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Nr. 2915

 

In Arkons Schatten

 

Sie lassen die Vergangenheit hinter sich – und begegnen einer neuen Macht

 

Verena Themsen

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: 26: Juli, Feuersturm

1. 20. Juli, Shernoss

2. 20. Juli, Eröffnung

3. 20. Juli, Palast der Barone

4. 20. Juli, Stadtteil Girischatten

5. 20. Juli, Palast der Barone

6. 23. Juli, Stadtteil Girischatten

7. 23. Juli, abends, Palast der Barone

8. 25. Juli, Stadtteil Girischatten

9. 25. Juli, abends, Palast der Barone

10. 26. Juli, nach der Zündung, Stadtteil Girischatten

11. 27. Juli, morgens, Palast der Barone

12. 30. Juli, Shernoss

13. 31. Juli, Girischatten

14. 1. August, Palast der Barone

Epilog: Ascheregen

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Ziviler Fusionsreaktor

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden.

Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen.

In der Milchstraße hingegen werden die Gemeni aktiv. Sie geben sich selbst als Gesandte einer Superintelligenz aus und wollen die verwaiste Mächtigkeitsballung von ES beschützen. Die Gemeni bieten den Völkern der Milchstraße Geschenke an, die wahrhaft atemberaubend sind. Zuerst erschienen sie auf Terra, und nun auch IN ARKONS SCHATTEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Kiroan – Die Kralasenin zieht aus, um einen Spross zu erkunden.

Yergeo da Gnotor – Der Khasurnbaron von Girmomar hat sein Leben der Kristallbaronie geweiht.

Segos Isirea – Der Wahlbaron unterstützt seinen Regierungspartner.

Bhal Kharnaim – Der Gemen unterbreitet ein interessantes Angebot.

Prolog

26. Juli

Feuersturm

 

Blau schimmerte die Skyline der Stadt hinter dem kuppelförmigen Schutzschirmfeld. Die lockere Ansammlung aus Wohnkelchen, die ihr Inneres dem Himmel entgegenreckten, phantasievoll gestalteten Wohntürmen und massigen Geschäfts- und Bürokomplexen wirkte verschwommen und wabernd. Die geschwungenen Röhren der Hochbahnen und Laufbandstrecken verwoben als schwachblaue Bänder die aufstrebenden Gebäude, und die Bäume und Büsche dazwischen wirkten wie Wattebäusche.

Ein bisschen wie ein großes Märchenschloss im Wolkendunst, dachte Kiroan.

Ein Schatten schob sich über die Szenerie vor der Arkonidin. Er war riesig und die Rundungen der Ränder klar definiert. Nur ein künstliches Objekt konnte solch einen Schatten werfen. Eine riesige künstliche Kugel, die sich vor die vormittägliche Sonne schob und sie ausblendete. Der Schatten wuchs.

Kiroan drehte sich um. Sie betrachtete die mehr als zwei Kilometer durchmessende Metallkugel mit angeflanschtem Kegelstumpf, die von den Ausläufern der Berge auf ihren Standort zuglitt. Der obere Teil des Raumschiffes der GWALON-Klasse pflügte durch das dünne Wolkenfeld und hinterließ eine breite Schneise. Nach unten waren nur wenige Hundert Meter Platz zwischen der Unterkante des Kegelstumpfes und der weich dahinrollenden Hügellandschaft.

Obwohl der Raumer mittels seiner Antigravaggregate herandriftete, bewirkte die reine Luftverdrängung, dass die Bäume und Büsche unter ihm sich schüttelten und neigten wie in einem Sturm. Schließlich verharrte der Raumer über der Formation von Schwebepanzern, die bereits vor Tagen rings um das freigeräumte und mit dem Paratronschirm gesicherte Gebiet vor Kiroan in Stellung gegangen waren.

»Die KATOR GIRMOMAR hat ihre Position bezogen«, meldete ihr Adjutant über Helmfunk das Offensichtliche. »Vere'athor Zaroia da Bargk meldet Bereitschaft.«

»Verstanden«, antwortete Kiroan. »Danke der Kommandantin für ihre Unterstützung, Rivien.«

Sie betrachtete den Raumer mit gemischten Gefühlen. Er vermittelte Sicherheit: Was immer in den nächsten Minuten geschah, so leicht würde sich nichts der geballten Feuerkraft des Flaggschiffes der Kristallbaronie entgegenstellen können. Andererseits war es erschreckend, dass auf dem Hauptplaneten der Kristallbaronie Girmomar, am Rande der Hauptstadt Shernoss, überhaupt die Notwendigkeit einer solchen Präsenz bestand.

