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Über die Autorin

Melanie Schüer ist Erziehungswissenschaftlerin und freie Autorin, unter anderem für die Zeitschrift „Family“. 2014 hat sie die Kinderbibel „Mara und Timo entdecken die Bibel“ veröffentlicht. Sie berät Eltern von Babys und Kleinkindern mit Schlaf- und Schreiproblemen sowie Schwangere (www.neuewege.me). Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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Inhalt

Vorwort

Teil 1: Marilena und Ivan

1 Der stärkste Superheld

2 Gott kann man voll vertrauen

3 Der weiße Elefant

4 So wertvoll wie ein Schatz

5 Vier niedliche Vogelbabys

6 Ein schwerer Tag

7 Streit mit Papa

8 Frieden ist besser als Streit

9 Lästern — keine gute Idee!

10 Ein seltsamer Traum

11 Ein Gebet für Mirco

12 Gott ist da — auch im Sturm

13 Rache ist bitter

14 Ein guter Plan

15 Das Pfingstfeuer

16 Puh, ist das langweilig!

17 Zu Besuch im Krankenhaus

18 Die riesige Galaxis

19 Gottes Segen

20 Adam, Eva und die Dinos

Teil 2: Elias

21 Auf Gott ist Verlass!

22 Jeder wird gebraucht!

23 Dazugehören ist nicht alles

24 Eine neue Heimat

25 Zusammen Gutes tun

26 Wir gehören zusammen — egal, aus welchem Land!

27 Gebet ist mächtig!

28 Zu Hause bei Gott

29 Gottes Königreich

30 Wir können nicht alles verstehen

31 Die Goldene Regel

32 Die Bergwanderung

33 Gottes Engel

34 Was am wichtigsten ist

35 Ein freundliches Wort

36 Nie wieder Krieg!

Teil 3: Leon und Hannah

37 Ein Fluss voller Krokodile

38 Ob Gott ein Wunder tun kann?

39 Eine Überraschung für Hannah

40 Gott ist wie ein guter Vater

41 So viel Müll!

42 Gesundheit ist ein Geschenk

43 Du bist schön!

44 Das Licht der Welt

45 Lügen haben kurze Beine

46 Die Alarmanlage im Herzen

47 Gottes neue Welt

48 Das Sorgenkarussell

49 Warum ich?

50 Was kommt nach dem Tod?

51 Du wirst es schaffen!

52 Der Rabe in der Wüste

53 Mit Gott sind wir stark

54 Auslachen ist nicht fair

55 Erhört Gott mein Gebet?

56 Nicht nur leere Worte

57 Der Flug nach Südafrika

58 Weihnachten in Kapstadt

Teil 4: Josephine

59 Alles hat seine Zeit

60 Gott kann aus Schlechtem Gutes machen

61 Du bist wichtig!

62 Das Leben genießen

63 Gott versteht mich so gut wie niemand sonst

64 Der gute Hirte

65 Ostern

66 Gott ist wie die Sonne

67 Der beste Freund

68 Urteilt nicht

69 Die Bibel — ein ganz besonderes Buch

70 Das wichtigste Gebot

71 Angeben nervt!

72 Jesus — ein Star und doch für jeden da

73 Gott gibt jedem eine neue Chance

74 Immer mehr wollen macht nicht glücklich

75 Was ist denn nun die Wahrheit?

76 Jesus ist wirklich auferstanden!

77 Gott hat dir viel Gutes getan

Vorwort

Das Leben von Kindern ist bunt und voller Herausforderungen. Es gibt viel Schönes wie Spaß mit Freunden, spannende Urlaubserlebnisse, Schulausflüge und Familienfeiern. Aber manchmal auch Schwieriges wie Streit, Schulprobleme oder eine Krankheit. Die 77 Andachtsgeschichten in diesem Buch erzählen Geschichten von Kindern, die sich in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen befinden. Da sind zum Beispiel die Geschwister Ivan und Marilena, die gemeinsam so einige Abenteuer erleben. Oder Elias, der mit seiner Mutter von Bremen nach Westfalen gezogen ist und nun in einer neuen Umgebung seinen Platz finden muss. Oder Josephine, die ein Brüderchen bekommt – das allerdings nicht ganz gesund ist. Obwohl die einzelnen Kapitel in sich abgeschlossen sind, liest man sie am besten von vorne nach hinten, da die Geschichten aufeinander aufbauen.

Die meisten Kinder, die in diesem Buch eine Hauptrolle spielen, gehen in den Kindergottesdienst, in den Religionsunterricht oder die Pfadfindergruppe – und sind dabei, den Glauben im Alltag zu entdecken. Immer wieder geraten sie in Situationen, in denen Mitgefühl, Fairness, Ehrlichkeit oder Mut gefragt sind. Erwachsene wie ihre Eltern, Großeltern oder Freunde der Familie begleiten sie einfühlsam und liebevoll bei der Bewältigung der verschiedensten Alltagssituationen. Auch schwierige Themen werden in den Geschichten nicht ausgeklammert: beispielsweise die Frage nach dem Leid in der Welt, Fremdenfeindlichkeit oder das Thema Heiliger Geist.

Jede Erlebnisgeschichte wird jeweils mit einer Bibelstelle verknüpft und schließt mit einer Gesprächsanregung sowie einem kurzen Gebet ab. So eignen sich die Beiträge für die Familienandacht oder als Gutenachtgeschichte, aber auch als Anstoß für Gruppenstunden, den Religionsunterricht und viele andere Gelegenheiten.

Sie als Eltern besitzen eine besondere Ressource, die Sie Ihren Kindern weitergeben können: den Glauben an einen liebevollen und gleichzeitig mächtigen Gott, der sowohl in den schönen, aber auch in den schwierigen Zeiten für uns da sein will. Ich wünsche Ihnen, dass dieses Buch Sie und Ihre Kinder darin unterstützt, gemeinsam das Leben und den Glauben zu entdecken!

