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Der perfekte Jogger

Von Jörn Auf dem Kampe

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Der perfekte Jogger

Die Evolution hat aus einem Baumbewohner den weltbesten Dauerläufer geformt: uns. Viele Besonderheiten in unserem Skelett, in Muskeln und Sehnen zeugen davon. Aber was tun wir mit dieser Begabung? Wir lassen sie meist verkümmern. Oder wir laufen falsch. Dabei reicht wenig, um gesund zu bleiben

Von Jörn Auf dem Kampe

Die Geschichte des besten Dauerläufers der Welt beginnt vor gut zwei Millionen Jahren in Ostafrika, und wer sie hören will, muss Turnschuhe einpacken und Daniel E. Lieberman treffen. Lieberman ist Evolutionsforscher in Harvard, 49 Jahre alt, leidenschaftlicher Jogger, Marathonzeit bei drei Stunden 24 Minuten, aber da ist noch Luft nach oben. Die Geschichte, die er so gern erzählt, ist unsere eigene: die des Menschen. Und damit unweigerlich, sagt er, auch die des Laufens.

„Auf geht’s“, ruft der Professor und rennt los in den kühlen Morgen, die Oxford Street hinunter, Richtung Süden. Für Interviews ist das eine gute Zeit, man hat ihn ganz für sich. „Wir Menschen sind besser als jedes andere Wesen fürs ausdauernde Laufen gebaut“, sagt Lieberman, während er mit federnden Schritten durch Cambridge bei Boston strebt.

Unser Kühlsystem, zum Beispiel. Phänomenal. „Du und ich, wir alle sind Weltmeister im Schwitzen“, sagt der Forscher, der die Vorzüge des menschlichen Körpers anpreisen kann wie ein Autoverkäufer die Ausstattung seines Premiummodells. „Mehr als ein Liter Schweiß pro Stunde. Da können andere Landtiere nicht mithalten.“ Die schwitzen kaum, viele hecheln bloß zur Abkühlung. Hunde etwa, Geparden oder Gazellen. Hecheln aber kühlt schlechter, es droht Überhitzung. Auf langer Strecke laufen wir Menschen die Konkurrenz in Grund und Boden.

Dann unser Gesäß. Ungemein kräftig, es stabilisiert den Lauf. Unabdingbar für die gewandte Fortbewegung auf zwei Beinen. Oder unser Fuß. Sehr flexibel, ein Meisterwerk der Evolution. Erlaubt einen effizienten Vortrieb. Und verschafft uns auf großer Distanz Wettbewerbsvorteile.

Liebermans Kurzversion unserer Geschichte lautet: Die afrikanischen Vorfahren von Homo sapiens haben den Dauerlauf perfektioniert, um Wild in den Hitzekollaps zu hetzen. Ohne diese Fähigkeit hätten unsere Urahnen kaum überlebt, hätte es unsere Spezies vielleicht nie gegeben. Und nichts hat unseren Körper so geprägt wie jene frühe Art der Jagd.

Aber nicht jeder weiß, wie man mit diesem Erbe richtig umgeht. Oder weiß überhaupt davon. Dan Lieberman will das ändern. Deshalb studiert er die Gerippe unserer Vorfahren, analysiert mit Hightech-Geräten, wie sich moderne Zeitgenossen bewegen. Macht sich selbst zum Versuchsobjekt, indem er lange Distanzen barfuß läuft, wie die ersten Jäger. Die ärmsten Gegenden der Erde sucht der Wissenschaftler auf und erforscht dort den Laufstil von Menschen, die noch nie in ihrem Leben Schuhe getragen haben. Weil er die natürlichste und gesündeste Art der Fortbewegung entschlüsseln will.

Wie das Laufen uns geformt hat, das ist sein großes Thema. Es begleitet ihn auf den Tausenden Kilometern, die er im Jahr joggend zurücklegt, ebenso bei der Arbeit im Labor, wo er die Geheimnisse unseres Werdegangs mit großem Aufwand zu lüften versucht.