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KARIN TAG

Das Geheimnis der
Atlantischen

Kristall
Bibliothek

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Originalausgabe

Copyright © 2011 by Karin Tag

Besuchen Sie uns im Internet:
www.AmraVerlag.de

2. Auflage

Deutsche Ausgabe:

»Atlantische Kristallbibliothek« ist eine eingetragene Marke (Nr. 30 2010 064 448) und den Workshops, Seminaren und Veröffentlichungen von Karin Tag vorbehalten.

Herausgeber & Lektor

Michael Nagula

Umschlag

Frankl Design

Layout & Satz

nimatypografik

Druck

FINIDR, s.r.o.

ISBN 978-3-939373-51-3

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks der Übersetzung, vorbehalten.

INHALT

Vorwort

1 Reise in die Alte Welt

2 Die heilige Stadt und die Einweihung in das Licht

3 Der Wächter des Quells der Reinheit

4 Das Flüstern der Erde

5 Die Pforte zur heiligen Kammer

6 Die erste Prüfung

7 Der Fluss im Inneren der Erde

8 Das goldene Tor

9 Der Zauber des Vergessens

10 Die zweite Prüfung

11 Der singende Fels

12 Die Schlange des Lichtes

13 Das Rätsel in der Dunkelheit

14 Die heilige Frau und das Versprechen

15 Der Tag der Erinnerung

16 Die dritte Prüfung

17 Der alte Inka und die Stadt aus Gold

18 Der Turm der Stille

19 Die Eule der Weisheit

20 Die vierte Prüfung

21 Der Stein der Wahrheit

22 Das Herz der Erde

23 Die heiligen Wächter der Sternenstadt

24 Der Drache und der Schädelstein

25 Die fünfte Prüfung

26 Die Vogelfrau

27 Die Stadt der Wale

28 Die Einweihung in die sieben Geheimnisse der Erde

29 Das Gespräch mit den Kosmischen Ältesten

30 Die Schlüssel des Lichtes

31 Die Spinnengöttin

32 Einlass in die heilige Stadt

33 Der Wächter der heiligen Tafeln und die Atlantische Kristallbibliothek

34 Die Rückkehr der dreizehn Tafeln und der Tanz der Schamanen

Danksagung

ANHANG

Einleitung von Karin Tag

Verzeichnis der Objekte der Atlantischen Kristallbibliothek

Identitätsbescheinigungen der Objekte

Biografisches über die Autorin

Workshops und Seminare

Zeremonien für den Weltfrieden

VORWORT

Dieses Buch beschreibt eine Reise, die ich mit Corazon de Luz, dem Kristallschädel Herz des Lichtes, erlebte. Sie beschreibt eine Welt, die ganz eng mit den Menschen verbunden ist und von der bisher nur die alten Schamanen und Weisen der alten Völker wussten. Diese Welt ist zugleich ein wichtiger Teil unseres Lebens auf dem Planeten Erde, und es ist unerlässlich, dass die Menschen von ihr erfahren. Es gibt dort so viel tiefgründiges Wissen, und in diesen Tagen der Bewusstwerdung entspringt ihr der Geist einer ganz besonderen Liebe – zur Unterstützung der Menschen. In dieser Welt gibt es wahre Schatzkammern kosmischen Wissens, die es den Menschen ermöglichen können, einen friedlichen Weg in eine glückliche Zukunft einzuschlagen. Ohne dieses Wissen läge die Welt der Menschen im Dunkel, und es ist nur den Wesen und Helfern im Inneren der Erde zu verdanken, dass sich die Welt der Menschen in eine harmonische und lichtvolle Welt verwandeln wird.

Wir alle tragen hier in dieser Zeit einen wichtigen Baustein dazu bei, dass die Welt, in der wir leben, eine bessere Welt werden kann. Jeder Einzelne von uns spielt in dieser bedeutsamen Geschichte eine Rolle, die ganz außerordentlich wichtig ist. Jeder von uns tut sein Bestmögliches, um diesen heiligen Planeten für unsere Nachfahren und alle Lebewesen, die auf ihm leben, lebens- und liebenswürdig lichtvoll zu gestalten.

Wir alle erfüllen eine Prophezeiung, die älter ist als die uns bisher bekannte Zeitrechnung. Die Wahrheit über die Zeit und die wahren Vermächtnisse unserer Vergangenheit sollen uns nun Stück für Stück wieder begegnen. Viele Schamanen und Weisen der alten Völker haben uns diese Zeit vorhergesagt. Auch die Weissagungen des Kristallschädels Corazon de Luz, die wir über die Jahre erhalten durften, haben uns die Zukunft erfahren lassen. Sie geben uns die Kraft, unsere eigenen Fähigkeiten zu entdecken und mit ihnen zu wachsen.

Um die Veränderung der Erde ranken sich zahlreiche Spekulationen. Sie erfolgen in einem Zeitalter, das besondere Geheimnisse und Verbindungen birgt, die durch Corazon de Luz langsam für die Menschen geöffnet werden. All dies dient dem Zweck, die Menschen mit Liebe zu erfüllen und ihnen den Weg ins Glück zu zeigen.

Meine Erlebnisse haben nichts mit mir persönlich zu tun, sondern mit dem Prozess, der in dieser Zeit auf Erden seinen Lauf nimmt. Ich erzähle Ihnen von meiner Reise nicht um meiner selbst willen, sondern weil die Menschen die Wahrheit erfahren müssen. So soll Ihnen, lieber Leser, in diesem Buch deutlich werden, welche wundervollen Helfer wir in dieser Zeit haben, die für uns unsichtbar das Licht auf dem Planeten Erde verankern.

Diese Geschichte ist eine Einweihung in die wichtigsten Mysterien unserer Erde, und ich freue mich, dass die Menschen nun reif genug sind, sie zu erfahren.

1

REISE IN DIE ALTE WELT

Der Tag begann wie ein ganz gewöhnlicher Morgen. Es war warm und sonnig, und ich erfreute mich bei einer Tasse Tee an dem schönen Sonnenschein, der mein Gesicht wärmte. Der Sommer ging langsam zu Ende, was man an den kalten Nachttemperaturen deutlich spüren konnte. Ich hatte mich auf meiner Terrasse niedergelassen und bereitete mich auf die nächsten arbeitsreichen Stunden vor.

In diesen Tagen war ich zwischen meinen vielen Reisen mit Corazon de Luz endlich wieder einmal zu Hause, und ich genoss die intensive Zeit mit meinen beiden Kindern. Ihr Lachen und ihre Fröhlichkeit bereiteten mir so viel Freude. Linda und Merlin waren meine Herzensquellen, und ich war jeden Tag dankbar, dass ich sie hatte. Sie gaben mir viel Kraft für die manchmal sehr anstrengende Zeit mit Seminaren und Workshops und dem arbeitsintensiven Forschen mit der Photonenkamera. Ihre tiefe unschuldige Liebe war es, die mich unaufhörlich weitermachen ließ. Schließlich ging es ja bei dem Gesamtprojekt »Kristallschädel« auch um die Zukunft der beiden, genauso wie um die Zukunft der vielen anderen Kinder auf dem Planeten Erde.

