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Dr. Karen Meyer-Rebentisch ist Kulturwissenschaftlerin und arbeitet als Journalistin, Autorin und Ausstellungsmacherin. Schon seit ihrer Jugend ist sie mit der Kamera unterwegs. Dabei interessiert sie sich einerseits für die Stadtfotografie und zum anderen für den Bereich Garten und Küche. In ihrem eigenen Garten kultiviert sie mit Leidenschaft vor allem Obst, Gemüse und Kräuter. In den vergangenen Jahren sind mehrere Bücher von ihr zu Gartenthemen und Food im BLV Verlag erschienen. Das vorliegende Buch ist ihr erster Titel beim dpunkt.verlag.

Das Gartenfotobuch

Fotografieren im Wandel der Jahreszeiten

Karen Meyer-Rebentisch

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Karen Meyer-Rebentisch

www.meyer-rebentisch.de

Lektorat: Rudolf Krahm

Copy-Editing: Irmgard Böger

Satz: Petra Strauch, just in print

Herstellung: Susanne Bröckelmann

Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de

Umschlagfoto: Karen Meyer-Rebentisch

Druck und Bindung: Stürtz GmbH, Würzburg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print:  978-3-86490-339-7

PDF:   978-3-86491-920-6

ePub:  978-3-86491-921-3

mobi:  978-3-86491-922-0

Copyright © 2016 dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

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Vorwort

Gärtner bringen viele ideale Voraussetzungen fürs Fotografieren mit: Sie betrachten die Welt nicht nur aus Augenhöhe, nehmen klaglos unbequeme Positionen ein und scheuen auch nicht vor Tätigkeiten zurück, bei denen die Kleidung schmutzig werden könnte. Sie gestalten gerne und arbeiten hart daran, innere Bilder nach außen sichtbar werden zu lassen. Sie lieben die Schönheit (auch wenn nicht alle denselben Geschmack haben – zum Glück) und haben Ausdauer. Sie haben gelernt, mit Irrtümern und Misserfolgen zu leben und versuchen es mit großer Geduld jedes Jahr aufs Neue, aus Erfahrungen zu schöpfen und ihrem Ideal vom grünen Paradies noch ein bisschen näher zu kommen.

Trotzdem: Gärtnerin zu sein, ist keine unabdingbare Voraussetzung, um tolle Gartenfotos zu machen. Wichtiger noch als gärtnerische Erfahrungen oder eine teure Ausrüstung ist das Interesse am Thema. Wer sich für Gärten und Pflanzen zutiefst begeistern kann, der wird unzählige Motive sehen und sich an Interpretationen versuchen wollen. Denn das ist das Wesen der Fotografie: Dinge wahrzunehmen und davon zu erzählen, ohne Worte dabei zu verwenden.

Die andere Seite der Fotografie ist eher technisch-handwerklicher Natur. Damit Bilder genau das zum Ausdruck bringen, was Sie sagen möchten, müssen sie auf eine bestimmte Art und Weise gestaltet werden. Das betrifft Kameraeinstellungen ebenso wie die Wahl des Aufnahmestandorts, der Lichtstimmung, des Bildausschnitts und einiges mehr. Mit diesem Buch möchte ich Sie dabei unterstützen, die jeweils passenden technischen und gestalterischen Entscheidungen zu treffen, die Ihre Fotos in Ihrem Sinne bestmöglich wirken lassen. Anhand etlicher Bildbeispiele mit Aufnahmedaten von unterschiedlichen Gartensituationen erkläre ich, warum ich mich für diese oder jene Einstellung entschieden habe. Andere hätten möglicherweise anders gewählt – ob das Ergebnis besser oder schlechter gewesen wäre, muss offen bleiben. Wichtiger ist, dass überhaupt eine Entscheidung getroffen und nicht zufällig so oder so fotografiert worden ist.

Mehrere Gastautorinnen und Gastautoren präsentieren ihre persönliche Herangehensweise an besondere Bereiche der Gartenfotografie – auch hier wird wieder deutlich, dass es keinen Königsweg gibt, sondern viele verschiedene Wege in der Fotografie, die auf ihre ganz eigene Art und Weise zum Ziel führen, die Betrachter ansprechen und faszinieren.

Eins noch: Um schlecht lesbare Dopplungen wie »Fotografinnen und Fotografen« zu vermeiden, zugleich aber niemanden auszuschließen, verwende ich in diesem Buch abwechselnd die männliche oder weibliche Form.

