Impressum

ISBN 9783955010805 (E-Book)

 

andersseitig.de 2013


Covergestaltung: Johannes Krüger

Digitalisierung: Johannes Krüger


andersseitig Verlag

Helgolandstraße 2

01097 Dresden


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Inhalt 

Teil I

Denkendorf / Maulbronn 1784 – 1788

Die Stille
Die Tek
Die heilige Bahn

Tübingen 1789 – 1793

Kepler
Einst und jetzt
Hymne an den Genius Griechenlands
Hymne an die Freiheit (1792)
Hymne an die Göttin der Harmonie
Hymne an die Menschheit
Hymne an die Schönheit
Hymne an die Freiheit (1793)
Hymne an die Freundschaft
Hymne an die Liebe
An Hiller
Dem Genius der Kühnheit
Griechenland

Waltershausen 1794

Das Schicksal
Der Gott der Jugend
An eine Rose

Teil II

1794 – 1798

An die Unerkannte
An Herkules
An die Natur
Der Jüngling an die klugen Ratgeber
Die Eichbäume
An den Äther
An Neuffer
Der gute Glaube
Ehemals und jetzt
Die Kürze
Das Unverzeihliche
Abbitte
Diotima
Die Liebenden
An ihren Genius
An Diotima
Diotima
Die Muße
Achill
Da ich ein Knabe war
An die Parzen

Teil III

1798 – 1800

An die jungen Dichter
Die scheinheiligen Dichter
Guter Rat
Falsche Popularität
Die beschreibende Poesie
Der Mensch
Der Zeitgeist
Der Tod fürs Vaterland
Sokrates und Alkibiades
Vanini
Buonaparte
Empedokles
Menschenbeifall
Die Launischen
Abschied
Götter wandelten einst…
Dem Sonnengott
Sonnenuntergang
Des Morgens
Abendphantasie
Der Main
Heidelberg
Die Götter
Der Neckar

Teil IV

1800 – 1806 

Epigramme

PROS EAUTON
Sophokles
Der zürnende Dichter
Die Scherzhaften
Wurzel alles Übels
Die Entschlafenen

Lyrisches

Der Prinzessin Auguste von Homburg
An eine Fürstin von Dessau
Mein Eigentum
Palinodie
Wohl geh ich täglich
Bitte (An die Hoffnung)
Die Heimat
Die Liebe
Lebenslauf
Geh unter schöne Sonne
Ihre Genesung
Diotima
Der Abschied
Rückkehr in die Heimat
An Eduard
Dichtermut
Ermunterung
Natur und Kunst oder Saturn und Jupiter
Das Ahnenbild
An Landauer
An eine Verlobte
Unter den Alpen gesungen
Der gefesselte Strom
Der blinde Sänger
Hälfte des Lebens
Andenken
Chiron – 2. Fassung von Der blinde Sänger
Blödigkeit – 3. Fassung von Dichtermut
Ganymed – 2. Fassung von Der gefesselte Strom
Tränen – Sapphos Schwanengesang
Lebensalter
Der Winkel von Hardt

Elegien

Menons Klagen um Diotima
Der Archipelagus
Der Wanderer
Heimkunft
Der Gang aufs Land
Stutgart
Brot und Wein

Hymnen in antiken Strophen

Gesang des Deutschen
An die Deutschen
Rousseau
Der Frieden
Stimme des Volkes
Dichterberuf

Hymnen in freien Strophen

Wie wenn am Feiertage
Am Quell der Donau
Versöhnender, der du nimmergeglaubt
Die Wanderung
Der Rhein
Germanien
Der Einzige
Patmos
Mnemosyne