Glaubte man den Inkaschamanen, so betraf die Prophezeiung der Kristallschädel nicht nur den Zeitenwechsel dieser Jahre – vielmehr sprach sie von einer völligen und anhaltenden Veränderung des Planeten Erde. Ich hatte den Kristallschädel Corazon de Luz erhalten, um an diesem großen Projekt mitzuwirken, und ich gab alles, um diese Aufgabe so gut wie möglich zu erfüllen. Mit Ritualen und Einzelterminen und durch Seminare und Workshops sollte Corazon de Luz ein Baustein dieser Veränderung sein.

In den vielen Jahren, die ich den Kristallschädel nun schon begleitete, waren immer wieder wundervolle Dinge geschehen. Zahlreichen Menschen gab er die Erinnerung an die eigenen Fähigkeiten zurück, niemals forderte oder manipulierte er sie. Sein Vorgehen zeugte von einer unendlichen Liebe, und seine Botschaften berührten die Menschen stets tief im Herzen. Suchten sie mich wegen eines privaten Channelings auf, dann gab er ihnen nicht nur Hoffnung, er verwandelte sie in glückliche, positive und freudige Lichtträger, die ihre wahren Begabungen, Fähigkeiten und Aufgaben erkannten und nutzten.

Diese Channelings absolvierte ich nun schon seit fünfzehn Jahren, und es war immer das gleiche Lichtwesen gewesen, das sich uns als Engel präsentierte und durch mich sprach. Erst in späteren Jahren wurde mir der Zusammenhang mit dem Kristallschädel klar, denn noch vor zehn Jahren hätten die Menschen sich irrtümlich vor dem Kristallschädel gefürchtet. Sie glaubten damals noch, es handele sich um schwarzmagische Geschöpfe. Heute wissen sie, dass der Kristallschädel Corazon de Luz in diesen Erdentagen eine besondere Aufgabe hat und dass er nur in reinster Form von Licht und Liebe dem Allschöpfer dient.

Mit der Veröffentlichung der ersten drei Bücher, die ich geschrieben hatte, war der Kristallschädel zum Berater aus göttlichen Ebenen geworden. Die Channelings nutzte er, um den Menschen ihre Fähigkeiten zu beschreiben und ihnen nahezulegen, in welcher Weise sie diese fördern konnten. Ich stellte in Volltrance meinen Körper zur Verfügung, während der Kristallschädel die Menschen beriet. Das war sehr angenehm für mich, da ich mich mit den Geschichten des Einzelnen nicht befassen musste, sondern während des Körperaustrittes meine eigenen spirituellen Reisen erfahren konnte. Manchmal schlief ich auch einfach nur. In jedem Fall konnte ich mich nach der Beratung an nichts mehr erinnern, da mein Geist den Körper während des Trancezustands komplett verließ.

Sehr viele Menschen aus aller Welt kamen zu diesen Beratungen, weil es sich wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, dass die Botschaften von Corazon de Luz so überaus weise und hilfreich für alle Lebenslagen waren. Gab der Kristallschädel doch als Hüter der Chronik der Zeitgeschichte Auskunft über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. So hatte er es seit vielen Tausenden von Erdenjahren getan und die Menschen dabei in ihrem Wachstum begleitet. Früher waren es Könige und Herrscher gewesen, die sich beraten ließen – heute steht diese Möglichkeit jedem Menschen offen. Ich machte da keinen Unterschied, und ich tat mein Bestes, dem Ansturm auf Termine, der sich entwickelt hatte, Genüge zu leisten. Ich wusste, wie wichtig diese Botschaften für die Menschen waren.

Dieser Tag war also ein solcher mit Einzelterminen, und ich sammelte mich im frühen Morgensonnenschein, um die Termine bis in den späten Abend durchhalten zu können. Ich aß ein wenig Obst und getrocknete Datteln – das liebte ich, weil es den Körper sehr kräftigt und nicht belastet. Als der erste Kunde zum Channeling kam, war ich gut gelaunt und im Herzen fröhlich gestimmt. Ich knuddelte meine beiden Kinder und begab mich in das Beratungszimmer. Wie immer streichelte ich Corazon de Luz zur Begrüßung, und irgendwie sah er an diesem Morgen besonders leuchtend aus. Ich lächelte ihn an und bemerkte, dass er sehr kraftvoll wirkte. Es schien wohl ein besonderer Tag zu werden, denn ich hatte den Eindruck, als lächelte er zurück, um mir Mut zu machen, die bevorstehenden Termine zu meistern. Immerhin sollten es an diesem Tag zehn Einzeltermine werden.

Ich vertraute dem Kristallschädel aus Erfahrung, und ich wusste, dass er mich nicht überfordern würde. So setzte ich mich neben ihn und nahm ihn, als der erste Kunde vor mir Platz genommen hatte, wie immer zu Beginn des Termins in meine Hände und auf meinen Schoß. Als ich ihn aufnahm, spürte ich eine starke pulsierende Kraft von ihm ausgehen und wunderte mich darüber. Irgendwie war es, als schwitzte er, denn ich spürte, wie meine Hände feucht wurden. Ich spürte aber auch dieses warme Gefühl um mein Herz, und ich konnte mühelos »einschlafen«, um meinen Körper wie gewohnt zu verlassen.

Im Laufe der fünfzehn Jahre hatte ich das einige tausend Mal gemacht, und es war mir immer leichter gefallen, aus dem Körper auszutreten, als wieder zurückzukommen. Die Rückkehr in den Körper war oft unangenehm, und ich fühlte mich dabei, als würde ich der Weite des Kosmos entrissen und wieder in ein kleines Mauseloch gesperrt werden. Manchmal hatte ich den Eindruck, von einem Hochhaus zu stürzen. Der Aufenthalt außerhalb des Körpers war oft sehr unterschiedlich. Ich sah den Kosmos, die Sterne und Planeten, oder ich wurde geschult. Und manchmal, wie gesagt, schlief ich auch einfach nur ein.

Als ich diesmal aus dem Körper austrat, hörte ich ein ohrenbetäubendes Pfeifen, und ich spürte sofort, dass etwas anders war als sonst. Wenn ich bisher den Körper verlassen hatte, war ich frei von Körperempfindungen gewesen. Ich hatte mich körperlich nicht gespürt, sondern feinstofflich im leeren Raum des Universums geschwebt. Diesmal spürte ich aber den Kristallschädel ganz deutlich in meiner Hand. Ich fühlte ihn warm auf meinem Schoß, und ich konnte meinen eigenen Atem spüren.

