cover

titel

Imagelogo

Einleitung

Die Leute
des Weges

Wozu dieses Buch?

Im deutschsprachigen Europa sind gut 65 Millionen Menschen Mitglieder in christlichen Kirchen: in Deutschland 54 Millionen, in Österreich 5,8 Millionen, in der Schweiz 5,5 Millionen. Doch kann man sie alle automatisch als Christen bezeichnen? Verstehen sie sich überhaupt selbst als solche?

Viele würden auf diese Frage wohl antworten: »Ja, warum auch nicht?« In Deutschland gehen allerdings nur vier Prozent der Kirchenmitglieder sonntags in einen Gottesdienst. Was bedeutet für die anderen 96 Prozent die Bezeichnung »Christ«? Und müssen Christen immer auch Kirchenmitglieder sein? Es gibt sicher nicht wenige Menschen, die keiner Kirche angehören und sich trotzdem irgendwie als Christen fühlen. Manche sagen das auch.

Also: Was ist eigentlich ein Christ? Kann man die Frage überhaupt klar beantworten? Es gibt sicher viele verschiedene Ansichten darüber. Ich bin frech genug, in diesem Buch eine Antwort auf diese Frage zu geben. Was ich damit bezwecke?

Warum dieses Buch?

Ich will Informationen als Hilfe zur Klärung anbieten, weil ich annehme, dass viele danach suchen. Ich begegne Menschen, die selbstverständlich Christen sein möchten. Aber sie sind sich nicht im Klaren, was das bedeutet. Sie sind auch unsicher, ob es darüber Klarheit geben kann. Das Stimmengewirr in der Gesellschaft verunsichert sie.

Ich will herausfordern, weil ich beobachte, dass viele sich im Nebel der Unklarheit verstecken. Ganz nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Ich bedaure, dass wir in den Kirchen heute weitgehend klare und begründete Antworten auf die Fragen »Was ist ein Christ?« und »Wie wird man Christ?« schuldig bleiben.

Und ich will dazu einladen, Christ zu werden. Mir ist klar, dass Einladungen angenommen und abgelehnt werden können. Ich bin froh, dass wir in einer freien Gesellschaft leben, in der niemand gezwungen werden kann, irgendetwas zu glauben. Die Zeiten der Staatsreligion sind Gott sei Dank vorbei. Die Versuche, den Menschen das Christentum mithilfe der Staatsmacht aufzuzwingen, haben der Glaubwürdigkeit des christlichen Glaubens schwer geschadet. Manche in den Kirchen vermeiden es deshalb heute, klare Positionen zu beziehen. Das halte ich für völlig falsch.

In einer freien Gesellschaft müssen Positionen und Überzeugungen privat und öffentlich mit klarem Profil dargestellt und vertreten werden. Nur dann können wir uns eine Meinung bilden und Entscheidungen treffen. Die Gespräche darüber und auch die kritische Auseinandersetzung damit müssen friedlich geschehen. Ohne Gewaltandrohung und Gewaltanwendung. Das gebietet die politische Tugend der Toleranz, die das Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft ermöglicht.

Die Bezeichnung »Christ«

Doch wie kam es eigentlich zu der Bezeichnung »Christ«? Hier eine Begebenheit, wie ich sie mir vorstelle:

Rufus drehte sich um und wies mit ausgestreckter Hand auf eine Gruppe von Männern. »Christianoí sind das.«

»Christianoí? Was ist denn das für ein Volk? Habe ich ja noch nie gehört«, entgegnete verwundert sein Kollege Nikanor und versuchte zu erkennen, ob an den Männern irgendetwas Besonderes war. In dieser Metropole, der viertgrößten Stadt des Römischen Reiches, sah man Leute aller Hautfarben und hörte zahllose Sprachen und Dialekte. Multikulti eben. Fast 500 000 Einwohner zählte Antiochia am Orontes, Hauptstadt der römischen Provinz Syria.

»Was sind Christianoí?«, fragte Nikanor im Weitergehen noch einmal neugierig. Beide waren unterwegs zu einer geschäftlichen Verabredung.

»Die gehören zu so einer jüdischen Sekte. Nun ja, es sind nicht nur Juden. Leute aus aller Welt gehören dazu. Auch ein paar Promis. Sie reden dauernd von einem Jesus Christus. Sie scheinen ohne ihn nicht leben zu können. Immer haben sie es mit diesem Jesus Christus.«

»Was Politisches?«

»Ich weiß nicht richtig. Jedenfalls nehmen sie den Christus sehr ernst. Und soweit ich sie kennengelernt habe, denken und leben sie ziemlich gegen den üblichen Trend. Sie würden es vielleicht Christus-Trend nennen. Ich nenne sie darum Christianoí.«

Vielleicht war es so. Irgendwann muss jedenfalls jemand in dieser Metropole zum ersten Mal die Bezeichnung »Christianoí« – Christen – für die Jesus-Nachfolger gebraucht haben. In der Bibel, genauer im 11. Kapitel der Apostelgeschichte des Lukas im Neuen Testament, lesen wir: »In Antiochia wurden die Jünger zuerst Christen genannt« (Apostelgeschichte 11,26).

