Ines Ehmer
Michael Herbert
Probleme im Intimbereich
Ärztlicher Ratgeber
bei Beschwerden, Erkrankungen und Schmerzen
der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane und der Scheide
Ursachen, Diagnosen, schulmedizinische und alternative Therapien,
Selbsthilfemöglichkeiten und Vorbeugung
Mit Selbsttest!
4., komplett überarbeitete und erweiterte Auflage
W. Zuckschwerdt Verlag
München
Dieses Buch beschreibt den zum Zeitpunkt der Drucklegung aktuellen Wissensstand zum Thema Beschwerden und Schmerzen im Intimbereich. Es ist als allgemeine Informationsquelle gedacht, nicht als Ersatz für den medizinischen Rat und die Behandlung durch Ihren Arzt. Ihr Arzt entscheidet gemeinsam mit Ihnen, welche Diagnose- und Therapiemaßnahmen für Sie individuell am besten geeignet sind! Die Autoren und der Verlag sind daher nicht verantwortlich für Fehler oder Konsequenzen, die sich aus der Anwendung der beschriebenen Maßnahmen ergeben.
Wenn von Ihrem Arzt oder Therapeuten die Rede ist, ist selbstverständlich auch Ihre Ärztin oder Therapeutin gemeint. Namen und Umstände aller beschriebenen Patientinnenberichte wurden verändert.
Titelbild: digitalstock (mod.)
Grafiken: S. 13, 18, 113, 114, 126, 127, 140 © LOGO-Grafik Cornelia Menichelli, München
und W. Zuckschwerdt Verlag GmbH, Germering
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© 2016 by W. Zuckschwerdt Verlag GmbH, Industriestraße 1, D-82110 Germering/München (www.zuckschwerdtverlag.de)
ISBN 978-3-86371-187-0
eISBN 978-3-863711-89-4
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
zu dieser neuen, komplett überarbeiteten 4. Auflage des Buches „Probleme im Intimbereich“ von Dr. Ines Ehmer und Prof. Dr. Michael Herbert darf ich das Vorwort schreiben. Es ist eine Ehre für mich! Denn dieses Buch mit all dem darin enthaltenen Wissen kann tatsächlich einen schmerzvollen Leidensweg beenden und ein Leben verändern.
Fast jede Frau hat während ihres Lebens mindestens einmal kleinere oder auch größere Probleme im Intimbereich. Es handelt sich also um ein häufiges Problem und dennoch ist es ein Tabuthema – in allen Gesellschaftsschichten, in Fachkreisen, ja sogar bei langjährig Betroffenen, egal welchen Alters.
Mit diesem Buch ist es den beiden Autoren, Dr. Ines Ehmer und Prof. Dr. Michael Herbert gelungen, einen komplizierten und mit viel Unkenntnis und Scham überladenen Sachverhalt in klaren Worten für jede und jeden verständlich zu beschreiben. Wir alle, Patientinnen, Angehörige und ärztlich tätige Kollegen und Kolleginnen können den beiden Autoren nur dankbar sein dafür.
Interstitielle Zystitis und Vulvodynie sind wenig erforschte und wenig beachtete Krankheitsbilder, die auf körperlichen Ursachen beruhen und nicht mit „psychischer Überlagerung“ abgewiegelt werden dürfen.
Der Leidensweg der Einzelnen ist fast immer lang, extrem schmerzhaft und belastend und oftmals trostlos. Umso mehr bietet dieses Manual die Chance, sich fundiertes Wissen anzueignen, Erfahrungen mit anderen Betroffenen auszutauschen und wieder hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Es gibt Therapiekonzepte, es gibt Hilfe, es gibt Auswege, es gibt Selbsterfahrungsgruppen. Hier werden Patientinnen ernst genommen und mit Respekt und Verständnis behandelt und unterstützt. In diesem Buch finden Sie ein hervorragend recherchiertes Nachschlagewerk, ein Fachbuch, das für alle verständlich geschrieben ist, Rat und Tipps, Hinweise und Adressen.
Dafür gebührt Dr. Ehmer und Prof. Dr. Herbert großer Dank!
Dr. med. Gabriele Berroth
Dieses Manual ist ein Handbuch für Frauen, in dem Sie sich informieren können
■ zum Aufbau und zur Funktionsweise der Intimregion,
■ zu den wichtigsten Erkrankungen mit Diagnose und Therapie und
■ zu Selbsthilfemöglichkeiten.