Einen kurzen Augenblick zögerte ich loszulassen, denn ich wollte den Zugang zu meinem Körper nicht verlieren, schließlich hing ich mit meinem Herzen doch noch an meinem Leben mit meinen Kindern. Ich spürte einen Ruck durch meinen Körper gehen – durch meine Zweifel ausgelöst. Mein Verstand war unsicher, ob ich das Geschehen annehmen sollte. Ich spürte Angst und Unsicherheit in meinem Kopf. Aber mein Herz war ganz ruhig und gelassen. Ich fühlte mich nicht bedroht, und Corazon de Luz lag kraftvoll vibrierend in meinen Händen. Ich beschloss, ihm zu vertrauen, und ließ meine ängstlichen Gedanken los.

Plötzlich erfasste mich ein sturmartiges Energiefeld, das mich wirbelnd umtoste. Ein ohrenbetäubendes Dröhnen erfüllte meinen Kopf und machte es mir unmöglich, weiterzudenken. Ich wurde wie durch einen Tunnel gerissen, der auf und ab führte – in einer atemberaubenden Geschwindigkeit hinein ins Nichts. Es war die reinste Achterbahnfahrt, mein Körper wurde förmlich hinweggefegt. Ich hielt den Kristallschädel als meine einzige Sicherheit fest umklammert. Mir wurde heiß, und mein Herz pochte wie wild. Das Dröhnen in meinem Kopf wurde ständig lauter, und immer noch presste ich den Kristallschädel an mein Herz. Ich hatte das Gefühl, mein Körper könnte zerrissen werden – und versuchte dann vorsichtig, die Augen zu öffnen.

Was ich sah, war so beeindruckend, dass ich es niemals vergessen werde. Vor meinen Augen öffnete sich ein Lichttunnel, der mich mit einer rasenden Geschwindigkeit in sich hineinzog. Das Licht des Tunnels wirkte gläsern leuchtend, und es schien, als blitzten kleine Kristalle an seinen Wänden auf. Ich umklammerte den Kristallschädel noch fester und rief: »Corazon, was bedeutet das? Wo bringst du mich hin?« Kaum hatte ich das gesagt, beschleunigte sich mein Tempo im Tunnel, und ich konnte nichts mehr erkennen. Ich verlor das Bewusstsein.

Als ich wieder zu mir kam, hatte ich rasende Kopfschmerzen. Ich versuchte die Augen zu öffnen, aber das Licht tat mir in den Augen weh. Ich tastete vorsichtig umher, um zu erfahren, wo ich mich befand. Den Körper hatte ich wohl nicht verlassen. Ich spürte unter mir ein weiches Fell, und kaum, dass ich mich bewegte, berührte eine Hand meine Stirn. Eine tiefe Männerstimme sprach zu mir: »Beruhige dich, es ist alles gut gegangen, du bist in Sicherheit, du musst dich nur erst an das Licht hier gewöhnen. Ruh dich aus.«

Ich spürte ein feuchtes Tuch auf meiner Stirn, und zwei feste starke Arme hoben mich auf und gaben mir aus einem steinernen Becher kühles Wasser zu trinken. Ich hatte kaum Kraft und fühlte mich wie im Fieber. Ich hörte die Stimme sagen: »Trink das Wasser, es wird dir die Sinne wiedergeben, und dann schlaf, du wirst bald alles erfahren, was du wissen musst!« Ich trank das Wasser und spürte, wie es in meinen Körper floss. Es war, als würde es mir das Körpergefühl zurückgeben und meine Gedanken klären. Ich wurde müde und versank sofort in einen traumlosen, endlos langen Schlaf.

Als ich wieder erwachte, war das Dröhnen in meinem Kopf verschwunden. Ich hatte keine Schmerzen mehr und schlug vorsichtig die Augen auf. Immer noch lag ich auf einem Fell auf einem steinernen Boden. Ich sah mich vorsichtig um und stellte fest, dass das Licht in dem Raum, in dem ich mich befand, so gleißend hell war, dass ich die Augen kaum offen halten konnte. Die Wände des Raumes schienen aus einem leuchtenden Stein zu bestehen, der in sich selbst strahlte. Keine Kerze oder künstliche Lichtquelle beleuchtete den Raum, sondern alle Dinge strahlten in sich in einem glänzenden hellen Schein.

Mein Blick schweifte durch den Raum, und ich konnte weder ein Fenster noch eine Tür entdecken. Dies gab mir den Eindruck, ich könnte gefangen sein. Sofort erschrak ich und tastete unter mich und um mich herum – wo war der Kristallschädel? Hatte man ihn mir weggenommen? Hastig suchte ich nach ihm, als eine Hand mich am Arm berührte.

Ich blickte auf und war fassungslos vor Erstaunen. Neben mir stand ein großer Mann mit warmen, leuchtenden, dunklen Augen. Sein markantes Gesicht wirkte wie das eines Inka. Er trug ein weißes Gewand, das mit goldenen Schnallen geschmückt war. Seine langen schwarzen Haare waren zum Zopf gebunden und wurden von einer Spange mit einem Schlangenkopf gehalten. Auf der Brust trug er ein eigenartiges Amulett mit einem Symbol, und an seinen muskulösen Oberarmen blitzten goldene Armreifen mit Edelsteinen. Der Mann wirkte majestätisch, und es schien, als würde er aus seinem innersten Wesen heraus leuchten, genau wie die steinernen Mauern des Raumes, in dem ich mich befand.

Mir stockte der Atem – bis ich die tiefe Liebe spürte, die von dem Mann ausging, und ich sofort aufhörte, mich zu fürchten. Der Dunkelhäutige schien genau zu wissen, was in mir vorging, denn er ließ meinen Arm los und lächelte mich mit seinen warmen Augen liebevoll an. Dann griff er unter sich und gab mir den Kristallschädel in meine Hände. Während er das tat, streichelte er Corazon de Luz zärtlich und lächelte wissend.

Mit derselben tiefen, liebevollen Stimme, mit der er mir vorher schon das Wasser gereicht hatte, sprach er zu mir: »Willkommen in der Alten Welt! Hier hast du den heiligen Schädelstein wieder, ich habe ihn nur eine Weile für dich verwahrt. Fürchte dich nicht, du bist hier jenseits aller Dunkelheit. Corazon de Luz hat dich hierhergebracht, so wie es seit Jahrtausenden prophezeit worden ist. Mein Volk und ich haben dich seit langem erwartet. Ich bin San Saiman, der Hüter der heiligen Stadt des Lichtes, und dies ist die Pforte zur heiligen Anlage des Wissens. Ich werde dich und Corazon de Luz auf der Reise durch die Alte Welt begleiten, denn ihr habt hier eine wichtige Aufgabe zu erfüllen!«