Es war also offensichtlich eine Bezeichnung, die ihnen die Gesellschaft in Antiochia verpasst hatte. War sie spöttisch gemeint? Die »Christus-Spinner«? Lag Anerkennung und Respekt darin? Jedenfalls haben die Betroffenen irgendwann gehört, dass man sie so nennt, und die Bezeichnung als zutreffend angenommen: »Ja, wenn ihr von uns redet, dann müsst ihr immer auch von Jesus Christus reden. Der ist die Mitte unseres Lebens. Dem verdanken wir alles. An ihm orientieren wir uns. Wenn ihr von uns redet, ohne von Jesus Christus zu reden, habt ihr eigentlich nichts Wesentliches über uns gesagt.«

In der antiken Weltstadt Antiochia am Orontes fing es also an. Heute heißt die Stadt Antakya, liegt ganz im Osten der Türkei und hat gut 188 000 Einwohner. Die Bezeichnung »Christ« für einen Nachfolger Jesu hat sich offenbar früh und schnell ausgebreitet. Sie stand für ein profiliertes, durch Jesus Christus geprägtes Leben. In seinem ersten Brief, der sich an Christen in weiten Bereichen der heutigen westlichen und nördlichen Türkei richtet, schreibt Petrus: »Leidet er aber als ein Christ, so schäme er sich nicht, sondern ehre Gott mit diesem Namen« (1. Petrus 4,16).

Bevor man die Christen »Christen« nannte, wurden sie entweder einfach »Schüler des Jesus Christus« oder »die Leute des Weges« genannt. Die zweite Bezeichnung finden wir in dem Bericht über die Bekehrung des späteren Apostels Paulus (Apostelgeschichte 9,2). Wieso »Leute des Weges«?

Wer an Jesus Christus glaubt, begibt sich mit ihm auf einen Weg, um mit ihm zu leben und von ihm zu lernen. Natürlich hat lernen auch etwas mit dem Kopf zu tun. Aber das Lernen bei Jesus geschah und geschieht nicht nur im Kopf, es geht auch in die Beine. Jesus hat von sich selbst gesagt: »Ich bin der Weg.« Wer ihm vertraut, vertritt also nicht nur einen Standpunkt. Er tritt jedenfalls nicht auf der Stelle. Er geht einen Lebensweg.

Unterwegs

Ich bin auf diesem Weg unterwegs. Ich kann erzählen, wie der Weg begonnen hat und wie er weiter verlaufen ist. Es gab bequeme Strecken und solche mit Schlaglöchern und anderen Hindernissen. Manchmal ging es bergab, gelegentlich steil bergauf. Manchmal bin ich allein gegangen und habe die Einsamkeit genossen. Nicht selten empfand ich das Alleinsein auch als bedrückend und habe mich gefürchtet. Über weite Strecken hatte ich viele Mitwanderer. Ein buntes Volk, muss ich sagen. Die einen waren wirklich unterhaltsam, erfrischend und hilfreich, gerade auf mühsamen Abschnitten. Manche gingen mir auf die Nerven. Ich vermutlich nicht wenigen Mitwanderern auch. Ich konnte den Weg nach vorne nicht überblicken. Doch bin ich einfach Schritt für Schritt vorwärts gegangen. Rückblickend weiß ich, woher ich gekommen bin und kann die Wegstrecke beschreiben. Eine ausreichend klare Wegbeschreibung habe ich in der Bibel gefunden. Wieso das so ist – davon soll unter anderem später die Rede sein.

Wichtig ist: Jeder Lebensweg ist einzigartig. Jesus hat zwar gesagt: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater (also zu Gott) außer durch mich« (Johannes 14,6; eigene Übersetzung). Aber die Wege der Menschen zu Jesus sind tausendfach verschieden, auch wenn Jesus für uns alle der Gleiche ist. Das entspricht der schöpferischen Vielfalt Gottes. Serienproduktion scheint überhaupt nicht seine Vorliebe zu sein.

Ich möchte den Weg mit Jesus Christus in diesem Buch in zehn Kapiteln beschreiben. Nein, es sind nicht zehn aufeinanderfolgende Abschnitte des Weges, es ist keine detaillierte Routenbeschreibung. Zwar beginne ich mit dem Anfang des Weges, der Bekehrung, und schreibe im letzten Kapitel über das Ziel des Weges, den Himmel. Die acht Kapitel dazwischen handeln von den Schönheiten, Herausforderungen, Gefahren und Hilfen unterwegs. Obwohl jeder von uns seinen eigenen Lebensweg geht, werden wir doch alle bestimmte typische Erlebnisse und Erfahrungen machen. Wir werden bestimmten Herausforderungen und Chancen begegnen. Wir werden leider Fehler machen. Und wir werden in sehr unterschiedlichen Situationen des Scheiterns die unglaubliche Zuverlässigkeit und starke Hilfe des auferstandenen Herrn Jesus Christus erfahren.

Beim Lesen dieses Buches werden Sie sich selber ein Bild davon machen, wo Sie sich auf dem Weg mit Jesus Christus befinden. Am Ende jedes Kapitels finden Sie deshalb jeweils auch einen Kasten mit einigen Fragen, die Ihnen dabei helfen sollen, das Gelesene noch einmal zu reflektieren und auf Ihr eigenes Leben zu beziehen.