Sie konnte nur hoffen, dass die Vorsicht unnötig war.

Kiroan wandte den Blick wieder zur Szenerie unmittelbar vor ihr. »Status der Schirmgeneratoren?«

»Alle auf maximaler Energie«, kam die Antwort. »Feldkonfiguration ist wie berechnet.«

»Gut.«

Das halbkugelförmige Paratronschirmfeld durchmaß fast sechshundert Meter. Kiroan starrte das eiförmige, irgendwie organisch wirkende Ding im Inneren an.

Durch den Blauschimmer waren kaum Einzelheiten an dem ebenfalls blauen, mehr als fünfhundert Meter langen Objekt zu erkennen. Man hätte meinen können, es hätte eine völlig glatte Oberfläche, wie ein marmornes Schmuckei. Nichts hatte bislang dieser Oberfläche etwas anhaben können. Aber es war klar, dass nichts Gutes aus dem Inneren kommen würde.

Hinter dem Ei, jenseits der Schirmfeldkuppel, lag die kristallblaue Traumlandschaft einer Stadt voller Bewohner, die Kiroan vor diesem Ding zu schützen hatte.

Kiroan warf einen kurzen Blick auf die Katsugo-Kampfroboter, die sie flankierten. Sie fühlte sich nicht recht wohl bei der Aktion, obwohl sie selbst sie ins Leben gerufen hatte.

Ich habe eine kleine Armee und einen GWALON-Raumer im Rücken. Das gesamte Viertel Girischatten ist evakuiert, und das Paratronfeld ist auf die zu erwartenden Kräfte abgestimmt. Was kann schiefgehen?

Kiroan spürte den Schatten des Raumschiffes auf sich und fröstelte.

Haben wir überhaupt eine Wahl?

Sie schloss den Helm ihrer schweren Kampfrüstung. Kurz überlegte sie, sich in einen der Schwebepanzer zurückzuziehen. Sie verwarf die Idee. Was immer nun unter der Schirmfeldkuppel geschah, sie wollte es mit eigenen Augen sehen.

»Zündung, Rivien!«

»Jawohl, Athor.«

Sie atmete tief durch. Bevor die Luft ihre Lunge verlassen hatte, erzitterte der Boden, und ein Grollen drang aus der Tiefe.

 

*

 

Es war, als hätte jemand im Felsengrund ein riesenhaftes urweltliches Tier angekettet, das durch das Zerren an seinen Ketten die Welt erbeben ließ und dabei seinen Drang nach Freiheit hinausbrüllte.

Dann erreichte die Wirkung der Vektorbombe die Oberfläche.

Direkt unterhalb des Eis wölbte sich die Erde auf und spie mit einem Aufbrüllen ihr Innerstes nach außen. Unwillkürlich zuckte Kiroan zusammen, als Erde und Gesteinsbrocken auf sie zuschossen. Schwarze Aufrissblitze mit blutig roten Rändern übersäten im nächsten Augenblick gleich immer weiter ausufernden Narben das Blau des Schirmfeldes. Luft und Materie wurden mit solcher Gewalt hineingetrieben, dass das gravomechanische Gradientenfeld die Abstrahlung nicht mehr verhinderte.

Das blau-rot-schwarz schimmernde Feld flackerte und erlosch.

Ein plötzlicher Luftstrom riss Kiroan von den Füßen. Sie stürzte schwer und hatte trotz der schützenden Rüstung das Gefühl, von einer Gravoramme in den Boden getrieben zu werden. Das Zischen, mit dem der Falthelm über ihren Kopf schoss, ging im Gebrüll der Elemente unter. Steine und Erde prasselten auf ihren automatisch aktivierten Individualschirm. Jeder Knochen schmerzte von dem Stoß und dem Sturz, und sie hatte Schwierigkeiten zu atmen.

Mühsam kämpfte sie darum, mithilfe der Kraftverstärkung der Rüstung gegen den tobenden Sturm wieder auf die Beine zu kommen. Jemand packte sie, zog sie weg und hob sie an, schob sie ins Dunkle und die Stille.

Sie fand sich im Inneren eines der Schwebepanzer wieder. Hustend rang sie nach Atem und öffnete ihren Helm, um den staubigen Schleim auszuspucken, der sich in der Kehle gesammelt hatte. Die Augen tränten vor Erregung. Dreck hing in ihrem helmartig geschnittenen weißen Haar und verklebte es zu einer lehmigen Masse.

