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Planungshilfe Biogasanlagen aus Beton
Planung, Bemessung, Ausführung

VLB-Meldung

Matthias Middel (Hrsg.) u. a.
Planungshilfe Biogasanlagen aus Beton
Planung, Bemessung, Ausführung
Düsseldorf: Verlag Bau+Technik GmbH, 2013

ISBN 978-3-7640-0543-6
eISBN 978-3-7640-0566-5

© by Verlag Bau+Technik GmbH

Gesamtproduktion: Verlag Bau+Technik GmbH,
Postfach 12 01 10, 40601 Düsseldorf
www.verlagbt.de

Druck: B.o.s.s Druck und Medien GmbH, 47574 Goch

Planungshilfe
Biogasanlagen
aus Beton

Planung, Bemessung, Ausführung

Prof. Dr.-Ing. Matthias Middel (Hrsg.)
Harald Feldmann
Dipl.-Ing. (FH) Florian Pelzer
Dr.-Ing. Thomas Richter
Dipl.-Ing. Michael Stahl

Die Inhalte und Lösungsvorschläge in diesem Buch sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Hinsichtlich der Anwendung der Inhalte kann vom Autor jedoch keine Gewähr übernommen werden. Das Buch ersetzt nicht die projektbezogene Planungsleistung. Sie entbindet nicht von der Pflicht zur Prüfung der Normvorgaben und ihrer Gültigkeit für den jeweiligen Anwendungsfall. Die Anwendung der Inhalte und Lösungsvorschläge berechtigt zu keinerlei Regressansprüchen gegenüber dem Autor.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1

Planungshilfe Biogasanlagen aus Beton
Planung – Bemessung – Ausführung

 

1.1

Aus Biomasse wird Energie

 

1.2

Wasserrechtliche Rahmenbedingungen für Bau und Betrieb von Biogasanlagen

2

Grundlagen der Planung von Biogasanlagen

 

2.1

Ausgangswerte für Biogasanlagen in landwirtschaftlichen Betrieben

 

2.2

Bauformen und Bauarten

 

 

2.2.1

Bemessung des Fermentervolumens

 

2.3

Umweltrechtliche Planungsbedingungen

3

Gründung und Leckageerkennung

 

3.1

Gründung

 

3.2

Leckageerkennung

4

Konstruktion der Behälter

 

4.1

Wärmedämmung und Beheizung der Behälter

 

4.2

Rührwerkstechnik

 

4.3

Bühnenbau

 

4.4

Dächer und Decken

 

 

4.4.1

Abdeckungen aus Stahlbeton

 

 

4.4.2

Membranabdeckungen

 

4.5

Durchdringungen der Behälterwand

 

 

4.5.1

Eintrag des Substrats

 

 

4.5.2

Gasentnahmeleitung

 

 

4.5.3

Reinigungs- bzw. Inspektionsöffnungen

 

4.6

Abdichtungen

 

4.7

Hinweise zur Planung des Blockheizkraftwerks (BHKW)

5

Einwirkungen auf Betonbauteile von Biogasanlagen

 

5.1

Typische Einwirkungen

 

5.2

Geotechnische Sicherheitsnachweise

 

 

5.2.1

Grenzzustände der Tragfähigkeit

 

 

5.2.2

Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit

 

5.3

Thermische Einwirkungen

 

5.4

Rissbreitenbegrenzung

 

5.5

Wände

 

 

5.5.1

Statische Einwirkungen

 

 

5.5.2

Beanspruchungen des Fermenters

 

 

5.5.3

Bemessung

 

5.6

Dächer

6

Dauerhaftigkeit /Anforderungen an den Beton

 

6.1

Fermenter und Nachgärbehälter

 

6.2

Eintragsbunker und Vorratsbehälter für Biomasse

7

Behälter in Fertigteilbauweise

 

7.1

Spannbeton-Behälterwände

 

7.2

Behälterdecken aus Betonfertigteilen

 

7.3

Einbauteile

 

7.4

Hohe Betonqualität

8

Behälter in Ortbetonbauweise

 

8.1

Schal- und Betonarbeiten der Wände

 

8.2

Aufbringen der Wärmedämmung

9

Hinweise zu Inbetriebnahme und Betrieb

10

Checkliste

11

Literatur

 

11.1

Fachliteratur

 

11.2

Regelwerke

12

Glossar

Vorwort

Sichere und wirtschaftliche Biogasanlagen

In Deutschland existieren über 7.500 Biogasanlagen. Die meisten sind in der Hand von Landwirten. Biogas ist daher zu einem wichtigen Betriebszweig vieler landwirtschaftlicher Betriebe geworden und wirtschaftlich häufig ein interessanter Grundstofflieferant für die Nahrungsmittelproduktion. Ein Grund dafür ist sicher in der für Landwirte unbefriedigenden Preissituation für ihre Erzeugnisse beim Groß- und Einzelhandel zu finden.