Melanie Schüer

Teil 1

Marilena und Ivan

Ivan ist zehn Jahre alt. Er hat etwas krause, braune Haare, grüne Augen und liebt Superhelden, besonders Spiderman und Meister Yoda. Außerdem spielt er gern Klavier – damit hat er vor einem halben Jahr begonnen. Ivan hat eine Schwester, die zwei Jahre jünger ist als er: Marilena. Sie hat die gleiche Augenfarbe wie ihr Bruder, aber ihre Haare sind – wie die ihrer Mutter – glatt und mittelblond. Marilena liebt Reiten und sie trifft sich gern mit ihrer Freundin Anna. Wie alle Geschwister zoffen sich Ivan und Marilena manchmal, aber meistens verstehen sie sich ziemlich gut.

Der Vater von Ivan und Marilena heißt Vitali und stammt aus Moskau, der Hauptstadt von Russland. Ihre Mutter heißt Anja und ist in einem kleinen Ort bei Berlin aufgewachsen. Dort wohnen Ivan und Marilena mit ihren Eltern in einem Reihenhaus.

1 Der stärkste Superheld

Heute Abend können Ivan und Marilena einfach nicht einschlafen. Sie drehen sich in ihren Betten und kuscheln sich in ihre Decken, doch der Schlaf will einfach nicht kommen. Beide machen sich Sorgen über das, was sie morgen erwartet.

Ivan schreibt eine Mathearbeit. Obwohl er viel geübt hat, hat er Angst, dass er wieder eine schlechte Note bekommt. Denn Rechnen fällt ihm ziemlich schwer. Englisch gefällt ihm supergut und auch Deutsch und die meisten anderen Fächer sind für ihn kein Problem. Vor allem Sport liebt er. Aber Mathe – das ist eine Sache für sich. Die letzte Arbeit war schon so schlecht und diesmal möchte er es unbedingt besser machen. Aber ob er das schafft?

Marilena hat am Nachmittag einen Arzttermin, bei dem sie eine Spitze bekommt. Sie hasst Spritzen! Irgendwann hatte es angefangen, dass sie vor jeder Spritze tierisch Angst bekam. Sie musste dann ständig daran denken und fühlte sich ganz schwach und zittrig. Und wenn sie die Kinderarztpraxis betrat, wollte sie jedes Mal am liebsten wegrennen.

„Kannst du auch nicht schlafen?“, fragt Ivan und seufzt.

Marilena nickt: „Ich habe solche Angst, dass die Spritze wehtut.“

„Eigentlich ist es doch nur ein kleiner Pieks“, meint Ivan.

„Ich weiß“, sagt Marilena, „aber das ist doch diese Impfung, und Anna hat erzählt, dass die bei ihr ganz schlimm wehgetan hat. Das hat mir echt Angst gemacht.“

Ivan seufzt noch einmal: „Mhm, das ist blöd. Und ich habe Angst, dass ich die Mathearbeit nicht schaffe.“

„Wir sind zwei Angsthasen“, lacht Marilena und ihr Blick fällt auf Ivans Superhelden-Sammlung im Regal. Da stehen Figuren von Spiderman, Meister Yoda, Superman, Batman und vielen mehr. Ivan liebt seine Superhelden und sammelt die Figuren seit ein paar Jahren.

„Wir bräuchten so einen Superhelden, der mit uns geht. Dann wäre alles halb so schlimm“, murmelt sie.

„Au ja!“, ruft Ivan begeistert. „Meister Yoda gibt mir dann durch seine Macht gute Ideen, sodass mir die richtigen Lösungen einfallen. Wenn ich mich verrechne, zeigt mir die Macht meinen Fehler. Und wenn der Arzt die Spritze bei dir nicht vorsichtig genug setzt, fängt Spiderman ihn einfach mit seinem Spinnennetz ein.“

„Gute Idee!“, lacht Marilena. „Oder Superman gibt mir etwas von seiner Kraft ab. Dann bin ich so stark, dass ich den Pieks gar nicht merke.“

Plötzlich hören die beiden Schritte im Flur. Papa betritt das Kinderzimmer. Er hat die letzten Sätze noch gehört. „Na, ihr beiden“, fragt er mitfühlend, „seid ihr aufgeregt wegen morgen? Habe ich das richtig gehört: Ihr wünscht euch einen Superhelden, der immer bei euch ist?“

Die Geschwister nicken. „Ja, damit wir uns keine Sorgen mehr machen müssen wegen der Mathearbeit und der Spritze“, erklärt Marilena.

Papa setzt sich auf den Sessel zwischen den beiden Betten und lächelt: „Das kann ich gut verstehen. So etwas wäre schon ziemlich praktisch. Aber wisst ihr, eigentlich habt ihr doch schon einen Superhelden!“

Fragend sehen die Kinder ihren Vater an. „Hä? Wie meinst du das denn?“, will Marilena wissen.

Papa schnappt sich die Bibel und blättert eine Weile darin. „Gestern habe ich doch etwas gelesen, das total gut passte“, murmelt er. „Ah, da ist es“, sagt er und erklärt: „Also, das ist ein Psalm, ein Lied, geschrieben von David. Der hatte auch oft Angst und brauchte jemanden, der ihm Mut gibt. Wisst ihr noch, wie David den riesigen Goliath besiegt hat? David, ein kleiner, eher schwacher Junge ohne Rüstung und nur mit einer Steinschleuder bewaffnet. Und so kämpft er gegen einen riesengroßen, starken Mann mit Kettenhemd, Helm und Schwert. Was meint ihr, wie David sich fühlte, als der Kampf beginnen sollte?“

„Wahrscheinlich so ähnlich wie wir“, überlegt Marilena.