Nun lassen Sie sich inspirieren! Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre und vor allem draußen mit der Kamera. Und bitte beherzigen Sie diese alte japanische Weisheit: »Wichtig ist nicht, besser zu sein als andere. Wichtig ist, besser zu sein, als du gestern warst!«

Karen Meyer-Rebentisch im März 2016

Inhaltsverzeichnis

      1  Warum wollen Sie eigentlich im Garten fotografieren?

Wozu soll Ihr Foto dienen?

Einfach tolle Bilder machen?

Gartenfotos von anderen

Lernen in Theorie und Praxis

       2  Kamera, Objektiv & Co.

Die Kamera

Objektive

Stativ

Hilfreich bis unverzichtbar

       3  Technische Grundlagen

Es werde Licht – Blende, Zeit und ISO

Richtig belichten

Der Weißabgleich

Scharfstellen

Fotografieren im JPEG- oder RAW-Format?

       4  Den ganzen Garten im Blick

Die Supertotale

Totale

Die Halbtotale

Exkurs Menschen im Garten

       5  Der Garten im Detail

Vollbild

Halbnah

Exkurs Stillleben arrangieren und fotografieren

Großaufnahme

Exkurs Schwarz-Weiß

Gastbeitrag Cora Banek: Blüten abstrakt und im Detail inszenieren

Noch näher – an der Grenze zur Makrofotografie

Exkurs Damit es fleucht und kreucht

Gastbeitrag Christoph F. Robiller: Fotoerlebnis Gartenteich

       6  Mit Fotos erzählen

Reportage-Beispiel 1: Was Das ist Urban Gardening?!

Reportage-Beispiel 2: Ein Selbstversorger-Garten auf dem Lande

Reportage-Beispiel 3: Kleinode am Straßenrand

       7  Das Frühjahr – es geht los!

Lieber pastellig zart oder bunt und kräftig leuchtend?

Die beste Tageszeit im Frühjahr

Es muss nicht immer Krokus sein

Highkey für zarte Blüten

Exkurs Fotografieren in Bodennähe

Gastbeitrag Birgit Hübner: Blütenaquarelle im Frühlingslicht

       8  Der Sommer – voller Pracht

Üppige Schönheit

Der Garten wird zum Lebensraum

Lange Tage und viel Licht

Exkurs Die Tücken der Tomatenfotografie

       9  Der Herbst – bunt und morbide

Sonniges Leuchten und komplementäre Farben

Morbide Vergänglichkeit im gedämpften Licht

Die beste Tageszeit im Herbst

Exkurs In Serie fotografieren

       10  Der Winter – der Garten ruht

Öde oder Konzentration?

Extremes Licht

Herausforderung für Fotograf und Equipment

Gastbeitrag Christoph F. Robiller: Vogelfotografie an der Futterstelle im eigenen Garten

       11  Licht – ohne geht es nicht

Lichtqualitäten erkennen

Gutes Licht finden

Das Licht bewerten

Licht lenken und verändern

Gastbeitrag Renate Waas: Gartenfotografie nach Sonnenuntergang

       12  Fotografieren als Gast

Fotografieren oder veröffentlichen?

Urheberrecht oder Nutzungsrecht?

Das Recht am eigenen Bild

Panoramafreiheit versus Hausrecht

Marken- und Designrecht

Unterwegs in Parks und botanischen Gärten

       13  Bildbearbeitung und Präsentation

Fotos bearbeiten

Fotos präsentieren

Danksagung

Index

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Vorherige Doppelseite: Blende 2,4, 1/1600 s, ISO 200, 70 mm

1 Einleitung

Warum wollen Sie eigentlich im Garten fotografieren?

Es gibt doch viele andere Dinge, die getan werden könnten: Den Rasen mähen, endlich mal das Staudenbeet jäten oder einen Kaffee auf der Terrasse trinken und dabei im aktuellen Gartenmagazin schmökern. Grillen, Erdbeeren ernten, Salat pflanzen oder die Hecke schneiden. Etwas zu tun gibt es im Garten immer. Langeweile wird es also nicht sein, die Sie dazu bringt, Ihr schwer verdientes Geld in eine Kameraausrüstung stecken zu wollen, statt neue Staudenraritäten dafür zu erwerben. Gut, gut, die Kamera haben Sie schon. Aber dass es dabei nicht bleibt, wenn Sie das Fotofieber gepackt hat, das wissen Sie auch, oder? Fotografieren kann ein ziemlich teures Hobby werden. Sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.

