Linie dieser selbst. Recht ist ihm in jedem Fall zu geben, wenn er sich scharfsinnig gegen einen Reduktionismus wendet, der allzu platt alle Dimensionen des Menschseins in durchschaubare Mechanismen des Unbewussten auflösen will. Doch es bleibt der Eindruck, dass hier »das Kind mit dem Bade« ausgeschüttet wird. Übrigens empfand umgekehrt Sigmund Freud für Karl Kraus – vor allem wegen dessen mutiger Haltung gegenüber der verlogenen Gesellschaftsmoral und Sexualgesetzgebung – größte Hochachtung.

Problematisch, ja aus heutiger Sicht schier unerträglich sind viele Aussagen zum Thema „Frau“; auf viele wurde deshalb in dieser Auswahl auch verzichtet. Hier ist auf den Hintergrund zu verweisen: Im Jahr 1903 erschien das Buch Geschlecht und Charakter des erst 23-jährigen Otto Weininger, das von vielen damaligen Größen der Geisteswelt enthusiastisch gefeiert wurde. Weininger schöpft darin aus einem reichhaltigen philosophischen, psychologischen, biologischen und historischen Wissen, das er zu einer Theorie der Geschlechter verarbeitet, die heute nur noch als hanebüchen bezeichnet werden kann: Der Frau spricht er von Natur her jegliche Fähigkeit zu Logik, Ethik etc. ab, er weist ihr das Feld der Lust und Sinnlichkeit zu. Individualität, Wille, etc. eignen einzig dem Mann. Karl Kraus gehörte – wie etwa auch Strindberg – zu den vielen Intellektuellen seiner Zeit, die Weiningers Thesen begeistert rezipierten. Nach Weiningers spektakulärem Suizid noch im Jahr des Erscheinens seines Buches erschienen Würdigungen in der Fackel. Diese kruden Auffassungen stehen allerdings auch in auffallendem Kontrast zur Hochachtung, die Karl Kraus selbst den von ihm geliebten Frauen entgegenbrachte – der früh verstorbenen Schauspielerin Annie Kalmar, seiner großen Liebe Sidonie von Nádherny und schließlich Helene Kann, die ihn ins Sterben begleitete – und von der es beeindruckende literarische Zeugnisse (etwa Gedichte) gibt. Gerade diejenigen, die Kraus schätzen und verehren, berührt es dennoch peinlich, dass Kraus aus dieser trüben Quelle schöpft. Allerdings: Im Gegensatz zu Weininger selbst hat Kraus ganz andere, höchst progressive Schlussfolgerungen aus diesen Thesen gezogen! Dazu gehört etwa die Verteidigung der Prostitution – einer Dienstleistung, die sich jeder bürgerlichen Moralität als überlegen erweist. Sie fügt sich freilich ein in Kraus` Gesamthaltung zu Sexualmoral und Sexualgesetzgebung. Dazu zählt seine unerschütterliche Position, dass sich der Staat in Belange des Geschlechtslebens nicht einzumischen habe und dass gerade die gesetzlich verordnete Sexualmoral das Verbrechen – etwa in Gestalt von Erpressung und Wucher – zeitige. Mit größter satirischer Schärfe etwa »erledigt« Kraus Maximilian Harden, der den politischen Gegner mit dem Vorwurf der Homosexualität zu diskreditieren versucht. Als Hintergrundlektüre der diesbezüglichen hier wiedergegebenen Aphorismen sei Kraus’ programmatischer Essai Sittlichkeit und Kriminalität empfohlen, aber auch Die chinesische Mauer. In seinen Aussagen zur Vielgestaltigkeit des Eros, der sich jeder bürgerlichen Reglementierung widersetzt, hat sich Kraus wiederum als feinsinniger Beobachter und Interpret menschlichen Empfindens erwiesen.

Schon erwähnt wurde die Haltung Karl Kraus’ zum Ersten Weltkrieg, der in diesem Band neben knappen Aphorismen auch durchaus längere Textabschnitte gewidmet sind. Am 1. August 1914, als der Mainstream der Literaten in den abstoßendsten Jubel der Kriegsbegeisterung einstimmte, hat Karl Kraus zunächst geschwiegen. Erst im Dezember brach er dieses Schweigen mit seiner programmatischen Anrede In dieser großen Zeit. Sie sei nachdrücklich als Hintergrundlektüre der hier wiedergegebenen Texte empfohlen – ebenso wie die vielen, oft kurzen und leichter verdaulichen Glossen aus den Kriegsjahrgängen der »Fackel«.

Möge diese Aphorismensammlung vor allem dazu anregen, mehr aus dem Werk von Karl Kraus zu lesen. Die hier erwähnten Texte können als kleine Leseanleitung dienen.