Teil V

Gedichte ab 1800

Das Angenehme dieser Welt
Winter
Das fröhliche Leben
Nicht alle Tage
Wenn aus der Ferne
Der Spaziergang
An Zimmern (Von einem Menschen sag ich...)
Aussicht (Wenn Menschen fröhlich sind...)
Der Frühling (Wenn auf Gefilden...)
Der Zeitgeist (Die Menschen finden sich...)
Die Aussicht (Wenn in die Ferne geht...)
Der Frühling (Wenn aus der Tiefe...)
Der Winter (Das Feld ist kahl...)
Des Geistes Werden
Der Sommer (Noch ist die Zeit des Jahres...)
Der Kirchhof
Der Frühling (Wenn neu das Licht...)
Der Ruhm
Der Herbst (Das Glänzen der Natur...)
Auf den Tod eines Kindes
Der Sommer (Im Thale rinnt ein Bach...)
Auf die Geburt eines Kindes
Der Sommer (Die Tage gehn vorbei...)
An Zimmern (Die Linien des Lebens...)
Der Winter (Wenn ungesehen ...)
Dem gnädigen Herrn von Lebret
Der Winter (Wenn sich das Jahr verändert...)
Freundschaft, Liebe...
Der Winter (Wenn sich der Tag...)
Der Frühling (Der Tag erwacht...)
Höheres Leben
Der Frühling (Die Sonne...)
Höhere Menschheit
Der Winter (Wenn blaicher Schnee...)
Aussicht (Der offne Tag ist Menschen hell...)
Der Frühling (Der Mensch vergißt die Sorgen...)
Der Herbst (Die Sagen, die der Erde sich entfernen...)
Der Frühling (Wie seelig ists...)
Der Sommer (Wenn dann vorbei des Frühlings Blüthe schwindet...)    

Teil I

Denkendorf / Maulbronn 1784 - 1788

Die Stille

Die du schon mein Knabenherz entzücktest,
Welcher schon die Knabenträne floß,
Die du früh dem Lärm der Toren mich entrücktest,
Besser mich zu bilden, nahmst in Mutterschoß,

Dein, du Sanfte! Freundin aller Lieben!
Dein, du Immertreue! sei mein Lied!
Treu bist du in Sturm und Sonnenschein geblieben,
Bleibst mir treu, wenn einst mich alles, alles flieht.

Jene Ruhe – jene Himmelswonne –
O ich wußte nicht, wie mir geschah,
Wann so oft in stiller Pracht die Abendsonne
Durch den dunklen Wald zu mir heruntersah –

Du, o du nur hattest ausgegossen
Jene Ruhe in des Knaben Sinn,
Jene Himmelswonne ist aus dir geflossen,
Hehre Stille! holde Freudengeberin!

Dein war sie, die Träne, die im Haine
Auf den abgepflückten Erdbeerstrauß
Mir entfiel – mit dir ging ich im Mondenscheine
Dann zurück ins liebe elterliche Haus.

Fernher sah ich schon die Kerzen flimmern,
Schon wars Suppenzeit – ich eilte nicht!
Spähte stillen Lächelns nach des Kirchhofs Wimmern
Nach dem dreigefüßten Roß am Hochgericht.

War ich endlich staubigt angekommen,
Teilt' ich erst den welken Erdbeerstrauß,
Rühmend, wie mit saurer Müh ich ihn bekommen,
Unter meine dankenden Geschwister aus;

Nahm dann eilig, was vom Abendessen
An Kartoffeln mir noch übrig war,
Schlich mich in der Stille, wann ich satt gegessen,
Weg von meinem lustigen Geschwisterpaar.

O! in meines kleinen Stübchens Stille
War mir dann so über alles wohl,
Wie im Tempel war mirs in der Nächte Hülle,
Wann so einsam von dem Turm die Glocke scholl.

Alles schwieg und schlief, ich wacht' alleine;
Endlich wiegte mich die Stille ein,
Und von meinem dunklen Erdbeerhaine
Träumt' ich, und vom Gang im stillen Mondenschein.

Als ich weggerissen von den Meinen
Aus dem lieben elterlichen Haus
Unter Fremde irrte, wo ich nimmer weinen
Durfte, in das bunte Weltgewirr hinaus,

O wie pflegtest du den armen Jungen,
Teure, so mit Mutterzärtlichkeit,
Wann er sich im Weltgewirre müdgerungen,
In der lieben, wehmutsvollen Einsamkeit.

Als mir nach dem wärmern, vollern Herzen
Feuriger itzt stürzte Jünglingsblut;
O! wie schwelgtest du oft ungestüme Schmerzen,
Stärktest du den Schwachen oft mit neuem Mut.

Jetzt belausch ich oft in deiner Hütte
Meinen Schlachtenstürmer Ossian,
Schwebe oft in schimmernder Seraphen Mitte
Mit dem Sänger Gottes, Klopstock, himmelan.

