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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2538

 

Aufbruch der LEUCHTKRAFT

 

Begegnung in Totemhain – das Geheimnis der Lokopter

 

Robert Feldhoff/Uwe Anton

 

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Auf der Erde und den zahlreichen Planeten in der Milchstraße, auf denen Menschen leben, schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hundert Jahren herrscht in der Galaxis weitestgehend Frieden: Die Sternenreiche arbeiten daran, eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Die Konflikte der Vergangenheit scheinen verschwunden zu sein.

Vor allem die Liga Freier Terraner (LFT), in der Perry Rhodan das Amt des Terranischen Residenten trägt, hat sich auf Forschung und Wissenschaft konzentriert. Sogenannte Polyport-Höfe stellen eine neue, geheimnisvolle Transport-Technologie zur Verfügung. Gerade als man diese zu entschlüsseln beginnt, greift die Frequenz-Monarchie über die Polyport-Höfe nach der Milchstraße. Zum Glück kann der Angriff aufgehalten werden.

Perry Rhodan folgt einem Hilferuf der Terraner in das in unbekannter Ferne liegende Stardust-System. Dort erhält er eine Botschaft der Superintelligenz ES, deren Existenz wohl von den gegenwärtigen Ereignissen akut bedroht wird, und reist weiter nach Andromeda, wo sich eine Zentrale der Frequenz-Monarchie zu befinden scheint.

Doch das ist nicht alles, was die Menschen beschäftigt. Insbesondere einer wird von einer unstillbaren Sehnsucht nach den Rätseln des Kosmos getrieben und spürt seit Langem, dass sich Bedeutsames anbahnt. Dieser Mensch ist Alaska Saedelaere, und er erlebt den AUFBRUCH DER LEUCHTKRAFT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Alaska Saedelaere – Der Mann mit der Maske begegnet erneut dem Raumschiff LEUCHTKRAFT.

Samburi Yura – Die Frau Samburi bereitet ihrer Besatzung Kopfzerbrechen.

Ennerhahl – Ein Fremder auf der Welt der Lokopter.

Eroin Blitzer – Ein Offizier macht sich Gedanken um seine Kommandantin.

1.

10. April 1463 NGZ

Waringer-Akademie Terrania

Admiral Hakhat Drive

 

Alaska Saedelaere bemerkte seinen Verfolger zum ersten Mal, als er am späten Nachmittag, das Gesicht tief beschirmt, durch Atlan-Village wanderte. Entlang an den Cafés und Appartements, den Blick der Menschen meidend, wo es ging, im Regenwetter eine dunkle verwaschene Gestalt, die niemandes Interesse weckte. Dachte er.

Er, Saedelaere, war kein Sonnenmensch. Vom glatten Plastik seiner Maske sickerte Feuchtigkeit auf Kragen und Brust. Seine Kleidung wies Regen zwar ab, aber darunter war die Haut nass.

Für einen Moment blieb Alaska Saedelaere stehen. Er wollte von den Leuten in den Geschäften nicht angestarrt werden; doch bei diesem Wetter schenkte ihm ohnehin niemand Beachtung.

Also was?

Die Gestalt, die er eben bemerkt hatte, spiegelte sich für wenige Sekunden im Reflektor einer Kommerzreklame. Dann war sie verschwunden.

Ob es nur ein einzelner Verfolger war, ließ sich nicht sicher sagen, zumindest ließ sich nur einer blicken.

Saedelaere glaubte nicht, dass er in Gefahr schwebte. Sein Instinkt funktionierte ausgezeichnet. Nein, was immer der Verfolger plante, töten wollte er den Maskenträger ganz sicher nicht. Was auch nicht so einfach gewesen wäre.

