Thomas G. Mezger

Das
Rheologie Handbuch

Für Anwender von
Rotations- und Oszillations-Rheometern

5., vollständig überarbeitete Auflage

Farbe und Lack // Bibliothek

Thomas G. Mezger

Das
Rheologie Handbuch

Für Anwender von
Rotations- und Oszillations-Rheometern

5., vollständig überarbeitete Auflage

Auf ein Wort

Warum wurde dieses Buch geschrieben?

Wer sich in der industriellen Praxis mit Rheologie befasst – der Lehre vom Deformations- und Fließverhalten – und nach entsprechender Literatur sucht, findet einerseits Broschüren mit geringem Tiefgang, in denen für den praktischen Anwender meist wenig Nutzen bringendes steht, und andererseits hochspezialisierte Fachbücher, die mit physikalischen Formeln und mathematischen Theorien überladen sind. Dazwischen mangelt es an Literatur, die sich bei den theoretischen Grundlagen auf das Notwendige beschränkt und darüber hinaus praxisgerechte Anleitungen für Versuche zur Materialcharakterisierung beinhaltet. Dieses Buch soll dazu beitragen, die Lücke zu füllen.

Dargestellt sind die Möglichkeiten der Rheologie in den Bereichen Qualitätssicherung, Produktions- und Anwendungstechnik, chemische und mechanische Ingenieurswissenschaften, Materialforschung und -entwicklung. Der Schwerpunkt liegt auf den aktuellen Messmethoden. Der Leser soll anschließend in der Lage sein, Versuche mit Rotations- und Oszillations-Rheometern durchzuführen und die Ergebnisse richtig zu interpretieren.

Wie ist dieses Buch entstanden?

Mitte der 1980er-Jahre erschienen die ersten rechnergesteuerten Rheometer in den Industrielabors; seitdem verbessert sich die Messtechnik in Atem beraubendem Tempo und dasselbe gilt für die Steuer- und Auswertemöglichkeiten. Um die ständig anwachsende Informationsmenge zu ordnen und transparent zu machen, führt die Fa. Anton Paar Germany – vorher unter dem Namen Physica Messtechnik – bereits seit 1988 Grundlagenseminare sowie branchenspezifisch applikationsbezogene Schulungen durch. Während der „European Coatings Show“ in Nürnberg im April 1999 regte der Veranstalter und Verlagsleiter Dr. Lothar Vincentz an, dieses Buch über angewandte Rheologie zusammenzustellen.

Für wen und für welche Industriebranchen wurde dieses Buch geschrieben?

„Das Rheologie Handbuch“ ist geeignet für alle, die ohne Vorkenntnisse in die Rheologie einsteigen, sowie für jene, die bereits früher erworbenes Wissen mit aktuellen Informationen auffrischen wollen. Der Leser kann es als Lehrbuch von Anfang bis Ende durchlesen oder als Nachschlagewerk für gezielt ausgewählte Kapitel nutzen; zahlreiche Querverweise stellen Zusammenhänge her und ein ausführliches Stichwortverzeichnis hilft bei der Suche. Bei Bedarf soll das Buch – wie die ersten Sprossen einer Leiter – den Aufstieg in die Höhen der theorieorientierten Rheologiebücher mit Universitätsstandard erleichtern. Um den Lesestoff aufzulockern, sind neben vielen Abbildungen anschauliche Beispiele, Tabellen und Rechenübungen eingefügt. Folgende Auflistung zeigt, dass Rheologieanwender in vielen Industriebranchen angesprochen sind.

Es ist sehr erfreulich, dass die ersten vier Auflagen des „Rheologie Handbuchs“, die zwischen 2000 und 2012 erschienen, nach unerwartet kurzer Zeit bereits vergriffen sind. Dieses Fachbuch ist auch in englischer Sprache erhältlich, vier Auflagen wurden zwischen 2002 und 2014 publiziert (Titel: „The Rheology Handbook“). Gerne nehme ich zur Kenntnis, dass dieses Buch nicht nur bei Labortechnikern und bei an praktischen Anwendungen interessierten Ingenieuren, bei Lehrern und Professoren von Technikerschulen und anwendungstechnisch orientierten Hochschulen große Zustimmung findet, sondern inzwischen auch weltweit als Einstiegslektüre für Vorlesungen, Praktika und weiterführende Studienarbeiten in Universitäten zur Erklärung der Grundlagen der Rheologie verwendet wird.

Für die fünfte Auflage wurden weitere Beispiele aus der Industriepraxis sowie aus der Mitarbeit in mehreren Arbeitskreisen zur Normierung von Messmethoden in verschiedenen Branchen eingefügt. Neu dazu kam Kapitel 13 (Scherversuche mit Pulvern und Schüttgütern). Kapitel 16 (Normen) wurde wieder aktualisiert.