Biogas kann bedarfsgerecht Energie als Gas, Strom oder Wärme bereitstellen und wird als Ersatz für fossile Energie im Strommix der Zukunft eine Schlüsselrolle einnehmen. Der Ausbau über die EEG-Umlage finanzierten Erneuerbaren Energien sorgt jedoch aufgrund der damit verbundenen Steigerung der Stromkosten immer wieder für Diskussionen nach dem zumutbaren Anteil im Energiemix. In diesem Zusammenhang sind Ergebnisse einer Studie des Forums für Ökologisch-Soziale Martkwirtschaft e.V. (FÖS) interessant. Danach beläuft sich die steuerfinanzierte Förderung von Kohle- und Atomstrom in 2012 auf umgerechnet 10,2 ct/kWh. Mögliche Kosten für Klima und Umwelt (z.B. Endlager für Atommüll) sind laut Studie in dieser „Konventionellen Umlage“ noch nicht einmal berücksichtigt. Im Ergebnis ist die fast das Doppelte der im Oktober 2012 beschlossenen Erhöhung der EEG-Umlage auf 5,3ct/kWh.

Genehmigung, Bau und Betrieb von Biogasanlagen ist zunehmend von Konflikten und Diskussionen mit dem Umfeld geprägt. Um diesen vorzubeugen sind fachlich fundierte Informationen zur Erstellung und zum Betrieb der Anlagen seitens der Betreiber notwendig. Insbesondere sollte dem Umfeld verdeutlicht werden, dass Sorgfalt beim Betrieb und Rücksicht bei Zu- und Ablieferungen eine hohe Priorität erfahren. Besonders auch Anlagenbauer sind gefordert höchste Qualifikationsansprüche bei Planung und Ausführung an das eingesetzte Material und die abgelieferte Arbeitsleitung zu stellen, um sichere Biogasanlagen zu gewährleisten.

Das vorliegende Buch liefert für die Planung, Bemessung und Ausführung von Biogasanlagen viele hilfreiche Anregungen und stellt relevante Normen und Richtlinien dar.

Dr. Eilert Balssen
Vorstandsmitglied und Sprecher Arbeitsausschuss Wirtschaft (AAW)
in der Bauförderung Landwirtschaft (BFL) e.V.

1 Planungshilfe Biogasanlagen aus Beton

Planung – Bemessung – Ausführung

Der Bau von Biogasanlagen zur Erzeugung umweltfreundlicher Energie hat in den letzten Jahren einen Boom erlebt. Allein im Jahr 2011 gingen ca. 1.300 Anlagen in ­Betrieb. Die installierte elektrische Gesamtleistung aller Biogasanlagen in Deutschland betrug Ende 2011 rund 2.900 Megawatt.

Der Betrieb dieser Anlagen stellt hohe Ansprüche an die Baukonstruktion. Gleichzeitig erwarten die Betreiber – Landwirte, Kommunen und Investoren – eine lange störungsfreie Lebensdauer ihrer Anlagen. Biogasanlagen in Ortbeton- und Betonfertigteil-Bauweise beweisen seit vielen Jahren, dass sie diesen Anforderungen gerecht werden, wenn sie sorgfältig geplant und ausgeführt werden.

Dieses Buch vermittelt als „Planungshilfe Biogasanlagen aus Beton“ Planern und Bauherren das hierfür erforderliche Fachwissen.

1.1 Aus Biomasse wird Energie

Das Grundprinzip der Biogaserzeugung beruht darauf, dass organische Stoffe wie Fette, Kohlenhydrate und Eiweiße von Bakterienkulturen anaerob in niedermolekulare Bausteine zersetzt werden (Fermentation), wobei das im Prozess entstehende energiereiche Gas Methan (CH4 ) aufgefangen und genutzt wird.

Hauptquelle für diese organischen Stoffe (Biomasse) war bisher in der Regel Gülle aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung und Tierproduktion. Zunehmend werden für die Biogaserzeugung aber auch speziell zu diesem Zweck angebaute nachwachsende Rohstoffe wie Mais verwendet und Reststoffe aus dem landwirtschaftlichen Betriebskreislauf wie Festmist, Stroh, Rübenblatt, Gemüseabfälle oder Grüngut eingesetzt. Die Mitvergärung anderer organischer Stoffe wie z. B. von Reststoffen der Lebensmittelindustrie wird als Cofermentation bezeichnet.