In gewisser Weise hatte er die ganze Zeit gewusst, dass etwas geschehen würde. Dass Saedelaere in den letzten dreizehn Jahren die Erde nicht mehr verlassen hatte, lag an diesem Instinkt. Der kurze Abstecher mit Ronald Tekener ins Akon-System war die Ausnahme gewesen, die die Regel bestätigte. Saedelaere hatte sich schlicht und einfach geirrt. Er hatte geglaubt, das Akon-Fanal sei jenes Ereignis gewesen, auf das er wartete, aber er hatte sich getäuscht.

Alaska Saedelaere stieg auf den Sattel seines Niedrig-G-Flugrades, mit dem er aus dem Nordwesten der Stadt gekommen war, und wandte sich gemächlich vom Village aus Richtung Zentrum.

Weder hinter noch neben ihm gewahrte er die Person ein zweites Mal. Er folgte im Gleitflug der Thora-Road, verzichtete auf jeden Notruf oder eine Nachricht an die Polizei. An der Waringer-Akademie bog er schließlich ein.

Er ließ das Niedrig-G-Rad am Eingang stehen.

Saedelaere schätzte die blaue Stunde an der Akademie, jene begrenzte Zeit nach Einbruch der Dämmerung, bevor es finster wurde. Die Beleuchtung am Rainbow-Dome, die den Kalup-See überstrahlte, wurde mit einbrechender Nacht hochgeschaltet, der Strom von Gleiterverkehr und Passanten dünnte aus, und die hundert Jahre alte Siedlung der Laosoor – mit der Schule der Diebe an einer lichtabgewandten Flanke – schmiegte sich wie unwirklich in die Schatten um das Gelände. Aliens und Touristen aus dem Solsystem strömten aus den Gebäuden, kaum dass es 19 Uhr war, zu Feuerwerken und zum Wochenmarkt der Robot-Marketender am Kalup-See.

Dorthin wandte sich auch Saedelaere.

Als Maskenträger fiel er dort nicht auf. Besonders dann nicht, wenn der Rainbow-Dome strahlte, das Wahrzeichen des Viertels. Saedelaere konnte jetzt Terraner unter Terranern sein, selbst mit der stilisierten feuchten Plastikschale, die sein Gesicht verbarg.

Aber deshalb war das Wesen, das ihn verfolgte, nicht gekommen.

 

*

 

Der Verfolger stellte sich nicht geschickt genug an, um lange verborgen zu bleiben. Es fiel Saedelaere leicht, ihn an der Wasserkante zum Kalup-See zu identifizieren.

Er setzte seinen Weg fort, ohne sich umzublicken. Mithilfe seines Kom-Armbandes und einer Mikro-Positronik zapfte er stattdessen die Aufzeichnungsgeräte der Touristen an, die den Schauplatz bevölkerten, und nutzte sie als Informationsquelle.

Der Beobachter war kein Mensch, eigentlich gar nichts Lebendiges im ursprünglichen Schöpfungssinn, sondern ihm haftete etwas Künstliches an. Saedelaere kannte diese Art von Wesen. Für Terraner und ihre Belange interessierte das Geschöpf sich nicht sonderlich, und der Blick seiner Kinderaugen – wenn man sie angesichts ihrer distanzierten Fremdartigkeit so nennen wollte – wirkte seelenlos. Wenn der Verfolger sich überhaupt bewusst war, dass die Waringer-Akademie ein Wunderwerk darstellte, so hatten seine Augen anscheinend größere gesehen.

An den Gliedern des Wesens klebte eine Art Anzug, der nach filzigem terranischem Flanell aussah. Eine Modeerscheinung des letzten Gobi-Winters, von der eine seltsame Biederkeit ausging; unter den Beinen der Hose wirkten die Proportionen menschlich genug, um Städter nicht zu verstören, und fremdartig genug, um an einen echten Terraner keinen Gedanken aufkommen zu lassen.

Saedelaere schlug einen Haken, als der Verfolger kurz außer Sicht geriet.

Von hinten näherte er sich dem Humanoiden.

Unvermittelt hockte er an seiner Seite, im feuchten Gras des Damms, der das Ufer zum Kalup-See befestigte.

