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Gay for Pay

 

Eine All Cocks Geschichte

von TM Smith

 

Aus dem Amerikanischen von Simone Dorner

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2016

http://www.deadsoft.de

 

Titel der Originalausgabe: Gay For Pay

© 2015 TTC Publishing

 

Übersetzung: Simone Dorner

 

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

 

Bildrechte:

© Fxquadro – fotolia.com

© theartofphoto – fotolia.com

 

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-047-8

ISBN 978-3-96089-048-5 (epub)

 

 

Inhalt:

Eine Nacht, ein Fehler verändert alles …

Chris Allan Roberts verliert alles, was ihm etwas bedeutet hat – seine Freundin, eine vielversprechende Zukunft als Footballspieler, ein Stipendium, seine Familie. Nur sein bester Freund Michael gibt ihm noch Halt.

Chris zieht mit Michael und seinem Partner nach New York. Dort findet er durch Zufall ein Jobangebot – beim Pornolabel All Cocks. Geld ist Geld, denkt Chris. Und wie hart kann es schon sein, einen anderen Mann zu vögeln?

 

Lincoln Carter ist einer der Stars bei All Cocks. Und als er die Neuentdeckung Chris zum ersten Mal sieht, will er nichts mehr als eine Szene mit ihm drehen. Doch ihm wird schnell klar, dass Chris „Gay for Pay“ ist und dass in seiner Vergangenheit ein düsteres Geheimnis liegt, das es Chris unmöglich macht, sich für irgendjemanden zu öffnen.

Oder?

~ Widmung ~

 

Für meine Eltern …

Ihr habt mich gelehrt, dass Liebe bedingungslos, unerschütterlich und widersprüchlich ist, so wie es sein sollte. Ich wäre nicht die Frau, die Mutter, die Schwester, die Freundin, die Person, die ich heute bin, ohne eure bedingungslose Liebe, eure unerschütterliche Unterstützung und euren manchmal widersprüchlichen Blick auf das Leben und ich werde dafür immer dankbar sein.

 

Liebe ist Liebe. Sie kennt keine Grenzen, sieht keine Farbe, kein Geschlecht oder Religionen, sie … ist eben.

TM Smith

~ Prolog ~

 

Januar 2010

 

Chris schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück gegen die Couch, den pulsierenden Bass der Musik, die aus der Anlage dröhnte, in seinen Ohren. Ein lautes Kreischen, das in ein Lachen überging, riss ihn aus seiner semi-komatösen Starre. Ein Mädchen rannte durch das Wohnzimmer, mit einem Kerl an ihren Fersen, ihr Kleid war durchnässt von Bier, das offensichtlich über ihr ausgekippt worden war.

Chris lachte laut mit seinen Freunden bei dem Anblick, als Amanda sich auf seinen Schoß warf. Sie hatten das Finale gewonnen und die Talentsucher im Spiel hatten Chris versichert, dass er sein Stipendium für Alabama im Herbst bekommen würde. Roll Tide! Gegen vier Uhr morgens klang die Party langsam aus. Chris stolperte zu seinem Truck, mit Amanda, die um ihn gewickelt war. Ihr Freund Michael folgte dahinter und versuchte sie zum Bleiben zu überreden.

„Chris, ehrlich, du hast zu viel getrunken. Hier gibt es mehr als genug Platz, penn auf der Couch für ein paar Stunden und fahr dann nach Hause“, protestierte Michael.

Chris winkte ab, als er die Beifahrertür seines Trucks öffnete und Amanda hineinschob, ihr den Gurt umschnallte. Eine Hand auf dem Gurt, die andere fuchtelnd in der Luft.

„Nah Mikey, mir geht es gut, Ich habe einen guten Körperbau und der Alkohol wird sofort verbrannt.“

Michael funkelte seinen Freund vom Bürgersteig aus an, seine Arme über der Brust gekreuzt.

„Ehrlich!“, rief Chris, als er zurück um den Truck lief und auf den Fahrersitz kletterte, „Mir geht es gut!“

Er ließ den Motor an und brachte den Truck ruckelnd in Bewegung. Michael rollte mit den Augen, als er sich umdrehte und auf dem Bürgersteig zurück zum Haus ging.

„Bis später Kumpel!“, schrie Chris durch das geöffnete Fenster, als der Truck schlingernd auf die Fahrbahn schoss.

Er stellte den Tempomat auf sechzig ein und drehte das Radio auf, sodass es schmetterte, beide Fenster waren unten, als er auf die Autobahn fuhr, Richtung Amandas Haus.

 

Als er nach rechts schaute, dachte er, wie schön sie im Schlaf aussah und das, obwohl sich offensichtlich ein bisschen Sabber in der Ecke ihres Mundes angesammelt hatte. Eine Hand am Lenkrad griff er mit der anderen Amandas.