„Ja“, stimmt Ivan zu, „ziemlich ängstlich. David ist bestimmt fast das Herz in die Hose gerutscht!“

Papa nickt: „Das denke ich auch. Er hat sich ganz bestimmt gefürchtet. Und er wurde auch oft von Feinden verfolgt, die ihn töten wollten. Was meint ihr, wie große Angst er da hatte! Aber eines hat er immer wieder erlebt: Es gibt jemanden, der mich nie allein lässt. David betete: ‚Als ich zu dir um Hilfe schrie, hast du mich erhört und mir neue Kraft geschenkt!‘ Dass Gott unheimlich stark ist, das hat uns auch Jesus gezeigt. Er ist gestorben, aber durch Gottes Kraft wurde er wieder lebendig. Das heißt, Gott ist sogar stärker als der Tod! Er ist stärker als jeder Superheld. Man könnte sagen, Gott ist der allerstärkste Superheld.

Und diese Kraft, die Gott David und Jesus gegeben hat, die will Gott auch uns geben. Er will uns stark machen, wenn wir uns schwach und ängstlich fühlen. Wenn wir Angst haben, können wir es ihm sagen, und ihn bitten, uns mutig zu machen und uns seine Kraft zu geben. Wir dürfen ihn einfach darum bitten – er hilft uns gern.“

Gott ist bei mir wie ein starker Held. (nach Jeremia 20,11)

Sprechblasen.tif

Hast du auch manchmal Angst?
Gibt es etwas, wofür du Kraft brauchst?

Gebet.tif

Du kannst Gott bitten, dich zu stärken, zum Beispiel so: „Gott, danke, dass du so stark bist und mir Kraft geben möchtest. Du weißt, wofür ich Kraft brauche. (Sage Gott, für welche Situation du seine Kraft benötigst.) Bitte hilf mir dabei. Amen.“

2 Gott kann man voll vertrauen

Am nächsten Tag wacht Marilena auf und spürt gleich, wie schnell ihr Herz klopft. Viel schneller als sonst! Kein Wunder, denn heute steht schließlich die Impfung an.

In der Schule kann sie sich kaum konzentrieren, weil sie immer wieder an die blöde Spritze denken muss. Dabei liest Frau Könke doch so eine spannende Geschichte vor! Marilena merkt, dass sie gar nicht richtig aufgepasst hat, und dadurch ganz verpasst hat, wie es mit Prinzessin Kunigunde und dem Ritter Bertholt weitergegangen ist. Mist, das hätte sie doch so gern gewusst! Na, dann muss sie in der Pause ihre Freundin Lea fragen. Und ab jetzt möchte sie wieder besser aufpassen. Wie soll sie sonst heute die Hausaufgaben schaffen, wenn sie gar nichts mitbekommt? Doch dieser nervige Gedanke an die Impfung schleicht sich immer wieder in ihren Kopf. Was soll sie nur tun? Die Angst lässt sie einfach nicht los. Dabei ist es doch nur ein kleiner Pieks! Aber wenn man Angst hat, können auch kleine Dinge plötzlich ganz groß und furchtbar erscheinen …

Marilena denkt an den letzten Kindergottesdienst. Da wurde über etwas gesprochen, das Jesus gesagt hat. Nämlich, dass wir keine Angst haben sollen, sondern Gott und ihm, Gottes Sohn, vertrauen sollen. Jano, der den Kindergottesdienst leitet, hatte mit den Kindern über das Wort „Vertrauen“ gesprochen. Er hatte erklärt: „Wenn wir jemandem vertrauen, heißt das: Wir glauben, dass er es gut mit uns meint. Wir glauben, dass er gut zu uns ist, und dass er das, was er uns verspricht, auch hält. Wenn wir also Gott vertrauen, heißt das: Wir glauben Gott, dass das, was er uns versprochen hat, wahr ist.“ Und was hatte Jano dann noch gesagt? Ach ja, dass Gott seinen Kindern versprochen hat, sie niemals allein zu lassen. Und dass er sich um uns kümmert und uns hilft, wenn wir Hilfe brauchen. Dass er uns Kraft gibt, wenn wir schwach oder ängstlich sind. Dass er gut für uns sorgt. Jetzt denkt Marilena an das schöne Bild, von dem Jano gesprochen hat: Wenn Gott für uns sorgt, ist das wie bei einem Baby, das sich an seine Mama kuschelt. Auf ihrem Arm fühlt es sich sicher, denn es vertraut darauf, dass seine Mutter es versorgt. „So gut aufgehoben sind wir auch bei Gott!“, hat Jano gesagt. „Selbst wenn uns etwas Angst macht – in seinem Arm werden wir versorgt und finden immer Hilfe.“

Als Marilena darüber nachdenkt, wird sie etwas ruhiger. In der Pause geht sie zur Toilette, um kurz Ruhe zu haben, und betet ganz leise: „Lieber Gott, danke, dass du dich um mich kümmerst. Bitte hilf mir, dir zu vertrauen! Bitte gib mir Mut, und hilf mir, mich zu beruhigen.“ Fröhlich verlässt Marilena die Toilette. Sie weiß: Gott, der stärker ist als der stärkste Superheld, ist direkt neben ihr, hinter ihr und hält ihre Hand. Mit so einem starken Freund an der Seite kann man einen blöden Pieks locker überstehen!

Als die nächste Stunde anfängt, fühlt Marilena sich tatsächlich ruhiger. Immer, wenn der Gedanke an die Spritze kommt, denkt sie: „Stopp! Kein Grund zur Panik, ich bin nicht allein!“ Und dann konzentriert sie sich wieder auf das, was die Lehrerin sagt.

Als sie am Nachmittag mit Mama zum Arzt fährt, denkt sie an Ivan. Wie seine Mathe-Arbeit wohl gelaufen ist? Er hat heute noch seine Kampfsport-AG, deshalb kommt er erst um 16 Uhr nach Hause. Hoffentlich hat alles gut geklappt!