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Bild 1.1: Grundprinzip der Biogaserzeugung

Hinsichtlich des Biogasertrages und des Methangehaltes unterscheiden sich die Rohstoffe zur Biogaserzeugung teilweise erheblich. Tafel 1.1 gibt einen Überblick durchschnittlicher Werte.

Das in Biogasanlagen erzeugte Gas kann in Blockheizkraftwerken verbrannt und in elektrische und thermische Energie umgewandelt werden. Nach entsprechender Aufbereitung des Gases ist auch die Einspeisung ins Erdgasnetz oder die Verwendung als Treibstoff für gasbetriebene Fahrzeuge möglich.

Bei der Nassfermentation, die immer bei der Verwendung von Gülle zum Einsatz kommt, ist das Gärsubstrat durch einen hohen Wasseranteil mit über 85 % rühr- und fließfähig und wird während der Fermentation durchmischt. Die Trockenfermentation wird bei stapelbarer organischer Biomasse eingesetzt. Ein ständiges Durchmischen des Substrats während der Fermentation ist nicht möglich.

Der Prozess beginnt mit der Aufgabe in den Vorlagebehälter und/oder den Feststoffdosierer, wo das Substrat zunächst gesammelt, zerkleinert und gemischt wird und dann zum Fermenter gefördert wird.

Die Fermentation im Fermenter und anschließenden Nachgärer erfolgt unter Luftabschluss und ohne Lichteinfall. Der Temperaturbereich der Vergärung liegt bei 40 °C bis 55 °C. Zum Erreichen und Sichern der Prozesstemperatur erhalten die Fermenter eine Beheizung und in der Regel eine Wärmedämmung. Rührwerke unterstützen die Bildung und Erhaltung homogener Flüssigkeitsschichten, die für die Prozessgeschwindigkeit und die Stabilität des Abbaus der organischen Substanzen wichtig sind. Das dabei entstehende Biogas – im Wesentlichen bestehend aus Methan und Kohlendioxid – wird gesammelt und entnommen. Nachgärer dienen der weiteren Gewinnung von Biogas. Heizungen werden nur dann eingebaut, wenn damit die Betriebstempe-ratur noch gesteuert werden soll, um z. B. die Verweildauer des Substrats im Behälter zu verkürzen.

Tafel 1.1: Biogasertrag und Methangehalt ausgewählter Substrate [1.1]

Substrat

Biogasertrag
[Nm3/t Substrat]

Methanertrag
[Nm3/t Substrat]

Wertebereich

Mittelwert

Wertebereich

Mittelwert

Maissilage

170–230

200

89–120

106

Getreide (Ganzpflanzensilage)

170–220

190

90–120

105

Grassilage

170–200

180

93–109

98

Geflügelmist

130–270

140

70–140

90

Zuckerrüben

120–140

130

65–76

72

Futterrüben

75–100

90

40–54

50

Rindermist

60–120

80

33–36

44

Schweinegülle

20–35

28

12–21

17

Rindergülle

20–30

25

11–19

14

Dem Gärrestlager werden neben den vergorenen Substraten auch verunreinigte Niederschlagswässer und in begrenztem Umfang Silagesickersäfte zugeführt. Sie werden in der Regel gasdicht abgedeckt. Die verbleibenden Reststoffe dienen als Dünger.

Derzeit sind folgende Anlagesysteme gebräuchlich:

•  Speicheranlage

Fermenter und Gärrestlager befinden sich in einem Behälter. Beim Ausbringen der Gärreste wird das gesamte ausgefaulte Substrat entnommen. Die Gasproduktion ist daher nicht so gleichmäßig wie beim Durchflussverfahren.

•  Durchflussanlage

Aus dem Vorlagebehälter und/oder dem Feststoffdosierer wird die Biomasse mehrmals am Tag, im Idealfall kontinuierlich, in den Fermenter eingebracht. Gleichzeitig wird die gleiche Menge Substrat aus dem Fermenter in den Nachgär- bzw. Gärrestbehälter gepumpt. Dieses Verfahren bietet die Möglichkeit zur gleichmäßigen Gasproduktion.

•  Durchfluss-Speicher Anlage

Bei diesem Verfahren ist auch das Gärrestlager abgedeckt und dient als Nachgärbehälter, sodass das hier anfallende Biogas genutzt werden kann. Dieses Verfahren bietet die Möglichkeit zur gleichmäßigen Gasproduktion.