Die laute Musik, der Wind, der durch die offenen Fenster wehte, sogar die Wärme von Amandas winzigen Fingern, die um seine eigenen geschlungen waren, konnten Chris nicht davon abhalten einzunicken. Bevor er realisierte, was passierte, war dort ein blendendes Licht, direkt hinter dem steilen Hang. Das Crescendo war das unverwechselbare Geräusch von Metall auf Metall, als Chris’ Truck unter die Reifen des Sattelzuges gedrückt wurde, den er noch nicht einmal hatte kommen sehen, weil seine Augen geschlossen waren.

 

 

~ Kapitel 1 | Leben, so wie er es kennt ~

 

Januar 2015

 

Es war ein ungewöhnlich kalter Winter in New York dieses Jahr, einer, der alle Rekorde brach.

Blizzardähnliche Stürme hatten Straßen lahmgelegt, sowie Flughäfen und Schulen. Chris schwankte fast blind und taub über die überfüllten Bürgersteige, die aus allen Nähten platzten vor Touristen. Er wollte keine weitere Nacht damit verbringen durch die Kanäle zu zappen, sich lustlos auf Michaels Couch zu fläzen. Den arktischen Temperaturen und den überfüllten New Yorker Straßen zu trotzen erschien ihm eine weitaus bessere Option, als er das Haus verließ. Seinen besten Freund ließ er mit seinem Liebsten allein für die Nacht, anstatt ständig das dritte Rad am Wagen zu sein.

Chris behielt seinen Kopf unten, seine Augen tasteten nur seine Umgebung ab, um sicher zu sein, dass er in niemanden hineinlief oder noch schlimmer – in ein Straßenschild. Er kicherte über diesen Gedanken. Vor einer Weile hatte er das Video eines berühmten Rappers im Fernsehen gesehen, der auf direktem Wege in ein Straßenschild rannte, während er versuchte den Paparazzi auszuweichen. Chris war der Typ ziemlich egal, rüpelhaft zu seinen Fans und zu jedem, der sich in seiner Nähe befand. Wahrscheinlich war es Schicksal gewesen und Chris war sich sicher, dass an diesem Tag sogar das Straßenschild lachte.

Schicksal, dieser Gedanke ließ ihn innehalten. Chris versuchte wirklich, nicht an den Unfall von vor fünf Jahren zu denken. Den Unfall, der ihm Amanda genommen hatte und ihn entfremdete von nahezu jedem in seinem Leben. Er verlor seine Freundin, seine Familie, die meisten seiner Freunde und sein Football-Stipendium auf einen Schlag. Die einzige Person, die die ganze Zeit zu ihm stand, war sein bester Freund Michael.

Im Krankenhaus allein aufzuwachen, weil niemand, den du kanntest, es ertragen konnte, mit dir im gleichen Raum zu sein. Der Prozess, der nicht nur Chris’ enge Familienbande zerrissen hatte, sondern auch die kleine Stadt Alabama erschütterte. Seinen Traum, Football für die NFL zu spielen, verloren, zum Teil wegen seiner Unfähigkeit Entscheidungen zu treffen und zum anderen Teil, wegen der bleibenden Schäden an der Wirbelsäule, verursacht durch den Unfall. Während er sich an jedes Detail klar und deutlich erinnern konnte, zerrte nichts mehr an seiner Seele, als das, was er Amanda angetan hatte.

Michael und sein Freund Max waren die einzigen leuchtenden Lichter in Chris’ sonst dunklem Leben. Michael verließ für sein College New York kurz nach dem Prozess und überzeugte Chris mit ihm zu kommen. Chris stimmte schnell zu, da er wusste, dass es in Alabama nichts mehr gab für ihn. Um die Wahrheit zu sagen, er fühlte sich, als ob er nirgendwo hingehörte. Er war immer noch davon überzeugt, dass sein Leben hätte enden sollen in der Nacht, als er seine Freundin tötete. Michael war seine Stärke, der Bruder, den er niemals hatte, und er half Chris einen Anflug von Leben in New York zu finden.

Chris wurde herausgerissen aus dem Elend seiner Erinnerungen, durch laute Musik, die die Fenster des Gebäudes, an dem er vorbeiging, beben ließ. Als er aufschaute, wurde er automatisch näher zu diesem Gebäude hingezogen, durch die hellen Lichter, die aufblitzten und perfekt zum Beat des Basses passten. Je näher Chris den Türen kam, desto lauter wurde die Musik, die Lichter blendeten ihn. Seltsamerweise wurde die Musik hypnotisch, als er das Gebäude betrat. Die Dunkelheit hätte den großen Raum beherrscht, wenn es nicht die pulsierende Lichtshow in der Mitte des Raumes gegeben hätte.