Ich hoffe jedenfalls, dass Ihnen dieses Buch zu mehr Klarheit verhilft. Vielleicht erleben Sie auch einige Überraschungen. Obwohl ich versuche, Fragen zu beantworten, werden sicher neue aufkommen. Diese könnten Sie in einer Gruppe von Leuten besprechen, mit denen Sie dieses Buch gemeinsam lesen. Oder Sie stellen Ihre Frage auf www.ChristGlaubenLeben.de. Dazu mehr in der Schlussbemerkung »Wenn Sie Fragen haben« (Seite 217).

Christ. Glauben. Leben. Mit dem Titel dieses Buches wird schon signalisiert, dass es nicht um ein religiöses oder kirchliches Nischenthema geht. Wir alle müssen uns Tag für Tag auf Menschen und Gegebenheiten verlassen. Wir vertrauen darauf, dass die Luft, das Wasser, das Essen nicht vergiftet sind, dass Häuser und Brücken nicht einstürzen, dass Menschen uns nicht belügen und betrügen. Wir glauben, ohne dass wir alles vorher genau prüfen können. Erst hinterher wissen wir hundertprozentig gewiss, ob unser Glaube gerechtfertigt war oder enttäuscht wurde. Unser Leben hängt davon ab, ob unser Glaube auf Tatsachen beruht oder ob wir uns geirrt haben.

Jeder Mensch glaubt also – die Frage ist, woran. Wir können nicht leben, ohne zu vertrauen – auf irgendjemanden, auf irgendetwas. Es geht also letztlich um die Grundfragen von Glauben und Leben, wenn wir über das Christsein nachdenken.

Ich lade Sie ein, sich auf eine Prüfung des Angebotes von Jesus Christus einzulassen. Wie sieht der Weg aus, auf den Jesus Christus uns führt? Wie beginnt er? Woran können wir uns orientieren? Was sind die Meilensteine? Was sind die Herausforderungen und Hindernisse? Was sind die Chancen? Was sind die Gefahren? Was ist das Ziel?

Kapitel 1

Die Bekehrung

Wie und wann fängt’s an?

Gleich zu Anfang seiner öffentlichen Wirksamkeit hat Jesus Klartext geredet. Der Evangelist Markus berichtet, dass Jesus nach Galiläa im Norden Israels kam und das Evangelium verkündete: »Die Zeit ist erfüllt und die Königsherrschaft Gottes ist herbeigekommen. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!« (Markus 1,15; eigene Übersetzung). Gott hatte es schon seit langer Zeit durch seine Boten im Volk Israel angekündigt, wie man im Alten Testament nachlesen kann. Jetzt war der Zeitpunkt da. In Jesus ist Gott selbst mit seinem ganzen Einfluss als Schöpfer und Herr des Universums zu uns Menschen gekommen. Was ist die angemessene Reaktion der Menschen darauf? Kehrt um! Ändert eure Lebensrichtung um 180 Grad und vertraut der Zusage Gottes!

Den gleichen Klartext redet der Apostel Petrus fünfzig Tage nach der Auferweckung von Jesus. Gottes Geist hat ihn und die anderen Jünger so erfüllt, dass sie mutig und deutlich in aller Öffentlichkeit von Jesus, seinen Wundertaten, seiner Kreuzigung und Auferstehung erzählen. Die kompakte Zusammenfassung der sicher viel längeren Rede des Petrus schließt mit dem Satz: »So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat« (Apostelgeschichte 2,36).

Die Hörer sind tief getroffen und fragen: »Was sollen wir tun?« Sie haben jedenfalls begriffen, dass in ihrem Leben etwas geschehen muss. Die Reaktion: »Schöne Predigt, sollte man mal drüber nachdenken«, kam nicht mehr infrage. Die klare Antwort von Petrus lautete: »Kehrt um, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen des Jesus Christus zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes« (Apostelgeschichte 2,38; eigene Übersetzung). Auch hier steht am Anfang die Änderung der Lebensrichtung um 180 Grad.

Einen seiner ersten Briefe schreibt der Apostel Paulus an die neue christliche Gemeinde in der nordgriechischen Hafenstadt Thessalonich (heute Saloniki). Er hatte nur kurze Zeit in dieser Stadt wirken können, dann musste er fliehen. Aber Gott ließ dort trotzdem eine lebendige, vorbildliche Gemeinde entstehen. Paulus schreibt ihr voll Dank und Freude, dass man im ganzen Land davon erzählt, wie das Christsein der Thessalonicher begann: »Denn sie selbst berichten von uns, welchen Eingang wir bei euch gefunden haben und wie ihr euch bekehrt habt zu Gott von den Abgöttern, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott und zu warten auf seinen Sohn vom Himmel, den er auferweckt hat von den Toten, Jesus, der uns von dem zukünftigen Zorn errettet« (1. Thessalonicher 1,9-10).

Bekehrung ist ein starkes Wort. Es beschreibt die gründliche, endgültige Umkehr. Nicht mehr hin und her. Nicht mehr sich drehen und wenden nach hier und da. Auch nicht mehr sich um sich selbst drehen. Bekehrung ist die endgültige Heimkehr des weggelaufenen, gottvergessenen Menschen in die Arme Gottes, des Vaters.