Also: Warum wollen Sie im Garten fotografieren? Diese Frage ist keinesfalls rhetorisch gemeint. Ich möchte Sie auch nicht von Ihrem Vorhaben abbringen, im Gegenteil. Mit diesem Buch möchte ich Sie bei der Gartenfotografie begleiten und Ihnen helfen, genau die Fotos zu machen, die Sie machen möchten. Damit das gelingt, müssen Sie sich über Ihre Ziele klar werden.

Erhoffen Sie mit vorteilhaften Bildern Ihres Gartens den Wert Ihrer Immobilie bei einem Verkauf positiv zu beeinflussen? Wollen Sie Freunden und Verwandten Postkarten mit Aufnahmen Ihrer schönsten Pflanzen schicken oder sie auf Facebook und Co. mit Fotos von Ihrem Garten begeistern? Sammeln Sie seltene Sorten und tauschen sich mit anderen Sortenliebhabern im Internet über die genauen Erscheinungsformen Ihrer Raritäten aus? Oder planen Sie großformatige Poster zu drucken, mit denen Sie die Wände Ihres Hauses verschönern können? Vielleicht möchten Sie auch einfach von dem erzählen, was Sie sehen.

Wozu soll Ihr Foto dienen?

Ihr Ziel entscheidet über die Herangehensweise. Was in dem einen Fall als optimale Umsetzung erscheint, wird im anderen Fall eher als misslungen gelten müssen. Insofern gibt es kein generelles »falsch« oder »richtig«, sondern nur situationsbedingte Entscheidungen. Im Extremfall könnte ein Foto Ihrer unaufgeräumten Terrasse im hochsommerlichen Mittagslicht bestens geeignet sein, um Ihre Schwiegermutter davon abzuhalten, dort ihren 70. Geburtstag feiern zu wollen. Mit einem Bild derselben Terrasse, aufgenommen im warmen Licht der letzten Sonnenstrahlen eines Spätsommerabends, könnten Sie hingegen bestimmt eine stimmungsvolle Einladungskarte für die nächste Grillparty gestalten.

Wenn Sie sich mit anderen botanisch Interessierten über Besonderheiten bestimmter Züchtungen austauschen, ist ein durchgehend scharfes Foto hilfreich. Möchten Sie Ihrer besten Freundin ein romantisches Rosenfoto schenken, kann ein duftig-aquarelliges Bild mit prägnant gesetztem Schärfepunkt genau das Richtige sein. Die Anforderungen an ein Foto, das Sie im Format 100 × 70 Zentimeter über den Küchentisch hängen möchten, sind andere als an Aufnahmen für einen Gartenblog, in dem Sie das Wachsen und Werden in Ihrem Garten quer durch die Jahreszeiten dokumentieren. Sicher werden Sie anders fotografieren, wenn Sie die Aufmerksamkeit des Betrachters auf ein perfekt blühendes Blumenbeet richten möchten, als wenn gerade dieses Beet schon zur Hälfte verwelkt ist. Aufnahmen fürs Familienalbum mit den spielenden Kindern zeigen durchaus auch buntes Plastik – bei der Bewerbung für »den schönsten Vorgarten in Rosenhausen« werden Sie vermutlich vorher einmal aufräumen und den Blick auf den Mülleimerstandplatz bei der Aufnahme ausblenden.

Einfach tolle Bilder machen?

Sie fühlen sich von keinem meiner Beispiele angesprochen, weil für Sie nicht die spätere Verwertung maßgeblich ist, sondern der Wunsch an sich, kunstvolle und beeindruckende Aufnahmen zu machen? Sie möchten selbst solche Bilder hinbekommen, wie Sie sie in prachtvollen Gartenbildbänden oder Naturfotografie-Foren sehen? Auch das ist ein Ziel. Es lohnt sich, mehr darüber nachzudenken, was genau Sie dabei antreibt, um es wirklich erreichen zu können. Einem Vorbild nachzueifern, das kann eine gute Übung sein. Man lernt dabei Techniken und Herangehensweisen, die sich später als nützlich erweisen, wenn der Wunsch aufkommt, einen eigenen Stil zu entwickeln.