Als ich ihn ansah, spürte ich die Kraft, mit der er das sagte. Ich wollte so viele Fragen stellen, aber irgendwie schien er alle meine Gedanken zu kennen, denn bevor ich etwas sagen konnte, fuhr er schon fort zu sagen: »Ich weiß, dass du viele Fragen hast. Ich kann sie dir jetzt nur nicht beantworten. Wie du siehst, bist du hier in einer anderen Welt, die aus starkem Licht geschaffen ist. Es ist das göttliche Licht der Liebe, und diese Stadt ist zwischen den Dimensionen erbaut worden von den Sternenwesen, die den Planeten Erde beschützen. Ich darf dir noch nicht viel sagen, aber sehr viel geheimes Wissen liegt hier verborgen, und du musst dich gedulden. Du wirst erst ein paar Reinigungen und Prüfungen erfahren müssen, bevor du deiner Bestimmung begegnen kannst. Erst musst du die Gesetze des Lichtes erlernen und dich an die Qualität des Lebens in dieser Dimension gewöhnen, dann kann ich dir mehr sagen. Vertraue mir, ich bin hier zu deinem Schutz.«

Dies sagte er mit solchem Nachdruck, dass ich spürte, wie überflüssig jede Gegenfrage gewesen wäre. Irgendetwas in mir war zutiefst überzeugt, dass er es gut mit mir meinte. Also fügte ich mich vertrauensvoll seinen Weisungen. Er bedeutete mir mich umzukleiden und wies auf eine weiße Stoffrobe, die auf dem Boden vor mir lag. Während ich mich danach bückte, schritt San Saiman durch den kleinen Raum auf eine der leuchtenden Steinwände zu. Sie öffnete sich lautlos vor ihm, und er verschwand in einen leuchtenden Steingang, aus dem Musik ertönte.

Kaum hatte sich der strahlende Mann entfernt, betraten zwei wunderschöne Frauen den Raum. Ihre Haut leuchtete wie übernatürlich, und sie waren in weiße Gewänder gehüllt. Ihre langen Haare flossen wie flüssiges Gold über ihre Schultern, und ihre Augen leuchteten so schön wie das Sternenlicht. Sie lächelten fröhlich und halfen mir, mich anzukleiden. Dabei bemerkte ich, dass ich mich hier viel leichter bewegen konnte. Es war eine Leichtigkeit in mir, die fast so etwas wie Schwerelosigkeit war. Diese Leichtigkeit fühlte sich beglückend an – so beglückend, dass ich lächeln musste.

Mir viel auf, dass die beiden jungen Frauen meine Kleider in ein Stoffbündel packten und es verschnürten. Sie lächelten mich beruhigend an und halfen mir, die weiße Robe anzulegen. Dabei bemerkte ich, dass der Raum, in dem ich mich befand, irgendwie lebendig war. Der Stein schien lebendiges Licht zu sein. Ich versuchte den Stein zu berühren, aber er war beinahe durchlässig. Ich fragte mich, ob ich träumte. Ich versuchte eine der jungen Frauen zu berühren. Während eine mir die weiße Robe mit einer goldenen Spange fixierte, berührte ich sie vorsichtig am Arm. Sie fühlte sich transparent an wie flüssiges Licht. Sie lachte und berührte mich mit festem Griff, den ich deutlich kraftvoll auf meinem Arm spürte. Dabei fiel mir auf, dass mein menschlicher Körper heller wirkte als gewöhnlich, aber er war immer noch feststofflich und wirkte dunkel im Gegensatz zur leuchtenden Umgebung.

Die beiden Frauen lächelten mich wissend an. Sie schienen meine Gedanken lesen zu können. Eine von ihnen reichte mir einen goldenen Krug mit Wasser. Sie musste gespürt haben, dass ich durstig war. Ich trank den Becher in einem Zug leer. Das Wasser schmeckte süßlich und angenehm leicht. Als ich den goldenen Becher näher betrachtete, fühlte ich, wie das Licht in meinem Körper wuchs. Das besondere Wasser konnte die Lichtqualität meines Körpers anheben. Mit jedem Becher, den ich trank, schien ich mich mehr und mehr meiner lichtvollen Umgebung anzupassen. Das hatte San Saiman wohl gemeint, als er sagte, ich müsse mich an das Licht dieser Welt anpassen.

Tausend Fragen stürzten mir durch den Kopf. Wo war ich wohl, und was hatte das alles zu bedeuten? Warum hatte Corazon de Luz mich hierhergebracht?

Ich fürchtete mich überhaupt nicht mehr, und das Wasser, das ich trank, gab mir das glückselige Gefühl von Leichtigkeit. Ich ließ mich vom Lächeln der beiden Frauen anstecken, und ich fühlte mich eigenartig frei in meinem Herzen.

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2

DIE HEILIGE STADT UND DIE EINWEIHUNG IN DAS LICHT

Während mich die beiden Frauen liebevoll in eine weiße Robe hüllten, gingen mir so allerlei Gedanken durch den Sinn. Es beunruhigte mich schon, dass ich weder wusste, wo ich mich befand, noch, ob ich meinen Weg in meinen Körper und mein reales Leben wiederfinden würde. Bisher waren die Austritte aus meinem Körper während der Trancezustände immer nur geistiger Natur gewesen. Niemals hatte ich eine derartige Reise mit meinem Körper gemacht, und ich fragte mich, ob ich wohl träumte oder ob ich tatsächlich in dieser Art von Zwischendimension gelandet war.

Mein Blick fiel auf Corazon de Luz, der sich auf meinem Felllager befand. Er leuchtete stärker als sonst, und er schien mich anzulächeln. Ich hatte es über die vielen Jahre gelernt, bereits an seinem Äußeren zu erkennen, wie er gestimmt war. Im Moment sah er sehr lebendig und kraftvoll aus. Der vermeintlich harte Stein konnte seinen Gesichtsausdruck beeindruckend verändern. Schon sehr oft hatte er mich vor unangenehmen Überraschungen gewarnt, wenn es nötig war. Sein leichtes Lächeln beruhigte mich jetzt, und ich freute mich, dass er in diesem übernatürlichen Licht so wunderschön leuchtete.

Als ich meinen Blick vom Kristallschädel abwandte und aufsah, erblickte ich San Saiman. Er musste lautlos zurückgekehrt sein. Warm und liebevoll schaute er mich mit seinen leuchtenden Augen an. Die beiden Frauen nahmen das Bündel mit meinen Kleidern und verließen den Raum. Eine von ihnen verneigte sich leicht vor San Saiman, bevor sie mit einem strahlenden Lächeln hinausging.

Ehe ich darüber nachdenken konnte, welche Bedeutung diese Geste hatte, richtete San Saiman das Wort an mich. »Fühlst du dich ein wenig besser?« Ich nickte ihm zu, auch wenn ich tief in meinem Herzen immer noch unruhig war, denn ich wollte einfach mehr über diese Umstände erfahren. »Du befindest dich in keinem Traum, Carino, dies hier ist eine reale Welt.« Ich wunderte mich, dass er das sagte, er schien wohl meine Gedanken oder Gefühle lesen zu können. »Du bist von Corazon de Luz hierhergebracht worden, so wie es die Prophezeiungen seit Tausenden von Jahren bestimmt haben. Deine Ankunft hier ist ein Zeichen, dass der Planet Erde erwacht und die Menschen reif sind für eine wundervolle Veränderung ihres Bewusstseins. Weißt du, es ist eine lange Geschichte, die ich dir erzählen werde, wenn der Augenblick gekommen ist. Dein Hiersein hat eine große Bedeutung für alle Menschen, die in deinem Zeitalter auf Erden leben. Corazon de Luz hat dich durch die Lichtpforte hierhergebracht, weil es wichtige Dinge gibt, die die Menschen deiner Zeit erfahren sollen. Sie müssen die Wahrheit kennen lernen, und es ist wichtig, dass du mit deinen eigenen Augen sehen und mit deinem eigenen Herzen fühlen und begreifen kannst, was die Geheimnisse der Erde den Menschen zu sagen haben.