»Ich bin Alaska Saedelaere.«

Das Wesen erschrak nicht, jedenfalls nicht in einem erkennbaren Maß.

Es war nur einszwanzig groß, knochendürr und verhutzelt wie ein menschlicher Greis.

»Ich weiß.« Der kleine Fremde wiederholte den Namen, doch das Wort Alaska klang wie Alraska. »Ich weiß alles über dich. Auch wenn ich nicht geglaubt hätte, dass du mich entdecken würdest. Was habe ich falsch gemacht?«

Instinktiv rückte die Gestalt ein paar Zentimeter ab und starrte auf die Maske und den – im Vergleich – riesengroßen Terraner.

»Wie ist dein Name?«

»Eroin Blitzer.« Das Wesen zeigte eine Applikation am Revers seines Anzugs, die in der Tat einem Blitz ähnelte.

»Und was tust du hier, Eroin Blitzer? Warum verfolgst du mich?«

»Verfolgen? Suchen und bewerten oder suchen und einschätzen, das trifft es besser! Ich bin ein Offizier. Ein Beiboot-Commo'Dyr, der ein Vorauskommando befehligt. In diesem Fall bist du das Ziel des Kommandos, Alraska Saedelaere. Das Raumschiff LEUCHTKRAFT ist vor Kurzem in die Milchstraße gekommen, weil es nach dir sucht. Dann wollten wir bereits wissen, wo du zu finden bist.«

»Ihr wolltet ... sagtest du: Die LEUCHTKRAFT ist hier?«

Blitzer nickte wie ein Mensch. Eine Geste, die er sich abgeschaut haben musste, um unter Terranern weniger aufzufallen. So wie den Anzug.

»Ja, die LEUCHTKRAFT. Du erinnerst dich?«

Saedelaere schwieg für eine Sekunde verblüfft. Mit einem Mal wusste er wieder, woher er Wesen wie Eroin Blitzer kannte – und dass dieser ein Androide war. Weshalb er so sicher gewesen war, dass ihm keine Gefahr für Leib und Leben drohte. Auch wenn die Ereignisse hundertfünfzig Jahre zurücklagen, auch wenn der Kontakt zu Wesen wie Blitzer damals nicht sonderlich intensiv verlaufen war.

Andere Dinge hatten damals sein Interesse gebunden. Und an die wiederum erinnerte sich Alaska Saedelaere umso präziser.

»Die LEUCHTKRAFT sucht mich also«, murmelte er, immer noch in einem verblüfften Ton. »Aber warum?«

»Wegen der Frau Samburi«, lautete die grabesschwere Antwort.

Und damit war es heraus.

 

*

 

»Die Herrin der LEUCHTKRAFT«, formulierte der Commo'Dyr Blitzer, »ist in einer Mission verschollen, von der wir nichts wissen. Wahrscheinlich ist sie kosmisch wichtig, all ihre Missionen sind das. Vielleicht ist die Frau Samburi gestrandet oder tot. Wir haben sie natürlich selbst gesucht, schließlich sind wir ihre Androiden. Wieder und wieder und über viele Jahre nach deiner Zeitrechnung. Aber gefunden haben wir sie nirgendwo. Die Besatzung des Schiffes kann sich deshalb nicht mehr selbst helfen.«

»Frau Samburi Yura ... ist verschollen?«

»Ja«, bestätigte der Android.

»Wenn nicht tot.«

»Ja. Das Steuerhirn der LEUCHTKRAFT hat sich jedoch an dich erinnert, Alraska. Es glaubt, dass du uns helfen kannst, Samburis Spur wiederzufinden. Wenn sie nicht längst hinter einem Ereignishorizont ist oder wenn sie ...«

Den Rest ließ Blitzer offen.