Aber warum ist die Bekehrung wichtig? Ist sie überhaupt nötig? Religion kommt uns heute doch eher wie ein Angebot neben vielen anderen im Supermarkt der Lebensstile vor. Eine erste grundlegende Antwort lautet: Wenn Gott nur eine Einbildung ist, dann ist die Bekehrung zu ihm eine Geschmacksache. Sie ist dann jedenfalls nicht lebensnotwendig. Wenn Gott aber wirklich existiert und der Schöpfer der Welt ist, dann kann unser Leben nur gelingen, wenn wir uns auf diese Tatsache einstellen. Wenn wir diese Wirklichkeit nicht zur Kenntnis nehmen, werden wir scheitern.

Jesus aber ist mit dem Anspruch aufgetreten, dass mit ihm Gott, der Schöpfer, selbst kommt und sich uns zu erkennen gibt. Die Bestätigung dafür gab Gott, indem er den gekreuzigten Jesus vom Tod auferweckt hat. Seitdem sind wir alle mit Gottes Wirklichkeit neu konfrontiert. Die angemessene Reaktion darauf ist unsere Hinkehr zum lebendigen Gott und die Abkehr von falschen Göttern und Gottesvorstellungen.

Wie geschieht eine Bekehrung? Ist sie ein dramatisches Ereignis? Muss man das Datum kennen, an dem die Bekehrung stattgefunden hat?

Langsame Entwicklung oder plötzlicher Knall?

Es gibt viele Menschen, die eine dramatische Bekehrungsgeschichte erzählen können. Die Bekehrung des Paulus ist typisch für solch eine dramatische Wende (nachzulesen in Apostelgeschichte 9). Aber auch hierzu gibt es eine Vorgeschichte. Paulus wird nicht ganz plötzlich vom Atheisten zum Jesus-Nachfolger. Als gläubiger Jude kannte er das Alte Testament und hielt die Gebote Gottes. Er wartete auf den Messias. Allerdings konnte er sich nicht vorstellen, dass ein wehrlos gekreuzigter Mann der Messias Gottes sein könnte. Darum bekämpfte er die Jesus-Leute mit Entschlossenheit.

Erst als er dem auferstandenen Jesus vor Damaskus in einer Erscheinung von gleißendem Licht begegnet, begreift er die Wahrheit. Aber dieses gewaltige Erlebnis ist noch nicht der endgültige Durchbruch. Paulus ist blind. Drei Tage sitzt er in Damaskus in einem Zimmer und kann nichts essen und trinken. Aber er betet. Und Gott schenkt ihm eine Vision, in der er einen Mann kommen sieht. Der legt ihm die Hände auf, sodass er wieder sehen kann. Der Mann, ein Christ aus Damaskus mit Namen Hananias, kommt dann auch tatsächlich und tut, was Jesus ihm aufgetragen hat: »Und Hananias ging hin und kam in das Haus und legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, dass du wieder sehend und mit dem Heiligen Geist erfüllt werdest. Und sogleich fiel es von seinen Augen wie Schuppen und er wurde wieder sehend; und er stand auf, ließ sich taufen und nahm Speise zu sich und stärkte sich« (Apostelgeschichte 9,17–19).

Auch die Bekehrung des Paulus geschieht also im Zusammenhang eines längeren Prozesses. Alles Leben ist ein Prozess. Bevor ein Kind geboren wird, haben sich zwei Menschen kennen- und lieben gelernt. Es kam zur Zeugung. Dann wuchs das Kind während der Schwangerschaft im Mutterleib. Schließlich wurde es geboren. Und die Geburt wiederum ist der Beginn eines neuen Wachstumsprozesses.

Es kommt also nicht nur auf die Geburt an. Trotzdem freuen wir uns über sie und feiern Geburtstage als Erinnerung. So ähnlich ist das bei der Bekehrung.

Von der Zeugung bis zur Geburt dauert es beim Menschen etwa neun Monate. Für die Entstehung des neuen Lebens aus Gott gibt es keine festgelegten Zeiträume. Die Zeit der Entwicklung kann länger oder kürzer sein.

Ich denke an einen jungen Mann, der mich nach einem Vortrag ziemlich kritisch hinterfragte. Wir kamen jedoch schließlich gut ins Gespräch. Soweit ich mich erinnere, hatte er vorher fast nichts mit Kirche und Christentum zu tun gehabt. Er ließ sich darauf ein, sein Leben Jesus zu öffnen. Wir knieten zusammen nieder und er sagte Gott im Gebet alles, was bisher in seinem Leben falsch gelaufen war. Er bat um Vergebung seiner Sünden. Ich sprach ihm zu, wie Jesus es uns aufgetragen hat: »Im Namen von Jesus, der für dich gestorben und auferstanden ist: Dir sind deine Sünden vergeben.« Ich fragte ihn: »Willst du das annehmen?« Er sagte fröhlich Ja. Wir dankten Jesus für dieses wunderbare Geschenk.

Ich war überrascht, als der junge Mann direkt zur Polizei gehen wollte. Er hatte mit Drogen gedealt und einige Einbrüche begangen. Nun bestand er darauf, auch mit den Menschen sein Leben in Ordnung zu bringen, nachdem Gott ihm einen Neuanfang geschenkt hatte. Ich konnte ihn noch dazu bringen, etwas zu warten, sodass ich vorher zur Polizei gehen und die möglichen Konsequenzen erfragen konnte. Der Beamte im Rauschgiftdezernat staunte nicht schlecht und informierte mich, dass dem Mann eine heftige Strafe drohe. Ich sagte ihm das. Doch er ließ sich nicht abschrecken. Er diktierte dem Polizisten seine ganze traurige Geschichte in die Tastatur. Und er strahlte nachher wie einer, der im Lotto sechs Richtige hat.

