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Hans-Joachim Eckstein

Du liebst mich, also bin ich

Gedanken · Gebete · Meditationen

Hans-Joachim Eckstein

Du liebst mich,

also bin ich

Gedanken · Gebete

Meditationen

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Dr. Hans-Joachim Eckstein ist Professor für Neues Testament an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen. www.uni-tuebingen.de/ev-theologie/personal/eckstein

15. Auflage 2009

Bestell-Nr. 393.633

ISBN 978-3-7751-7023-9 (E-Book)

ISBN 978-3-7751-3633-4 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:

Fischer, Knoblauch & Co. Medienproduktionsgesellschaft mbH, 80801 München

© Textcopyright by Hans-Joachim Eckstein

SCM Hänssler im SCM-Verlag GmbH & Co. KG.

71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-haenssler.de

E-Mail: info@scm-haenssler.de

Umschlaggestaltung: waterproof grafikdesign, Ingo C. Riecker

Titelbild: Sybille Fischer-Bradford, Bodensee-Abend, 1996,

Artothek

Satz: Vaihinger Satz & Druck

Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Printed in Germany

Wenn Gott für dich ist,

wie kannst du dann

gegen dich sein?

VORWORT

Der Glaube ist nicht nur eine Sache des Kopfes. Noch weniger kann er ausschließlich auf Gefühlen gründen. Vielmehr hat das Evangelium von Christus den ganzen Menschen im Blick. Es zielt auf Kopf, Bauch und Herz zugleich und will Verstand, Gefühl und Wille zu einer neuen und erlösten Einheit zusammenschließen.

Versöhnend und integrierend wirkt der Glaube auch in vielen Lebensbereichen, in denen wir uns oft als widersprüchlich und gespalten erfahren. So sind Selbstfindung und Suche nach Gott, Nächstenliebe und Selbstverwirklichung, konsequente Nachfolge und lebensbejahende Weltbezogenheit keine Gegensätze, sondern verschiedene Aspekte eines ganzheitlich gelebten Glaubens.

In dem vorliegenden Buch wechseln selbstkritische Betrachtungen mit ironischen Aphorismen, von Vertrauen und Geborgenheit geprägte Gebete mit Meditationen über zentrale Glaubensinhalte. Ob prosaisch oder lyrisch formuliert, ob tröstend und einfühlsam oder scharfzüngig und kritisch, haben die verschiedenen Abschnitte eines gemeinsam – sie möchten die Leserinnen und Leser zu einer ehrlichen Auseinandersetzung mit sich selbst ermutigen und sie in der Suche nach einer echten und befreienden Gestalt des Glaubens bestärken.

Da die Artikel thematisch nur lose verbunden sind und in sich abgeschlossene Einheiten bilden, können sie durchaus auch einzeln gelesen bzw. als Grundlage für Gruppengespräche verwendet werden.

Gewidmet ist das Buch sowohl denen, die sich ungebrochen ihres Glaubens freuen, wie denen, die sich nach einer Zeit der Krise und Entfremdung eine neue, nachkritische und reife Ursprünglichkeit wünschen.

Hans-Joachim Eckstein

WER BIN ICH?

Auf die Frage, wer ich bin, gibt es tausend Antworten – ein jeder, der mich kennt, gibt eine andere. Aber welche davon ist die zutreffende, und gibt es verschiedene, welche die für mich verbindliche?

Stimmt das Bild, das meine Freunde von mir haben? Oder liegt die Wahrheit eher auf der Seite meiner Feinde? Kennt mich meine Familie am besten – oder die am allerwenigsten?

Bin ich vielleicht das, was ich tue? Beschränkt sich gar mein Wert auf den Wert meiner Arbeit? Zwar lebe ich oft nur noch, um zu arbeiten – anstatt zu arbeiten, um zu leben –, aber ich weiß wohl letztlich selbst, dass das nur Flucht ist und nicht Antwort auf die Frage nach dem Wesen meines Lebens.

So ziehe ich mich still in mich zurück, um bei mir selbst zu hören und zu lernen. Doch sind die Stimmen, die ich da vernehme, zu meiner Überraschung genau dieselben, die ich draußen hörte. Es tönt in mir so, wie es draußen klang, und meine Bilder von mir selbst sind die gleichen, die andere von mir haben.

Es scheint, dass ich die Antwort auf die Frage nach mir selbst nicht unabhängig von anderen finde und dass ich erst in der Begegnung mit einem Gegenüber zutiefst mir selbst begegne. Wenn das so ist, dann möchte ich mich aber nicht beliebig prägen lassen. Ich will nicht, dass gerade die Personen meine Identität bestimmen, mit denen ich mehr durch Zufall als durch Entscheidung häufig zusammen bin. Wenn von der Wahl meiner Bezugspersonen so viel abhängt, dann möchte ich sie unbedingt bewusst und aus Überzeugung treffen.

Bei meiner Suche nach der Person, die ich über alle anderen schätze und auf deren Meinung ich mehr als auf die all der anderen gebe, komme ich, mein Gott, auf dich – und frage dich: Wer bin ich?

Ich bin dein Ebenbild, dein Gegenüber! Du liebst mich – also bin ich. Ich bin von dir geliebt – das bin Ich!

IM WEGE STEHEN

Was soll Gott machen, wenn ich ihn bitte, die Hindernisse auf meinem Weg zu ihm wegzuräumen – und ich mir selbst im Wege stehe?

Wenn ich selbst das größte Hindernis bin, hat es keinen Sinn, nur irgendetwas anderes zu beseitigen. Beseitigt er aber mich, dann bin ich ja nicht mehr und kann auch nicht mehr zu ihm kommen.