»Die Meinung des Schiffes ist natürlich nicht unsere Meinung«, setzte Blitzer hinzu. »Ich und die Offiziere, wir glauben, dass du nicht das Geringste für uns und Samburi tun kannst. Deine Fähigkeiten sind uns unklar, welche auch immer du haben magst. Aber wir treffen die Entscheidung nicht. Wir führen sie lediglich aus.«

Saedelaere lachte. »Was für eine Mission kann das sein, die euch hilflos macht«, fragte er beißend, »und bei der eine Samburi verloren geht?«

»Die Frau Samburi hat uns nicht ins Vertrauen gezogen.«

»Das kann ich verstehen.« Saedelaere stützte sich mit den Händen ins Gras und blickte über den See. In Gedanken war er wieder im Jahr 1312 NGZ, als er Samburi Yura zum ersten Mal getroffen hatte.

Samburi hatte als Beauftragte der kosmischen Ordnungsmächte agiert. Sie war die Herrin des Raumschiffs LEUCHTKRAFT, und auf Alaska Saedelaere übte sie eine geheimnisvolle Faszination aus, ähnlich und doch weitaus stärker und schlichtweg anders als in seinem früheren Leben Kytoma. Er empfand Samburi – die letzte Enthonin, wie er später erfahren hatte – als überirdisch schönes Wesen, als Göttin oder als Engel. In gewisser Weise verkörperte sie die Reinheit selbst, so hatte Saedelaere sie damals erlebt.

Auf der anderen Seite hatte sie keine Moral, die Saedelaere erfassen konnte. Saedelaere hatte in der LEUCHTKRAFT, Samburis Schiff, einen furchtbaren Schlag erlitten: Sein Cappinfragment, das längst Geschichte gewesen war und ein eigenes Leben als Testare gelebt hatte, war zu ihm zurückgekehrt. Aus einer Pararealität oder woher auch immer, in jedem Fall unumkehrbar. Und welche Rolle Samburi bei dem ganzen grausamen Vorgang gespielt hatte, war ihm nicht ganz klar, auch wenn es den Anschein hatte, dass sie es ihm verpasst hatte. Als er sie danach fragte, beschied sie ihm, dass nur dieses Fragment ihn wieder ganz machen würde.

»Hör zu, Blitzer«, sagte er, »wenn Samburi verschwunden ist – wo befindet sich dann die LEUCHTKRAFT jetzt?«

»Zwanzig Flugstunden entfernt«, antwortete der Commo'Dyr prompt, froh, dass er endlich auf eine Frage die Antwort kannte. »Am Dengejaa Uveso, dem Schwarzen Loch eurer Milchstraße.«

»Und wo ist das Beiboot, das du befehligst?«

 

*

 

Saedelaere schaute auf und folgte der Blickrichtung des Commo'Dyr zum Himmel.

Vor die unscharfe, zwielichte Skyline über dem Akademiegelände schob sich ein kobaltblaues, walzenförmiges Stück Wandung, das nicht länger als zweihundert Meter war. Seine Optik wirkte auf Saedelaere diffus verschachtelt, als existiere die Walze in einer anderen Dimension. Sie entstammte einer ähnlichen Baureihe wie die Schiffe der Cairol-Roboter, unterschied sich aber durch die geringere Größe und ihre Diffusor-Optik, die eine Spezialität des Werftplaneten Evolux war.

Blitzer richtete sich im Gras des Damms auf und brachte eine Art Leuchtfeuerpatrone zum Vorschein oder jedenfalls einen Gegenstand, der einer Patrone ähnlich sah.

Vor Alaska Saedelaere öffnete sich aus offenem Himmel ein Tunnel aus Energie, der von dem feuchten Gras am Uferdamm aufwärts führte.

Auf dem Rasen entstand eine Luke, eine Erscheinung wie ein Fensterrahmen ohne Fenster, durch das Blitzer in einen anschließenden Korridor stieg.

Dahinter verschluckte weißes Licht den Humanoiden.

Alaska Saedelaere versuchte diese Technologie gar nicht erst zu begreifen. Weshalb auch? Er folgte Blitzer ins Innere.