Vielleicht sagen Sie auch, es ist alles viel einfacher. Sie möchten Ihre Liebe zum Garten oder Ihre Gefühle beim Betrachten einer besonders hübschen Blüte ausdrücken, wenn Sie die Kamera in die Hand nehmen. Immerhin haben Sie sich entschieden, Gartenfotos zu machen und keine Studioporträts. Sie sind gerne draußen an der frischen Luft, Sie mögen den Wechsel des natürlichen Lichts und den Wandel der Jahreszeiten. Von diesem Erleben möchten Sie anderen erzählen. Sie möchten etwas mitteilen von dem, was Sie sehen. Das ist eine ganz starke Motivation. Und auch daraus folgt die Frage: Was genau sehen Sie eigentlich? Warum wollen Sie gerade dieses oder jenes Motiv fotografieren? Was ist es, was Sie in einem bestimmten Moment reizt, die Kamera in die Hand zu nehmen? Gefällt Ihnen die harmonische Gestaltung eines Beetes besonders gut oder ist es das tiefstehende Licht, das die Gräser zwischen Herbstastern und Chrysanthemen zum Leuchten bringt? Ist es eine bestimmte Situation oder das Flair eines ganzen Gartens, der Sie begeistert?

Solche Fragen helfen Ihnen dabei, die passenden fotografischen Mittel zu wählen, um Ihre Intention zum Ausdruck zu bringen. Sie sind die Grundlage für die Entscheidung, welches Objektiv Sie verwenden, welche Blende Sie einstellen und von welchem Ort aus Sie Ihre Aufnahme machen. Natürlich benötigen Sie dazu passendes Werkzeug: eine Kameraausrüstung, die mit Ihren Plänen mithalten kann. Aber ohne dass Sie wissen, was Sie wollen, ist das Werkzeug an sich nutzlos. Die Kamera macht keine guten Fotos von allein.

Gartenfotos von anderen

Wenn Sie einen Bildband durchblättern oder vielleicht in einem Gartenblog unterwegs sind, sehen Sie Fotos, bei denen Sie sich sofort sicher sind: Das gefällt mir! Es ist eine gute Übung zu überlegen, warum Sie sich angesprochen fühlen. Mögen Sie ein Bild, wenn es so richtig romantisch ist? Oder wenn man jedes Detail einer Blüte erkennen kann? Weil es zauberhafte Rosen zeigt? Oder weil das Licht so sommerlich flirrend ist? Spricht Sie ein Foto an, weil Sie wie bei einem wirklichen Rundgang die Gestaltung ganzer Beete erkennen können? Mögen Sie ein Foto, weil Sie ein harmonisches Spiel der Farben Ton in Ton begeistert, oder ein anderes, weil Ihnen die kräftigen Kontraste zwischen Gelb und Blau und Rot so besonders lebendig erscheinen? Begeistert Sie ein Foto, weil der Gartenteich darauf so herrlich wild eingewachsen ist? Natürlich ist es einfacher, ein traumhaftes Foto in einem großen englischen Garten zu machen als in einem dunklen, hauptsächlich mit Efeu begrünten Hinterhof. Doch die Schönheit des Motivs allein ist noch keine Garantie für ein gutes Bild. Beispiele von entzückenden Blüten seltener Rosensorten, die steif und ungeschickt fotografiert vollkommen belanglos wirken, kennt man aus etlichen Gartenblogs. Legen Sie ein Blütenfoto daneben, das Ihnen richtig gut gefällt, und analysieren Sie die Unterschiede. Damit schulen Sie Ihren Blick und auch das hilft dabei, sich klarer über die eigenen Absichten zu werden.

Lernen in Theorie und Praxis

Sie kommen Ihrem Ziel näher, wenn Sie es kennen. Das allein reicht aber noch nicht. Dieses Buch will Sie mit den theoretischen Grundlagen versorgen, die Ihnen dabei helfen werden, ansprechende Bilder zu fotografieren. In den Bildunterschriften erkläre ich häufig, warum ich mich entschieden habe, ein Foto so oder so zu machen – sowohl im Hinblick auf die Bildgestaltung als auch hinsichtlich der Wahl des Objektivs und der technischen Einstellungen an der Kamera. In der Regel sind das Blende, Zeit, ISO und Brennweite. Diese Daten können von Bildbearbeitungsprogrammen ausgelesen werden. Bei einigen Aufnahmen allerdings, die mit einem analogen Objektiv oder einem Adapter gemacht wurden, ließen sich diese Daten nicht oder nur teilweise rekonstruieren. Dort habe ich nur genannt, was ich noch sicher wusste.