Im Wartezimmer will die Angst noch einmal wiederkommen, doch Marilena atmet tief durch und unterhält sich mit Mama über einen Kinofilm, den sie gern sehen möchte. Mama lächelt Marilena zu: „Du bist ziemlich mutig, meine Große! Ich weiß ja, dass du Spritzen gar nicht leiden kannst. Umso erstaunter bin ich, wie cool du heute bist!“

Marilena grinst. „Von wegen cool. Wenn du wüsstest!“

„Wieso?“, fragt Mama.

„Na ja, heute in der Schule war ich total aufgeregt und hatte die ganze Zeit Angst. Also, cool würde ich das nicht gerade nennen“, erklärt Marilena.

„Und wieso wirkst du dann jetzt so ruhig?“, fragt Mama neugierig.

„Na ja, ich habe gebetet. Danach war die Angst zwar nicht ganz weg, aber ich wusste wieder, dass Jesus die ganze Zeit bei mir bleibt und mir hilft. Daran habe ich immer wieder gedacht und mir gesagt, dass ich mir keine Sorgen machen muss! Ich habe mich entschlossen, Gott zu vertrauen.“

Mama lächelt: „Na, ich würde mal sagen, das ist doch ziemlich cool! Und wirklich mutig. Es gab mal eine Frau – sie hieß Corrie ten Boom –, die hatte in ihrem Leben oft Angst, weil sie viele Gefahren erlebt hat. Weißt du, was sie gesagt hat? ‚Mut ist Angst, die gebetet hat.‘ Genau das sehe ich bei dir gerade auch!“

Und eine halbe Stunde später hat Marilena es dann endlich hinter sich. Die Spritze tat etwas weh, aber nur kurz, und so lange hat Marilena sich ganz stark auf ein Bild an der Wand konzentriert. Jetzt ist wieder alles gut – und sogar mehr als gut, denn Mama verkündet: „Ich würde sagen, wer so mutig ist, hat ein kleines Eis verdient!“

Erschreckt nicht, habt keine Angst! Vertraut auf Gott und vertraut auch auf mich! (Johannes 14,1; GN)

Sprechblasen.tif

Fällt es dir leicht, Gott zu vertrauen? Er hat versprochen, sich um seine Kinder zu kümmern. Glaubst du ihm das?

Gebet.tif

Gott, danke für die guten Versprechen, die du uns gibst. Bitte hilf mir, dir ganz zu vertrauen. Amen.

3 Der weiße Elefant

Ivan knallt die Tür hinter sich zu. Wütend pfeffert er seine Schultasche in die Ecke und verschwindet ohne ein „Hallo“ direkt in sein Zimmer.

„Oh, oh“, meint Marilena. „Der ist aber schlecht gelaunt. Hoffentlich liegt es nicht an der Mathearbeit …“

Rasch geht Mama die Treppe hoch und klopft an Ivans Zimmertür. „Ivan?“, fragt sie vorsichtig. „Darf ich hereinkommen?“ Keine Antwort. „Ivan?“ Nichts. Mama seufzt: „Schatz, ich komme jetzt herein, okay?“

„Okay“, ertönt eine leise, brummige Stimme.

„Hey, was ist denn passiert?“, erkundigt Mama sich vorsichtig und setzt sich auf sein Bett.

Ivan zuckt mit den Schultern und starrt grimmig die Wand an. Seine Hände sind zu Fäusten geballt.

„Du bist ziemlich wütend, hm?“, stellt Mama fest. „Liegt es an der Mathearbeit?“

Ivan nickt, dann kullern ihm Tränen die Wangen herunter. Die Wut verwandelt sich ganz plötzlich in Traurigkeit.

Mama nimmt ihn in den Arm: „Ach, Ivan, das tut mir leid. War es so schlimm?“

Ivan nickt: „Ich wusste fast gar nichts! Ich habe gar nicht verstanden, was ich machen sollte. Dabei habe ich so viel geübt! Das hast du doch gesehen, die ganze letzte Woche habe ich jeden Tag für diese Arbeit gelernt!“

Mama nickt: „Oh ja, das habe ich gesehen. Und ich bin sehr stolz auf dich, dass du dir so viel Mühe gegeben hast.“

„Ja, aber was hat es genützt?“, schluchzt Ivan. „Nichts, gar nichts! Ich werde wieder eine Fünf bekommen! Das ganze Üben, völlig umsonst!“

Mama drückt liebevoll seine Hand und schüttelt den Kopf: „Nein, umsonst war das auf keinen Fall. Es fühlt sich jetzt so an, als hätte es gar nichts genützt, das verstehe ich. Und es ist wirklich total blöd, wenn man sich so viel Mühe gegeben hat und es dann trotzdem nicht klappt! Das kann ich sehr gut verstehen und es tut mir wirklich leid.“

Ivan schnieft. Es tut gut, mit seiner Mutter zu reden und zu merken, dass sie mit ihm fühlt. Vorhin in der Schule, als viele seiner Mitschüler damit geprahlt haben, wie „babyleicht“ die Arbeit war, hat er sich ziemlich allein gefühlt.

„Umsonst war es trotzdem nicht“, erklärt Mama. „Denn durch das viele Üben hast du das, was ihr gelernt habt, eigentlich sehr gut verstanden. Auch wenn es in der Arbeit jetzt nicht geklappt hat, hilft dir das, was du begriffen hast, dabei, das, was ihr als Nächstes lernt, besser zu verstehen. Und vielleicht wird dann die nächste Arbeit besser! Und wenn du nicht geübt hättest und dann alles schiefgelaufen wäre, hättest du dich hinterher geärgert. Dann wärst du nämlich selbst schuld gewesen, dass es nicht geklappt hat. Aber so kannst du sagen: ‚Ich habe alles getan, was ich tun konnte. Wenn es jetzt nicht geklappt hat, kann ich nichts dafür.‘“

Ivan denkt über Mamas Worte nach. „Ja, das stimmt schon. Aber trotzdem habe ich Angst, dass es beim nächsten Mal wieder danebengeht.“

„Wie wäre es, wenn du ein paar Nachhilfestunden nimmst? Dann kann jemand, der sich gut mit Mathe auskennt, dir das Ganze mal erklären.“

Ivan überlegt kurz, dann nickt er: „Vielleicht bringt das ja was.“

„Okay“, sagt Mama. „Und jetzt lass uns die Mathearbeit erst mal vergessen. Marilena und ich haben ein neues Spiel ausgeliehen, machst du mit?“

Doch während des Spiels muss Ivan immer wieder an die Mathe-Arbeit denken.