Mein abschließender Wunsch ist, dass „Das Rheologie Handbuch“ als nützlicher Ratgeber dabei hilft, die genannten Produkte praxisnah zu charakterisieren, ihre Qualität zu sichern und möglichst noch zu verbessern.

Stuttgart, im August 2016

Thomas Mezger

Inhaltsverzeichnis

1

Einleitung

1.1

Rheologie, Rheometrie, und Viskoelastizität

1.2

Deformation und Fließverhalten

2

Fließverhalten und Viskosität

2.1

Einleitung

2.2

Begriffsdefinitionen

2.2.1

Schubspannung

2.2.2

Scherrate

2.2.3

Viskosität

2.3

Scherbelastungsabhängiges Fließverhalten

2.3.1

Idealviskoses Fließverhalten

2.4

Strömungsformen im Zwei-Platten-Modell

3

Rotationsversuche

3.1

Einleitung

3.2

Grundlagen

3.2.1

Versuchsarten Scherraten- und Schubspannungsvorgabe, Rohdaten und rheologische Messgrößen

3.3

Fließkurven und Viskositätsfunktionen

3.3.1

Versuchsbeschreibung

3.3.2

Scherverdünnendes Fließverhalten

3.3.2.1

Strukturen von Polymeren mit scherverdünnendem Verhalten

3.3.2.2

Strukturen von Dispersionen mit scherverdünnendem Verhalten

3.3.3

Scherverdickendes Fließverhalten

3.3.3.1

Strukturen von Polymeren mit scherverdickendem Verhalten

3.3.3.2

Strukturen von Dispersionen mit scherverdickendem Verhalten

3.3.4

Fließgrenze

3.3.4.1

Auswertung der Fließgrenze über Fließkurven

3.3.4.2

Weitere Informationen zur Fließgrenze

3.3.5

Überblick: Fließkurven und Viskositätsfunktionen

3.3.6

Anpassungsfunktionen für Fließ- und Viskositätskurven

3.3.6.1

Modellfunktion für idealviskoses Fließverhalten nach Newton

3.3.6.2

Modellfunktionen für scherverdünnendes und scherverdickendes Fließverhalten

3.3.6.3

Modellfunktionen für Fließverhalten mit Null-Viskosität und Unendlich-Viskosität

3.3.6.4

Modellfunktionen für Fließkurven mit Fließgrenze

3.3.7

Wirkung von Rheologie-Additiven in wässrigen Dispersionen

3.4

Zeitabhängiges Fließverhalten und Viskositätsfunktion

3.4.1

Versuchsbeschreibung

3.4.2

Zeitabhängiges Fließverhalten ohne Aushärtung der Messprobe

3.4.2.1

Strukturabbau und -wiederaufbau (Thixotropie und Rheopexie)

3.4.2.2

Testmethoden zur Untersuchung thixotropen Verhaltens

3.4.3

Zeitabhängiges Fließverhalten mit Aushärtung der Messprobe

3.5

Temperaturabhängiges Fließverhalten und Viskositätsfunktion

3.5.1

Versuchsbeschreibung

3.5.2

Temperaturabhängiges Fließverhalten ohne Aushärtung der Messprobe

3.5.3

Temperaturabhängiges Fließverhalten mit Aushärtung der Messprobe

3.5.4

Anpassungsfunktionen für Kurven der temperaturabhängigen Viskosität

3.6

Druckabhängiges Fließverhalten und Viskositätsfunktion

4

Elastisches Verhalten und Schubmodul

4.1

Einleitung

4.2

Begriffsdefinitionen

4.2.1

Deformation

4.2.2

Schubmodul

4.3

Scherbelastungsabhängiges Deformationsverhalten

4.3.1

Idealelastisches Deformationsverhalten nach Hooke

4.4

Auswertung der Fließgrenze über Anpassungsgeraden im Schubspannungs-/Deformations-Diagramm