Theorie ist die eine Seite. Niemand aber lernt das Fotografieren, indem er auf dem Sofa sitzt und Fotobücher liest. Das Wichtigste ist: Gehen Sie raus und machen Sie Bilder. Die digitale Fotografie bietet eine Möglichkeit, die Fotografen früher nicht hatten: Wir können unmittelbar nach der Aufnahme das Ergebnis betrachten und analysieren und dasselbe Motiv aus einer etwas veränderten Perspektive oder mit anderen Einstellungen noch einmal ablichten. Sind Sie nicht zufrieden mit Ihren Ergebnissen, überlegen Sie, was genau Ihnen nicht gefällt und wie Sie es besser machen können. Finden Sie ein Foto richtig gut gelungen, dann freuen Sie sich und denken darüber nach, woran es liegt, dass dieses Bild Sie besonders anspricht. Das Lernen aus Erfahrung gilt in der Forschung als das nachhaltigste Lernen überhaupt. Ich halte das für eine tolle Chance.

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Vorherige Doppelseite: Blende 4,5, 1/200 s, ISO 400, 75 mm

2 Ausrüstung

Kamera, Objektiv & Co.

Um bei der Gartenfotografie viel Spaß zu haben und schöne Ergebnisse zu erzielen, benötigen Sie keine riesige Ausrüstung. Auch wenn es lustvoll ist, erst einmal groß einkaufen zu gehen, sollten Sie besser anfangs mit dem arbeiten, was vorhanden ist. Handgeschmiedete japanische Messer und schicke Edelstahl-Kasserollen mit Kupferboden machen einen nicht automatisch zu einem guten Koch – beim Fotografieren ist es nicht anders. Bei der Arbeit aber merkt man dann schnell, wo das vorhandene Material Grenzen setzt und sich eine Neuinvestition lohnen würde. Die Gefahr eines Fehlkaufs ist so geringer.

Die Kamera

Im Folgenden werden unterschiedliche Kameratypen wie Kompaktund Bridge- sowie Systemkameras mit und ohne Spiegel besprochen und ihre Vor- und Nachteile im Hinblick auf die Gartenfotografie diskutiert.

Das Smartphone als »Immer-dabei-Kamera«

Es ist absolut erstaunlich, was für brillante Fotos die neue Generation der Smartphones machen kann, solange die Umgebungshelligkeit ausreicht. Wer an lichten Tagen Aufnahmen mit einem recht großen Schärfebereich von seinem Garten machen möchte, fährt damit nicht schlecht. Und unterwegs ist sowieso immer die Kamera die beste, die man auch bei sich trägt. Schließlich ist bei Bildern, die später mit einer Auflösung von 600 × 400 Pixel im Internet gezeigt werden, kaum zu erkennen, aus was für einer Kamera sie stammen.

Kompakt, doch schnell zu klein

Dennoch gerät man mit Handy- und einfachen Kompaktkameras schnell an eine Grenze: Die Sensoren sind sehr klein. Das führt dazu, dass die Bilder bei wenig Licht schnell verrauscht sind. Zudem haben Handykameras nur ein sogenanntes digitales Zoom, das heißt, die Kamera vergrößert bei Teleaufnahmen einfach den Bildausschnitt. Auch das geht zulasten der Qualität.

Doch auch die »optischen Zooms«, also die eingebauten Objektive einfacher Kompaktkameras, bieten in der Regel nur mittelmäßige Leistung. Aufgrund der kleinen Sensoren haben Fotos, die mit einfachen Kompaktkameras aufgenommen werden, einen großen Schärfentiefebereich. Das erweist sich als vorteilhaft, wenn man eine ganze Gartenansicht präsentieren möchte. Möchten Sie jedoch einzelne Blüten vor einem unscharfen Hintergrund abbilden, geraten Sie mit einer kleinen Kompakten schnell an Grenzen. Leider kann man bei den meisten Kompakten nur mit Vollautomatiken (AUTO) fotografieren, ein halbautomatischer oder ganz manueller Modus lässt sich oftmals gar nicht oder nur umständlich einstellen. Auch dies ist eine starke Einschränkung.