Gott! und wann durch stille Schattenhecken
Mir mein Mädchen in die Arme fliegt,
Und die Hasel, ihre Liebenden zu decken,
Sorglich ihre grünen Zweige um uns schmiegt –

Wann im ganzen segensvollen Tale
Alles dann so stille, stille ist,
Und die Freudenträne, hell im Abendstrahle
Schweigend mir mein Mädchen von der Wange wischt –

Oder wann in friedlichen Gefilden
Mir mein Herzensfreund zur Seite geht,
Und mich ganz dem edlen Jüngling nachzubilden
Einzig vor der Seele der Gedanke steht –

Und wir bei den kleinen Kümmernissen
Uns so sorglich in die Augen sehn,
Wann so sparsam öfters, und so abgerissen
Uns die Worte von der ernsten Lippe gehn.

Schön, o schön sind sie! die stillen Freuden,
Die der Toren wilder Lärm nicht kennt,
Schöner noch die stillen, gottergebnen Leiden,
Wann die fromme Träne von dem Auge rinnt.

Drum, wenn Stürme einst den Mann umgeben,
Nimmer ihn der Jugendsinn belebt,
Schwarze Unglückswolken drohend ihn umschweben,
Ihm die Sorge Furchen in die Stirne gräbt,

O so reiße ihn aus dem Getümmel,
Hülle ihn in deine Schatten ein,
O! in deinen Schatten, Teure! wohnt der Himmel,
Ruhig wirds bei ihnen unter Stürmen sein.

Und wann einst nach tausend trüben Stunden
Sich mein graues Haupt zur Erde neigt,
Und das Herz sich mattgekämpft an tausend Wunden
Und des Lebens Last den schwachen Nacken beugt:

O so leite mich mit deinem Stabe –
Harren will ich auf ihn hingebeugt,
Bis in dem willkommnen, ruhevollen Grabe
Aller Sturm und aller Lärm der Toren schweigt.