5

Viskoelastisches Verhalten

5.1

Einleitung

5.2

Grundlagen

5.2.1

Viskoelastische Flüssigkeiten nach Maxwell

5.2.1.1

Das Maxwell-Modell

5.2.1.2

Anwendungsbeispiele für das Verhalten von VE-Flüssigkeiten in der Praxis

5.2.2

Viskoelastische Feststoffe nach Kelvin/Voigt

5.2.2.1

Das Kelvin/Voigt-Modell

5.2.2.2

Anwendungsbeispiele für das Verhalten von VE-Festkörpern in der Praxis

5.3

Normalspannungen

6

Kriechversuch

6.1

Einleitung

6.2

Grundlagen

6.2.1

Versuchsbeschreibung

6.2.2

Idealelastisches Verhalten

6.2.3

Idealviskoses Verhalten

6.2.4

Viskoelastisches Verhalten

6.3

Auswertung

6.3.1

Verhalten der Moleküle

6.3.2

Das Burgers-Modell

6.3.3

Kurvendiskussion

6.3.4

Begriffsdefinitionen

6.3.4.1

Null-Viskosität

6.3.4.2

Kriechkomplianz und Kriecherholungs-Komplianz

6.3.4.3

Retardationszeit

6.3.4.4

Retardationszeit-Spektrum

6.3.5

Datenkonversion

6.3.6

Bestimmung der Molmassenverteilung

6.4

Auswertung der Fließgrenze über Kriechversuche

7

Relaxationsversuch

7.1

Einleitung

7.2

Grundlagen

7.2.1

Versuchsbeschreibung

7.2.2

Idealelastisches Verhalten

7.2.3

Idealviskoses Verhalten

7.2.4

Viskoelastisches Verhalten

7.3

Auswertung

7.3.1

Verhalten der Moleküle

7.3.2

Kurvendiskussion

7.3.3

Begriffsdefinitionen

7.3.3.1

Relaxationsmodul

7.3.3.2

Relaxationszeit

7.3.3.3

Relaxationszeit-Spektrum

7.3.4

Datenkonversion

7.3.5

Bestimmung der Molmassenverteilung

8

Oszillationsversuche

8.1

Einleitung

8.2

Grundlagen

8.2.1

Idealelastisches Verhalten

8.2.2

Idealviskoses Verhalten

8.2.3

Viskoelastisches Verhalten

8.2.4

Begriffsdefinitionen

8.2.5

Versuchsarten Deformations- und Schubspannungsvorgabe, Rohdaten und rheologische Parameter 158

8.3

Amplitudentest

8.3.1

Versuchsbeschreibung

8.3.2

Stukturcharakter einer Messprobe

8.3.3

Grenze des LVE-Bereichs

8.3.3.1

Grenzwert des LVE-Bereichs als Deformationswert

8.3.3.2

Grenzwert des LVE-Bereichs als Schubspannungswert

8.3.4

Bestimmung der Nachgebgrenze und Fließgrenze mit dem Amplitudentest

8.3.4.1

Nachgebgrenze (yield point)

8.3.4.2

Fließgrenze (flow point)

8.3.4.3

Nachgiebigkeitsbereich zwischen Nachgebgrenze und Fließgrenze

8.3.4.4

Bewertung der beiden Begriffe Nachgebgrenze und Fließgrenze

8.3.4.5

Messprogramme in Kombination mit Amplitudentests

8.3.5

Frequenzabhängigkeit beim Amplitudentest

8.3.6

SAOS- und LAOS-Tests, und Lissajous-Diagramme

8.4

Frequenztest

8.4.1

Versuchsbeschreibung

8.4.2

Verhalten von unvernetzten Polymeren (Lösungen und Schmelzen)

8.4.2.1

Einfaches Maxwell-Modell für Polymere mit enger Molmassenverteilung (MMV)

8.4.2.2

Verallgemeinertes Maxwell-Modell für Polymere mit breiter MMV

8.4.3

Verhalten von vernetzten Polymeren

8.4.4

Verhalten von Dispersionen und Gelen

8.4.5

Vergleich von Überstrukturen mit Hilfe von Frequenzkurven

8.4.6

Mehrfrequenz-Versuch (Multiwave-Test)

8.4.7

Datenkonversion

8.5

Zeitabhängiges Verhalten bei konstantendynamisch-mechanischen und isothermen Bedingungen

8.5.1

Versuchsbeschreibung

8.5.2

Zeitabhängiges Verhalten ohne Aushärtung der Messprobe

8.5.2.1

Strukturabbau und -wiederaufbau (Thixotropie und Rheopexie)

8.5.2.2

Testmethoden zur Untersuchung thixotropen Verhaltens

8.5.3

Zeitabhängiges Verhalten mit Aushärtung der Messprobe

8.6

Temperatur-abhängiges Verhalten bei konstanten dynamisch-mechanischen Bedingungen

8.6.1

Versuchsbeschreibung

8.6.2

Temperatur-abhängiges Verhalten ohne Aushärtung der Messprobe

8.6.2.1

Temperaturkurven und Strukturen von Polymeren

8.6.2.2

Temperaturkurven von Dispersionen und Gelen

8.6.3

Temperatur-abhängiges Verhalten mit Aushärtung der Messprobe

8.6.4

Thermoanalyse (TA)