Bridgekameras

Bridgekameras vereinen einige Eigenschaften einer Kompakt- mit denen einer Spiegelreflexkamera. Sie schlagen also eine Brücke – daher der Name – zwischen den Ausstattungs-, Qualitäts- und Funktionsmerkmalen der verschiedenen Typen. Die Sensoren sind größer als bei der einfachen Kompakten, und es werden leistungsstarke Objektive mit einem großen Zoombereich eingebaut. Sie lassen sich aber nicht auswechseln wie bei der Spiegelreflex- oder einer Systemkamera. Der Vorteil liegt in weniger Gewicht bei hoher Lichtstärke und darin, dass kein Schmutz bei Objektivwechsel auf den Sensor gelangen kann. Doch bleiben die Nachteile der bereits bei den Kompaktkameras beschriebenen kleineren Sensoren bestehen.

Gängige Formate von Kamerasensoren:

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Systemkameras – leicht und leistungsstark

Der Begriff »Systemkamera« bezeichnet eine Kamera mit austauschbaren Komponenten, zum Beispiel Objektiven, innerhalb eines vom Hersteller bezeichneten Systems. Streng genommen gehören dazu auch Spiegelreflexkameras, es hat sich aber im Sprachgebrauch durchgesetzt, dass vor allem hochwertige spiegellose Systeme darunter verstanden werden. Sie verfügen über größere Sensoren als die üblichen Kompakt- oder Bridgekameras und bieten teilweise dieselben Möglichkeiten wie eine Spiegelreflexkamera. Das derzeit bekannteste System trägt den Namen »Micro-Four-Thirds« und wurde von den Herstellern Olympus und Panasonic entwickelt. Für dieses System, das auch für andere Hersteller offene Standards definiert hat, gibt es mittlerweile ein umfangreiches und teilweise auch sehr hochwertiges Programm an Kameras, Objektiven und Zubehör. Andere Kamerasysteme stellen eine weniger große Auswahl an Komponenten bereit.

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Eine digitale Spiegelreflexkamera mit Standard-Zoomobjektiv bringt gut 1200 g auf die Waage. Dafür sind die Möglichkeiten der Bildgestaltung auch umfassender als bei anderen Lösungen.

Blende 3,6, 1/200 s, ISO 100, 63 mm

Sofern ein Modell mit größerem Sensor bevorzugt wird, und es eine ausreichende Anzahl an Wechselobjektiven auf dem Markt gibt, bedeutet die Wahl einer spiegellosen Systemkamera für die Gartenfotografie eine gute Entscheidung.

Spiegelreflexkameras – groß und mächtig

Mit »Spiegelreflex« taucht in der Bezeichnung des Kameratyps eine technische Besonderheit auf, die lange Zeit Maßstäbe gesetzt hat: Der Fotograf sieht bei seinem Blick in den Sucher genau dasselbe Bild, das auf dem Film bzw. heute auf dem Sensor verewigt wird. Möglich ist dies, weil ein Spiegel den Blick durch das Objektiv umlenkt. Beim Auslösen klappt der Spiegel hoch, das Sucherbild verdunkelt sich, und der Film oder Sensor wird belichtet.

Die heutigen digitalen Spiegelreflexkameras (DSLR) verfügen über ein Display, auf dem das Sucherbild zusätzlich abgebildet werden kann. Nützlich ist dies, wenn der Blick in den Sucher zum Beispiel aufgrund einer unvorteilhaften Kameraposition nur schwer möglich ist oder wenn zur manuellen Scharfstellung ins Sucherbild hineingezoomt werden soll. Zu den typischen Merkmalen einer DSLR zählt wie bei den Systemkameras die Möglichkeit, Objektive zu wechseln. Für die beiden großen Hersteller Nikon und Canon steht eine sehr große Auswahl an Wechselobjektiven zur Verfügung, bei den anderen Herstellern ist das Angebot kleiner, aber ausreichend. Pentax hält seit über 40 Jahren dasselbe Bajonett vor, so dass sich hier auch noch Objektive aus der analogen Zeit direkt aufsetzen lassen. Die üblichen Automatiken funktionieren dann aber nicht mehr. Bei anderen Herstellern kann – etwas weniger komfortabel mittels Verwendung eines Adapters – ebenfalls eine Vielzahl von alten Optiken zum Einsatz kommen.

APS-C oder Vollformat?