„Ivan!“, jammert Marilena. „Du bist dran! Passt du denn gar nicht auf?“

Mama lächelt Ivan zu. „Denkst du noch immer an Mathe?“

Ivan sieht zu Boden. „Der Gedanke an die dumme Arbeit kommt einfach immer wieder. Ich versuche, nicht dran zu denken, aber es klappt nicht.“

„Das ist ganz normal“, erklärt Mama. „Kinder, wir machen mal einen kleines Experiment: Versucht mal ganz stark, nicht an einen weißen Elefanten zu denken.“

Marilena und Ivan sehen ihre Mutter verdutzt an, versuchen dann aber, die Aufgabe zu erfüllen. Nur nicht an einen weißen Elefanten denken …

„Seltsam“, sagt Marilena nach einem Moment, „obwohl ich mich ganz doll anstrenge, sehe ich in meinem Kopf die ganze Zeit einen weißen Elefanten.“

Ivan stimmt ihr zu: „Ich auch!“

Mama lacht: „So geht es allen Menschen. Wenn man ganz stark darauf achtet, an etwas Bestimmtes nicht zu denken – dann denkt man umso mehr daran. Man kann einen Gedanken nicht einfach so wegjagen. Es klappt nicht, seinem Kopf einen Gedanken einfach zu verbieten. Dann wird der Gedanke nur noch stärker.“

„Und was soll ich dann mit diesen blöden Sorgen über die Mathearbeit machen?“, fragt Ivan genervt.

„Du musst den Gedanken daran austauschen.“

„Austauschen?“, will Marilena neugierig wissen. „Wodurch denn austauschen?“

„Durch den Gedanken an etwas Besseres“, erklärt Mama. „Du musst einen Ersatzgedanken finden, auf den du dich statt des blöden Gedankens konzentrierst. Etwas Schönes, etwas, worüber du dich freust. Noch besser klappt es oft, wenn du diese guten Gedanken aufschreibst oder aufmalst.“ Mama schaut Ivan an, dann Marilena. „Kommt, wir machen mal eine kurze Spielpause und ich hole euch Stift und Papier.“

Mama geht zum Wohnzimmerschrank und holt Schreibzeug heraus. Als sie wieder am Tisch sitzt, sagt sie: „So, und jetzt überlegt mal: Was in eurem Leben ist gut? Wofür wollt ihr Gott ‚Danke‘ sagen?“

Marilena und Ivan überlegen eine Weile. Weil Marilena noch nicht so gut schreiben kann, malt sie eine Sonne, weil heute die Sonne so schön scheint. Dann malt sie eine Spritze – die erkennt man nicht so gut, aber sie weiß ja, was gemeint ist –, weil sie Gott danken möchte, dass er ihr für die Impfung Mut gegeben hat. Und auch ein Eis malt sie, denn sie weiß, dass viele Kinder in anderen Ländern nicht so leckeres Essen haben.

Ivan schreibt auf: „liebe Eltern“ und „gesunde Beine“. Denn sein Freund Jan sitzt im Rollstuhl und kann nicht laufen – daher weiß Ivan, wie gut es ist, wenn man gesund ist. Und dann denkt er noch daran, dass Herr Schwarz, der Religionslehrer, von armen Menschen erzählt hat, die kein Haus und keine Wohnung haben, und dass einige von ihnen im Winter erfrieren. „Danke für unser gemütliches, warmes Haus“, ergänzt er. Und wirklich, jetzt, wo er so darüber nachdenkt, was es alles Gutes in seinem Leben gibt, fühlt er sich gleich schon viel fröhlicher. „Es klappt!“, sagt er zu Mama. „Jetzt denke ich stattdessen an die anderen, guten Dinge. Wenn der Gedanke an die Mathe-Arbeit wiederkommen will, dann lenke ich meine Gedanken schnell zurück auf das Gute auf meinem Zettel.“

Mama lächelt. „Ja“, sagt sie. „Das kann man üben. In der Bibel steht auch, dass wir unsere Gedanken auf das Gute richten sollen. Natürlich müssen wir uns auch kümmern, wenn etwas Schlimmes passiert, und wir sollen mitfühlen, wenn jemand traurig ist. Aber es ist wichtig, dass diese schlechten Gedanken nicht zu viel Platz in unserem Kopf bekommen. Sonst sind wir irgendwann ständig traurig. Deshalb: Sucht euch immer einen guten Ersatzgedanken! Das klappt nicht immer, aber wenn man übt, klappt es immer öfter! Und dann fühlt man sich viel fröhlicher und zufriedener.“

Und nun, liebe Freunde, lasst mich zum Schluss noch etwas sagen: Konzentriert euch auf das, was wahr und anständig und gerecht ist. Denkt über das nach, was rein und liebenswert und bewunderungswürdig ist, über Dinge, die Auszeichnung und Lob verdienen. (Philipper 4,8; NL)

Sprechblasen.tif

Ist es dir auch schon mal passiert, dass du nur noch an traurige oder ärgerliche Dinge gedacht hast? Versuch doch heute mal, deine Gedanken immer wieder auf alles Gute in deinem Leben zu lenken.

Gebet.tif

Gott, danke für alles Gute, zum Beispiel: … (sage, was dir so einfällt). Bitte schenk mir gute und fröhliche Gedanken.