8.7

Zeit-/Temperatur-Verschiebung

8.7.1

Temperatur-Verschiebungsfaktor nach der WLF-Methode

8.8

Die Cox/Merz-Beziehung

8.9

Kombinierte Rotations- und Oszillationsversuche

8.9.1

Vorgabe von Rotation und Oszillation in Serie

8.9.2

Überlagerung von Oszillation und Rotation

9

Komplexes Verhalten von Tensidsystemen

9.1

Tensidsysteme

9.1.1

Tensidstrukturen und Mizellen

9.1.2

Emulsionen

9.1.3

Mischungen von Tensiden und Polymeren, tensid-ähnliche Polymere

9.1.4

Anwendungen von Tensidsystemen

9.2

Rheologisches Verhalten von Tensidsystemen

9.2.1

Gewöhnliches Scherverhalten

9.2.2

Scherinduzierte Effekte, Scherschichtung und „Rheo-Chaos“

10

Messsysteme

10.1

Einleitung

10.2

Konzentrische Zylinder-Messsysteme

10.2.1

Zylinder-Messsysteme im Allgemeinen

10.2.1.1

Geometrie von Zylindersystemen mit weitem Scherspalt

10.2.1.2

Betriebsarten

10.2.1.3

Berechnungen

10.2.2

Konzentrische Zylinder-Messsysteme mit engem Spalt nach ISO 3219

10.2.2.1

Geometrie

10.2.2.2

Berechnungen

10.2.2.3

Umrechnung zwischen Rohdaten und rheologischen Parametern

10.2.2.4

Fließinstabilität und Sekundärströmungen im Zylinder-MS

10.2.2.5

Vor- und Nachteile von Zylinder-Messsystemen

10.2.3

Doppelspalt-Messsysteme

10.2.4

Zylinder-Messsysteme für hohe Scherraten (High-Shear)

10.3

Kegel/Platte-Messsysteme

10.3.1

Geometrie

10.3.2

Berechnungen

10.3.3

Umrechnung zwischen Rohdaten und rheologischen Parametern

10.3.4

Fließinstabilität und Sekundärströmungen

10.3.5

Kegelspitzenabnahme und Spalteinstellung

10.3.6

Maximal zulässige Partikelgröße

10.3.7

Befüllung des Kegel/Platte-Messsystems

10.3.8

Vorteile und Nachteile von Kegel/Platte-Messsystemen

10.4

Platte/Platte-Messsysteme

10.4.1

Geometrie

10.4.2

Berechnungen

10.4.3

Umrechnung zwischen Rohdaten und rheologischen Parametern

10.4.4

Fließinstabilität und Sekundärströmungen

10.4.5

Empfehlungen für den Plattenabstand

10.4.6

Automatische Spalt-Einstellung und automatische Spalt-Nachregelung mit Hilfe der Normalkraft-Steuerung

10.4.7

Bestimmung des Temperaturgradienten in der Messprobe

10.4.8

Vorteile und Nachteile von Platte/Platte-Messsystemen

10.5

Mooney/Ewart-Messsystem

10.6

Relativ-Messsysteme

10.6.1

Messsysteme mit sandgestrahlter oder profilierter Oberfläche

10.6.2

Scheiben-, stift- und kugelförmige Spindeln

10.6.3

Krebs-Spindeln 290

10.6.4

Pasten-Spindeln, Stift- und Flügel-Drehkörper

10.6.5

Kugel-Messsystem (Rotation auf einer Kreisbahn)