Langsam nahm er seine Umgebung wahr, während er den Raum umrundete. Es gab unterschiedlich große Käfige, die um die Lichter und den DJ in der Mitte einen Kreis bildeten, Käfige, die fast nackte Männer enthielten, mit unterschiedlich viel oder wenig Kleidung. Sie tanzten, küssten und befummelten sich und in einem Käfig, Chris war sich sicher, fickten sie auch. Als er um die mittlere Bühne herum kam, sah er mehrere Stühle und Couchen in einer Reihe vor einer Rückwand. Er sah einen Mann zwischen den Beinen eines anderen Mannes, sein Kopf bewegte sich auf und ab im Takt der Musik.

Er stand da, festgefroren an einer Stelle und starrte auf das, was offensichtlich ein Kerl war, der einem anderen Kerl einen Blowjob verpasste, genau dort, vor allen. Er starrte nicht, weil er angeekelt war, es war mehr Fassungslosigkeit. Wie kam es, dass diese Männer so schamlos offen waren mit dem, was sie taten und warum wimmelte es an diesem Ort nicht von Polizisten? Und wie kam es, dass Chris nur ein paar Kilometer entfernt wohnte und diesen Ort niemals bemerkt hatte? Für Michael und Max wäre das hier der Himmel auf Erden, dachte er.

 

Er machte sich auf, in Richtung Bar. Dort bestellte er eine Cola mit Rum und drehte sich um. Er lehnte mit dem Rücken an der Bar, nur um zu schauen und das alles aufzunehmen.

„Wow, hallo Schönheit! Hab dich hier in der Gegend vorher noch nie gesehen.“ Ein zierlicher Blonder war auf Chris zugekommen, stellte sich neben ihn und beäugte ihn, so wie Chris ein Stück Steak anstarren würde.

Chris lachte laut. „Also sind die Anmachsprüche der schwulen Männer genauso schlecht wie die der Heteros?“ Chris grinste den kleineren Mann an.

Für einen Moment dachte Chris, er hätten den kleinen Kerl beleidigt, aber der warf seinen Kopf zurück und bellte ein hohes, helles Lachen heraus, dann straffte er sich und klatschte Chris härter auf seinen großen Bizeps, als der es für möglich gehalten hätte. Er täuschte vor zurückzuweichen. „Autsch!“ Immer noch lächelnd griff er nach seinem Arm.

Der kleine Kerl schob eine Hand in Richtung Chris’ Brust und dieser nahm sie, um sie zu schütteln. „Mein Name ist Colby und wer sagt, ich sei schwul?“ Er zwinkerte Chris zu, bevor er sich umdrehte Richtung Bar und einen Cosmo bestellte.

„Das dort, kleiner Mann sagt, dass du schwul bist.“ Chris lachte.

„Oh, haha, und was ist dein Getränk der Wahl, Jolly? Whiskey Cola? Bier?“ Colby versuchte wirklich angestrengt, so ernst wie möglich zu wirken, das konnte Chris sagen, aber das Lächeln verließ nie seine Augen. Chris wusste, er wollte ihn nur aufziehen.

„Nah dran, Rum und Cola. Jolly?“

„Du weißt schon, Jolly, der grüne Riese.“ Colby zwinkerte ihn wieder an.

„Witzig. Ich bin Chris, schön dich kennenzulernen, Colby.“ Sie drehten sich um und beobachteten die Masse an Körpern, tanzend, sich windend. Männer, die sich küssten und berührten, direkt vor ihnen auf der Tanzfläche. Chris wusste nicht, was er sonst noch sagen sollte, deshalb schwieg er. Er warf heimliche Blicke aus den Augenwinkeln auf den Mann neben ihm. Colby stand da, sein Kopf hüpfte auf und ab zum Beat der Musik, er lächelte und schaute auf die Szene direkt vor ihm.

Kurz bevor die Stille zwischen ihnen unangenehm peinlich wurde, stieß Colby Chris’ Arm mit seinem Ellenbogen an. „So“, Colby lehnte sich näher zu Chris, um sicherzustellen, dass der ihn trotz der lauten Musik hörte. „Bist du wirklich hetero? Oder bist du bi? Oh, ist heute mein Glückstag und du bist bi-neugierig?“ Colby wackelte mit seinen Augenbrauen.