Das ist ein besonders krasses Beispiel. Gott sei Dank gibt es nicht wenige solcher drastischen Bekehrungen. Wenn aber jemand in behüteten Verhältnissen aufgewachsen ist, niemals Drogen genommen, kein Gefängnis von innen gesehen hat, muss er nicht traurig darüber sein, dass er keine dramatische Bekehrungsgeschichte erzählen kann. Im Gegenteil, er hat umso mehr Grund zur Dankbarkeit. Paulus fragt einmal: »Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Umkehr leitet?« (Römer 2,4; eigene Übersetzung).

Wenn Sie von keinem Tag wissen, an dem Sie die Wende zu Jesus vollzogen haben, fragen Sie sich bitte: Gehöre ich heute zu Jesus? Habe ich vom ihm die Vergebung meiner Sünden angenommen? Will ich, dass er der Herr meines Lebens ist? Will ich ihm auch in Zukunft vertrauen und nach seinem Wort leben? Wenn Sie diese Fragen mit Ja beantworten, dann gehören Sie zu Jesus. Es ist nicht so wichtig, dass Sie genau wissen, wann das begonnen hat. Viel wichtiger ist, dass Sie heute und in Zukunft unter seiner Regie und Fürsorge leben.

Es gibt nur einen Weg zu Gott, und der ist Jesus Christus, der gekreuzigte, auferstandene und wiederkommende Herr. Aber es gibt Tausende von Wegen zu Jesus. Denn jeder Christ, der erzählt, wie er zum Glauben an Jesus gekommen ist, wird eine eigene Geschichte erzählen. Darin spiegelt sich die liebevolle und schöpferische Vielfalt des Geistes Gottes.

Wie es bei mir war

Meine Eltern waren überzeugte, fröhliche Christen. Sie haben mich als Kind selbstverständlich in ihr Leben mit Jesus hineingenommen: Sie haben mit mir gebetet. Wir haben gesungen. Wir sind in den Gottesdienst gegangen. Als ich dann in die Pubertät kam, musste ich meinen eigenen Weg finden. Ich machte einige schwierige Erfahrungen mit der Kirche. Doch mit 14 Jahren wurde ich von jungen Christen in eine Jugendarbeit eingeladen. Dort trieben wir viel Sport. Das begeisterte mich. Die jungen Leute redeten aber auch sehr klar und einladend von Jesus. Ich wusste, dass manche von ihnen nicht aus christlichen Familien kamen wie ich. Das hat mich besonders herausgefordert. Der christliche Glaube war bei ihnen offensichtlich keine anerzogene Tradition, sondern eine lebendige Erfahrung.

Auf einer Fahrradtour zu fünft hatten wir viel Spaß. Monti, ein Student, leitete unsere Gruppe. Er las mit uns abends einen Abschnitt aus der Bibel und wir sprachen darüber. Plötzlich fragte er mich: »Weißt du eigentlich, ob du zu Jesus gehörst?« Ich war von der persönlichen Frage total überrascht. Deshalb sagte ich schnell Ja. Aber ich hatte eigentlich nicht wirklich darüber nachgedacht. Und plötzlich war mir klar, dass ich überhaupt nichts wusste. Ich wollte mich mit der positiven Antwort nur schnell einem weiteren Gespräch entziehen.

Ich hatte nichts gegen den christlichen Glauben, aber ich hatte ihn eigentlich nie wirklich an mich persönlich herankommen lassen. Jetzt aber war es passiert. Ich wurde die Frage nicht mehr los. Die Gespräche auf der Radtour halfen mir sehr zur Klärung. Als ich nach Hause zurückkam, bin ich in mein kleines Zimmerchen gegangen und habe gebetet. Ich habe Jesus gesagt, dass ich ihm von jetzt an gehören und nachfolgen will.

Ich freute mich sehr über die neu gewonnene Klarheit in meinem Leben. Es war für mich sehr aufregend, obwohl es nach außen nicht wirklich dramatisch war. Das genaue Datum habe ich mir nicht gemerkt. Es muss irgendwann nach Pfingsten 1955 gewesen sein. Ich war jedenfalls mehr damit beschäftigt, wie es jetzt weitergehen sollte. Es war ja ein Anfang und nicht das Ende. Ich schaute also nach vorn. Über den weiteren Weg will ich in späteren Kapiteln schreiben. Jetzt geht es uns zunächst darum zu verstehen, was eine Bekehrung ist.

Übrigens habe ich erst später begriffen, dass Gott mit mir schon eine Vorgeschichte hatte. Zuerst habe ich das Zurückliegende eher kritisch gesehen. Ich dachte, das wäre alles nur gedankenlose, anerzogene Mitläuferei gewesen. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass Gott schon früh in meinem Leben gewirkt hat. Er hat mir durch meine Eltern und andere Menschen einen Reichtum ins Leben gelegt, den ich später nutzen konnte. Das macht mich noch heute dankbar.