Die Teck

Ah! so hab ich noch die Traubenhügel erstiegen,
Ehe der leuchtende Strahl an der güldenen Ferne hinabsinkt.
Und wie wohl ist mir! Ich streck im stolzen Gefühle –
Als umschlänge mein Arm das Unendliche – auf zu den Wolken
Meine gefalteten Hände, zu danken im edlen Gefühle
Daß er ein Herz mir gab, dem Schaffer der edlen Gefühle.
Mich mit den Frohen zu freuen, zu schauen den herbstlichen Jubel,
Wie sie die köstliche Traube mit heiterstaunendem Blicke
Über sich halten, und lange noch zaudern, die glänzende Beere
In des Kelterers Hände zu geben – wie der gerührte
Silberlockigte Greis an der abgeernteten Rebe
Königlich froh zum herbstlichen Mahle sich setzt mit den Kleinen,
O! und zu ihnen spricht aus der Fülle des dankenden Herzens:
Kinder! am Segen des Herrn ist alles, alles gelegen – –
Mich mit den Frohen zu freuen, zu schauen den herbstlichen Jubel
War ich herauf von den Hütten der gastlichen Freundschaft gegangen.
Aber siehe! allmächtig reißen mich hin in ernste Bewundrung
Gegenüber die waldigten Riesengebirge. – Laß mich vergessen,
Laß mich deine Lust, du falbigte Rebe, vergessen,
Daß ich mit voller Seele sie schaue, die Riesengebirge!
Ha! wie jenes so königlich über die Brüder emporragt!
Teck ist sein Name. Da klangen einst Harnische, Schwerter ertönen
Zwischen den moosigten Mauern der Fürsten und blinkenden Helme.
Eisern waren und groß und bieder seine Bewohner.
Mit dem kommenden Tag stand über den moosigten Mauern
In der ehernen Rüstung der Fürst, sein Gebirge zu schauen.
Mein dies Riesengebirge – so stolz –so königlich herrlich–?
Sprach er mit ernsterer Stirne, mit hohem, denkendem Auge –
Mein die trotzenden Felsen? die tausendjährigen Eichen?
Ha! und ich? – und ich? – bald wäre mein Harnisch gerostet
O! der Schande! mein Harnisch gerostet in diesem Gebirge.
Aber ich schwör – ich schwör, ich meide mein Riesengebirge,
Fliehe mein Weib, verlasse das blaue, redliche Auge,
Bis ich dreimal gesiegt im Kampfe des Bluts und der Ehre.
Trage mich mein Roß zu deutscher stattlicher Fehde
Oder wider der Christenfeinde wütende Säbel –
Bis ich dreimal gesiegt, verlaß ich das stolze Gebirge.
Unerträglich! stärker als ich, die trotzenden Felsen,
Ewiger, als mein Name, die tausendjährigen Eichen!
Bis ich dreimal gesiegt, verlaß ich das stolze Gebirge.
Und er ging und schlug, der feurige Fürst des Gebirges.
Ja! so erheben die Seele, so reißen sie hin in Bewundrung
Diese felsigten Mitternachtswälder, so allerschütternd
Ist sie, die Stunde, da ganz es fühlen, dem Herzen vergönnt ist. –
Bringet ihn her, den frechen Spötter der heilsamen Wahrheit,
O! und kommet die Stunde, wie wird er staunen und sprechen:
Wahrlich! ein Gott, ein Gott hat dieses Gebirge geschaffen.
Bringet sie her, des Auslands häßlich gekünstelte Affen
Bringet sie her, die hirnlos hüpfenden Puppen, zu schauen
Dieses Riesengebirge so einfach schön, so erhaben;
O, und kommet die Stunde, wie werden die Knaben erröten,
Daß sie Gottes herrlichstes Werk so elend verzerren. –
Bringet sie her, der deutschen Biedersitte Verächter,
Übernachtet mit ihnen, wo Moder und Disteln die grauen
Trümmer der fürstlichen Mauern, der stolzen Pforten bedecken.
Wo der Eule Geheul und des Uhus Totengewimmer
Ihnen entgegenruft aus schwarzen, lumpfigten Höhlen.
Wehe! wehe! so flüstern im Sturme die Geister der Vorzeit,
Ausgetilget aus Suevia redliche biedere Sitte!
Ritterwort und Rittergruß und traulicher Handschlag! –
Laßt euch mahnen, Suevias Söhne! Die Trümmer der Vorzeit!
Laßt sie euch mahnen! Einst standen sie hoch, die gefallenen Trümmer,
Aber ausgetilget ward der trauliche Handschlag,
Ausgetilget das eiserne Wort, da sanken sie gerne,
Gerne hin in den Staub, zu beweinen Suevias Söhne.
Laßt sie euch mahnen, Suevias Söhne! die Trümmer der Vorzeit!
Beben werden sie dann der Biedersitte Verächter,
Und noch lange sie seufzen, die fallverkündenden Worte –
Ausgetilget aus Suevia redliche biedere Sitte!
Aber nein! nicht ausgetilget ist biedere Sitte,
Nicht ganz ausgetilget aus Suevias friedlichen Landen – –
O mein Tal! mein teckbenachbartes Tal! – ich verlasse
Mein Gebirge, zu schauen im Tale die Hütten der Freundschaft.
Wie sie von Linden umkränzt bescheiden die rauchenden Dächer
Aus den Fluren erheben, die Hütten der biederen Freundschaft.
O ihr, die ihr fern und nahe mich liebet, Geliebte!
Wärt ihr um mich, ich drückte so warm euch die Hände, Geliebte!
Jetzt, o! jetzt über all den Lieblichkeiten des Abends.
Schellend kehren zurück von schattigten Triften die Herden,
Und fürs dritte Gras der Wiesen, im Herbste noch fruchtbar,
Schneidend geklopfet ertönt des Mähers blinkende Sense.
Traulich summen benachbarte Abendglocken zusammen,
Und es spielet der fröhliche Junge dem lauschenden Mädchen
Zwischen den Lippen mit Birnbaumblättern ein scherzendes Liedchen.
Hütten der Freundschaft, der Segen des Herrn sei über euch allen!
Aber indessen hat mein hehres Riesengebirge
Sein gepriesenes Haupt in nächtliche Nebel verhüllet,
Und ich kehre zurück in die Hütten der biederen Freundschaft.

Die heilige Bahn

Ist also dies die heilige Bahn?
    Herrlicher Blick – o trüge mich nicht!
        Diese geh' ich?? schwebend auf des Liedes
            Hoher fliegender Morgenwolke?