Chris lachte über ihn und schüttelte seinen Kopf. „Nee, sorry Mann, ich mag die weiblichen Rundungen. Aber keine Angst, ich habe keine Probleme mit dem Lebensstil. Mein bester Freund und sein Partner leben zusammen, deshalb habe ich viel Zeit mit Schwulen und schwulen Pärchen verbracht. Es stört mich nicht im Geringsten.“

Colby nickte, als er seinen pinken Drink ansetzte und einen großen Schluck nahm. Stille schlich sich wieder zwischen sie und dann stieß Colby erneut Chris’ Schulter an. „Kann ich dir ein Geheimnis erzählen?“

Chris nickte.

„Mein Name ist nicht wirklich Colby, er ist Colton.“

„Du benutzt also einen falschen Namen, für den Fall, dass du jemanden nicht magst oder so?“, fragte Chris.

„Oder so“, sagte Colby, nein Colton. „Einmaleins für Schwule, wenn du in New York City lebst, benutze niemals deinen richtigen Namen, es sein denn, es ist deine Familie oder jemand, dem du vertrauen kannst.“

„Und du denkst, du kannst mir vertrauen?“, fragte Chris, mit einem Versuch seinen neuen Freund anzüglich anzugrinsen.

Colton warf seinen Kopf zurück und lachte schon wieder, aber dieses Mal wich Chris dem Schlag auf seinen Arm aus.

Colton runzelte die Stirn, als Chris sein leeres Glas auf die Bar stellte und ein Glas Mineralwasser bestellte, anstatt eines neuen Drinks. „Fährst du?“, fragte er.

Chris schüttelte seinen Kopf.

„Warum trinkst du dann Wasser?“

„Ich habe eine Regel, die heißt ‚Nur ein Drink‘ und bevor du fragst, lass es. Sagen wir einfach, Alkohol und ich haben eine gemeinsame Geschichte, eine hässliche, deshalb trinke ich nur mäßig, wenn ich trinke.“ Chris starrte hinunter auf den kleineren Mann und wartete auf eine Reaktion von ihm.

Colton betrachtete ihn nur für einige Sekunden, bevor er lächelte und mit den Schultern zuckte. „Ah, na ja, dann gibt es mehr für mich!“

Chris lachte über seinen neuen Freund. Nach einigen Runden Wasser, Cosmos und angenehmer Unterhaltung fragte Chris Colton, wo die Toiletten wären und sie machten sich auf den Weg dorthin. Mehr als einmal musste Chris Colton stützen, die Comos wirkten und verwandelten Coltons Beine in Wackelpudding.

Als Chris seine Hände wusch, bemerkte er einen Stapel von Flugblättern auf der Ablage. Er griff eins, überflog es und drehte sich zu Colton. „Was ist das? Sagt dir das was?“, fragte er.

„Ja klar, All Cocks, die machen die besten schwulen Pornos.“ Colton sang die Worte fast, statt sie zu sprechen. „Ich habe mal darüber nachgedacht, es ist gutes Geld, aber ich habe Angst vor Leuten zu sprechen, deshalb könnte ich sicher niemals vor der Kamera stehen, geschweige denn davor Sex haben. Mensch, aber die Models auf deren Seite sind super HOT mit doppeltem T!“ Colton fächerte sich mit der Hand Luft zu und Chris musste lachen.

Colton schüttelte seine Hände, anstatt sie abzutrocknen. Dann strich er sich mit seinen feuchten Fingern durchs Haar, um die widerspenstigen blonden Locken zu zähmen. Er schlenderte aus dem Toilettenraum und Chris folgte ihm. Allerdings griff er sich vorher noch ein Flugblatt und steckte es in die Hosentasche.

 

***

 

In den folgenden Wochen, nach ihrem ersten Treffen im Club, wurde Colton fester Bestandteil von Chris’ Leben. Chris liebte die mutige Einstellung des kleinen Mannes und seine Persönlichkeit war ansteckend. Er war immer glücklich und energiegeladen; er erinnerte Chris an den Hasen aus der Werbung für Batterien, den mit der Trommel. Michael und Max wurden auch sofort warm mit dem jungen Mann. Colton um sich zu haben, mit ihm Zeit zu verbringen, wenn er den dreien Gesellschaft leistete beim Abendessen oder wenn sie einen Film sahen, ließ Chris sich weniger wie das dritte Rad am Wagen fühlen. 

 

Es war ein ungewöhnlich schöner Samstagnachmittag und eigentlich hatten sie vorgehabt, sich einen Film anzusehen und danach Michael und Max vielleicht den Club Berlin vorzustellen.

Aber wegen des ziemlich unüblichen Wetters entschied Chris zu grillen und die Zeit stattdessen auf dem Dachgarten zu verbringen. Er schickte Max Bier holen, während er und Michael begannen die Burger fertig zu machen. Als Colton ankam, half er ihnen das Essen und den Rest nach oben aufs Dach zu bringen.

„Wow, es ist schön heute und der Garten fängt an zu blühen“, bemerkte Colton.