10.6.6

Weitere Relativ-Messsysteme

10.7

Messsysteme für feste Torsionsstäbe

10.7.1

Probenstäbe mit rechteckigem Querschnitt

10.7.2

Probenstäbe mit kreisförmigem Querschnitt

10.7.3

Verbundwerkstoffe

10.8

Spezielle Messeinrichtungen

10.8.1

Besondere Messbedingungen mit Beeinflussung der Rheologie

10.8.1.1

Magnetische Felder für magneto-rheologische Flüssigkeiten

10.8.1.2

Elektrische Felder für elektro-rheologische Flüssigkeiten

10.8.1.3

Immobilisierung von Suspensionen durch Flüssigkeitsentzug

10.8.1.4

Ultraviolettes Licht für UV-härtende Materialien

10.8.1.5

Relative Luftfeuchtigkeit macht klebrig oder spröde

10.8.2

Rheo-optische Messeinrichtungen

10.8.2.1

Begriffe aus der Optik

10.8.2.2

Mikroskopie

10.8.2.3

Geschwindigkeitsprofil in Scherströmungen durch Partikelreflektion

10.8.2.4

Messzellen für Anisotropie mit optischer Drehung und Doppelbrechung

10.8.2.5

SALS für gebeugte Lichtquanten

10.8.2.6

SAXS für gebeugte Röntgenstrahlquanten

10.8.2.7

SANS für gestreute Neutronen

10.8.3

Andere spezielle Messeinrichtungen

10.8.3.1

Grenzflächen-Rheologie mit zweidimensionalen Flüssigkeitsfilmen

10.8.3.2

Dielektrische Analyse mit elektrischen Dipolen

10.8.3.3

NMR mit Resonanz von magnetisch aktiven Atomkernen

10.8.4

Andere Prüfungen als Scherversuche

10.8.4.1

Dehnversuche, Zugversuche, Dehnviskosität und Dehnrheologie

10.8.4.2

Tack-Test, Klebrigkeit und Zügigkeit

10.8.4.3

Tribologie

11

Messgeräte

11.1

Einleitung

11.2

Methoden zur Prüfung von Viskosität und Elastizität

11.2.1

Sehr einfache Bestimmungen

11.2.2

Fließen auf horizontaler Ebene

11.2.3

Ausbreitmaß auf horizontaler Ebene nach Heben eines Behälters

11.2.4

Fließen auf schiefer Ebene

11.2.5

Fließen auf vertikaler Ebene oder über eine Hilfseinrichtung

11.2.6

Fließen in Kanal, Trog, Schale

11.2.7

Auslaufbecher und andere drucklose Kapillar-Viskosimeter

11.2.8

Geräte mit steigenden, sinkenden, fallenden, rollenden Elementen

11.2.9

Penetrometer, Konsistometer, Texture Analyzer

11.2.10

Druckbetriebene Zylinder- und Kapillargeräte

11.2.11

Einfache Versuche mit Rotationsviskosimetern

11.2.12

Geräte mit vibrierenden oder oszillierenden Elementen

11.2.13

Rotations- und Oszillations-Vulkameter zur Prüfung des Vulkanisationsverhaltens von Kautschuk, Gummi und Elastomeren

11.2.14

Zug- und Dehn-Prüfgeräte

11.2.15

Kompressions- oder Druck-Prüfgeräte

11.2.16

Linear-Schubgerät, Scherpresse, Ziehprüfer

11.2.17

Biege-Prüfgeräte

11.2.18

Torsions-Prüfgeräte

11.3

Auslaufbecher

11.3.1

Der ISO-Becher

11.3.1.1

Kapillarlänge

11.3.1.2

Berechnungen

11.3.1.3

Fließinstabilität, Sekundärströmungen und turbulente Fließbedingungen in Auslaufbechern

11.3.2

Andere Bauarten von Auslaufbechern

11.4

Kapillar-Viskosimeter

11.4.1

Glaskapillar-Viskosimeter

11.4.1.1

Berechnungen

11.4.1.2

Bestimmung der Molmasse von Polymeren über verdünnte Polymerlösungen

11.4.1.3

Bestimmung des Viskositäts-Index VI von Petrochemikalien

11.4.2

Druckbetriebene Kapillar-Viskosimeter

11.4.2.1

MFR- und MVR-Tester mit Gewichtsantrieb, als Niederdruck Kapillarviskosimeter

11.4.2.2

Hochdruck-Kapillarviskosimeter mit elektrischem Antrieb zur Prüfung von hochviskosen und pastenartigen Materialien

11.4.2.3

Hochdruck-Kapillarviskosimeter mit Gasdruck zur Prüfung von Flüssigkeiten

11.5

Kugelfall-Viskosimeter

11.6

Stabinger-Viskosimeter

11.7

Rotations- und Oszillations-Rheometer

11.7.1

Bauarten von Rheometern

11.7.2

Regelkreise

11.7.3

Drehmoment-Messeinrichtungen

11.7.4

Winkel-oder Drehzahl-Messeinrichtungen

11.7.5

Lagerung

11.7.6

Temperiersysteme

12

Leitfaden für rheologische Versuche

12.1

Messsystem-Auswahl

12.2

Rotationsversuche

12.2.1

Fließ- und Viskositätskurven

12.2.2

Zeitabhängiges Fließverhalten (Rotation)

12.2.3

Sprungversuch (Rotation): Strukturabbau und -wiederaufbau (Thixotropie)

12.2.4

Temperatur-abhängiges Fließverhalten (Rotation)

12.3

Oszillationsversuche

12.3.1

Amplitudentest

12.3.2

Frequenztest

12.3.3

Zeitabhängiges viskoelastisches Verhalten (Oszillation)

12.3.4

Sprungversuch (Oszillation): Strukturabbau und -wiederaufbau (Thixotropie)

12.3.5

Temperatur-abhängiges viskoelastisches Verhalten (Oszillation)

12.4

Wahl der Versuchsart

12.4.1

Ruheverhalten

12.4.2

Fließverhalten

12.4.3

Abbau und Wiederaufbau der Struktur (thixotropes Verhalten, z.B. von Beschichtungen)