Und welch' ist jene? künstlich gebaut
    Eben hinaus mit Marmor beschränkt
        Prächtig gerad, gleich den Sonnenstrahlen –
            An der Pforte ein hoher Richtstuhl?

Ha! wie den Richtstuhl Purpur umfließt
    Und der Smaragd wie blendend er glänzt
        Und auf dem Stuhl, mit dem großen Szepter
            Aristoteles hinwärts blickend

Mit hellem scharfem Aug' auf des Lieds
    Feurigen Lauf – und jenes Gebirg'
        Eilt sie hinweg – mutig in die Täler
            Stürzt sie, ungestüm, und ihr Boden

Ist wie des Nordens Flammengewölk
    Wallend vom Tritt des rennenden Gangs –
        Waffengeräusch rauschen seine Tritte
            Ober alternde Wolkenfelsen.

Ha! sie ist heiß die heilige Bahn –
    Ach wie geübt der Große dort rennt
        Um ihn herum – wie da Staunen wimmelt
            Freunde – Vaterland – fernes Ausland.

Und ich um ihn mit Mückengesums
    Niedrig – im Staub – Nein Großer, das nicht.
        Mutig hinan! – ! – Wanns nun da ist, voll ist
           ----------------

Tübingen 1789 - 1793

Kepler

Unter den Sternen ergehet sich
    Mein Geist, die Gefilde des Uranus
        Überhin schwebt er und sinnt; einsam ist
            Und gewagt, ehernen Tritt heischet die Bahn.

Wandle mit Kraft, wie der Held, einher!
    Erhebe die Miene! doch nicht zu stolz,
        Denn es naht, siehe es naht, hoch herab
            Vom Gefild, wo der Triumph jubelt, der Mann,

Welcher den Denker in Albion,
    Den Späher des Himmels um Mitternacht
        Ins Gefild tiefern Beschauns leitete,
            Und voran leuchtend sich wagt' ins Labyrinth,

Daß der erhabenen Themse Stolz
    Im Geiste sich beugend vor seinem Grab,
        Ins Gefild würdigern Lohns nach ihm rief:
            »Du begannst, Suevias Sohn! wo es dem Blick

Aller Jahrtausende schwindelte;
    Und ha! ich vollende, was du begannst,
        Denn voran leuchtetest du, Herrlicher!
            Im Labyrinth, Strahlen beschwurst du in die Nacht.

Möge verzehren des Lebens Mark
    Die Flamm' in der Brust – ich ereile dich,
        Ich vollends! denn sie ist groß, ernst und groß,
            Deine Bahn, höhnet des Golds, lohnet sich selbst.«

Wonne Walhallas! und ihn gebar
    Mein Vaterland? ihn, den die Themse pries?
        Der zuerst ins Labyrinth Strahlen schuf,
            Und den Pfad, hin an dem Pol, wies dem Gestirn.

Heklas Gedonner vergäß' ich so,
    Und, ging' ich auf Ottern, ich bebte nicht
        In dem Stolz, daß er aus dir, Suevia!
            Sich erhub, unser der Dank Albions ist.

Mutter der Redlichen! Suevia!
    Du stille! dir jauchzen Äonen zu,
        Du erzogst Männer des Lichts ohne Zahl,
            Des Geschlechts Mund, das da kommt, huldiget dir.

Einst und jetzt

Einst, tränend Auge! sahst du so hell empor!
Einst schlugst du mir so ruhig, empörtes Herz!
So, wie die Wallungen des Bächleins
Wo die Forell' am Gestade hinschlüpft.

Einst in des Vaters Schoße – des liebenden
Geliebten Vaters – aber der Würger kam,
Wir weinten, flehten, doch der Würger
Schnellte den Pfeil; und es sank die Stütze!

Ha! du gerechte Vorsicht! so bald begann
Der Sturm, so bald? – Doch – straft mich des Undanks nicht,
Ihr Stunden meiner Knabenfreude
Stunden des Spiels und des Ruhelächelns!

Ich seh euch wieder – herrlicher Augenblick!
Da füttert' ich mein Hühnchen, da pflanzt' ich Kohl
Und Nelken – freute so des Frühlings
Mich und der Ernt, und des Herbstgewimmels.