Der Dachgarten war nicht gerade groß. Es gab eine offene Fläche, mit einem großen Picknick-Tisch, Bänken, ein paar Gartenstühlen, einem Grill und seitlich der Eingrenzung des Gebäudes, entlang der Wand, befand sich der Garten in L-Form aus Holzkisten. Darin waren Pflanzen, Kräuter und mehrere Rosenbüsche gepflanzt. Chris hatte gerade den Grill angezündet, als Max zu ihnen stieß, die fahrbare Kühlbox hinter sich herziehend. Chris drehte sich um, als Max seinen Namen rief, und fing gerade noch die Dose Budweiser auf, die auf seinen Kopf zu segelte.

Chris schürte das Feuer und lächelte, als er hörte, wie Michael von einem Kollegen erzählte, mit dem sich Colton zu einem Blinddate verabreden sollte. Ansonsten beachtete er nicht, was hinter ihm passierte. Er platzierte die rohen Pattys auf dem Grill, zusammen mit dem in Folie verpackten Mais und dem Gemüse. Er ahnte nicht, dass Max sich einen leeren Übertopf gegriffen und diesen mit Eis und Wasser gefüllt. Das Nächste, was Chris fühlte, war das kalte Wasser, das seine Wirbelsäule entlang lief.

Chris sprang auf und schrie zu gleichen Zeit: „Verdammte Scheiße!“ Er wirbelte herum und starrte in drei grinsende Gesichter. Colton musste so laut lachen, dass er fast von der Bank fiel.

Chris zog sein nun nasses T-Shirt über den Kopf, drehte sich etwas, formte es zu einem Ballen und warf es seinem besten Freund an den Kopf. Michel lachte über ihn, fing das T-Shirt auf, bevor es sein Gesicht berührte und schleuderte es zurück zu Chris’ Füßen. Dieser dachte gar nicht darüber nach, dass er unter seinem T-Shirt dieses Mal nicht sein Muskelshirt trug oder über die Tatsache, dass seine Jeans tief auf seinen Hüften saß, bis er Colton keuchen hörte.

„Oh mein Gott, Chris, was zum Teufel ist dir passiert?!“

„Oh, Chris, es tut mir leid, ich habe nicht daran gedacht …“ Max wanderte auf und ab, als Chris sich umdrehte. Sein attraktives Gesicht zeigte ein halbes Lächeln und eine halbe Grimasse.

„Es ist okay, Max, Colton hätte es sowieso bald selbst herausgefunden. Lass mich nur eben diese Burger auf den Teller bekommen und ich erzähle dir die Geschichte, die hinter der Narbe steckt, Col.“ Chris’ Stimme war ruhig, ungeachtet der warnenden Glocken, die in seinem Kopf anschlugen. Da war er, der Moment, Colton von dem Unfall zu erzählen und über Amanda. Und dann konnte er sich ansehen, wie Colton die Flucht ergriff, so wie jeder andere auch.

Colton starrte auf Chris’ Rücken, während dieser ruhig die Burger-Vorbereitungen beendete. Es gab einen großen, fliegenden Raben, der sich von Schulter zu Schulter ausbreitete, quer über Chris’ oberen Rücken und ein Kreuz auf seinem unteren Rücken, die Stelle, die viele Leute auch Arschgeweih nannten. Colton fiel auf, dass das Kreuz seitlich lag, anstatt gerade zu stehen, so, wie es sollte. Als Colton angestrengt versuchte die Details innerhalb des Kreuzes zu betrachten, bemerkte er die fleckige Haut darunter. Es sah so aus, als hätte Chris sich verbrannt, aber die vernarbte Haut war eingeschlossen innerhalb des Tattoos.

Je länger Colton starrte, umso mehr stach die Vernarbung aus dem Tattoo hervor und er wusste nicht, wie ihm das vorher entgangen sein konnte. Als Chris sich umdrehte und ihn traurig anlächelte, schämte sich Colton dafür, dass er gestarrt hatte. Er lenkte seinen Blick auf die Bierflasche und zupfte am Etikett, damit er etwas zu tun hatte. Er zuckte etwas zusammen, als er einen festen Griff auf seiner Schulter spürte. Chris lächelte zu ihm herab.

Chris stellte den Teller mit Burgern in die Mitte des Tisches, rutschte auf die Bank neben Colton und begann seinen Burger zusammenzusetzen, bevor er wieder sprach. „So, du weißt ja schon, dass Michael und ich zusammen aufgewachsen sind und dass ich nach Bama gehen sollte mit einem Stipendium. Das aber ging daneben und Michael überzeugte mich mit ihm nach New York zu kommen.“

Colton nickte, er wusste das alles. Es gab einen Autounfall, erinnerte er sich, Chris wurde bei dem Unfall verletzt und das beendete seinen Football-Traum. Das war alles, was er über diese Zeit in Chris’ Leben wusste.