Es ist das Geheimnis des Kreuzes und der Auferstehung Jesu, dass Gott mich als den alten Menschen mit Christus in den Tod gegeben hat, damit ich als der neue Mensch jetzt uneingeschränkt mit Christus leben kann.

Gott hat den Weg zu sich geebnet, indem er mir nicht nur etwas, nämlich meine Schuld und Sünde, sondern auch mich selbst, den Sünder, abgenommen hat.

So hat er mein Gebet schon lange erhört und alles, was mich von ihm trennt, beseitigt, damit ich mich nun – ungehindert von mir selbst – auf meinen Weg zu ihm machen kann.

DIE GANZ GROSSE LIEBE

Wenn wir uns

an einen anderen Menschen hängen,

weil uns die Suche nach uns selbst

zu mühsam ist,

dann haben wir ihn schon verloren,

bevor wir ihn gefunden haben.

Wenn wir aus Selbsthass in die Liebe

zu einem anderen Menschen fliehen,

dann wird unsere Liebe zu ihm

in Hass umschlagen,

sobald er uns – und somit

zu uns selbst gehört.

Wenn sich unser Ideal von Liebe

nur in Erwartungen an den anderen äußert

und nicht in unserer Bereitschaft für ihn,

dann werden wir auf die Bereitschaft

eines anderen wohl umsonst warten.

Wenn … ja, wenn das alles so ist,

dann sollten wir wohl

mehr von uns erwarten

als von der großen Liebe –

das erwartet die Liebe von uns.

UND IST GEFUNDEN WORDEN

Die Suche nach uns selbst

und nach dem Ort,

wo wir zu Hause sind,

gestaltet sich deshalb

so schwierig,

weil wir letztlich nicht

auf das Finden aus sind –

sondern auf das Gefunden-Werden.

Zutiefst ahnen wir,

dass wir uns selbst nur

finden können,

wenn wir von einem

Gegenüber gefunden werden.

Entsprechend erkennen wir uns,

wenn wir zum Glauben finden,

wie selbstverständlich als jemanden,

der von Gott gesucht

und gefunden wurde.

Lukas 15,1-32

AUF DER SUCHE

Er fuhr nach Indien, denn

es schien die Reise ihm

ins eigne Herz zu weit.

Doch wüsste er, wie nah

für ihn das Fernste liegt,

er hätte Ruhe

für den Rest der Zeit.

WEGLAUFEN VOR GOTT?

Wenn Gott ruft:

»Adam, wo bist du?«,

dann ist wichtiger

noch als die Frage,

wo ich gerade bin,

die Frage,

wo ich hinlaufe.

1. Mose 3,8-10

FEIGENBLÄTTER

Eine unrichtige –

aber wahre Erklärung:

Warum nahmen Adam und Eva

bei ihrer Abkehr von Gott

ausgerechnet Feigenblätter?

Weil es Feigheit ist,

sich vor Gott zu verstecken.

FLASCHE

Du sagst, du hältst dich selbst

für eine Flasche.

Du seist ein für Gott unbrauchbarer

und zum Leben ungeschickter Mensch.

Das ist nun freilich noch kein Grund,

gleich zu verzweifeln.

Denn auch die gewöhnlichste Flasche

kann durch einen kostbaren Inhalt

ausgesprochen wertvoll werden.

Wenn Gott selbst

durch seinen Geist in dir wohnt

und das in dir bewirkt,

was du an sich nicht sein kannst,

dann bist du durch ihn

– Flasche hin oder her –

ein unendlich wertvoller Mensch.1

TOTAL VERFAHREN

Wenn wir aus Versehen den Rückwärtsgang drin haben und deshalb in die falsche Richtung fahren, dann hilft kein Beschleunigen und kein Gasgeben – sondern nur Bremsen, Schalten und Umkehren.

Wenn wir Gott in unserer Verzweiflung darüber, dass bei uns alles so verkehrt läuft, um seine Kraft und Unterstützung bitten, dann wird er uns, weil er uns liebt, mit Sicherheit nicht geben, worum wir ihn bitten. Wie sollte er auch fördern, womit wir uns schaden, und beschleunigen, was uns von ihm wegführt?

Bevor er uns erhört, wird er wohl warten, bis wir uns besinnen und merken, dass wir uns mit unserem Verhalten von ihm und uns selbst wegbewegen.

So bleibt uns dann in unserer verfahrenen Situation nur noch das eine und einzig Richtige übrig – nämlich: zur Ruhe kommen, schalten und umkehren!

UNGLAUBLICH – ABER GLAUBHAFT!

»Da sie aber noch nicht glaubten vor Freude … «

Lukas 24,41

Es gibt eine sonderbare Art des Unglaubens, die sich allein daran stößt, dass das Erkannte einfach zu schön ist, um wahr zu sein. Als der Auferstandene seinen Jüngern begegnet, können sie das, was sie sehen, nicht glauben – aus keinem anderen Grund als dem, dass sie sich unglaublich freuen.

Wie oft haben wir die Botschaft des Evangeliums in unserem Leben schon abgeschwächt, nur weil wir nicht glauben wollten, dass es in dieser traurigen Welt tatsächlich eine solch ›erfreuliche Nachricht‹ gibt. Wie häufig schon haben wir den persönlichen Zuspruch Gottes in Hinsicht auf uns selbst relativiert, nur weil er so gar nicht zu unserer persönlichen Biographie und Erfahrung passt.