Da sucht' ich Maienblümchen im Walde mir,
Da wälzt' ich mich im duftenden Heu umher,
Da brockt' ich Milch mit Schnittern ein, da
Schleudert' ich Schwärmer am Rebenberge.

Und o! wie warm, wie hing ich so warm an euch
Gespielen meiner Einfalt, wie stürmten wir
In offner Feldschlacht, lehrten uns den
Strudel durchschwimmen, die Eich ersteigen!

Jetzt wandl' ich einsam an dem Gestade hin,
Ach keine Seele, keine für dieses Herz?
Ihr frohen Reigen? Aber weh dir
Sehnender Jüngling! sie gehn vorüber!

Zurück denn in die Zelle, Verachteter!
Zurück zur Kummerstätte, wo schlaflos du
So manche Mitternächte weintest
Weintest im Durste nach Lieb' und Lorbeer.

Lebt wohl, ihr güldnen Stunden vergangner Zeit,
Ihr lieben Kinderträume von Größ' und Ruhm,
Lebt wohl, lebt wohl, ihr Spielgenossen,
Weint um den Jüngling, er ist verachtet!

Hymne an den Genius Griechenlands

Jubel! Jubel
Dir auf der Wolke!
Erstgeborner
Der hohen Natur!
Aus Kronos Halle
Schwebst du herab.
Zu neuen, geheiligten Schöpfungen
Hold und majestätisch herab.

Ha! bei der Unsterblichen
Die dich gebar,
Dir gleichet keiner
Unter den Brüdern
Den Völkerbeherrschern
Den Angebeteten allen!

Dir sang in der Wiege den Weihgesang
Im blutenden Panzer die ernste Gefahr
Zu gerechtem Siege reichte den Stahl
Die heilige Freiheit dir.
Von Freude glühten
Von zaubrischer Liebe deine Schläfe
Die goldgelockten Schläfe.

Lange säumtest du unter den Göttern
Und dachtest der kommenden Wunder.
Vorüber schwebten, wie silbern Gewölk
Am liebenden Auge dir
Die Geschlechter alle!
Die seligen Geschlechter.

Im Angesichte der Götter
Beschloß dein Mund
Auf Liebe dein Reich zu gründen.
Da staunten die Himmlischen alle.
Zu brüderlicher Umarmung,
Neigte sein königlich Haupt
Der Donnerer nieder zu dir.
Du gründest auf Liebe dein Reich.

Du kommst und Orpheus Liebe
Schwebet empor zum Auge der Welt
Und Orpheus Liebe
Wallet nieder zum Acheron
Du schwingest den Zauberstab,
Und Aphrodites Gürtel ersieht
Der trunkene Mäonide.
Ha! Mäonide! wie du!
So liebte keiner, wie du;
Die Erd' und Ozean
Und die Riesengeister, die Helden der Erde
Umfaßte dein Herz!
Und die Himmel und alle die Himmlischen
Umfaßte dein Herz.
Auch die Blume, die Bien' auf der Blume
Umfaßte liebend dein Herz! –

Ach Ilion! Ilion!
Wie jammertest, hohe Gefallene, du
Im Blute der Kinder!
Nun bist du getröstet. Dir scholl
Groß und warm wie sein Herz,
Des Mäoniden Lied.

Ha! bei der Unsterblichen
Die dich gebar,
Dich, der du Orpheus Liebe,
Der du schufest Homeros Gesang

Hymne an die Freiheit (1792)

Wie den Aar im grauen Felsenhange
Wildes Sehnen zu der Sterne Bahn,
Flammt zu majestätischem Gesange
Meiner Freuden Ungestüm mich an;
Ha! das neue niegenoßne Leben
Schaffet neuen glühenden Entschluß!
Über Wahn und Stolz emporzuschweben,
Süßer, unaussprechlicher Genuß!

Seit dem Staube mich ihr Arm entrissen,
Schlägt das Herz so kühn und selig ihr;
Angeflammt von ihren Götterküssen
Glühet noch die heiße Wange mir;
Jeder Laut von ihrem Zaubermunde
Adelt noch den neugeschaffnen Sinn –
Hört, o Geister! meiner Göttin Kunde,
Hört, und huldiget der Herrscherin!