Dass er Samburi helfen würde, war so klar wie der Untergang des Universums, auch wenn er keine Ahnung hatte, ob die verschollene Frau Samburi sein Ziel darstellte oder etwas anderes, das sein Instinkt ihm diktierte.

Commo'Dyr Eroin Blitzer führte ihn in eine Schaltzentrale, die nicht weit von der Einstiegsluke entfernt lag. Der Raum erlaubte Zugriff auf die Steuertechnologie des Bootes.

»ROTOR-G mit Passagier«, meldete Blitzer an den Schiffsrechner. »Kurs Terra-Orbit, es wird Zeit, uns abzusetzen.«

Das Beiboot hieß also ROTOR-G.

Zwei weitere Androiden, keiner größer als Blitzer selbst oder kräftiger, traten plötzlich aus den Seitenkorridoren, würdigten Saedelaere keines Blickes und besetzten einen Leitstand, der sich aus Schaltpulten bildete, die sich soeben manifestierten.

Sie stellten sich vor als Offizier Fallun Vierauf – mit einem Symbol auf dem Revers seines Anzugs, das einer Ziffer 4 in der Schrift der Mächtigen glich – und als Offizier N'tur Lind.

»Einige terranische Kommandanten mit starken Geschützen werden anscheinend nervös. Sie haben uns entdeckt. Vermutlich das Fenster.«

Fallun Vierauf fragte: »Gibt es da unten in dieser Akademie starke Ultrahochfrequenz-Orter?«

»Die besten des Systems«, antwortete Saedelaere. »Zahlreiche Experimentalgeräte.«

»Dann war es das UHF-Fenster, das uns verraten hat.«

Leichte Kreuzer und Space-Jets der terranischen Flotte umhüllten das Boot ROTOR-G unversehens wie eine Wolke, und als Saedelaere die Funk- und Orterbilder prüfte, fand er den Luftraum über der Akademie in militärischem Aufruhr.

Seine Terraner ... Reaktionsschnell wie immer.

Nur dass sie gegen das kobaltblaue Beiboot keine Chance hatten, insbesondere nicht im planetennahen Raum. Saedelaere versuchte sein Funkgerät zu aktivieren und den Sachverhalt für die Einsatzleitung drüben aufzuklären; doch Eroin Blitzer schüttelte nur unmerklich den Kopf, ohne den Maskenträger anzusehen. Kein Kontakt mehr zu deinesgleichen, hieß das.

Saedelaere zuckte die Achseln, als ROTOR-G Fahrt aufnahm. »Wartet mal. Ich bin gern bereit, euch auf der Suche nach Samburi Yura zu begleiten. Wir haben vorher jedoch einen kleinen Umweg vor uns. Etwas aus der Stadt, das mir gehört, brauche ich.«

Commo'Dyr Eroin Blitzer brach den Start der ROTOR-G, der eben begonnen hatte, unverzüglich ab.

»Einen Umweg?«

»Richtig.«

»Wohin, Alraska ... ?«, fragte Blitzer überrascht.

 

*

 

Der Bau von Kanchenjunga, einer achteckigen Wohnanlage in Sirius River City, mit Wohnungen für 30.000 Menschen und Extraterrestrier, datierte ins Jahr 1283 NGZ. Saedelaere besaß in Kanchenjunga ein Appartement, in dem er Vorbereitungen getroffen hatte, und zwar seit Monaten schon für einen Fall wie diesen.

Die ROTOR-G ging bei Kanchenjunga nieder und stoppte in Höhe des achtzehnten Stockwerks.

»Wartet hier«, wies er Eroin Blitzer an.

»Wir warten.«

Dem Commo'Dyr war unbehaglich zumute, Saedelaere sah und hörte es überdeutlich. Hatte er etwa Respekt vor Terranern? Doch er stellte die Weisung nicht infrage.

Der Maskenträger folgte aus dem Leitstand dem Korridor einige Meter und kletterte durch das UHF-Fenster ins Freie.