13

Scherversuche mit Pulvern und Schüttgütern

13.1

Einleitung

13.1.1

Klassifikation von Schüttgütern nach ihrer Fluidisierbarkeit

13.1.2

Einflussfaktoren auf das Fließverhalten von Pulver

13.2

Scherprüfung von stark verdichteten, verfestigten Schüttgütern

13.2.1

Vorverdichten des Schüttguts

13.2.2

Anscheren des Schüttguts

13.2.3

Abscheren des Schüttguts

13.2.4

Weitere Versuchsdurchläufe mit Anscheren und Abscheren

13.2.5

Mohrscher Spannungskreis

13.2.5.1

Mohr-Kreis für das stationäre Fließen, und die Verfestigungsspannung

13.2.5.2

Mohr-Kreis zur Bestimmung der Druckfestigkeit

13.2.5.3

Fließfunktion mit der Verfestigungsspannung und der Druckfestigkeit

13.2.6

Weitere Prüfungen mit Schergeräten

13.2.6.1

Zeitverfestigung, ausgewertet als Zeitfließort

13.2.6.2

Wandreibung ausgewertet als Wandfließort

13.2.6.3

Wandreibung mit Zeitverfestigung, ausgewertet als Zeitwandfließort

13.3

Scherprüfung von leicht verdichteten Schüttgütern mit der Fluidisierungs- und Pulver-Messzelle

13.3.1

Pulver-Messgeräte und Fluidisierungszellen

13.3.2

Vorbereitungen zur Pulverprüfung

13.3.3

Vorversuche zum Fluidisierungsverhalten von Pulvern

13.3.4

Pulverprüfung und Bestimmung der Kohäsionsstärke

14

Rheologen und die historische Entwicklung der Rheologie

14.1

Entwicklung bis zum 19. Jahrhundert

14.2

Entwicklung zwischen 1800 und 1900

14.3

Entwicklung zwischen 1900 und 1949

14.4

Entwicklung zwischen 1950 und 1979

14.5

Entwicklung ab 1980

15

Anhang

15.1

Verwendete Zeichen, Symbole und Abkürzungen

15.2

Griechisches Alphabet

15.3

Umrechnung von Einheiten

16

Normen

16.1

ISO-Normen (International Standards Organisation)

16.2

ASTM-Normen (American Society for Testing and Materials)

16.3

DIN-, DIN EN-, DIN EN ISO- und EN-Normen (Deutsche Industrie Norm, Europäische Normen)

16.4

Wichtige Normen für Anwender von Rotationsrheometern

 

Lebenslauf

 

Danksagung

 

Index

1 Einleitung

1.1 Rheologie, Rheometrie, und Viskoelastizität

a) Rheologie

Rheologie ist die Lehre von der Deformation und vom Fließen der Substanzen. Diese Wissenschaft ist ein Teilgebiet der Physik (und der physikalischen Chemie), da die wichtigsten Messgrößen aus der Mechanik kommen: Kräfte, Auslenkungen und Geschwindigkeiten. Der Begriff ist aus dem Griechischen abgeleitet: rhei oder rheo bedeutet fließen, strömen [1.1].

Dem Wortsinne nach bedeutet Rheologie also „Fließkunde“. Rheologische Untersuchungen umfassen aber nicht nur das Fließverhalten von Flüssigkeiten, sondern auch das Deformationsverhalten von Festkörpern. Der Zusammenhang besteht darin, dass durch Scherkräfte verursachte große Deformationen bei vielen Substanzen zum Fließen führen.

Alle Formen des wissenschaftlich beschreibbaren rheologischen Scherverhaltens finden zwischen zwei Extremen statt, dem Fließen von idealviskosen Flüssigkeiten und dem Verformen von idealelastischen Festkörpern. Beispielsweise kommen einerseits niederviskoses Mineralöl und andererseits eine Stahlkugel den beiden idealen Verhaltensformen sehr nahe. Das Fließverhalten viskoser Substanzen wird in Kapitel 2 erläutert und das elastische Deformationsverhalten in Kapitel 4.

Alle realen Substanzen besitzen sowohl einen viskosen als auch einen elastischen Anteil, man nennt ihr Verhalten viskoelastisch. Beispielweise ist ein Tapetenkleister eine viskoelastische Flüssigkeit, und ein Radiergummi ist ein viskoelastischer Festkörper. Über das viskoelastische Verhalten wird in Kapitel 5 informiert. Komplexes, auch außergewöhnliches rheologisches Verhalten wird in Kapitel 9 am Beispiel von Tensidsystemen vorgestellt.