Für viele, die Karl Kraus hier zum ersten Mal lesen, wird sich da und dort ein Widererkennungseffekt einstellen: »Schon mal gehört!« Viele seiner Aphorismen wurden aus dem Gesamtzusammenhang herausgepflückt und ohne Quellenangabe weitertradiert. Selbst die humorlosesten »Komiker« unserer Fernsehunterhaltung haben sich an Karl Kraus vergriffen. Die Herkunft vieler „Bonmots“, die bei Kraus noch Gedanken waren, ist heute vielfach nicht mehr bewusst. Freilich hat Kraus auch dies schon vorweggenommen und darauf hingewiesen, dass seine Gedanken nur innerhalb der Atmosphäre seines Gesamtwerkes wirklich lebendig gedeihen und davon isoliert schnell verwelken. Und der posthumen Ausschlachtung seines Werkes ist er selbst in der für sich selbst entworfenen Grabesinschrift zuvorgekommen:

Wie leer ist es hier
an meiner Stelle.
Vertan alles Streben.
Nichts bleibt von mir
als die Quelle,
die sie nicht angegeben
.

Bruno Kern

1Hans Weigel, Karl Kraus oder Die Macht der Ohnmacht, München 1972.

ERSTES BUCH

SPRÜCHE UND WIDERSPRÜCHE

I. WEIB, FANTASIE

Des Weibes Sinnlichkeit ist der Urquell, an dem sich des Mannes Geistigkeit Erneuerung holt.

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Die wahre Beziehung der Geschlechter ist es, wenn der Mann bekennt: Ich habe keinen andern Gedanken als dich und darum immer neue!

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Das gedankenloseste Weib liebt im Dienste einer Idee, wenn der Mann im Dienste eines Bedürfnisses liebt. Selbst das Weib, das nur fremdem Bedürfnis opfert, steht sittlich höher als der Mann, der nur dem eigenen dient.

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Männerfreuden – Frauenleiden.

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Wenn eine Frau auf das Wunderbare wartet, so ist es ein verfehltes Rendezvous: Das Wunderbare hat auf die Frau gewartet. Die Unpünktlichen!

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Nichts ist unergründlicher als die Oberflächlichkeit des Weibes.

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Den Inhalt einer Frau erfasst man bald. Aber bis man zur Oberfläche vordringt!

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Der Spiegel dient bloß der Eitelkeit des Mannes; die Frau braucht ihn, um sich ihrer Persönlichkeit zu versichern.

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Die Erotik des Mannes ist die Sexualität des Weibes.

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Der »Verführer«, der sich rühmt, Frauen in die Geheimnisse der Liebe einzuweihen: Der Fremde, der auf dem Bahnhof ankommt und sich erbötig macht, dem Fremdenführer die Schönheiten der Stadt zu zeigen.

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Das aktive Wahlrecht des Männchens haben die Realpolitiker der Liebe geschaffen.

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Sie behandeln eine Frau wie einen Labetrunk. Dass die Frauen Durst haben, wollen sie nicht gelten lassen.

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Eine Frau, die gern Männer hat, hat nur einen Mann gern.

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Auch geistige und sittliche Qualitäten des Weibes vermögen die wertlose Geschlechtlichkeit des Mannes anzuregen. Es kann kompromittierend sein, sich mit einer anständigen Frau auf der Straße zu zeigen; aber es grenzt geradezu an Exhibitionismus, mit einem jungen Mädchen ein Gespräch über Literatur zu führen.

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Wenn ein Weib einen Mann warten lässt, und er nimmt mit einer andern vorlieb, so ist er ein Tier. Wenn ein Mann ein Weib warten lässt, und sie nimmt mit keinem andern vorlieb, so ist sie eine Hysterikerin. Phallus ex machina – der Erlöser.

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Hundert Männer werden ihrer Armut inne vor einem Weib, das reich wird durch Verschwendung.

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Die Sexualität der Frau besiegt alle Hemmungen der Sinne, überwindet jedes Ekelgefühl. Manche Gattin würde sich mit der Trennung vom Tisch begnügen.

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Wie wenig Verlass ist auf eine Frau, die sich auf einer Treue ertappen lässt! Sie ist heute dir, morgen einem andern treu.

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Ich vertraue nur jener, die den Genuss nicht allemal mit seelischer Empfängnis büßt und die jedes Erlebnis in der Wanne des Vergessens abspült.

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Sie sagte sich: Mit ihm schlafen, ja – aber nur keine Intimität!

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An allen Geschäften des Lebens ist das Weib mit seinem Geschlecht beteiligt. Zuweilen selbst an der Liebe.