Sie können das Manual von vorne bis hinten durchlesen oder es als Nachschlagewerk zu einzelnen Themen gezielt in Anspruch nehmen, wenn zum Beispiel bereits eine Diagnose vorliegt. Sie können aber auch nachlesen, welche Ursachen für bestimmte Symptome verantwortlich sein können. Sie finden eine Auflistung der wichtigsten Symptome ab Seite 3. Daneben sind die jeweiligen Seiten vermerkt, auf denen Erkrankungen mit diesem Symptom beschrieben werden. Der erste Teil des Buches behandelt die normale Funktionsweise und die wichtigsten Störungen und Erkrankungen im Intimbereich; im zweiten Teil des Buches werden die Erkrankungen beschrieben, bei denen Schmerzen in dieser Körperregion im Vordergrund stehen. Zum besseren Verständnis empfiehlt es sich, auf jeden Fall zunächst die Kapitel über Anatomie und normale Funktion des Intimbereichs durchzulesen.
In diesem Ratgeber werden Sie immer wieder die Abkürzung „V“ finden, zum Beispiel „V-Manual“ oder „V-Bereich“. Wofür steht „V“? Es gibt darauf mehrere Antworten. „V“ ist schon seit alten Zeiten das Symbol für Weiblichkeit. Aus gesundheitlicher und medizinischer Sicht sind damit ganz wesentliche weibliche Körperteile gemeint, die alle mit „V“ beginnen: Vagina, Vulva und Vestibulum – Begriffe, von denen Ihnen vermutlich nur einer, nämlich die als Vagina bezeichnete Scheide, bekannt ist. Die beiden anderen Begriffe bezeichnen die Bereiche der äußerlich sichtbaren weiblichen Geschlechtsorgane.
Mindestens so wenig bekannt wie die Namen sind die genauen Funktionen dieser Bereiche. Kaum eine Frau weiß wirklich Bescheid über das, was „da unten“ normalerweise geschieht oder darüber, welche vielfältigen Störungen vorhanden sein können. Hinter längst nicht allen Beschwerden wie Jucken, Rötungen oder Ausfluss beispielsweise steckt eine Pilzinfektion! Fast jede Frau leidet im Laufe ihres Lebens mehr oder weniger häufig an derartigen unangenehmen Symptomen im Intimbereich. Umso wichtiger ist es, diesen zentralen Bereich des weiblichen Körpers kennenzulernen. Noch weitaus belastendere Störungen sind Schmerzen im V-Bereich, die das gesamte Leben – oder zumindest Bereiche wie die Sexualität – massiv beeinträchtigen können und die nicht selten unerkannt oder unzureichend behandelt bleiben. Diese – meist brennenden – Schmerzen werden als Vulvodynie bezeichnet. Machen Sie den Selbsttest ab Seite 90: Sind Sie von Vulvodynie betroffen?
■ was dahinter steckt,
■ welche diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten es gibt und
■ was Sie selbst tun können.
Der V-Bereich ist auch in unserer aufgeklärten Zeit noch immer ein Tabu und viele Frauen fühlen sich mit ihren Symptomen allein gelassen. Denkt man an die Beschwerden oder Schmerzen in diesem Körperbereich, ist das oft mit negativen Empfindungen verbunden, und etliche Begriffe, die auch mit „V“ beginnen, können damit in Zusammenhang gebracht werden wie zum Beispiel
■ Verborgenheit: „Darüber“ wird nicht gesprochen,
■ Vermeidung: Vieles, was den V-Bereich betrifft, wird umgangen,
■ Verlust: Manche Frauen verlieren aufgrund der Beschwerden oder Schmerzen einen Teil ihres Selbstwertgefühls.
■ Vereinsamung: Rückzug aus immer mehr sozialen Bereichen,
■ Verzicht: zum Beispiel auf Sexualität, oder
■ Verzweiflung: Gefühle der Ausweglosigkeit, vor allem bei Schmerzen.
In diesem Handbuch erfahren Sie, wie Sie stattdessen zum Beispiel durch
■ Vertrautheit mit Ihrem Körper und
■ Vorbeugung weiterer Schädigungen eine
■ Veränderung zum Positiven herbeiführen können, die Ihnen wieder zu mehr
■ Vitalität und neuer Lebensqualität verhilft.