Wir haben Corazon de Luz gebeten, dich hierherzubringen, weil es wichtig ist, dass die Menschen lernen, die Kosmische Wahrheit zu leben. Ich bin San Saiman, ein Lichtbote und Hüter der Wahrheit, und ich habe mehrere Jahrtausende des Lichtes auf diese Zeit gewartet. Ich habe den Weg für dich und für die Menschen vorbereitet, und ich freue mich, dass nun die Zeit der großen Veränderungen auf dem Planeten Erde beginnt. In der Zeit deines Hierseins werde ich dich begleiten und schützen. Ich werde versuchen, dir die heiligsten kosmischen Gesetze und Geheimnisse zu erklären, damit du den Menschen davon berichten kannst.

Dein Geist und ein verdichteter Teil deines Körpers sind hierhergekommen in die Welt des Lichtes, während der andere feststoffliche Teil deines Körpers in deiner Welt verblieben ist. So kannst du unsere Welt mit allen Sinnen wahrnehmen und die Lektionen und Aufgaben als real erfahren, die dir hier in der Welt des Lichtes die Wahrheit offenbaren können. Ich will dir allerdings auch die Risiken deines Aufenthaltes nicht verschweigen. Für dich als dreidimensional bezogenen Menschen wird dies mit Prüfungen verbunden sein. Du lebst in deiner Welt der Emotionen und Handlungen von Menschenvölkern, und es ist für dich hier kein leichtes Wachsen, welches dir geschenkt wird. Um das allumfassende Geheimnis zu erfahren, um dessen Erkundung sich dein Aufenthalt hier dreht, musst du Prüfungen ablegen und dein Bewusstsein reinigen. Gelingen dir die Prüfungen, so wirst du der erste Mensch sein, der in unserer Lichtwelt nicht nur Zutritt erhält, sondern auch die Einweihungen der Hohepriester in die kosmischen Geheimnisse des Allwissens erfährt. Gelingen dir diese Prüfungen nicht, so wirst du deine Heimreise nicht antreten können.«

Während San Saiman sprach, ging er in dem Raum hin und her. Jeden Schritt, den er tat, beobachtete ich, und ich fragte mich immer wieder, ob ich dies alles nur träumte. Es kam mir so vor, als müsste ich träumen, denn das Licht des Steinbodens veränderte sich und wurde immer heller unter San Saimans Schritten.

»Nein, du träumst nicht. Das ist der erste Teil der ersten Prüfung, dass du den Blick aus der dreidimensionalen Täuschung nehmen kannst. Deine Welt ist nur Täuschung und Illusion der Materie. Hier bist du viel dichter an der Grenze zum wahren Lichtbewusstsein. Du hast eine schwierige Aufgabe zur Wahl bekommen. Und niemand weiß, ob du, stellvertretend für die Menschen, diese Aufgabe annehmen möchtest.«

Er wandte sich mir zu und sah mich prüfend an. Seine wundervollen braunen, warmen Augen erfüllten mich mit Vertrautheit. Ich spürte seinen Blick tief in meinem Herzen. Ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus, und ich merkte, wie sich in meinen Augen Tränen sammelten. »Ich kenne dich besser, als du glaubst. Ich kenne die Menschen länger, als du nur ahnen kannst. Ich hüte die wertvollsten Geheimnisse des Universums, und es ist keine leichte Entscheidung, den Menschen zu vertrauen. Du hast ein gutes Herz. Eine starke Menschenfrau bist du, aber du hast auch deine menschlichen Ängste und Gedanken deines Verstandes, die dich schnell in die Irre leiten können. Wie gesagt, es ist nicht ohne Risiko, diesen Weg einzuschlagen. Aber wir haben ihn schon begonnen, und es gibt keine Wahlmöglichkeit mehr.«

Er sah mir noch fester in die Augen und sprach mit freundlicher, warmer Stimme zu mir: »Ich weiß um deine Kinder, und in deinem Herzen habe ich die Liebe zu ihnen gesehen. Diese Liebe wird dich vor eine schwere Prüfung stellen, und es wird ungewiss sein, wie die Ältesten nach deiner Schulung entscheiden werden. Trotzdem bitte ich dich, mit mir zu kommen und die Schulung anzunehmen. Ich will dir helfen, so gut ich kann – manchmal werde ich dir aber nicht helfen dürfen. Je länger dein Aufenthalt hier dauern wird, umso mehr wirst du dich an das Licht gewöhnen und desto schwieriger wird deine Rückkehr in dein früheres Leben sein. Es kann sogar sein, dass du nicht mehr zurückkehren wirst.

Von deinem Aufenthalt und dem Wissen, das du hier erlangst, hängen die Zukunft deines Planeten und die Entwicklung der Menschheit ab. Der Planet steht kurz vor dem Erwachen, und die Menschen müssen lernen, die Erde zu verstehen, wenn sie die Zeitenwende und den Tausendjährigen Frieden mitgestalten wollen. Die Menschen sollen mit deinen Augen und Empfindungen das Herz der Erde wahrnehmen, und sie sollen die Geschichte der Welt aus den Beschreibungen eines Menschen erfahren. Dies ist eine große Chance für die menschlichen Völker der Erde, die Bibliotheken des kosmischen Wissens zu öffnen. Es geschieht nur ein einziges Mal, und kein anderer Mensch wird diese Chance erhalten. Die kosmischen Ältesten haben nur einen Versuch für dieses Abenteuer gestattet, und das bedeutet nicht etwa, dass du etwas anderes wärst als ein Mensch mit all seinen verschiedenen Seiten. Es ist schwer, sich das vorzustellen, aber die Schädelsteine sind zu diesem Zweck auf die Erde gebracht worden – einzig, um die Menschen zu schulen und sie hierherzubringen, damit das Licht auf dem Planeten Erde eröffnet werden kann.«

Ich schluckte bei San Saimans Worten. Ich dachte an meine beiden Kinder, und ich sorgte mich, wie sie ohne mich zurechtkommen sollten. Ich war alleinerziehende Mutter, und ich hatte keine Verwandten. Durch die vielen Botschaften von Corazon de Luz wusste ich aber, dass er eine wichtige, weltgestaltende Aufgabe auf dem Planeten hatte. Ich wusste, dass die kosmischen Ältesten die Kristallschädel nur deshalb auf die Erde gebracht hatten, um uns Menschen in diesen Tagen zu helfen, das Bewusstsein des Friedens zu entwickeln. Mit der Zeitenwende und dem Eintritt der Erde in die Milchstraße waren Energieerhöhungen verbunden, die zu einer Veränderung des Bewussteins der Menschen auf dem Planeten führen würden. Und ich wusste auch, dass meine Kinder und alle anderen Kinder der Erde ohne die Helfer der Sternenvölker keine Chance hatten, dies friedvoll zu erleben.