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Ein Weib, dessen Sinnlichkeit nie aussetzt, und ein Mann, dem ununterbrochen Gedanken kommen: zwei Ideale der Menschlichkeit, die der Menschheit krankhaft erscheinen.

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Die Frau ist da, damit der Mann durch sie klug werde. Er wird es nicht, wenn er aus ihr nicht klug werden kann. Oder wenn sie zu klug ist.

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Ein Liebesverhältnis, das nicht ohne Folgen blieb. Er schenkte der Welt ein Werk.

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Welche Wollust, sich mit einer Frau in das Prokrustesbett seiner Weltanschauung zu legen!

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Ich stehe immer unter dem starken Eindruck dessen, was ich von einer Frau denke.

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Wenn ich eine Frau so auslegen kann, wie ich will, ist es das Verdienst der Frau.

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Der Ästhetiker: Sie wäre ein Ideal, aber – diese Hand! Der Erotiker: Sie ist mein Ideal; also müssen alle Frauen diese Hand besitzen!

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Zur Vollkommenheit fehlte ihr nur ein Mangel.

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Schönheitsfehler sind die Hindernisse, an denen sich die Bravour des Eros bewährt. Bloß Weiber und Ästheten machen eine kritische Miene.

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Eine Frau, die nicht hässlich sein kann, ist nicht schön.

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Es gibt Frauen, die nicht schön sind, sondern nur so aussehen.

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Einförmige Schönheit versagt gerade in dem Augenblick, auf den es hauptsächlich ankommt.

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Kosmetik ist die Lehre vom Kosmos des Weibes.

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Wenn Frauen, die sich schminken, minderwertig sind, dann sind Männer, die Fantasie haben, wertlos.

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Nacktheit ist kein Erotikum, sondern Sache des Anschauungsunterrichtes. Je weniger eine anhat, um so weniger kann sie der besseren Sinnlichkeit anhaben.

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Es kommt gewiss nicht bloß auf das Äußere einer Frau an. Auch die Dessous sind wichtig.

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Sexus und Eros

Dem Sexus kommt es darauf an:

„Weib ist Weib“ und „Mann ist Mann“.

Eros aber deckt den Leib:

Weib ist Mann und Mann ist Weib.

Sucht das Tier den Unterschied,

Paart der Geist sich, wo es flieht.

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Dem Erotiker wird das Hauptmerkmal des Geschlechts nie Anziehung, stets Hemmung. Auch das weibliche Merkmal. Darum kann er zum Knaben wie zum Weibe tendieren. Den gebornen Homosexuellen zieht das Merkmal des Mannes an, gerade so wie den „Normalen“ das Merkmal des Weibes als solches anzieht. Jack the Ripper ist „normaler“ als Sokrates.

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Perversität ist entweder eine Schuld der Zeugung oder ein Recht der Überzeugung.

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Wer da gebietet, dass Xanthippe begehrenswerter sei als Alkibiades, ist ein Schwein, das immer nur an den Geschlechtsunterschied denkt.

Man glaubt mit einem Mann zu sprechen, und plötzlich fühlt man, dass sein Urteil aus dem Uterus kommt. Das beobachtet man häufig, und man sollte so gerecht sein, die Menschen nicht nach den physiologischen Merkmalen, die zufällig da sind, zu unterscheiden, sondern nach jenen, die fehlen.

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In der Sprachkunst nennt man es eine Metapher, wenn etwas „nicht im eigentlichen Sinne gebraucht wird“. Also sind Metaphern die Perversitäten der Sprache und Perversitäten die Metaphern der Liebe.

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Der Voyeur besteht die Kraftprobe des natürlichen Empfindens: Der Wille, das Weib mit dem Mann zu sehen, überwindet selbst den Widerwillen, den Mann mit dem Weib zu sehen.

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Das erotische Vergnügen ist ein Hindernisrennen.

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Mit Frauen muss man, wenn sie lange fort waren, Feste des Nichtwiedererkennens feiern.

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Perversität ist die Gabe, Vorstellungswerte und Empfindungen zu einem Ideal zu summieren.

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Als normal gilt, die Virginität im Allgemeinen zu heiligen und im Besondern nach ihrer Zerstörung zu lechzen.

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Ist der „Masochismus“ die Unfähigkeit, anders als im Schmerz zu genießen, oder die Fähigkeit, aus Schmerzen Genuss zu ziehen?

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Es gibt kein unglücklicheres Wesen unter der Sonne als einen Fetischisten, der sich nach einem Frauenschuh sehnt und mit einem ganzen Weib vorliebnehmen muss.

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