4 So wertvoll wie ein Schatz

Als Papa am Abend nach Hause kommt, erzählen ihm die Kinder von ihrem Gedanken-Experiment mit dem weißen Elefanten. Papa lacht: „Das ist ja super. Und ich habe noch etwas besonders Schönes, woran ihr denken könnt!“

„Was denn? Erzähl!“, rufen die Kinder neugierig.

„Ich habe heute Post bekommen“, antwortet Papa grinsend. „Ihr habt doch vor einiger Zeit an dieser Verlosung teilgenommen. Und stellt euch vor, ihr habt gewonnen – eine Fahrt zu einem Mittelalter-Abenteuertag! Mit Prinzessinnen- und Ritter-Spielen und einer großen Schatzsuche!“

„Waaas? Das ist ja genial!“, rufen Ivan und Marilena und hüpfen vor Freude durch das Zimmer. Und spätestens jetzt ist die Mathearbeit erst mal völlig vergessen.

Nach ein paar Wochen ist es endlich so weit: Der große Mittelalter-Abenteuertag steht vor der Tür! Schon in der ganzen Woche zuvor waren Ivan und Marilena wahnsinnig aufgeregt, kribbelig und voller Vorfreude. Was sie auf der Ritterburg wohl erwartet?

Papa fährt sie zu dem Treffpunkt, von dem aus sie gemeinsam mit den anderen Kindern und den erwachsenen Begleitern, Susanne und Thomas, mit dem Bus zu Burg Wunderstein gefahren werden. Der Name der Burg klingt schon so spannend, dass Ivan es kaum erwarten kann, endlich dort anzukommen.

Als Marilena die vielen anderen Kinder sieht, die ziemlich laut und wild herumtoben, wird sie auf einmal ein wenig ängstlich. Sie kennt die Kinder und auch Susanne und Thomas ja gar nicht. Ob die nett sind? Was, wenn sie sich nicht mit ihnen versteht? Was ist, wenn sie lieber nach Hause möchte? Doch dann denkt sie an das Gedanken-Experiment und daran, wie Gott ihr bei der Impfung geholfen hat. Er wird auch jetzt mit ihr fahren und bei ihr bleiben, den ganzen Tag. Und der Abenteuertag wird bestimmt toll! Sie denkt daran, worauf sie sich besonders freut: die Verkleidung als Prinzessin. Ob sie auch eine Krone bekommt?

Ivan freut sich vor allem auf die Schatzsuche. Na ja, und einmal eine Ritterrüstung zu tragen, dagegen hat er auch überhaupt nichts! Papa hat ihm sogar seine kleine Digitalkamera mitgegeben, damit er und Marilena ein paar Fotos von sich aufnehmen können. „Wir sind schließlich auch ganz neugierig, was ihr dort so erleben werdet“, hatte Papa gesagt und betont: „Aber pass gut auf die Kamera auf!“

Die Busfahrt dauert lange und fast wäre Ivan eingeschlafen, doch dann hält der Bus endlich. „Wir sind da!“, verkündet Susanne. „Bitte alle aussteigen und eine Reihe neben dem Bus bilden, dann laufen wir gemeinsam zur Burg!“

Als die Kinder die Burg erblicken, staunen sie nicht schlecht. „Das ist ja wirklich eine echte Ritterburg!“, stellt Marilena beeindruckt fest. „Ja“, stimmt Ivan zu, „mit einem richtigen Burggraben. Und schau dir mal die riesige Mauer an! Und das Tor dahinten, das sieht auch riesig aus!“

Als sie durch das große, prächtige Tor den Burghof betreten, werden die Kinder von einem Ritter und einer Prinzessin in einem langen, lilafarbenen Kleid begrüßt.

„Ich bin Ritter Hagen und das ist Prinzessin Amalia“, sagt der Ritter. „Willkommen auf Burg Wunderstein! Ihr dürft euch auf einen tollen Tag freuen! Wir beginnen mit den Prinzessinnen- und Ritter-Spielen und danach folgt eine spannende Schatzsuche! Alle, die Ritter spielen möchten, kommen mit mir und Thomas, die anderen folgen einfach der Prinzessin Amalia.“

„Darf ich auch mit zu den Rittern?“, fragt ein Mädchen.

Ein Junge lacht: „Aber Mädchen können doch keine Ritter sein!“

„Doch, natürlich“, widerspricht Ritter Hagen. „Früher haben sich Frauen manchmal als Männer getarnt und als Ritter gelebt. Und es gab auch einige Frauen, die richtig gut kämpfen konnten! Also, kein Problem!“

Am Ritter-Verkleidungsstand darf tatsächlich jedes Kind, das möchte, eine Rüstung anziehen und bekommt sogar ein Schwert, das zwar vorn nicht spitz ist, aber ziemlich echt aussieht! Thomas macht ein Foto von Ivan, der stolz als Ritter dasteht. Ritter Hagen bringt ihm und den anderen Jungen sogar ein wenig Schwertkampf bei. „Und das Schwert dürft ihr als Andenken an diesen Tag mit nach Hause nehmen“, verrät er ihnen.

Beim Prinzessinnen-Stand darf Marilena ein wunderschönes, smaragdgrünes Kleid mit goldenen Perlen anziehen. Außerdem bekommt sie eine goldene Krone mit roten, funkelnden Juwelen. Und die darf sie sogar behalten! Prinzessin Amalia macht mit den Mädchen ein paar lustige Spiele.

Dann beginnt endlich die Schatzsuche. Die Kinder bekommen eine Schatzkarte, die ihnen bei der Suche helfen soll. Der Weg ist wirklich abenteuerlich: Er führt erst durch ein Labyrinth mit vielen verschiedenen Gängen. Es ist gar nicht so einfach, dort den richtigen Weg zu finden. Dann geht es weiter durch einen Wald und danach durch einen langen, dunklen Tunnel, der sehr unheimlich wirkt. Vom Tunnel aus geht es dann in die Burg hinein, wo die Kinder schließlich ein Versteck finden, das in die Wand eingelassen ist.