Lernen Sie Ihre speziell weiblichen Körperbereiche kennen und informieren Sie sich über die Ursachen und Therapiemöglichkeiten für Ihre Beschwerden und Schmerzen! Wissen ist Macht, in diesem Fall die Macht, gesund zu werden und zu bleiben.
Im Folgenden finden Sie eine Auflistung möglicher Symptome im V-Bereich mit Angabe von Erkrankungen, die das jeweilige Symptom verursachen können.
Bakterielle Vaginose ab Seite 52
Chlamydien ab Seite 56
Desquamative entzündliche Vaginitis Seite 75
Gonorrhö Seite 57
Hefepilzinfektion ab Seite 39
Mobiluncus vaginalis ab Seite 74
Streptokokken-Vaginitis Seite 74
Trichomonaden ab Seite 59
Gürtelrose ab Seite 66
Herpes genitalis ab Seite 62
Sperma-Allergie ab Seite 80
Chlamydien ab Seite 56
Chlamydien ab Seite 56
Hefepilzinfektion ab Seite 39
Lichen planus ab Seite 84
Lichen sklerosus ab Seite 82
Vulvodynie ab Seite 94
Genitalfissuren Seite 106
Lichen planus ab Seite 84
Lichen sklerosus ab Seite 82
Bakterielle Vaginose ab Seite 52
Atrophische Vaginitis Seite 73
Desquamative entzündliche Vaginitis Seite 75
Kontaktdermatitis ab Seite 77
Lichen planus ab Seite 84
Lichen sklerosus ab Seite 82
Trichomonaden ab Seite 59
Vulvodynie ab Seite 94
Herpes genitalis ab Seite 62
Lichen planus ab Seite 84
Lichen sklerosus ab Seite 82
Psoriasis ab Seite 85
Hefepilzinfektion ab Seite 39
Herpes genitalis ab Seite 62
Humanes Papillomvirus ab Seite 68
Kontaktdermatitis ab Seite 77
Lichen planus ab Seite 84
Lichen sklerosus ab Seite 82
Sperma-Allergie ab Seite 80
Trichomonaden ab Seite 59
Vulvodynie ab Seite 94
Desquamative entzündliche Vaginitis Seite 75
Hefepilzinfektion ab Seite 39
Herpes genitalis ab Seite 62
Humanes Papillomvirus ab Seite 68
Kontaktdermatitis ab Seite 77
Hefepilzinfektion ab Seite 39
Vulvodynie ab Seite 94
Bartholinische Zyste Seite 88
Atrophische Vaginitis Seite 73
Chlamydien ab Seite 56
Vulvodynie ab Seite 94
Humanes Papillomvirus ab Seite 68
Wasserwarzen Seite 88
Chlamydien ab Seite 56
Herpes genitalis ab Seite 62
Trichomonaden ab Seite 59
Vulvodynie ab Seite 94
Beschwerden im V-Bereich sind der häufigste Grund, weshalb Frauen ihren Gynäkologen aufsuchen. Meistens vermuten sie selbst eine Infektion. 75 % aller Frauen machen irgendwann in ihrem Leben eine Pilzinfektion durch, noch mehr Frauen leiden einoder mehrmals an sogenannter bakterieller Vaginose.
Tausende Tuben mit Anti-Pilz-Cremes oder Antibiotika werden aus diesen Gründen täglich in den Apotheken abgegeben, nicht immer berechtigt. Grundlage für eine solche Verordnung muss eine exakte Diagnose sein siehe ab (Seite 32).
Obwohl praktisch jede Frau irgendwann unter V-Beschwerden leidet, wird diesem Bereich nach wie vor erstaunlich wenig Beachtung geschenkt. 1969 erschien ein medizinisches Lehrbuch, geschrieben von zwei amerikanischen Wissenschaftlern, unter dem Titel „Gutartige Erkrankungen von Vulva und Vagina“, in dem erstmals wirklich grundlegende Aussagen zu diesem Körperbereich gemacht wurden.