„Nun, was ich dir nicht gesagt habe und was ich niemals irgendjemandem erzähle, ist, was in der Nacht vor dem Unfall passierte.“

„Chris, du musst das nicht …“, Colton wurde unterbrochen durch eine Bewegung von Chris’ Hand.

„Doch Col, ich muss, du sollst die Wahrheit wissen, nämlich, dass ich ein Mörder bin.“

Colton wich etwas zurück, seine Hand bedeckte seinen Mund, als er Chris schockiert anstarrte. Michael knallte seine Bierflasche gegenüber von ihnen auf den Tisch, und ließ Chris und Colton zusammenschrecken. Ihre Köpfe ruckten herum. 

„Gott verdammt, Chris, sag das nicht!“, schrie er so wütend, dass er rot im Gesicht wurde. „Ist Amanda tot? Ja, ist sie! War es deine Schuld? Ja, war es! Aber es war ein Unfall, Chris! Sie nennen es Unfälle aus einem guten Grund! Du hast es verbockt und du hast dafür bezahlt, mehr als das. Wenn du Colton die Geschichte erzählen willst, dann erzähl sie ihm, aber, und ich wiederhole mich, nenn dich niemals wieder einen Mörder! Nicht, wenn ich dabei bin!“

Max schlang seine Arme um Michaels Hüfte, drehte ihn herum und begrub den Kopf seines Freundes unter seinem Kinn, er flüsterte ihm beruhigend zu.

Max kannte diese Übung seit fünf Jahren. Chris war immer zu hart zu sich selbst, wenn er über den Unfall sprach. Es war, als ob Chris dachte, dass die selbstironische Haltung gegenüber seinen eigenen Erinnerungen eine Art von Buße sei. Als ob er aus sich das größte Monster des Planeten machen müsste, um seine Fehler wiedergutzumachen. Deshalb tat Max, was er immer tat, er hielt Michael, bis der sich beruhigt hatte und im Gegenzug beruhigte sich Chris.

Nach ein paar intensiven Minuten peinlicher Stille wickelte sich Michael aus Max’ Umarmung und drehte sein Gesicht zu Chris, seine Augen waren rot und randvoll mit unvergossenen Tränen.

Als Colton einen verstohlenen Blick in Chris’ Richtung warf, konnte er sehen, dass sein Gesicht ebenfalls gerötet und seine Augen verschleiert waren. Er drehte sich wieder um zu Chris, reckte sich hinüber und strich behutsam über den Arm seines Freundes. „Okay Chris, erzähl mir, was passiert ist in der Nacht des Unfalls. Lass mich selbst entscheiden, wie ich dich sehen möchte, nachdem ich deine Geschichte gehört habe, ja?“

 

Chris starrte auf seinen unberührten Burger, als er in seinen Erinnerungen versank. Er erzählte Colton alles, angefangen vom ersten Mal, als er und Amanda sich getroffen hatten, wie sie sich verliebten und Pläne schmiedeten für ein gemeinsames Leben nach der High-School. Von jedem großen Event in ihrem Leben, bis hin zu der Nacht mit der Party. Wie Michael versucht hatte Chris zu überzeugen nicht zu fahren, er aber beweisen musste, dass er unbezwingbar war. Wie ihn im Nachhinein seine Familie verleugnete, von seinem Prozess, seiner Abwärtsspirale mit Alkohol, Drogen und Depressionen. Wie Michael ihn aufgefangen hatte, ihm etwas Verstand eingeprügelt, den Staub abgewischt und ihn nach New York gezerrt hatte, um ein neues Leben zu beginnen.

Die Erinnerung an eine hübsche Blondine mit ansteckendem Lachen, die Tochter von jemandem. Die Schwester, die die Ehefrau von jemandem hätte sein können, die Mutter. Diese Erinnerungen verfolgten ihn nicht nur in jedem wachen Gedanken, sondern suchten auch seine Träume heim. Aber das war ein Geheimnis, das er für sich behielt, denn hätte Michael gewusst, dass er immer noch Albträume hatte von Amanda und dem Unfall, hätte er von Chris verlangt, dass er wieder einen Seelenklempner aufsuchen sollte. Der Gedanke daran, wie gut das funktioniert hatte vor drei Jahren, ließ Chris schaudern. Als er einen Blick in Richtung Michael riskierte, traf er auf den wissenden Blick seines besten Freundes.