In Hinblick auf die Sensorgröße unterscheidet man bei einer DSLR zwischen dem APS-C- und dem Vollformat. Letzteres meint eine Sensorgröße entsprechend dem bei analogen Spiegelreflexkameras gängigen Kleinbildformat. Der APS-C-Sensor ist etwas mehr als halb so groß. Wenn Sie nicht gerade Plakatwände mit Ihren Fotos bedrucken möchten, reicht APS-C bei einer Auflösung von 10 bis 25 Megapixeln sehr gut aus.

Neben dem größeren Sensor bringt die Vollformatkamera noch zwei weitere Merkmale mit, die in wenigen Fällen relevant sein können: Der Bildausschnitt ist größer, das heißt, ein Weitwinkel-Objektiv ruft einen noch stärker weitwinkeligen Effekt hervor als an einer APS-C-Kamera. Wenn Sie ein Motiv »freistellen«, also einen unscharfen Hintergrund erzeugen möchten, hat die Vollformatkamera auch da ein etwas höheres Potenzial.

Die Nachteile des Vollformats sind schnell benannt: Die Kameras kosten deutlich mehr, das Angebot an Objektiven ist kleiner und teurer. Zudem bringt das Equipment mehr Gewicht auf die Waage.

Objektive

Wenn Sie sich für ein System mit Wechselobjektiven entschieden haben, steht nun die Frage an, welche Objektive sollen es denn sein? Hier entscheiden die Brennweite, die Lichtstärke und die Frage, ob es ein Zoom-Objektiv sein soll oder eine Festbrennweite. Weitere Faktoren wie die Anzahl und Anordnung der verbauten Linsen, die Vergütung, Naheinstellungsgrenze, konstruktive Besonderheiten etc. spielen dagegen für viele eine untergeordnete Rolle, sind aber je nach Einsatzzweck nicht irrelevant.

Brennweite

Manchmal sorgt für Verwirrung, dass dieselbe Brennweite je nach Sensorgröße der verwendeten Kamera einen unterschiedlichen Bildausschnitt entstehen lässt. Häufig wird in Fotomagazinen und Büchern die Entsprechung der Brennweite beim Vollformat mit genannt. Bei größeren Sensoren wird auch der Bildausschnitt größer, bei kleineren Sensoren ist es umgekehrt. Eine kürze Brennweite von zum Beispiel 16 mm erzeugt ein recht weitwinkeliges Bild. Eine lange Brennweite von zum Beispiel 135 mm wirkt wie ein einfaches Fernglas und holt weiter entfernte Motive heran bzw. vergrößert Motive in der Nähe.

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Vom gleichen Standort mit Brennweiten von 16 bis 135 mm aufgenommen.

Lichtstärke

Damit ist gemeint, wie viel Licht durch das Objektiv auf den Sensor oder Film fällt oder anders gesagt, wie weit sich die Blende öffnen lässt. Ein lichtstarkes Objektiv ist konstruktionsbedingt immer schwerer, größer und teurer als eines, das weniger Licht durchlässt. Dafür erlaubt es ein genaueres Fokussieren, denn das Sucherbild ist heller. Man kann auch bei schlechteren Lichtverhältnissen noch fotografieren. Und es ermöglicht, ein Motiv stärker vom Hintergrund zu lösen, also »freizustellen«.

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Dieser Vergleich zeigt einmal die weit geöffnete Blende 2 und die stark geschlossene Blende 16.

Zoom oder Festbrennweite

Eine Festbrennweite ist ein Objektiv mit einer festen Brennweite. Das ist ganz einfach. Zu den Vorteilen einer guten Festbrennweite gehören höhere Lichtstärke, bessere Abbildungsqualität und geringeres Gewicht. Ein Zoomobjektiv hingegen ist vor allen Dingen praktisch. Es erlaubt die Veränderung der Brennweite durch das Drehen am Objektivring. Sie können also an einem Standort stehen und Ihr Motiv einfach dichter heranholen oder einen weiteren Ausschnitt einstellen. Mit einem Zoom-Objektiv können Sie mehrere Festbrennweiten ersetzen. Zumindest theoretisch, denn wenn es ganz so einfach wäre, gäbe es nur noch Zoom-Objektive.

Die Bequemlichkeit bringt auch Nachteile mit sich: Die Abbildungsqualität vieler Zoom-Objektive reicht nicht an Festbrennweiten heran – denn diese werden exakt auf eine bestimmte optische Konstellation berechnet. Zudem sind Zooms meist weniger lichtstark. Zoom- Objektive, die eine wirklich gute Abbildungsqualität und eine gute Lichtstärke mit sich bringen, wiegen und kosten viel.