Der sogenannte Intimbereich ist – wie der Name besagt – etwas, mit dem die Frau „intim“ ist oder sein sollte. Auch heute besteht aber nach wie vor eine Diskrepanz zwischen der – scheinbaren – Offenheit im Umgang mit Sexualität und dem Wissen um den Körper und seine Funktionen. Immer noch viel zu wenige Frauen wissen wirklich über „ihre“ V-Region Bescheid.
Die folgenden vier Fallbeispiele beziehen sich auf V-Beschwerden, die häufig auftreten oder zumindest so bekannt sind, dass sie rasch erkannt, behandelt und oft geheilt werden können.
Kathrin wusste nicht, was plötzlich geschehen war. Bereits am Tag zuvor hatte sie ihre Scheide und den umgebenden Bereich als gereizt empfunden. Heute wurde sie von einem ständigen Juckreiz gequält, sie fühlte sich „geschwollen“ und in ihrem Slip bemerkte sie ungewöhnlichen, weißlich-krümeligen Ausfluss. Voller Angst, dass das womöglich mit ihrem neuen Freund zu tun haben könnte, mit dem sie vor Kurzem das erste Mal Sex hatte, und mit dem dringenden Wunsch, dieses Jucken zu stoppen, suchte sie sofort ihren Frauenarzt auf. Nachdem ihr Arzt sie untersucht und einige Tests gemacht hatte, sagte er ihr, sie habe eine Pilzinfektion und verordnete eine Creme und Scheidenzäpfchen. Nie hätte Kathrin gedacht, dass eine Pilzinfektion derartige Beschwerden verursachen kann! Glücklicherweise dauerte es nicht lange, bis der Juckreiz unter dieser Behandlung nachließ. Kathrin hält sich seither an die Ratschläge, die ihr Arzt ihr zur Vermeidung von Pilzinfektionen gab (Ausführungen zu Hefepilzinfektionen siehe ab Seite 39).
Sophia hatte schon einige Pilzinfektionen durchgemacht und war sich sicher, dass eine solche auch diesmal hinter dem leichten Jucken, der Rötung um die Scheide herum und dem leichten Brennen beim Wasserlassen steckte. Da sie noch eine halbe Tube Creme von der Behandlung der letzten Pilzinfektion zu Hause hatte, begann sie mit der Selbsttherapie. Aber diesmal blieben die Beschwerden unverändert, sodass sie nach fünf Tagen doch ihre Frauenärztin aufsuchte. Diese veranlasste einige Tests und es stellte sich heraus, dass Chlamydien die Ursache waren. Es handelte sich also um eine sexuell übertragbare Erkrankung. Sophia und ihr Partner mussten für einige Zeit ein spezielles Antibiotikum einnehmen (Ausführungen zu Chlamydien siehe ab Seite 56).
Jennifer freute sich sehr auf ihr erstes Kind. Seit einigen Tagen fühlte sie sich „unten herum“ nicht wohl, leichtes Brennen, eine leichte Rötung, und was am unangenehmsten war, ein fischartiger Geruch des seit der Schwangerschaft ohnehin vermehrten Ausflusses. Extra den Frauenarzt aufsuchen wollte sie deshalb aber nicht und wartete den nächsten routinemäßigen Vorsorgetermin ab. Als der Frauenarzt den Scheidenabstrich unter dem Mikroskop angesehen hatte, erklärte er ihr, dass sie eine sogenannte bakterielle Vaginose habe, die in der Schwangerschaft nicht ungefährlich sei. Sie erhielt ein spezielles Medikament zur lokalen Anwendung in der Scheide und nahm sich vor, in Zukunft sofort zum Frauenarzt zu gehen, wenn sie wieder etwas Auffälliges feststellen sollte (Ausführungen zur bakteriellen Vaginose siehe ab Seite 52).
Angelika hatte schon seit einiger Zeit ein leichtes Jucken um die Scheide herum bemerkt, das nun immer stärker wurde. Als sie sich die Region im Spiegel ansah, fiel ihr auf, dass die Haut weißlich und verdickt wirkte. Ihre Frauenärztin untersuchte sie gründlich, führte einige Tests durch und sagte ihr, dass sie sie gerne zum Hautarzt überweisen wolle. Sie vermutete eine Hauterkrankung. Tatsächlich stellte der Hautarzt einen sogenannten Lichen sklerosus fest und verordnete eine Kortisoncreme. Nach anfänglich höherer Dosierung kommt Angelika jetzt mit 2- bis 3-maligem dünnen Auftragen der Creme pro Woche gut zurecht, die Beschwerden sind verschwunden (Ausführungen zum Lichen sklerosus siehe ab Seite 82).