Tatsächlich, dort ist eine große, hölzerne Schatztruhe versteckt! Die ist sogar ziemlich schwer. Mit aller Kraft heben die Kinder die geheimnisvolle Truhe heraus, stellen sie auf den Boden und öffnen sie. Ritterhelme, Perlenketten und goldene Münzen kommen zum Vorschein. Und auf jeder Münze steht der Name eines Kindes, das an der Schatzsuche teilgenommen hat! Und außerdem liegen in der Truhe noch jede Menge Süßigkeiten! Susanne und Thomas verteilen die Geschenke an die Kinder und nach einem leckeren Essen im großen Speisesaal der Burg fahren alle glücklich nach Hause.

Als Marilena und Ivan am Abend von dem Schatz berichten, sind sie noch immer begeistert, und ihre Augen leuchten. „Das war echt schön, nach so einer langen, schwierigen Suche diesen tollen Schatz zu finden!“, meint Marilena.

„Das klingt ja nach einem rundum gelungenen Tag“, stellt Papa fest. „Und wisst ihr was? So, wie ihr euch über den Schatz gefreut habt, so sehr – und noch viel mehr – freut sich Gott über euch! In der Bibel steht, dass Gott jedes seiner Kinder ganz besonders lieb hat und glücklich ist über jeden Menschen. Ihr seid für ihn so wichtig wie ein unheimlich wertvoller Schatz!“

Der Herr, euer Gott, ist in eurer Mitte; er ist stark und hilft euch! Von ganzem Herzen freut er sich über euch. Weil er euch liebt, redet er nicht länger über eure Schuld. Ja, er jubelt, wenn er an euch denkt! (Zefanja 3,17)

Sprechblasen.tif

Du bist für Gott so kostbar wie ein teurer Schatz. Wie fühlt sich das für dich an?

Gebet.tif

Lieber Gott! Manchmal fühle ich mich ganz klein und unwichtig. Doch für dich bin ich unglaublich kostbar. Danke, dass ich dir so wichtig bin!

5 Vier niedliche Vogelbabys

Als Ivan am nächsten Tag von der Schule kommt, läuft ihm Marilena ganz aufgeregt entgegen: „Ivan, stell dir vor, Jana und ich haben vier kleine Vogelbabys gefunden! Ihre Mama ist wahrscheinlich tot, sie ist einfach nicht wiedergekommen, und jetzt haben wir die kleinen Vögel hier und füttern sie. Komm mal mit, wir zeigen sie dir!“

„Stopp!“, unterbricht Ivan seine kleine Schwester. „Du redest ja wie ein Wasserfall! Das versteh ich alles nicht. Was genau ist passiert? Wo habt ihr die Vögel gefunden? Und woher wisst ihr, dass die Mutter tot ist?“

Marilena holt tief Luft: „Also, Jana und ich haben draußen auf dem Feld gespielt. Und dann haben wir auf einmal das Piepsen gehört, und Jana hat es geschafft, auf den Baum zu klettern. Da hat sie die kleinen Babys im Nest gesehen. Sie haben die Schnäbel weit aufgesperrt und nirgendwo war die Mutter zu sehen. Dann haben wir nach der Mutter gesucht und am Straßenrand einen toten Vogel gesehen. Mama meint, der sieht aus, als könnte das die Mutter gewesen sein. Wir haben dann noch fast zwei Stunden gewartet, aber es kam niemand. Und die Kleinen hatten so viel Hunger, dass wir ihnen helfen mussten! Zum Glück ist Janas Tante Tierärztin. Mama hat ihr mit dem Handy ein Foto von den Vögeln geschickt, und sie hat Mama erklärt, wie wir eine Traubenzuckerlösung machen können. Die sollten wir den Babys erst mal geben. Mama musste jetzt zur Arbeit, aber Papa holt aus der Zoohandlung kleine Würmer, mit denen man die Vogelbabys füttert. Jetzt müssen wir sie ganz oft füttern, und vielleicht schaffen wir es, sie großzuziehen! Willst du sie sehen?“

„Klar!“ Neugierig folgt Ivan seiner Schwester in den Schuppen.

„Krass, wie niedlich sind die denn!“, ruft Ivan, als er die vier süßen, winzigen Vögelchen erblickt. Marilenas Freundin Jana lacht: „Ja, das stimmt! Sie haben auch schon Namen. Das ist Karl, das ist Mimi, das ist Emmi und das Piepsi.“

„Na ja, da hätte ich mir aber lustigere Namen überlegt“, grummelt Ivan, aber dann sieht er sich noch einmal ganz genau die kleinen Vögel an.

„Sie müssen jetzt jede Stunde gefüttert werden“, erklärt Marilena. „Wenn wir in der Schule sind, macht Frau Wiemann das.“ Frau Wiemann ist die ältere Nachbarin, die glücklicherweise fast den ganzen Tag zu Hause ist. „Aber ansonsten müssen wir uns kümmern. Das wird viel Arbeit, hat Mama gesagt.“ Sie schaut ihren Bruder an. „Hilfst du uns?“

Ivan nickt: „Na klaro! Wir wechseln uns mit dem Füttern ab, das kriegen wir schon hin!“

Als Papa mit dem Futter kommt, sperren die Vögelchen gierig ihre Schnäbel auf. Sie können gar nicht genug kriegen und freuen sich sichtlich, endlich wieder fressen zu können. Ivan füttert Piepsi, während Papa, Jana und Marilena sich um die anderen drei Vogelbabys kümmern. Ivan lächelt vor sich hin. Es fühlt sich gut an, zu helfen.