Tabelle 1.1 zeigt die wichtigsten Begriffe, die in diesem Buch angesprochen werden und sie ist auch den Kapitel 2 bis 8 vorangestellt. Die fettgedruckten Begriffe heben hervor, welcher Inhalt in dem jeweiligen Kapitel erläutert wird.

Tabelle 1.1: Überblick über unterschiedliche Arten rheologischen Verhaltens

Flüssigkeit

Feststoff

(ideal-) viskoses Fließverhalten Viskositätsgesetz (Newton)

viskoelastisches Fließverhalten Modell von Maxwell

viskoelastisches Deformationsverhalten Modell von Kelvin/Voigt

(ideal-) elastisches Deformationsverhalten Elastizitätsgesetz (Hooke)

Fließkurven, Viskositätskurven

Kriechversuche, Relaxationsversuche, Oszillationsversuche

Die Rheologie wird erst seit dem 20. Jahrhundert als eine eigenständige Wissenschaft angesehen, aber schon vorher befassten sich viele Forscher mehr oder weniger wissenschaftlich mit dem Verhalten von Flüssigkeiten und Feststoffen. Die geschichtliche Entwicklung der Rheologie ist in Kapitel 14 aufgelistet. Interessant sind hier vor allem die historischen Versuche zur Klassifizierung aller Varianten des rheologischen Verhaltens, wie sie z.B. 1931 und 1960 durch Markus Reiner und 1942 durch George W. Scott Blair unternommen wurden.

Das Ziel der Rheologen ist es, das Fließ- und Deformationsverhalten der unterschiedlichsten Substanzen zu messen, die Ergebnisse gut deutbar darzustellen und zu erklären.

b) Rheometrie

Rheometrie ist die Messtechnik, die mit dem Erfassen rheologischer Daten verbunden ist. Hier gilt das Interesse den Messsystemen, den Messgeräten, und den Mess- und Auswertemethoden. Mit Rotations- und Oszillations-Rheometern können neben Flüssigkeiten und Festkörpern auch Pulver untersucht werden. In Kapitel 3 werden Rotationsversuche vorgestellt, mit denen das Fließverhalten oder viskose Verhalten beurteilt wird. Um das viskoelastische Verhalten zu charakterisieren führt man Kriechversuche (Kapitel 6), Relaxationsversuche (Kapitel 7) und Oszillationsversuche (Kapitel 8) durch. Informationen über Messsysteme (Messgeometrien) und spezielle Messeinrichtungen sind in Kapitel 10 und über Messgeräte in Kapitel 11 zu finden. Scherversuche mit leicht verdichteten Pulvern und stark verdichteten Schüttgütern sind in Kapitel 13 erläutert.

Seit ungefähr 1970 kamen analog gesteuerte Programmgeber und on-line-Schreiber zur Aufzeichnung von Fließkurven auf den Markt; und seit 1980 gibt es digital gesteuerte Geräte, welche die Speicherung von Messdaten und viele, auch ziemlich komplexe Auswertemethoden ermöglichen. Durch die messtechnischen Fortschritte werden die Grenzen immer weiter vorgeschoben und durch ISO-genormte Messsysteme und -verfahren sind die Messergebnisse heute weltweit vergleichbar geworden. Die Rheometerhersteller kommen in vielen Bereichen dem Ziel schon sehr nahe, den Anwendern dabei zu helfen, ihre Substanzen unter praxis- und prozessnahen Testbedingungen zu untersuchen.

Kapitel 12 enthält einen kurzen Leitfaden für rheologische Messungen, um praxisorientierten Anwendern die tägliche Laborarbeit zu erleichtern.

c) Anhang

Im Anhang (Kapitel 15) sind alle verwendeten Zeichen, Symbole und Abkürzungen mit den Einheiten erläutert, hier sind auch das griechische Alphabet (mit Aussprachehilfe) sowie eine Umrechnungstabelle für Einheiten (zwischen dem SI- und dem cgs-System) zu finden.

In Kapitel 16 sind über 500 Normen aufgelistet (ISO, ASTM und DIN). Die Literaturstellen sind jeweils am Ende des betreffenden Kapitels angegeben; die Veröffentlichungen und Bücher können durch die angegebene Ziffer in der hochgestellten Klammer identifiziert werden (z.B. mit [12.34] als Literaturstelle 34 in Kapitel 12).

d) Informationen für „Frau und Herrn Cleverle“

Im vorliegenden Text sind immer wieder Abschnitte für „Frau und Herrn Cleverle“ mit dem Brillen-Symbol eingefügt:

Sie sind für jene Leser gedacht, die tiefer in die Theorie einsteigen wollen und auch vor etwas Mathematik und Physik nicht zurückschrecken. Diese Erläuterungen beinhalten jedoch keine Grundlagen für das Verständnis der Informationen aus dem nachfolgenden normalen Text, schließlich halten Sie gerade ein Buch über Rheologie auch für Einsteiger in der Hand. Deshalb können die Leserin und der Leser, die vor allem die praktische Seite der Rheologie interessiert, diese „Cleverle“-Abschnitte einfach überspringen.