Wenn ich in einer Veranstaltung suchenden und kritischen Menschen die Einladung von Jesus und zu Jesus nahebringen will, dann mache ich mir immer klar, dass Gott mit allen schon seine Geschichte hat. Wir fangen nicht bei null an. Ich weiß nicht, wo sich der Prozess bei den Einzelnen gerade befindet. Ich weiß auch nicht, ob er gut vorwärtsgeht oder blockiert ist. Und ich muss das auch nicht wissen. Ich vertraue aber immer darauf, dass Gottes Wort, das ich diesen Menschen sagen darf, seine Wirkung hat. Ich bete, dass sie sich nicht verschließen. Doch letztlich schafft das Wort Gottes die Freiheit, in der ein Mensch Jesu Einladung annehmen oder zurückweisen kann.

Wie viel Entscheidungsfreiheit hat ein Toter?

Wir sind von Natur aus wie Lazarus. Dieser Freund von Jesus und Bruder der Maria und Marta, die in Bethanien, in der Nähe von Jerusalem, lebten, war gestorben. Jesus kam erst, als er schon vier Tage im Grab lag. Trotz der Bedenken von Marta lässt Jesus den Stein von der Grabhöhle wegrollen. Marta war sehr direkt: »Herr, er stinkt schon« (Johannes 11,39). Doch Jesus tut etwas Unglaubliches. Er ruft laut: »Lazarus, komm heraus!« (Johannes 11,43).

Wie viel Entscheidungsfreiheit hat ein Toter? Überhaupt keine. Er kann nur weiter verwesen. Was für einen Sinn hat es, einen Toten namentlich anzusprechen und zum Handeln aufzufordern? Überhaupt keinen. Er kann nichts tun. Aber Lazarus kam aus der Grabhöhle. Er war in die Leichentücher eingewickelt. Das machte das Gehen etwas schwierig. Jesus fordert die Umstehenden auf, Lazarus aus den Tüchern zu wickeln. Sie durften wenigstens das noch tun. Mehr konnten sie nicht beitragen.

Hatte Lazarus Entscheidungsfreiheit? Von sich selbst aus nicht. Doch Jesus spricht mit der Kraft des Schöpfers. Sein Wort schafft die Freiheit, die Lazarus von sich aus nicht hat. Hätte Lazarus auch im Grab bleiben können? Er wäre ja schön blöd gewesen.

Das Wort Gottes hat Kraft und schafft Freiheit. Es zwingt uns allerdings nicht. Gott ist Liebe. Und Liebe will nicht vergewaltigen. Das führt manchmal zu traurigen Szenen. Im Markusevangelium (10,17–22) lesen wir von einer vielversprechenden Begegnung eines nachdenklichen, reichen und religiösen Mannes mit Jesus. Er wusste, dass Geld nicht alles im Leben sein kann. Deshalb fragte er Jesus: »Was soll ich tun, dass ich das ewige Leben bekomme?« Jesus weist ihn auf Gottes Gebote hin. Die hatte er schon berücksichtigt und danach gelebt. Jesus stellt das nicht infrage. Aber er legt den Finger auf den kritischen Punkt im Leben dieses Mannes. »Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach! Er aber wurde unmutig über das Wort und ging traurig davon; denn er hatte viele Güter« (Markus 10,21–22).

Jesus rief diesen Mann mit der gleichen Kraft, mit der er den Lazarus rief. Offensichtlich traf er seinen wunden Punkt. Sein Besitz war sein Gott, von dem er Sicherheit und Anerkennung, also die Grundlagen des Lebens erwartete. Jesus aber wollte das Fundament seines Lebens verändern. Das passte ihm nicht. Er reagierte verärgert und ging traurig davon. Warum ist Jesus ihm nicht nachgegangen und hat noch einmal versucht, ihn zu überzeugen? So nachdenklich und religiös, wie der Mann war, fehlten doch nur ein paar Zentimeter und er wäre Jesus nachgefolgt. Aber Jesus respektiert das Nein. Die Liebe kann nicht zwingen.

Geburtshilfen

Jeder wird seinen eigenen Weg gehen, keiner kann das für den anderen übernehmen. Aber wir können einander begleiten, auch am Anfang des Weges. Jesus redet vom Beginn des neuen Lebens als von einer neuen Geburt (Johannes 3,3.5). Eine Geburt machen wir nicht selbst, sie geschieht an uns. Vergebung der Sünden und der Geist Gottes werden uns geschenkt. So entsteht das neue Leben.

Wenn der Beginn einer Geburt gleicht, dann gibt es auch Geburtshilfen. Menschen, die vor der Frage stehen, wie sie umkehren und ihr Leben Jesus anvertrauen können, rate ich: Tun Sie es mit einem Zeugen! Alle wichtigen Angelegenheiten des Lebens begehen wir vor Zeugen. Bei der Heirat gibt es Trauzeugen. Ein Grundstückskauf wird beim Notar urkundlich vollzogen. Darauf kann ich mich später jederzeit berufen. Wenn meine Bekehrung nur eine Sache der Gefühle und des geheimen guten Vorsatzes ist, kann ich sie schnell widerrufen. Keiner wird mich daran erinnern. Im Rückblick kann man eigene Gefühle und Gedanken kritisch infrage stellen. Bleibende Gewissheit kommt nicht durch die Erinnerung daran, dass wir uns irgendwann einmal entschieden und bekehrt haben. Die Zweifel fressen die Erinnerung an die Vergangenheit auf.