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Auch der Gewichtsunterschied ist beträchtlich: Während das lichtstarke Telezoom knapp 800 g wiegt, sind es bei der kleinen 40-mm-Festbrennweite gerade mal 110 g. Das Superzoom bildet von Größe und Gewicht einen Kompromiss, deckt einen großen Brennweitenbereich ab, ist aber wenig lichtstark und die Bildqualität reicht nicht an die einer Festbrennweite heran.

Größenvergleich v. l. n. r.:

• analoge Festbrennweite 55 mm, Blende 1,8

• Telezoom 50 bis 135 mm, Blende 2,8

• Superzoom 18 bis 135 mm, Blende 3,5 bis 5,6

• Pancake 40 mm/Blende 2,8

Stativ

Solange genügend Licht vorhanden ist, muss ein Stativ nicht unbedingt sein. Vielen Fotografen ist es zu umständlich, damit zu arbeiten. Sie schätzen die freie Beweglichkeit, die man »ohne« hat. Und die neueren Kameras erlauben es, mit recht hohen ISO-Zahlen zu fotografieren und damit die Belichtungszeiten auch bei suboptimalen Lichtverhältnissen in einen beherrschbaren Bereich zu bekommen und Verwacklungsunschärfe zu vermeiden.

Ich selbst arbeite viel mit Stativ und möchte gerade in der Gartenfotografie nicht darauf verzichten. Aufnahmen mit Stativ haben das Potenzial, noch einmal etwas schärfer zu werden. Ich schätze es zudem, die Komposition meines Bildes genauer und in Ruhe vornehmen zu können. Und schließlich habe ich eine oder beide Hände frei, um einen Reflektor zu halten oder einen störenden Zweig zur Seite zu drücken.

Stativkopf

Der Stativkopf dient dazu, die Kamera auf dem Stativ auszurichten. Im Wesentlichen gibt es zwei Modelle, den Kugelkopf und den Drei-Wege- Neiger. Ein Kugelkopf ist kleiner, leichter und hat je nach Ausführung nur ein oder zwei Bedienräder. Der Kugelkopf ermöglicht eine schnelle Arbeit. Bei einem Drei-Wege-Neiger müssen unter Umständen alle drei Hebel bedient werden, um die Kamera in die gewünschte Position zu bringen. Das ist umständlicher, aber erlaubt ein noch präziseres Arbeiten. Letztlich müssen Sie ausprobieren, welche Methode Ihnen mehr liegt.

Zum bequemen Arbeiten mit einem Stativkopf gehört die Verwendung einer Wechselplatte. Damit erspart man es sich, die Kamera jedes Mal auf den Kopf schrauben zu müssen. Mit einer Wechselplatte, die am Body montiert wird, lässt sich die Kamera schnell auf dem Stativ fixieren und wieder abnehmen.

Was ein Stativ können sollte

Für ca. 20 Euro können Sie im Baumarkt oder Fotoladen ein Stativ erwerben. Nur werden Sie nicht viel Freude daran haben und voraussichtlich das Fotografieren damit nervig finden. Gerade beim Stativ gilt: Wer billig kauft, kauft zweimal. Meiner Erfahrung nach ist für weniger als 150 Euro neu kein Stativ mit Kopf zu bekommen, das wirklich etwas taugt. Wer nicht viel Geld hat, sollte sich deshalb auf dem Gebrauchtmarkt umsehen oder mit der Anschaffung warten.

Eine Grundsatzfrage beim Kauf eines Stativs berührt das Gewicht. Ein schweres Stativ hat in der Regel eine höhere Stabilität als ein leichtes Reisestativ. Letzteres zu kaufen ist sinnvoll, wenn Sie öfter auf Reisen sind oder das Stativ zum Beispiel auf Wanderungen tragen müssen. Wer es nur im Garten benutzt oder mit dem Auto zu anderen Locations fährt, braucht aufs Gewicht nicht zu achten. Neben dem Gewicht spielt das Packmaß eine Rolle: Je mehr Auszüge ein Stativ hat, desto kleiner lässt es sich zusammenstecken – aber es wird auch schwingungsanfälliger. Ungünstig ist deshalb auch, wenn man die Mittelsäule ganz ausziehen muss, um eine akzeptable Arbeitshöhe zu erreichen.

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