1.2 Deformation und Fließverhalten

Abbildung 1.1: Verformungsverhalten nach dem Auftreffen auf den Boden: a) Mineralöl, b) Knetmasse, c) Stahlkugel

Im Alltag begegnen uns oft rheologische Phänomene. Einige Ver-suche sollen dies verdeutlichen, sie werden in den erwähnten Kapiteln ausführlich erläutert.

Versuch 1.1: Verhalten von Mineralöl, Knetmasse und Stahl

Drei völlig verschiedene Verhaltens-weisen treten auf, wenn die folgenden drei Gegenstände auf einer Tischplatte auftreffen (Abbildung 1.1):

a) Das Mineralöl verläuft so lange weiter, bis sich eine sehr dünne Schicht ausgebildet hat (idealviskoses Fließverhalten: Kapitel 2.3.1).

b) Die Knetmasse wird beim Aufschlagen verformt und bleibt danach dauerhaft verformt (inhomogenes plastisches Verhalten außerhalb des linear-viskoelastischen Deformationsbereichs: Kapitel 3.3.4.2c).

c) Die Stahlkugel springt wieder hoch und zeigt sich am Ende unverformt (idealelastisches Verhalten: Kapitel 4.3.1).

Versuch 1.2: Spielen mit „hüpfendem Kitt“ („Silly Putty“)

Dieses Silikonpolymer (unvernetztes PDMS) ist rheologisch vielseitig. Das Verhalten ist, abhängig von der Belastungszeit, sehr unterschiedlich (viskoelastisches Verhalten von Polymeren: Kapitel 8.4, Frequenztest).

a) Bei sehr schneller und kurzzeitiger Belastung verhält sich das Silikon wie ein steifer, elastischer Festkörper: Formt man die Masse zu einer Kugel und wirft sie auf den Boden, dann springt sie wieder hoch.

b) Bei sehr langsamer und lange andauernder Belastung verhält sich das Silikon wie eine nachgiebige, hochviskose Flüssigkeit: In Ruhe, d.h. beim Liegenlassen, verläuft sie unter ihrem Eigengewicht sehr langsam zu einer ebenen Schicht mit gleichmäßiger Dicke.

Versuch 1.3: Bleiben die Stäbchen standhaft?

Drei Holzstäbchen werden in drei Gläser mit unterschiedlichen Substanzen gesteckt und der Erdanziehungskraft überlassen.

a) Das Stäbchen im Glas mit Wasser verändert seine Position sofort und kippt an den Rand des Glases (idealviskoses Fließverhalten: Kapitel 2.3.1).

Zusätzliche Beobachtung: Alle Luftblasen, die möglicherweise beim Einstecken des Stabes in das Wasser eingebracht wurden, steigen innerhalb von Sekunden schnell nach oben.

b) Das Stäbchen im Glas mit Silikon (unvernetztes PDMS) neigt sich sehr, sehr langsam und lehnt sich erst nach ungefähr 10 Minuten an den Rand des Glases (Polymer mit Null-Viskosität: Kapitel 3.3.2.1a).

Zusätzliche Beobachtung zu den Luftblasen, die mit dem Stab in die Polymerprobe eingebracht wurden: Die großen Blasen steigen innerhalb weniger Minuten auf, die kleineren scheinen ohne sichtbare Bewegung in der Probe verteilt zu bleiben. Nach mehreren Stunden steigt jedoch auch noch das kleinste Bläschen an die Oberfläche. Dadurch findet am Ende doch die vollständige Entlüftung der Silikonmasse statt, auch wenn dies lange Zeit dauert.

c) Das Stäbchen in der Handcreme dagegen bleibt still stehen (Nachgebgrenze und Fließgrenze: Kapitel 3.3.4 und 4.4 sowie 8.3.4).

Zusätzliche Beobachtung: Alle Luftblasen bleiben, unabhängig von ihrer Größe, ohne Bewegung in der Creme verteilt stehen. Hier findet also überhaupt keine Entlüftung statt.

Fazit

Das rheologische Verhalten einer Substanz hängt von vielen äußeren Einflüssen ab. Die wichtigsten Bedingungen sind:

Einige weitere wichtige Parameter sind beispielsweise:

1.3 Literatur

[1.1] Beris, A.N., Giacomin, A.J., Panta rhei – everthing flows, J. Appl. Rheol. 24 (2014) 52918