Die Geburtshilfe kann also dadurch geschehen, dass Sie mit einem anderen Christen als Zeugen beten. Sie danken für die Liebe Gottes und für die Einladung. Bekennen Sie Ihre Sünden und bitten Sie um Vergebung. Ihr Zeuge muss schweigen können. Und Sie sollten ehrlich vor Gott die Verfehlungen Ihres Lebens nennen, soweit Gottes Geist sie Ihnen bewusst macht. Gottes Wort hat uns die Zusage gegeben: »Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Gott treu und gerecht, dass er uns unsere Sünde vergibt und reinigt uns von allem Unrecht« (1. Johannes 1,9; eigene Übersetzung). Sagen Sie Jesus, dass Ihr ganzes Leben von jetzt an ihm gehören soll, dass Sie ihm vertrauen und folgen wollen.

Der Zeuge kann Ihnen nach dem Gebet im Namen und Auftrag von Jesus zusprechen: »Dir sind deine Sünden vergeben, weil Jesus Christus für dich gestorben und auferstanden ist.« Leider haben viele Christen heute vergessen, dass wir einander in Jesu Namen die Vergebung der Sünden zusprechen können. Schon am Abend des Auferstehungstages hat Jesus seinen Jüngern diese Vollmacht gegeben. Wir lesen in Johannes 20,22–23: »Nehmt hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.«

Es gibt bekanntlich verschiedene Methoden der Geburtshilfe. So gibt es auch bei der neuen Geburt verschiedene Arten von Unterstützung. Wir müssen uns nicht auf einen Weg festlegen. Ich biete bei öffentlichen Veranstaltungen gern am Schluss den »Treffpunkt Kreuz« als eine Hilfe an. Wer will, kann dorthin kommen – auch vor allen Zeugen in der Versammlung – und mit mir ein kurzes Anfangsgebet beten. Danach besteht die Möglichkeit zu Gesprächen mit Seelsorgern.

Mir ist auch wichtig, dass neue Christen in die Gemeinschaft mit anderen Christen finden. Ein neugeborenes Kind braucht unbedingt eine Familie, die es versorgt. Wenn das nicht garantiert ist, wird das Baby schnell sterben. Wenn ein Mensch von Neuem geboren wird, besteht ebenso hoher Fürsorgebedarf durch die Familie Gottes. Echtes Leben ist sehr empfindlich. Der Beginn des Glaubens ist nicht wie der Start einer Rakete. Da herrscht am Anfang das große Getöse und weiter oben schwebt die Rakete wie von selbst. Der neugeborene Christ wächst jedoch so langsam und behutsam wie ein Baby. Es geht dabei eben um echtes Leben und nicht um ein technisches Monstrum.

Kann ich gewiss sein?

Ich erinnere mich gern daran, wie ich meine Frau geheiratet habe. Aber die Gewissheit, dass sie mich liebt und ich sie liebe, kommt nicht aus der Erinnerung an unsere Hochzeit. Wir schauen uns auch heute noch in die Augen und sagen einander: »Ich liebe dich.«

So ist das auch in unserem Verhältnis zu Gott. Paulus schreibt: »Gottes Geist gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind« (Römer 8,16; eigene Übersetzung). Gottes Geist spricht also wie ein Zeuge vor Gericht die Gültigkeit der Tatsache aus: Du bist Gottes Kind – weil Jesus für dich gestorben und auferstanden ist, weil er jetzt zur Rechten Gottes sitzt und für dich eintritt (Römer 8,34).

Jesus hat in der Bergpredigt gesagt: »Geht hinein durch die enge Pforte!« (Matthäus 7,13). Jesus ruft mich, nicht auf der breiten Straße mitzulaufen, wo die Massen mich ins Verderben ziehen. Er fordert mich also zu einer Entscheidung auf, durch das kleine Tor zu gehen, das ich gegen den Trend suchen und durchschreiten muss. Das hört sich so an, als hinge alles an mir. Doch wir dürfen unsere eigene Entscheidung nicht überschätzen. Mir hat folgender Rat in meinem Leben sehr geholfen:

Als junger Christ sagte man mir: Wenn du durch die enge Pforte gegangen bist und dich auf dem Weg umsiehst, dann steht von innen über dem Tor das Wort von Jesus: »Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt« (Johannes 15,16). Das macht gewiss. Meine eigenen Entscheidungen lassen sich leicht infrage stellen. Aber Gottes Entscheidung für mich ist fest verankert. Sie kam nicht aus einer launigen Stimmung heraus. Er hat sie schon vor Erschaffung der Welt getroffen. Paulus schreibt: »In Christus hat Gott uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war« (Epheser 1,4; eigene Übersetzung). Das übersteigt unser Vorstellungsvermögen. Wir wissen nichts darüber, was vor der Erschaffung des Universums war. Doch was Gott in Ewigkeit über uns dachte, das hat er in Jesus Christus gezeigt. Er hat uns in ihm erwählt. Zu Jesus hat Gott gesagt: »Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe« (Matthäus 3,17). Und genauso gefallen wir Gott, wenn wir unser Leben mit Jesus verbinden lassen.

Wir können also ganz gewiss sein. So wahr Jesus für uns am Kreuz gestorben ist und auferweckt wurde, so gewiss hat uns Gott gewollt, geliebt und erwählt, bevor Raum und Zeit geschaffen wurden. Diese Liebe Gottes ist fest in der Ewigkeit verankert. Sie ist der Vergänglichkeit und Unzuverlässigkeit der Welt entzogen. Gott sei Dank!