Dies sind nur einige Beispiele von Frauen mit Beschwerden im V-Bereich. Ähnliche Symptome wie Jucken, Brennen, Ausfluss oder Schmerzen können eine Vielzahl von Ursachen haben, die nicht immer „nur“ das Gebiet der Frauenheilkunde betreffen. Natürlich wird jede Frau bei derartigen Beschwerden zunächst ihre Frauenärztin oder ihren Frauenarzt aufsuchen.
Wenn dort aber keine Ursache gefunden werden kann, müssen weitere Spezialisten hinzugezogen werden. Wer ist dann der richtige Ansprechpartner? Was ist zu tun, wenn solche Beschwerden immer wieder auftreten oder nahezu ständig vorhanden sind? Was kann man selbst dagegen unternehmen? Woran sollte man denken? Die Antworten auf diese Fragen finden Sie im ersten Teil dieses Handbuches.Wenn Sie unter Schmerzen in der V-Region leiden, kommen Ihnen folgende Beispiele vielleicht bekannt vor:
Doreen war zutiefst beunruhigt: Sie konnte nicht mehr mit ihrem Mann schlafen! Jedes Mal, wenn er versuchte, in sie einzudringen, hätte sie vor Schmerzen schreien können. Das Gleiche war der Fall, wenn sie versuchte, einen Tampon einzuführen. Ständige Pilzinfektionen kannte sie ja, aber diese Schmerzen waren neu.
Die Frauenärztin testete den gesamten Bereich um ihre Scheide herum und teilte ihr mit, dass sie diesmal keine Pilzinfektion finden könne. Sie glaube aber, dass Doreen eine sogenannte provozierte Vestibulodynie entwickelt habe. Zunächst verordnete sie eine östrogenhaltige Creme sowie eine Creme, die ein örtliches Betäubungsmittel enthielt.Die Schmerzen wurden weniger, hörten aber nicht auf, sodass Doreen an einen Spezialisten überwiesen wurde. Dort erhielt sie weitere Medikamente, die im Laufe einiger Monate die Beschwerden weitgehend zum Abklingen brachten (Ausführungen zu provozierter Vestibulodynie siehe ab Seite 112).
Stephanie hatte fast ständige Schmerzen in der Scheide, die allmählich auch nach vorne in die Harnröhre und nach hinten in den After ausstrahlten. Sie stellte fest, dass die Schmerzen im Laufe des Tages schlimmer wurden, wenn sie in ihrer Tätigkeit als EDV-Fachfrau den ganzen Tag vor dem Bildschirm saß. Wenn sie in der Mittagspause einen Spaziergang machte, nahmen die Schmerzen wieder ab. Außerdem zog sie nur noch weite Röcke an, da sie enge Kleidung als sehr unangenehm empfand.
Der Frauenarzt konnte nichts Auffälliges feststellen und überwies sie zunächst zum Urologen, dann zum Hautarzt und zum Orthopäden. Auch dort konnte keine Ursache festgestellt werden.
In ihrer Verzweiflung verbrachte Stephanie Stunden und Tage im Internet, auf der Suche nach einem Hinweis oder einer Lösung. Sie fand tatsächlich eine Gruppe von Betroffenen, die nahezu dieselben oder ähnliche Symptome hatten, und erfuhr, dass es sich wahrscheinlich um eine neurologische Störung handelt, also um eine Nervenerkrankung. Seit sie entsprechende Medikamente nimmt, geht es ihr besser. Sie wird sich aber noch weiteren Untersuchungen in einem speziellen Zentrum unterziehen (Ausführungen zu Nervenschmerzen siehe ab Seite 106).
Wenn Sie sich mit den letzten beiden Fallbeispielen, also mit Doreen und Stephanie teilweise oder ganz identifizieren können, in denen Schmerzen das vorherrschende Symptom sind, sollten Sie den Selbsttest auf Seite 90 machen! Gehören Sie zu den Frauen mit chronischen Schmerzen im V-Bereich, die schon lange und oft vergeblich nach Möglichkeiten zur Linderung ihrer Schmerzen suchen? Im zweiten Teil des Buches geht es um Ursachen, Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten von Schmerzen im V-Bereich.