Ich sah in San Saimans Augen. Irgendetwas erschien mir so sehr vertraut an seinem Blick. Hatte ich diese Augen schon einmal gesehen? Ich schaute verlegen zu Boden und seufzte ein wenig. Ich fragte: »San Saiman? Warum ich? Warum soll ich dies tun?« Er antwortete: »Weil es deine Bestimmung ist!« Mit diesen Worten wandte er sich von mir ab und schritt auf den Gang zu, in dem er schon einmal verschwunden war. Dann drehte er sich wieder zu mir um und nickte mir lächelnd zu: »Nur Mut, Carino, wir schaffen das schon. Komm!«

Er ging mit entschlossenen Schritten voran. Ich nahm Corazon de Luz in meine Hände und folgte ihm. Ich fragte mich, woher er meinen Spitznamen kannte, den die Indianer mir gegeben hatten. Tausend Gedanken wirbelten in meinem Kopf umher. Mein Herz pochte, und ich war den Tränen nah. Was hatte dies alles zu bedeuten? Warum hatte Corazon de Luz mich für diese Aufgabe ausgewählt? Beklommen folgte ich dem muskulösen, kraftvollen Mann.

Er hatte langes Haar, und das Licht brach sich eigenartig darin. Seine Lockenspitzen funkelten wie silbriges Licht, und es war, als hätte er Sternenstaub darin. Der Gang, durch den er mich führte, schien endlos zu sein. Die Wände waren ganz aus Stein, und ein eigenartiges, pulsierendes Licht schien den Stein von innen heraus zu beleuchten. Es funkelte und blitzte darin, und es wirkte, als sei der Stein lebendig. Schließlich kamen wir an eine Art Pforte, die sich wie von selbst öffnete, als San Saiman die Hand beim Gehen leicht erhob. Er drehte sich zu mir und reichte mir die linke Hand. Ich ergriff sie und hielt mit der anderen Corazon de Luz. Ich wusste, dass ich ohne den Kristallschädel nicht zurückfinden würde. Das erfasste mein Herz intuitiv. Ich hielt Corazon de Luz fest umklammert.

Mein Herz raste vor Aufregung, als ich dem schönen Mann durch die Pforte in die Lichtwelt folgte. Nachdem ich eingetreten war, machte San Saiman einen Schritt zur Seite und gab den Blick nach vorne frei. Was ich sah, war unglaublich beeindruckend. Unwillkürlich drehte ich mich um. Der Gang schien einer gigantischen Felswand entsprungen zu sein. Der winzig wirkende Ausgang bildete eine Öffnung mitten im Fels in riesiger Höhe und lag hoch über dem, was ich vor mir sah – eine Stadt aus Licht und Kristall.

Der Himmel war ein einziges Lichtermeer aus Sternen, die eine Art Gewölbe bildeten, und zwei Monde leuchteten hell und groß über der Stadt. Riesige Vögel kreisten über ihr, und die Luft roch angenehm süßlich wie Honig. Die Stadt schien aus purem Kristall erbaut zu sein, denn die Kuppeln und Dächer blitzten in regenbogenfarbenem Licht. Die Wege schienen aus reinem Gold sternenförmig durch die Stadt angelegt worden zu sein. Zu meiner Linken brach ein gewaltiger Wasserfall lautlos den leuchtenden Fels hinunter.

Ruhe und friedvolle Stille herrschten in dieser Welt. Alles schien aus verzaubertem Licht zu bestehen. Überall funkelte und leuchtete es, und die Bäume und Pflanzen erweckten den Eindruck, aus flüssigem Gold zu bestehen, die Blüten aus einem Nebel von Farben. Lichtgestalten tummelten sich unten in der Stadt und um sie herum. Sie schienen zu lachen, und vollkommener Frieden leuchtete ersichtlich auf ihren Gesichtern. Das lautlose Wasser erfüllte alles mit seinem Schein. Es floss vom Wasserfall aus in vielen tausenden Bächen durch die Stadt. Was das Wasser auch berührte, wurde lebendiges Licht, und es schien, dass der Geist des Wassers hier alles mit Liebe bezauberte.

San Saiman lächelte mir zu und rief: »Willkommen in der heiligen Stadt!« Bei seinen Worten stiegen mir die Tränen in die Augen. Es berührte mich tief, dass ich diese Stadt sehen durfte, denn ich spürte, dass sie etwas ganz Besonderes war.

Über einen gewundenen Pfad stiegen wir an der Felswand hinunter auf den Weg, der geradewegs in die Stadt führte. Ich hatte ein Gefühl von Schwerelosigkeit, als ich San Saiman auf dem hellen Erdreich folgte. Es federte unter meinen Füßen leicht nach, und rechts und links wuchsen seltsame Blumen und Pflanzen, die in den schönsten Farben fast gläsern leuchteten. Sie wirkten zerbrechlich wie dünnstes Glas, und doch waren sie biegsam wie flüssiges Licht. Es war so wundervoll anzusehen, dass mir erneut die Tränen in die Augen traten. Je näher wir der heiligen Stadt kamen, umso schöner leuchteten die Gärten und Anlagen vieler Tausender kleiner Tempel und Schreine, die alle mit buntem Leben erfüllt zu sein schienen. Lichtmenschen in den herrlichsten bunten Gewändern lächelten mich an und verneigten sich leicht, als wir vorübergingen. Ich hatte den Eindruck, sie würden mich kennen, und irgendetwas an ihnen kam mir auch merkwürdig vertraut vor.

Je näher wir dem Zentrum der Stadt kamen, umso leuchtender wurden die kleinen Gassen und Straßen. Ich hatte den Eindruck, wir näherten uns einem strahlenden Mittelpunkt. Überall war es auffallend still. Alle Lebewesen schienen von einer tiefen Ruhe durchflossen zu sein. Kein störender und kreischender Lärm erfüllte hier das Leben, sondern eine melodische Stille, die alles in einen sonderbaren Frieden hüllte.

Schließlich bogen wir an der hellsten Passage in eine große Allee ein, die auf einen riesigen Tempel zuführte, der inmitten der Stadt ein leuchtendes Zentrum bildete. Als ich das Bauwerk mit seiner Leuchtkraft sah, stockte mir abermals der Atem. Es schien aus lebendigem Licht zu bestehen, denn die Fassade, die hohen runden Kuppeln, die bunt verzierten Fenster, die vergoldeten Pforten, alles gleißte und pulsierte. Es floss unaufhörlich, so dass ein lautloser Strom aus Licht den Tempel erfüllte, der es wie einen Palast aus flüssigem Gold wirken ließ. Er schien mit ätherischem Licht zum Leben erweckt worden zu sein, und das Gebäude schien zu atmen. Es erweckte den Eindruck, als wäre es selbst ein lebendiges Wesen.