1.2 Wasserrechtliche Rahmenbedingungen für Bau und Betrieb von Biogasanlagen

Beim Betrieb von Biogasanlagen fallen Substanzen an, die aufgrund ihrer Zusammensetzung und Konzentration in einem unplanmäßigen Betriebszustand (Leckage etc.) die angrenzenden Medien wie Erdreich, Grundwasser und Gewässer in ungewollter Weise beanspruchen können. Somit handelt es sich um Maßnahmen und Aktivitäten, bei denen das Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) [R06] berührt wird und zu beachten ist. Im Abschnitt 3 des Wasserhaushaltsgesetzes werden im § 62 die Anforderungen an den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen geregelt. Wassergefährdende Stoffe sind demnach „feste, flüssige und gasförmige Stoffe, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen“ [R06, § 62 (3)].

Anlagen zum Lagern, Abfüllen, Herstellen und Behandeln dieser Stoffe und Anlagen zum Verwenden dieser Stoffe im Bereich der gewerblichen Wirtschaft und öffentlicher Einrichtungen müssen im Sinne des WHG so ausgelegt und beschaffen sein, dass von ihnen keine nachteilige Veränderung der Eigenschaften von Gewässern ausgeht (Besorgnisgrundsatz). Für Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesicker­säften (JGS-Anlagen) wird im Wasserhaushaltgesetz WHG abweichend vom Besorgnisgrundsatz nur der bestmögliche Schutz der Gewässer vor nachteiligen Veränderungen ihrer Eigenschaften verlangt. Diese „Privilegierung“ der JGS-Anlagen berücksichtigt, dass landwirtschaftliche Stoffe i. d. R. eine geringere Gefährdung der Umwelt als andere wassergefährdende Stoffe aufweisen und sie gleichzeitig auch als Düngemittel genutzt werden. Wie sich der bestmögliche Schutz vom Besorgnisgrundsatz unterscheidet, d. h. welche technischen Unterschiede in der Bauausführung möglich sind, wird in nachgeordneten Regelwerken beschrieben. Für Biogasanlagen wird im WHG keine Privilegierung vorgenommen, d. h. Biogasanlagen unterliegen grundsätzlich dem Besorgnisgrundsatz.

Genaueres findet der Interessierte in dem Entwurf zur Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) [R07], dessen wesentliche Inhalte bereits heute als zukünftig rechtsverbindlich angesehen werden können. Im § 4 dieser Verordnung wird eindeutig geregelt, dass die bei der Biogasherstellung relevanten Stoffe als allgemein wassergefährdend gelten und somit der Geltungsbereich des WHG für diese Anwendung konkretisiert wird. Zu Biogasanlagen gehören:

•  Anlagen zur Lagerung von Gärsubstraten

•  Anlagen zum Herstellen von Biogas, insbesondere Vorlagebehälter, Fermenter, Kondensatbehälter und Nachgärer

•  Anlagen zur Lagerung der Gärreste

•  die zugehörigen Abfüllanlagen

Innerhalb der Verordnung werden für Biogasanlagen, die ausschließlich Gärsubstrate landwirtschaftlicher Herkunft verwenden, Abweichungen vom Besorgnisgrundsatz zugelassen und ein ähnliches wasserrechtliches Schutzniveau wie für JGS-Anlagen gefordert. Zu den Gärsubstraten landwirtschaftlicher Herkunft gehören:

•  pflanzliche Biomassen aus landwirtschaftlicher Grundproduktion

•  Pflanzen und Pflanzenbestandteile, die im landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrieben oder im Rahmen der Landschaftspflege anfallen, sofern sie zwischenzeitlich nicht anders genutzt worden sind

•  Rückstände der Be- und Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, wie Obst-, Getreide- und Kartoffelschlempen, sowie pflanzliche Rückstände aus der Herstellung von Getränken, soweit bei der Be- und Verarbeitung keine wassergefährdenden Stoffe zugesetzt werden und sich die Gefährlichkeit mit der Be- und Verarbeitung nicht erhöht

•  Silagesickersaft sowie

•  tierische Ausscheidungen wie Jauche, Gülle, Festmist und Geflügelkot

Die Konkretisierung der technischen und betrieblichen Umsetzung der Forderungen des WHG und der AwSV erfolgt in einer Technischen Regel wassergefährdende Stoffe TRwS 793 [R26] (für JGS-Anlagen in der TRwS 792 [R25]