Bei Schmerzen und Beschwerden oder Veränderungen im V-Bereich ist sicher der Frauenarzt der erste Ansprechpartner. Wie Sie erfahren werden, machen sich aber auch etliche Hauterkrankungen im V-Bereich bemerkbar, für deren Diagnose und Behandlung der Hautarzt zuständig ist.
Auch chronische Darmerkrankungen wie Morbus Crohn können sich nicht selten im V-Bereich zeigen: Morbus Crohn ist eine chronische, entzündliche Darmerkrankung, die mit Hautveränderungen einhergehen kann. Diese finden sich sehr häufig im Bereich der Schamlippen in Form von Rötung, Gewebsschwellung, Pusteln und Geschwüren.
Dass auch Urologen, Neurologen, Schmerztherapeuten und eventuell Orthopäden für Diagnose und/oder Therapie von V-Problemen unverzichtbar sein können, erfahren Sie im zweiten Teil des Buches. Deshalb ist vor allem bei chronischen V-Beschwerden die Zusammenarbeit von Ärzten der verschiedenen Fachrichtungen absolut notwendig.
HINWEIS: Lesen Sie in jedem Fall zu Ihrer allgemeinen Orientierung und Information den ersten Teil des Manuals, um sich zunächst mit den anatomischen Gegebenheiten und den normalen Funktionen vertraut zu machen. Auf diese Weise können Sie auch Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin viel besser erklären, wo genau Ihre Beschwerden lokalisiert sind. Am Ende jedes Kapitels finden Sie eine kurze Zusammenfassung.
Die V-Region besteht aus Vulva, Vestibulum und Vagina. Der Begriff Vulva umfasst alle äußerlich sichtbaren Teile der Geschlechtsregion, also:
■ den Schamhügel,
■ den gesamten mit Schamhaaren bedeckten Bereich,
■ die beiden äußeren, sogenannten großen Schamlippen,
■ die beiden inneren, sogenannten kleinen Schamlippen,
■ den Kitzler, auch Klitoris genannt,
■ den Scheidenvorhof, auch Vestibulum genannt,
■ die Drüsen des Scheidenvorhofs,
■ den Scheideneingang mit dem Jungfernhäutchen und
■ den Damm.
In dem Bild rechts sieht man den Schamhügel, die äußeren (großen) Schamlippen und einen Teil der inneren (kleinen) Schamlippen. Die inneren Schamlippen sind zwar innerhalb der äußeren, befinden sich aber außen am Körper und gehören deshalb zur Vulva. Wenn man die äußeren Schamlippen etwas auseinanderzieht, sieht man die inneren Schamlippen. Erst wenn man auch diese auseinanderzieht, kann man die Öffnung der Scheide sehen. Die Scheide gehört nicht zur Vulva, denn sie befindet sich innen.
Das Vestibulum, der Scheidenvorhof, liegt innerhalb der inneren Schamlippen. Im Vestibulum liegen der Scheideneingang, die Öffnung der Harnröhre und die – mit bloßem Auge nicht sichtbaren – Mündungen verschiedener Drüsen. Die inneren Schamlippen teilen sich an ihrem Ansatz und bilden das sogenannte Frenulum und als Schutz für den Kitzler eine kleine „Haube“, das sogenannte Praeputium.
Das Jungfernhäutchen (Hymen) bildet die Trennungslinie zwischen „außen“ und „innen“. Es ist unterschiedlich ausgebildet, je nachdem, ob schon Geschlechtsverkehr oder eine Geburt stattgefunden haben oder nicht. Nachdem Sie nun die mit dem bloßen Auge sichtbaren Anteile der Vulva kennen, geht es um deren Funktionen.
1. Sie schützt das Vestibulum, die Scheide und die Harnröhre vor Einwirkungen von außen und vor dem leichten Eindringen von Krankheitserregern.
2. Sie ist ein zentraler Teil für die weibliche Sexualität. Der Kitzler und die Blutgefäße der Vulva, die sich bei sexueller Erregung stark mit Blut füllen, sind hauptverantwortlich für einen Orgasmus. Der behaarte, mit Fett unterpolsterte äußere Teil macht den Geschlechtsverkehr komfortabler.