Am Abend, als Papa mit den Kindern betet, fragt Marilena: „Was Gott wohl darüber denkt, dass wir die Vögel zu uns genommen haben?“

„Ich denke, er freut sich darüber, dass ihr euch so gut um sie kümmert“, sagt Papa, „denn auch die Vögel gehören zu Gottes Welt und sind ihm wichtig. Und er hat uns Menschen den Auftrag gegeben, uns um seine Welt und alle Tiere und Pflanzen zu kümmern.“

Ein guter Mensch kümmert sich um das Wohl seiner Tiere; ein böser hat kein Herz für sie. (Sprüche 12,10; GN)

Ich setze euch über die Fische im Meer, die Vögel in der Luft und alle Tiere, die auf der Erde leben, und vertraue sie eurer Fürsorge an. (Genesis 1,28; GN)

Sprechblasen.tif

Hast du dich schon mal um ein Tier gekümmert? Welche Tiere magst du besonders?

Gebet.tif

Gott, danke für die vielen Tiere, die du geschaffen hast. Bitte hilf mir, sie gut zu behandeln. Amen.

6 Ein schwerer Tag

Ivan seufzt, als er die Tür zum Schuppen öffnet und das laute, hungrige Piepsen der Vögel hört. Er hat diese Nacht nicht gut geschlafen und wäre gern noch etwas länger im Bett geblieben. Schließlich ist Wochenende und eigentlich kann er da endlich mal ausschlafen! Doch die Vogelbabys haben auch am Wochenende Hunger und deswegen hat sein Wecker heute pünktlich um 6:30 Uhr geklingelt.

In den ersten Tagen hat er sich immer sehr darauf gefreut, den kleinen Vögeln ihr Futter zu geben, und natürlich hat er die vier Vogelbabys immer noch sehr gern. Doch nun, nach anderthalb Wochen, wird es langsam anstrengend: Alle paar Stunden müssen er, Jana oder Marilena die Kleinen versorgen. Während die Kinder in der Schule sind, kümmern sich zwar Papa, Mama oder Frau Wiemann darum, und auch wenn die Kinder verabredet sind, springen die Erwachsenen mal ein. Aber trotzdem: Es ist schon ganz schön viel Arbeit! Denn der Vogelkäfig muss ja auch sauber gehalten werden, schließlich gehen die kleinen Vögel nicht zur Toilette …

Doch auch wenn immer viel zu tun ist, freut Ivan sich jedes Mal, wenn Karl, Mimi, Piepsi und Emmi ihre Schnäbel weit aufsperren und nach Futter verlangen. Es ist schön, ihnen zu helfen. Die Kleinen sind jetzt auch schon richtig zahm: Mehrmals am Tag dürfen sie im Schuppen frei herumfliegen und dann setzen sie sich oft auf seinen Kopf oder seine Hand. Marilena und Jana haben gestern richtig lustige Fotos gemacht; auf einem Bild sitzen sogar alle vier Vögel auf Marilenas Kopf!

Gestern hat auch Janas Tante, die Tierärztin, endlich mal Zeit gefunden vorbeizukommen und war ganz beeindruckt. „Ihr macht das toll!“, hat sie zu Ivan, Marilena und Jana gesagt. „Die vier können wirklich froh sein, dass ihr sie gefunden habt. Wenn es weiter so gut klappt, könnt ihr sie in ein paar Wochen fliegen lassen.“

Marilena war bei dem Gedanken daran, sich von den Vögeln zu trennen, traurig geworden.

„Diese Vögel sind keine Haustiere“, hat Janas Tante daraufhin erklärt. „Sie brauchen ihre Freiheit. Aber wer weiß, es kann durchaus sein, dass ihr sie öfter mal sehen werdet. Ich habe auch mal Vogelbabys großgezogen und nun bauen sie immer wieder ihr Nest an meinem Haus.“

„Das wäre toll!“, haben Jana und Marilena gerufen.

Als Ivan nach der Schule nach Hause kommt, bemerkt er bereits beim Betreten der Küche, dass die Stimmung gedrückt ist. Papa kocht gerade Kartoffeln und aus dem Wohnzimmer sind leise Stimmen zu hören.

„Was ist los?“, fragt Ivan.

Papa sieht ihn traurig an: „Leider sind Karl und Piepsi gestorben. Als Marilena sie vorhin füttern wollte, lagen sie tot im Käfig.“

„Oh nein!“, ruft Ivan laut. Niedergeschlagen setzt er sich an den Tisch. Ein paar Tränen kullern seine Wange herunter. Papa setzt sich neben ihn und drückt ihn einmal fest an sich: „Das tut mir so leid für euch, mein Junge. Es ist wirklich schade.“

Ivan räuspert sich: „Es fühlt sich nur so ungerecht an! Wir haben uns so viel Mühe gegeben und sie wirkten doch so gesund und stark … Ist Mama bei Marilena?“

Papa nickt: „Ja. Mama tröstet sie schon eine ganze Weile. Es war natürlich ein großer Schreck für Marilena, die beiden tot zu finden.“

Ivan nickt. Nach ein paar Minuten kommen Mama und Marilena herein. Die Augen seiner Schwester sind ganz rot und verquollen. Mama hält sie an der Hand und streicht auch Ivan über den Kopf: „Wir verstehen, dass ihr traurig seid. Das ist ganz normal, denn ihr habt die Vögel in euer Herz geschlossen. Leider passiert so etwas immer wieder. Es ist sehr schwierig, wilde Tiere großzuziehen, weil sie eigentlich in Freiheit leben müssen. Manchmal klappt es, aber manchmal sterben sie – wegen einer Krankheit oder einfach, weil sie sich zu sehr gefangen fühlen.“

Marilena schluchzt noch einmal und ihre Augen werden feucht: „Ich hatte die beiden einfach so lieb. Und dann die ganze Arbeit, alles umsonst …“

(Matthäus 25,40; )

Sprechblasen.tif

Wer könnte deine Hilfe brauchen? In deiner Klasse oder zu Hause oder in deiner Nachbarschaft? Wenn du anderen etwas Gutes tust, freut sich Jesus. Es ist so, als würdest du ihm selbst helfen.

Gebet.tif

Jesus, bitte lass mich bemerken, wenn andere meine Hilfe brauchen. Und gib mir Mut, dann das Richtige zu tun. Amen.