»Als die Liebe noch im Schäferkleide
Mit der Unschuld unter Blumen ging,
Und der Erdensohn in Ruh und Freude
Der Natur am Mutterbusen hing,
Nicht der Übermut auf Richterstühlen
Blind und fürchterlich das Band zerriß;
Tauscht' ich gerne mit der Götter Spielen
Meiner Kinder stilles Paradies.

Liebe rief die jugendlichen Triebe
Schöpferisch zu hoher stiller Tat,
Jeden Keim entfaltete der Liebe
Wärm und Licht zu schwelgerischer Saat;
Deine Flügel, hohe Liebe! trugen
Lächelnd nieder die Olympier;
Jubeltöne klangen – Herzen schlugen
An der Götter Busen göttlicher.

Freundlich bot der Freuden süße Fülle
Meinen Lieblingen die Unschuld dar;
Unverkennbar in der schönen Hülle
Wußte Tugend nicht, wie schön sie war;
Friedlich hausten in der Blumenhügel
Kühlem Schatten die Genügsamen –
Ach! des Haders und der Sorge Flügel
Rauschte ferne von den Glücklichen.

Wehe nun! – mein Paradies erbebte!
Fluch verhieß der Elemente Wut!
Und der Nächte schwarzem Schoß entschwebte
Mit des Geiers Blick der Übermut;
Wehe! weinend floh' ich mit der Liebe,
Mit der Unschuld in die Himmel hin –
Welke, Blume! rief ich ernst und trübe,
Welke, nimmer, nimmer aufzublühn!

Keck erhub sich des Gesetzes Rute,
Nachzubilden, was die Liebe schuf;
Ach! gegeißelt von dem Übermute
Fühlte keiner göttlichen Beruf;
Vor dem Geist in schwarzen Ungewittern,
Vor dem Racheschwerte des Gerichts
Lernte so der blinde Sklave zittern,
Fröhnt' und starb im Schrecken seines Nichts.

Kehret nun zu Lieb und Treue wieder –
Ach! es zieht zu langentbehrter Lust
Unbezwinglich mich die Liebe nieder –
Kinder! kehret an die Mutterbrust!
Ewig sei vergessen und vernichtet,
Was ich zürnend vor den Göttern schwur;
Liebe hat den langen Zwist geschlichtet,
Herrschet wieder! Herrscher der Natur!«

Froh und göttlichgroß ist deine Kunde,
Königin! dich preise Kraft und Tat!
Schon beginnt die nette Schöpfungsstunde,
Schon entkeimt die segenschwangre Saat:
Majestätisch, wie die Wandelsterne,
Neuerwacht am offnen Ozean,
Strahlst du uns in königlicher Ferne,
Freies kommendes Jahrhundert! an.

Staunend kennt der große Stamm sich wieder,
Millionen knüpft der Liebe Band;
Glühend stehn, und stolz, die neuen Brüder,
Stehn und dulden für das Vaterland;
Wie der Efeu, treu und sanft umwunden,
Zu der Eiche stolzen Höhn hinauf,
Schwingen, ewig brüderlich verbunden,
Nun am Helden Tausende sich auf.

Nimmer beugt, vom Übermut belogen,
Sich die freie Seele grauem Wahn;
Von der Muse zarter Hand erzogen
Schmiegt sie kühn an Göttlichkeit sich an;
Götter führt in brüderlicher Hülle
Ihr die zauberische Muse zu,
Und gestärkt in reiner Freuden Fülle,
Kostet sie der Götter stolze Ruh!

Froh verhöhnt das königliche Leben
Deine Taumel, niedre feige Lust!
Der Vollendung Ahndungen erheben
Über Glück und Zeit die stolze Brust. –
Ha! getilget ist die alte Schande!
Neuerkauft das angestammte Gut!
In dem Staube modern alle Bande,
Und zur Hölle flieht der Übermut!

Dann am süßen heißerrungnen Ziele,
Wenn der Ernte großer Tag beginnt,
Wenn verödet die Tyrannenstühle,
Die Tyrannenknechte Moder sind,
Wenn im Heldenbunde meiner Brüder
Deutsches Blut und deutsche Liebe glüht,
Dann, o Himmelstochter! sing ich wieder,
Singe sterbend dir das letzte Lied.