3. Der Damm dehnt sich während der Geburt, um die Entbindung zu ermöglichen.
Er liegt über und vor dem Schambein, ist mit Fett unterpolstert, mit Schamhaar bedeckt und enthält Talg- und Schweißdrüsen. Beim Geschlechtsverkehr polstert er das Schambein ab. Die Schambehaarung erstreckt sich nach hinten über die äußeren Schamlippen bis hin zum After und meist auch bis hinab zur Innenseite der Oberschenkel. Nach vorne verläuft sie über den Schamhügel und endet in einer horizontal laufenden Begrenzung. Nach innen zu verliert sich die Schambehaarung, sodass der innere Vulvabereich haarlos ist.
Sie sind ebenfalls mit Fettgewebe gepolstert, mit Schamhaar bedeckt und enthalten Talg- und Schweißdrüsen. Sie sind von dunklerer Farbe als die inneren Schamlippen, welche sie umschließen, und dienen als Schutz nach außen hin.
Es handelt sich um zwei fettfreie Hautlappen, die nicht behaart sind. Sie enthalten viele Nerven, Blutgefäße und elastische Fasern. Im Gegensatz zum Erscheinungsbild der äußeren Schamlippen sind die inneren sehr individuell ausgebildet:
Es gibt alle Variationen von dünnen, kleinen, zwischen den äußeren Schamlippen kaum sichtbaren Läppchen bis hin zu dicken, ungleichmäßig ausgebildeten Lippen, die deutlich über die äußeren Schamlippen hinausragen können. Die Ränder der inneren Schamlippen enthalten – wie die äußeren – kleine Talgdrüsen, die mit ihrem öligen Film die Haut weich und geschmeidig halten und vor Reibung und Reizung schützen. Die Hauptfunktion der inneren Schamlippen ist eine sexuelle, da sie sich bei sexueller Erregung stark mit Blut füllen. Sie umschließen den Penis beim Geschlechtsverkehr, sodass der Kitzler näher an den Penisschaft gelangt und die Erregung erhöht wird.
Vor dem Kitzler teilen sich die inneren Schamlippen in zwei Schenkel. Die beiden unteren Teile vereinigen sich zum sogenannten Frenulum, einem Bändchen, das – wie das Bändchen unter der Zungenspitze – teilweise angeheftet und teilweise beweglich ist. Die beiden oberen Teile (es können auch jeweils zwei Hautfalten sein) bilden zusammen eine Art Haube für den Kitzler, das sogenannte Praeputium, zu deutsch „Vorhaut“. Nach hinten zu laufen die beiden inneren Schamlippen zu einer Hautfalte zusammen, die den hinteren Rand der Scheidenöffnung markiert. Diese Hautfalte wird als Fourchette bezeichnet. Sie kann nach Geburten durch einen Dammschnitt oder Einriss verschwinden.
Individuelle Unterschiede
Das Aussehen der Vulva ist individuell sehr unterschiedlich: Das fängt beim Schamhaar an, das bei vielen Frauen eine andere Farbe als die Haarfarbe hat – meist ist es dunkler – und auch eine andere Struktur aufweisen kann (zum Beispiel gelockt bei glattem Kopfhaar und umgekehrt). Auch die Dichte kann von Frau zu Frau variieren. Die kleinen Schamlippen, die im Gegensatz zur leicht bräunlichen Hautfärbung der großen Schamlippen eher rosafarben sind, müssen durchaus nicht „klein“ sein, sondern können deutlich aus den äußeren Schamlippen herausragen, wobei eine Seite länger und/oder dicker sein kann. Nur in extrem seltenen Fällen ist eine chirurgische Korrektur notwendig, wenn es dadurch immer wieder zu Reizungen kommt, auf keinen Fall aber aus kosmetischen Gründen.
Die Größe der Klitoris kann ebenfalls variieren, was jedoch keinerlei Einfluss auf das sexuelle Empfinden hat. Auch das Jungfernhäutchen kann ganz unterschiedlich in Größe, Form und Dicke ausgeprägt sein und die Größe der Öffnung innerhalb des Häutchens lässt keinen Rückschluss auf die „Jungfernschaft“ zu. Gelegentlich ist der Hymen so stark ausgeprägt, dass Verkehr nur schwer möglich ist. Dann kann er mittels eines kleinen Eingriffs erweitert werden.