Vielleicht kommen Ihnen Bedenken, ob man wirklich so gewiss sagen kann: »Ich bin Gottes Kind.« Muss man nicht vorsichtiger und bescheidener sagen: »Ich bemühe mich, Christ zu sein.« Wir möchten ja nicht in den Verdacht kommen, hochmütig zu sein.

Ich stelle mir vor, unsere Kinder würden gefragt, ob sie die Kinder von Regine und Ulrich Parzany sind. Wenn sie dann antworten würden: »Wir bemühen uns, ihre Kinder zu sein«, wären wir sehr traurig. Es hängt nicht von ihrem Bemühen ab, ob sie unsere Kinder sind. Das ist durch ihre Geburt bzw. Adoption absolut sicher. Es ist ihnen geschenkt. Und ich hoffe sehr, dass sie es als ein Geschenk ansehen und nicht als eine Belastung oder eine vage Hoffnung.

Wenn schon menschliche Eltern solche Gewissheit gewähren können, wie viel mehr Gott. Wir können uns die Gotteskindschaft weder kaufen noch erarbeiten, wir bekommen sie geschenkt. Alles, was als Voraussetzung dazugehört, hat Gott selbst durch Jesus Christus geschaffen. Es hat ihn viel gekostet. Wir dürfen daher gewiss sein, weil nichts mehr unsicher ist. Wir ehren Gott, wenn wir dankbar und vertrauensvoll bekennen, dass wir als Kinder zu ihm gehören.

Endgültige Heimkehr

Ist Bekehrung nun eine einmalige Sache, oder müssen wir uns immer wieder neu bekehren? Erinnern wir uns an das große Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15,11–32). Er kehrt nach seiner eigenmächtigen Tour wieder nach Hause zurück, wohl wissend, dass er sein Recht als Sohn verspielt hat. Nun hofft er nur noch darauf, einen Hilfsarbeiterjob zu bekommen, um nicht hungern zu müssen. Der Vater aber schließt ihn in die Arme und stattet ihn sofort mit allen Erkennungszeichen des rechtmäßigen Sohnes aus: Ring, bestes Gewand, Schuhe. Das ist die grundlegende Wiederherstellung als Sohn. Kein Wort davon, dass dieses Recht auf einen Tag begrenzt ist und vielleicht bei guter Führung am nächsten Tag erneuert werden kann. Nein, das gilt jetzt und für immer. Die Heimkehr ist endgültig.

Spinnen wir die Geschichte weiter über die Erzählung von Jesus hinaus. Vielleicht ist es später vorgekommen, dass der Sohn mit dem Vater Meinungsverschiedenheiten hatte. Es gab wieder Krach. Der musste ausgeräumt werden. Aber die Kindschaft war dadurch nicht mehr infrage gestellt.

Es wird immer wieder Störungen in unserem Verhältnis zu Gott geben – leider. Wir gehen besserwisserisch eigene Wege. Wir missachten Gottes Wegweisungen. Wir zerstören die Vertrauensbeziehung. Das bezeichnet die Bibel als Sünde. Und Sünde kommt auch im Leben von Christen noch vor. Von diesen falschen Wegen müssen und dürfen wir umkehren und uns mit dem Vater versöhnen. Das wird unser Leben lang immer wieder nötig sein. Aber diese Versöhnung geschieht auf der Basis der geschenkten Kindschaft. Von Gottes Seite ist sie unerschütterlich. Das schafft eine tiefe Freude und Getrostheit.

Zuerst dazugehören, dann erst mit Jesus leben

Wenn wir zu Gott, unserem Vater heimkehren, gewinnen wir nicht nur neu die Kindschaftsbeziehung zum Vater, wir gewinnen zugleich die Beziehung zu den anderen Kindern Gottes. Gott hat keine Einzelkinder. Damit beschäftigen wir uns noch in einem späteren Kapitel. Jetzt weise ich nur darauf hin, dass viele Menschen zuerst zur Gemeinschaft der Christen gehören und erst später eine persönliche Beziehung zu Jesus bekommen. Auch so kann der Lebensprozess laufen, der zur Bekehrung führt.

Das Leben bringt es mit sich, dass man interessante Menschen trifft. Manchmal passiert das in Zeiten, wenn wir Nöte haben, traurig sind oder unter Einsamkeit leiden. Wir freuen uns, wenn wir Leute treffen, die mit uns empfinden und Zeit für uns haben. Wir schließen uns ihnen an. Wenn sie an Jesus Christus glauben, mag es sein, dass uns ihr Glaube fremd ist, aber die Gemeinschaft mit ihnen wärmt uns.

Es kann auch sein, dass wir schöne Erlebnisse miteinander haben. Nachbarschaftsfeste, Urlaubsbekanntschaften. Vielleicht wurde unsere handwerkliche, technische oder künstlerische Fähigkeit geschätzt. Wir wurden um Mitarbeit gebeten. Wir sind dadurch in persönlichen Kontakt gekommen. Das hat uns gefallen – vielleicht sogar geholfen.

Erst mit der Zeit haben wir mehr vom Inhalt der Botschaft erfahren, die unseren christlichen Freunden so wichtig ist. Wenn man Menschen wertschätzt, ist man auch ihren Meinungen gegenüber offen. Jedenfalls lässt man sich eventuell auf eine wohlwollende Prüfung ein.