Michael öffnete den Mund, um zu sprechen, wurde aber von Colton unterbrochen. „Oh mein Gott, Chris, das ist wahrscheinlich die traurigste Sache, die ich je in meinem Leben gehört habe. Wie konnten sie dich alle auf diese Art und Weise einfach aus ihrem Leben werfen? Deine Eltern, deine Freunde? Ich verstehe das nicht …“ Coltons Stimme hob sich eine Oktave, mit jedem Satz, den er sprach, bis Chris ihn unterbrach, indem er ihm seine Hand auf die Schulter legte.

Ein trauriges Lächeln zierte sein attraktives Gesicht. „Es ist okay, Col, ich habe es vermasselt und ich verdiene das. Außerdem habe ich immer noch Michael und Max und jetzt dich.“ Chris schmunzelte ein wenig über seinen Freund, als dieser ein Taschentuch griff, seine Nase putzte und die Tränen wegwischte.

„Hast du ein Bild von ihr? Von Amanda?“, fragte Colton.

Chris nickte, griff in seine Hosentasche und zog sein Portemonnaie hervor. Er öffnete es und nahm ein fast abgenutztes Foto von ihm und Amanda heraus. Sie saß auf seinem Rücken, an dem Tag, an dem sie die Meisterschaft gewonnen hatten, 2009.

Colton nahm das Bild und lächelte über die Liebe, die das Bild ausstrahlte. „Oh wow, sie ist hübsch, oder? Fast hübsch genug, um einen Schwulen hetero werden zu lassen, würde ich sagen.“ Colton lachte, als Chris ihn leicht schubste. Er realisierte noch nicht einmal, dass er immer noch den Flyer der einen Nacht in seiner Brieftasche hatte, bis Michael danach griff.

„Was ist das?“, fragte er, als er das Papier entfaltete; er scannte die Wörter auf der Seite, bevor er Chris einen fragenden, fast ärgerlichen Blick zuwarf. „Was zum Teufel ist das, Chris?“, verlangte er zu wissen.

Chris griff nach dem Zettel, aber Michael zog seine Hand zurück. Er wollte es nicht dabei belassen. „Nein, sag mir, warum du das hier hast. Du kannst das nicht wirklich in Erwägung ziehen. Chris?“ Die Frage hing in der Luft, dick wie der ständige Smog in der Stadt.

Chris platzierte seine Handflächen auf dem Tisch und funkelte seinen verärgerten Freund an. „Es ist nur eine Idee, Michael, mach doch nicht gleich ein Fass auf, okay? Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich es tun werde oder nicht.“

Max zupfte den Flyer aus der Hand seines Freundes und schaute ihn sich genauer an …

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Anmerkung: Obwohl Homosexuelle und Bi-sexuelle bevorzugt werden, ist das keine Voraussetzung. Bei All Cocks sind wir stolz auf unsere Webseite mit vielfältigem Angebot. Das heißt natürlich auch, dass wir Gay for Pay Models anstellen.

Es gab eine Telefonnummer, den Link zu einer Webseite und eine E-Mail-Adresse in kleinen Buchstaben am Ende des Flyers. Max pfiff und nickte mit dem Kopf, dann grinste er Chris an. Michael schnappte sich den Flyer aus seiner Hand und riss ihn in der Mitte durch. Chris blinzelte noch nicht einmal. Er wusste, wo er einen weiteren finden konnte, falls Michael sich entscheiden sollte diesen in kleine Stücke zu zerfetzen.

„Michael, ich bin arbeitslos, pleite und fast obdachlos. Wenn es nicht dich und Max geben würde und ihr mich nicht hier wohnen lassen würdet, ich nicht das Geld aus der Erbschaft meines Großvaters hätte, dann würde ich auf der Straße sitzen.“ Chris wollte, dass sein Freund verstand, warum er diese Alternative der Anstellung für sich in Erwägung zog.

„Verdammt Chris, du kannst für immer auf unserer Couch schlafen.“

Max schüttelte den Kopf und Chris musste lachen.

„Hört auf, beide, mir ist es ernst. Du bist hetero, Chris. Du bist kein Betbruder oder homophob, aber wenn du das tust, dann wirst du mit einem anderen Mann Sex haben müssen, bist du dir darüber im Klaren?“

Chris strich sich mit seiner Hand durchs Gesicht, seufzte und versuchte die richtigen Worte zu finden. „Schau mal, ich habe bisher nicht gesagt, dass ich es tun werde, okay? Es stimmt, was du sagst, ich weiß nicht, ob ich es kann, aber ich habe online ein bisschen gesucht und es gibt viele Kerle auf diesen Seiten, die nur nackt modeln und sich einen runterholen vor der Kamera. Man kann nicht so viel verdienen wie mit Sex, aber es ist besser als nichts im Moment, Michael. Außerdem bin ich mir sicher, sollte ich mich entscheiden jemanden an meinen Arsch zu lassen, kannst du mir bestimmt ein paar Tipps geben.“ Chris sagte das letzte scherzhaft und Michael entspannte sich endlich ein bisschen und lachte über ihn.