Der Teil des Kitzlers, der unter der Vorhaut liegt, wird als Glans – also Eichel – bezeichnet und hat in etwa die Größe einer kleinen Erbse. Die Größe dieses Klitoristeils ist unabhängig von Körpergröße oder Gewicht. In der Glans liegen Tausende von Nerven mit ihren sensiblen Endigungen, die für die sexuellen Empfindungen verantwortlich sind.
Die direkte Stimulation wird von vielen Frauen eher als schmerzhaft oder unangenehm empfunden, sie ziehen die indirekte Stimulation über die Vorhaut oder den Schamberg vor. Der Nerv, dessen Endäste die Klitoris versorgen, ist der sogenannte Pudendusnerv siehe ab (Seite 107). Er versorgt nicht nur die Klitoris, sondern die gesamte Vulva, den Damm und den Bereich um den After mit sensiblen Nervenfasern und ist daher für die sexuellen Empfindungen in all diesen Bereichen verantwortlich.
Ein anderer Teil der Klitoris, der 3 bis 4 cm lange Schaft, liegt nicht sichtbar unter der Haut und der Muskulatur der Vulva. Er verfügt nicht über so viele Nerven, dagegen über eine sehr gute Versorgung mit Blutgefäßen, die bei sexueller Erregung die Klitoris anschwellen lassen und die Glans nach vorne drücken. Im Gegensatz zum Penis kommt es aber nicht zu einer Versteifung oder einem Aufrichten der Klitoris. Je nach Erregung kommt es zum Zu- und Abfließen des Blutes, wodurch – im Gegensatz zum Mann – mehrere Orgasmen hintereinander möglich sind.
Der Schaft teilt sich in die beiden etwa 5 bis 9 cm langen Klitorisschenkel auf, die neben den Blutgefäßen und unter den Muskeln des Vestibulums verlaufen. Schaft und Schenkel der Klitoris stehen in Verbindung mit dem Schambeinknochen. Die Funktion der Klitoris besteht ausschließlich darin, sexuelle Lust zu empfinden und zu vermitteln.
An der Innenseite der kleinen Schamlippen liegt um die Öffnungen von Harnröhre und Scheide herum der Scheidenvorhof, nach vorne begrenzt durch das Frenulum, nach hinten durch die Fourchette. Das Gewebe des Vestibulums unterscheidet sich von dem der Schamlippen und von dem der Scheide und stellt einen ganz eigenen Bereich dar. In ihn münden die Ausführungsgänge verschiedener kleiner Drüsen, deren Absonderungen verhindern, dass das Aneinanderreiben der inneren Schamlippen Reizungen verursacht. Die Talgdrüsen besonders im oberen Abschnitt des Vestibulums, also um die Harnröhrenöffnung herum, sorgen mit ihren Absonderungen dafür, dass der Urin die zarte Haut nicht reizt.
Die Haut des Vestibulums ist zart und empfindlich und erinnert eher an eine Schleimhaut. Direkt unter der Haut des gesamten Vestibulums liegen zahlreiche Blutgefäße, die bei sexueller Erregung stark durchblutet werden, und Nervenendigungen, die auf Stimulierung ansprechen.
Die Harnröhre, die in den oberen Teil des Vestibulums mündet, ist etwa 3 bis 4 cm lang und verbindet die Blase mit der Körperoberfläche. Beidseits an der Harnröhrenöffnung münden Drüsenausgänge, von denen die beiden größeren Skene-Gänge heißen. Sie sorgen mit den anderen Drüsen zusammen für die Befeuchtung des Vestibulums, bilden aber auch Schlupfwinkel für Infektionserreger.
Ganz nahe hinter der Harnröhrenöffnung befindet sich die deutlich größere Öffnung des Scheideneingangs. Beidseits neben dem Scheideneingang, an der Basis der inneren Schamlippen, münden die Ausführungsgänge größerer Drüsen, der sogenannten Bartholinischen Drüsen. Je eine dieser Drüsen liegt – unsichtbar und untastbar – unter dem Vestibulum. Sie sorgen ebenfalls für die Befeuchtung des Vestibulums und tragen auch zur Befeuchtung des Scheideneingangs beim Sex bei.