Eine riesige Pforte aus Kristall, mit prunkvollen Edelsteinen verziert, bildete den Eingang der wundervollen heiligen Stätte. Als San Saiman mir bedeutete, ihm in den Tempel zu folgen, fühlte ich eine warme Freude in mir aufsteigen. Intuitiv wusste ich, dass es eine Ehre war, in dieses heilige Gebäude einzutreten. Ich folgte San Saiman, der zufrieden lächelte, als er meine tränenerfüllten Augen sah. Er reichte mir die Hand, und ich konnte den warmen Lichtfluss in seinem Körper spüren. Danach führte er mich durch die Pforte, die sich ganz von selbst öffnete, als er auf sie zuging.

Helles Licht strahlte aus dem Tempel nach außen, und ich wandte den Blick ab, weil der innere Glanz des Bauwerkes mich blendete. San Saiman führte mich hinein, und ich konnte nur Umrisse erkennen, weil meine irdischen Augen das Licht nicht zu erfassen vermochten. Meine Schritte wurden unsicher, und mein Kopf begann zu schmerzen. San Saiman führte mich weiter in das helle Licht hinein, bis wir an einer Art Altar zum Stehen kamen. Ich konnte erkennen, dass er aus flüssigem Kristall bestand. Ein riesiger glänzender Kristallblock war im Zentrum des Tempels zu einem Altar errichtet worden, aus dem lichthelles Wasser in eine Art Brunnen floss. Ein kristallener Kelch ruhte in einer besonderen Vertiefung im Kristallblock, und das Wasser floss um ihn herum in ein goldenes Becken.

Das Wasser war so hell, dass ich nicht lange hinsehen konnte, denn meine Augen schmerzten bei dem Versuch, alles erkennen zu können. San Saiman füllte den kristallenen Becher mit Lichtwasser und reichte ihn mir. Als ich das Wasser im Becher sah, bekam ich meine Lider kaum noch auf. Ich spürte das Licht durch meinen Körper strahlen, und ich spürte, dass mein Körper die Kraft des Lichtes nicht aushalten konnte.

Mit Nachdruck sprach San Saiman zu mir: »Schnell, trink den Becher des Lichtes. Dein Körper wird sich sonst in dieser Welt nicht halten können. Das Wasser ist das heilige Wasser der Lichtwelt der Sternenvölker. Es wird dir die Fähigkeit geben, in dieser Welt bleiben zu können. Du wirst eine Weile schlafen, aber dein Körper wird von diesem Wasser in die Schwingung des Lichtes eingeweiht. Sei unbesorgt, ich beschütze dich.«

Ich umklammerte Corazon de Luz, den ich die ganze Zeit über in meiner rechten Hand unter dem Arm getragen hatte. Ich umschloss ihn mit meiner Hand wie einen Rettungsanker, der mich vermeintlich am Leben halten würde. Mein Herz war warm und erfüllt von Freude bei der Vorstellung, den Becher zu leeren. Doch mein Verstand fragte sich zu diesem Zeitpunkt unter dem hämmernden Kopfschmerz, ob dies bedeutete, dass ich nicht mehr in meine Welt zurückkehren konnte, sobald ich den Becher geleert hatte. Hilfesuchend griff ich nach San Saimans Hand und spürte, wie seine warme Lichtkraft mich beruhigte. Schließlich war ich ja nicht ohne Grund hierhergebracht worden, und ich musste das Vertrauen darauf entwickeln, dass dies alles einem höheren Sinn folgte.

Vorsichtig hob ich den Becher an meine Lippen und trank ihn langsam leer. Es schmeckte leicht und süßlich. Ich hatte das Gefühl, der Inhalt sprang in meinem Mund freudig hin und her, gerade so, als wäre er lebendig. Irgendwie schien er meinen Körper zu beleben. Ein warmes Gefühl durchfloss mich Zelle für Zelle, und ich spürte eine endlose Freude in mir aufsteigen. Ich spürte, wie meine Augen das Licht nun besser wahrnehmen konnten, und auf einmal begann ich die schönsten Töne zu hören. Ich lehnte mich an San Saiman an und wäre fast in seine Arme gesunken. Ich trug ein solches Glücksgefühl in meinem Herzen, dass ich kaum noch atmen konnte.

San Saiman hielt mich, und ich vernahm, wie er mit sanfter Stimme auf mich einsprach. Ich verstand nicht, was er sagte. Es schien mir, als würde ich in einem Rausch des Glückes schweben. Mein Körper wurde leicht, und ich fühlte, wie jede Art von Verspannung aus meinem Körper wich. Ich fühlte eine Art von kindlicher Leichtigkeit, die sich in jeder einzelnen Körperzelle ausbreitete. Jegliche Last und jegliche Verkrampfung wichen aus meinem Körper. Ich rang nach Luft. Ich hatte das Gefühl, dass selbst die Luft sich zu verändern schien, die meine Lungen mit dem Hauch des Glücks erfüllten.

Ich schloss die Augen und sah einen tanzenden Lichternebel vor mir. Das Licht floss endlich auch durch meinen schmerzenden Kopf, und ich spürte, wie selbst der Schmerz in ein unglaubliches Glücksgefühl verwandelt wurde. Dann begann mich ein wundervoller Traum zu umfangen. Ich sah tanzende Lichtmenschen und eine riesige lichterfüllte Stadt. Ich sank vollends in San Saimans Arme und spürte, wie er mich aufhob und davonbrachte. Er trug mich auf den Armen und hatte Corazon de Luz in meinen Schoß gelegt. Mit beiden Händen hielt ich den Kristallschädel fest und verlor schließlich das Bewusstsein.

3

DER WÄCHTER DES QUELLS DER REINHEIT

Als ich wieder zu mir kam, wusste ich erst nicht, wo ich mich befand. Ich wagte es nicht, die Augen zu öffnen, weil ich nicht wusste, ob das Licht mich blenden würde. Ich blinzelte durch meine halb geöffneten Lider und sah mich vorsichtig um.

Ich befand mich in einem Raum aus purem Gold. Ich konnte es kaum glauben, aber der gesamte Raum bestand aus reinstem Gold, das mir wie lebendig vorkam. Der Raum war fünfeckig und fensterlos. Ich war auf einer Art Liege aufgewacht, die aus dem purem Gold beschaffen war. Jemand schien mich mit einem Tuch aus gewebtem Gold zugedeckt zu haben, und ich tastete mit den Fingern über das hauchdünne, feine Gewebe.

Als ich meine Finger sah, erschrak ich, weil ich den Lichtfluss darin bemerkte. Meine Hände schienen genauso von dem Lichtfluss erfüllt zu sein wie alles andere um mich herum. Corazon de Luz war mir gegenüber auf einem goldenen Tisch platziert worden, und ein Strauß Lichtblumen schmückte seine glänzende Erscheinung. Auch er wirkte seltsam verändert. Ein Lichtermeer pulsierte durch ihn hindurch, und ich sah, wie lebendig er innerlich war. Millionen Sterne schienen in ihm zu erstrahlen. Mit beiden Händen fuhr ich mir übers Gesicht und spürte, dass mein ganzer Körper sich verändert hatte.

Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte. Es war ein traumloser, langer Schlaf gewesen, der mich irgendwie hatte gesunden lassen. Ich fühlte mich wie neu geboren, innerlich wie äußerlich rein und leicht. Ich fühlte mich von all meinen irdischen Sorgen und Lasten befreit – und erhob mich von meinem goldenen Lager.

Dann sah ich mich in dem kleinen, fünfeckig angelegten Raum um. Der Boden unter meinen Füßen gab ein wenig nach, als ich umherschritt, und ich hatte den Eindruck, dass ich schwebte statt zu laufen. In dem Raum schien es keinen Eingang oder Ausgang zu geben. Er hatte auch keine Lichtquelle wie Kerzen oder etwas Ähnliches. Das Gold schien ihn aus sich heraus zu beleuchten. Die Wände waren mit Tausenden tanzender Blumen verziert. Gravuren prangten darauf, die ebenso lebendig wirkten wie das Gold selbst. Sie bewegten sich auf und ab und strahlten abwechselnd in den buntesten Regenbogenfarben.

Ich trat zu Corazon de Luz, der in diesem Moment stärker zu pulsieren begann. Ich sah, wie die kleinen Lichtsterne in dem Kristallschädel wirbelnd hin und her sprangen. Er vibrierte ein wenig, und ich spürte, dass seine Kraft gewachsen war. Sein Leuchten verbreitete ringsum einen Nebel aus weißem Licht, während seine Hülle noch immer aus einer festen Kristalloberfläche bestand. Sie spiegelte und blitzte aus sich heraus. Es sah wunderschön aus, und ich blickte tief in den magischen Schädelstein.

Tausende von Bildern sah ich wirr durcheinanderziehen. Bilder von Lichtgestalten und der heiligen Stadt. Es schien, als wolle Corazon de Luz mir die Geschichte der Stadt erzählen. Schemenhaft sah ich die Epochen der Erbauung, und ich sah die Lichtmenschen diesen zauberhaften Lichtpalast anlegen. Auch sah ich die einzelnen Tempel und Anlagen entstehen, und ich sah riesige Feste, die in ihnen gefeiert wurden. Ich sah den Haupttempel und den Brunnen des Lichtwassers, aus dem ich getrunken hatte. Und ich sah San Saiman, wie er als Priester dem Volk das Wasser des Lichtes aus dem kristallenen Becher reichte. Dabei wirkte er majestätisch und würdig. Aber es war keine Spur von Stolz in ihm, die eine menschliche Schwäche gezeigt hätte. Er war einfach und rein, und in seinem Herzen sah ich einen Stern leuchten. Ich lächelte bei diesem Bild und wusste sofort, was Corazon de Luz mir sagen wollte. Ich hatte nichts zu befürchten, so lange ich San Saiman vertraute.

Kaum hatte ich diesen Gedanken, verschwanden die Bilder in Corazon de Luz wie in einem Nebel. Ich kannte den Kristallschädel, und ich war mir bewusst, dass er mir nur Bilder zeigte, die etwas zu bedeuten hatten. Zweifellos war es ihm wichtig, mir zu zeigen, dass ich San Saiman vertrauen konnte. Wozu auch immer das nötig sein mochte.

Kaum hatte ich dies gedacht, öffnete sich lautlos eine Seite des fünfeckigen Raumes, und eine Frau trat ein. Sie passierte eine Tür, die ich vorher gar nicht bemerkt hatte. Eine schlanke Lichtgestalt war diese Frau, und ihr feines Gesicht strahlte wie der Schein des Vollmondes. Wie eine Elfin wirkte sie auf mich. Weißlich leuchtete die Haut, wo sie nicht mit einem Gewand aus gewobenem Silber bedeckt war. Sie hatte silbrige Haare, und ihre Lippen waren blassrot. Wasserblaue Augen lächelten mich aus ihrem Gesicht an.

Ein ungewöhnliches Licht ging von ihr aus, und sie schien über dem Boden zu schweben. Eine feine Kette aus glänzendem Silber trug sie, die den Eindruck erweckte, als seien Perlen aus Sternenlicht daran aufgereiht. Die Frau strahlte mich an und hielt mir beide Hände zum Gruß entgegen. Ich erwiderte ihren Gruß und schritt auf sie zu.

»Ich begrüße dich, Menschenkind. San Saiman hat mir schon viel von dir berichtet. Ich wollte sehen, ob es dir gut geht. Ich freue mich, dass du aus deinem langen Schlaf erwacht bist. Wie ich sehe, seid du und dein heiliger Schädelstein wohlauf. Komm, ich führe dich ein wenig herum, damit du dich einfinden kannst in den heiligen Tempel.« Ich war verunsichert, denn ich konnte nirgends San Saiman erblicken. Ich wusste nicht, ob es richtig war, sich zu entfernen. Doch schon beantwortete sie mir diese Frage: »Komm nur, es ist gut, wenn du dich ein wenig umsiehst. San Saiman habe ich bereits rufen lassen, er wird bald hier sein.«

Ich sah mich nach Corazon de Luz um. Er lächelte, und so wusste ich, dass an der Situation nichts Bedrohliches war. Ich betrachtete die wunderschöne Frau, die sich nun grazil abwandte und mir bedeutete, ihr zu folgen. Ich beschloss, Corazon de Luz mitzunehmen, und wollte ihn gerade aufnehmen, als mir die Mondlichtfrau eine aus Gold gewebte Tasche reichte. »Gib ihn besser hier hinein, dann ist er sicherer in deiner Hand.« Also verstaute ich den Kristallschädel vorsichtig und war froh, dass ich keine Angst mehr haben musste, ihn fallen zu lassen. Dankbar verschnürte ich die goldene Tasche und hängte sie mir über den Rücken. So konnte ich mich frei bewegen und den Kristallschädel dennoch bei mir haben.

Freudig folgte ich der Mondlichtfrau, denn ich war schon neugierig auf den heiligen Tempel. Sie schritt mit mir durch die Halle, die ich zuvor gar nicht hatte sehen können, weil das Licht mich geblendet hatte. Nun konnte ich alles deutlich erkennen und war fasziniert von der Schönheit des Tempels. An den Wänden strahlten die größten und schönsten Edelsteine in allen möglichen Farben, und im Zentrum des Raumes floss das Lichtwasser, das mich gereinigt hatte, in den zauberhaften Brunnen aus kristallklarem Stein. Es floss mit wundersamen Klängen, die bei jeder Bewegung eine neue Harmonie anstimmten. Vorher schien das Wasser lautlos geflossen zu sein. Nun war ich in der Lage, es fließen zu hören, und meine Augen waren offen für das Licht, das es mit sich führte.