„Niemals! Du kannst Max oder Colton fragen, aber klopf bloß nicht an meine Tür für Anfängerunterricht in schwulem Sex.“

Colton sprang auf seinem Sitz auf und ab – er war fast hysterisch. „Oh! Oh! Nimm mich, nimm mich!“ Er winkte mit seiner Hand in der Luft, so wie früher in der Schule, wenn man es nicht erwarten konnte dranzukommen. Chris drückte seine Hand nach unten und lachte über seinen neuen Freund.

Die Krise war vorbei. Sie futterten jetzt endlich ihre kalt gewordenen Burger und spülten sie mit warmem Bier hinunter, während Max und Colton versuchten sich mit dreckigen Schwulenwitzen zu überbieten. Chris bemerkte, dass Michael ein paar Mal den zerrissenen Flyer anstarrte und dann in seine Richtung schaute. Er wusste, es würden in dieser Nacht noch mehr Fragen kommen und längere Diskussionen folgen, sobald Colton nach Hause gegangen war.

~ Kapitel 2 | All Cocks ~

 

Chris wälzte sich hin und her in dieser Nacht, bevor er letztendlich in einen ruhelosen Schlaf fiel. Als ihn die Sonne, die durch die zugezogenen Vorhänge schien, am nächsten Morgen weckte, blieb er einfach noch eine Weile liegen, starrte die Decke an und dachte über seine Möglichkeiten nach. Er hatte sich schon für Hunderte von Jobs beworben in den letzten paar Jahren, seit er nach New York gezogen war, aber die letztendliche Antwort war immer dieselbe. Niemand wollte jemanden einstellen, der in seinen Akten stehen hatte: angeklagt wegen fahrlässiger Tötung. Wenn er nicht das Geld seines Großvaters bekommen hätte, kurz bevor er nach New York zog, wäre es mit ihm wohl den Bach heruntergegangen.

Nur alleine dieser Gedankengang ließ Chris seinen Kopf unter das Kissen stecken – der Tod seines Großvaters. Sein Vater hatte bei Michael angerufen, um es ihm zu sagen, nicht Chris selbst, und damit perfekt klargemacht, dass Chris nicht willkommen war bei der Beerdigung. Und dann rief sein Vater ein paar Tage später erneut an, um mit Michael über das Testament zu reden. Michael sagte, dass er auf hundertachtzig gewesen war, weil er deutlich mehr als einen Cent an seinen enttäuschenden Sohn abgeben musste. Am Ende waren es der Ärger und der Frust, den Chris fühlte, und dass seine Familie ihn verlassen hatte, was ihn dazu brachte bei All Cocks anzurufen.

 

Am nächsten Tag machte sich Chris auf den Weg in die Innenstadt, zu der Adresse, die ihm für das Vorstellungsgespräch genannt worden war. Das kleine unscheinbare Bürogebäude beherbergte ungefähr ein Dutzend Türen, bemerkte Chris, als er sich auf den Weg zu Suite 69 machte und ja, er lachte über die Ironie.

Innen fand er eine plappernde Brünette, die mehr Augen Make-up trug als Tammy Faye Bakker, mit einem Headset, das genau oben auf ihrem zurückgesteckten Haar positioniert war. Sie lächelte ihn an, als er den Raum betrat.

„Hi!“ Sie stand da und wippte zu ihm herüber auf einem Paar himmelhoher, nadeldünner Stöckelschuhe, in einem Kleid, das zwei Nummern zu klein war für sie und ihren Doppel D Busen. „Ich bin Cassie und du musst Christopher sein, schön dich kennenzulernen.“ Sie schob ihre winzige Hand zu ihm herüber. Mit seinen 1,88 m überragte er die meisten Leute und diese winzige Brünette vor ihm konnte er in seine Hosentasche stecken.

Er nahm vorsichtig ihre Hand, erinnerte sich an seine Manieren, zog die Hand näher, um einen Kuss anzudeuten. „Ja, einfach nur Chris, es ist schön, Sie kennenzulernen, Madame.“ Er goss jeden Tropfen seiner südländischen Wurzeln in das Wort Madame und lächelte ein wenig, als Cassie zu einer Pfütze zu seinen Füßen zerschmolz.

„Oh, du Gentleman“, gurrte sie, klimperte mit ihren Wimpern. Er konnte ihre Schönheit nicht leugnen, auch wenn sie unter zehn Litern Schminke versteckt war. Er mochte seine Frauen allerdings ein bisschen natürlicher.