Aus dem Boot wechselte er auf seine Privatterrasse, während hoch oben die Kreuzer und die Space-Jets offensichtlich die Fährte der ROTOR-G bereits wieder aufgenommen hatten. Sein Kom-Armband zeigte Saedelaere nicht die Spur einer Streustrahlung, vermutlich projizierte das Beiboot einen Absorptionsschirm über die Wohnanlage, der nicht nur Emissionen schluckte, sondern Saedelaere weiterhin vom Funk abschnitt.

In noch größerer Höhe gingen Kugelraumer in Stellung. Nach Meinung des Maskenträgers Ultraschlachtschiffe der modernsten JUPITER-Klasse, in geradezu unglaublicher Weise bewaffnet, jedoch in einem Fall wie diesem in keiner Weise effektiv.

»Bewohner identifiziert«, sprach eine Automatenstimme. Sie klang unpersönlich.

Er suchte den Vorratsraum auf, räumte einige Kisten beiseite, die unwichtige Gegenstände enthielten, und nahm stattdessen das eigentlich wichtige Utensil wieder an sich.

»Bewohner verlässt Appartement auf unbestimmte Zeit«, sprach er, als er zurück auf die Terrasse trat. »Appartement konservieren. Nachricht an NATHAN: ›Bin mit der LEUCHTKRAFT auf Reisen.‹«

Die ROTOR-G war über Kanchenjunga unsichtbar, doch Saedelaere spürte, dass der Schiffskörper zum Greifen nah war.

Zumindest das UHF-Fenster.

Saedelaere schulterte sein Bündel und trat durch die scheinbare Öffnung ins Nichts in den Korridor dahinter. Das Paket, das er trug, wog 25 Kilogramm. Im Inneren befand sich ein Standard-SERUN 1450-12 »Warrior III« – ein schwerer Kombinations-Schutz- und Kampfanzug der Flotte der LFT. Der Gravo-Pak des Anzugs lieferte bis zu 500 Kilometer Reisegeschwindigkeit pro Stunde, die Andruckabsorber verfügten über eine Leistung bis zehn Gravos Kompensation.

»Ein Schutzanzug?« Eroin Blitzer staunte, als Saedelaere in die Leitstelle zurückkehrte. »In der LEUCHTKRAFT?«

Der Commo'Dyr klang fast beleidigt.

»Wir sind noch nicht in der LEUCHTKRAFT.«

»Das Dengejaa Uveso ist nah.«

»Und selbst wenn: Wenn Samburi an einem Ort verschollen ist, den ihr nicht kennt, wenn sie vielleicht tot ist, lauert dort eine Gefahr. Ausmaß unbekannt.«

»Aber nicht für ...«

»Sei nicht naiv. Wo ist Samburi denn dann? Ich habe keinen Grund, mich auf die LEUCHTKRAFT allein zu verlassen.«

»Worauf dann? Auf dieses Ding?«

»Ich will sicher sein, dass mein SERUN und mein LES funktionieren. Was sich später damit anstellen lässt, wird sich zeigen.«

»LES?«

»Lebenserhaltungssystem«, erklärte Saedelaere, als stecke wirklich ein Geheimnis dahinter, das der Android nicht kennen konnte.

2.

11. April 1463 NGZ

Milchstraßenzentrum

Dengejaa Uveso

 

»Was verlangst du eigentlich für deine Hilfe, Alraska?«, fragte Blitzer wie beiläufig.

»Nichts, was die LEUCHTKRAFT mir nicht geben könnte.«

Eroin Blitzer trug immer noch seinen Anzug aus Gobi-Flanell und zeigte keinerlei Neigung, das Kleidungsstück von der Erde wieder abzulegen. Ein Umstand, der Saedelaere den Androiden fast sympathisch machte; wie lange hatte er selbst den Anzug der Vernichtung getragen oder im Besitz gehabt?

»Ankunft!«, meldete Fallun Vierauf.

»Ausweichschritt?«

»Vollzogen.«