Einer der im Panzer wartenden Soldaten wollte ihr aufhelfen. Sie schüttelte seine Hand ab, ignorierte den heranschwebenden Medoroboter und stolperte nach vorne zum Cockpit. Ein grollendes Geräusch drang von außen herein, und sie glaubte, das Prasseln von Trümmern zu hören, obwohl der Panzer mit Sicherheit durch einen Prallfeldschirm geschützt wurde.

Mit schmerzenden Rippen und hustend schob sie sich neben den Pilotensitz. Es war eng in dem Panzer, und ihre Figur nicht unbedingt für schmale Räume geeignet. Doch das interessierte in diesem Moment nicht. Was im Weg war, wurde beiseitegeräumt.

Durch die Panzertroplonscheibe starrte Kiroan auf den Regen aus Staub und Dreck, der jede Sicht auf das Objekt blockierte, dem die Explosion gegolten hatte. Nur am Rande nahm sie die Meldungen wahr, die hereinkamen.

»Irgendwie ist das neutralisierende Feld des fremden Raumschiffes entgegen allen Berechnungen der Spezialisten mit dem Schirmfeld in Kontakt gekommen«, fasste Rivien in ihrem Funk zusammen. »Vielleicht ist es passiert, als der Boden unter dem Ei hochgedrückt wurde, oder weil die Schirmfeldprojektoren wegen der bebenden Erde das Feld nicht mehr exakt genug positionieren konnten.«

Darum war der Schutzschirm im kritischen Moment kollabiert, anstatt die Reste der Druckwelle teils zu schlucken und teils auf das eiförmige Raumschiff im Innern zurückzuwerfen. Kiroan mochte noch nicht an die Folgen denken.

Sie wischte die Tränenflüssigkeit aus den Augen, schob den Copiloten von seinem Sitz und aktivierte sämtliche Ortungs- und Tastgeräte. Sie musste wissen, was los war, und konnte nicht warten, bis der Staub sich endlich legte. Als die Ergebnisse sich zu einem Holobild formten, stöhnte sie auf.

Die Reihen der Schwebepanzer waren in Unordnung geraten, ihre Katsugos teilweise beschädigt oder zerstört worden. Die Roboter, die noch standen, waren damit beschäftigt, die beschädigten Fahrzeuge wieder gangbar zu machen und sich um Soldaten zu kümmern, die zum Zeitpunkt der Explosion außerhalb ihrer Panzer gewesen waren. Medoroboter schwärmten aus.

Aber das größere Chaos herrschte jenseits des Explosionszentrums.

Am Stadtrand waren Wohntürme eingeknickt und Gleiterbahnen heruntergebrochen. Mehrere Feuer loderten in Gebäuden und Parkflächen. Löschgleiter irrten durch die Trümmer und betrieben Schadensbegrenzung, während immer noch Gebäudemauern bröckelten und Schutt in die Tiefe rutschte.

Und im Zentrum von alldem schwebte über dem Krater, völlig unberührt, das fremdartige, blauviolette Ei.

»Es war sinnlos«, wisperte Kiroan und schloss die Augen, um das Chaos nicht sehen zu müssen, das sie zu verantworten hatte. »Völlig sinnlos ...«

1.

20. Juli

Shernoss

 

Joscan Sintloui, Botschafter der Liga Freier Galaktiker, stieg aus seinem Gleiter und blieb einen Moment stehen, um die milde Brise zu genießen, die ihn begrüßte. Obwohl der Raumhafen Sher-Sternentor mehrere Kilometer von der Küste entfernt lag, meinte der Terraner, eine Ahnung von Seeluft darin zu verspüren, gemischt mit den Düften der Blüten und Ziergehölze, die der Wind im Park unter der Schwebeplattform aufnahm.

Gemurmel herrschte ringsumher, das vor allem von den lockeren Gruppen kam, in denen die Ehrengäste sich auf der Plattform verteilt hatten. Eine schnelle Musterung zeigte Sintloui, dass kaum jemand bislang die Kugeln der Ehrenlogen am hinteren Rand der Plattform aufgesucht hatte, die später, in schwebenden Perlenreihen angeordnet, die Tribüne für die geladene Prominenz der Eröffnung bilden würden.

Patrizias Stimme riss ihn aus seinen Betrachtungen. »Ist alles in Ordnung, Botschafter?«

Seine neue Assistentin stand zwei Schritte weiter vorne und sah ihn besorgt an. Mit ihrem eulenhaften Gesicht und den streng zurückgekämmten Haaren erinnerte sie ihn in diesem Moment an eine strenge Gouvernante.

»Alles bestens, Patrizia«, beruhigte Sintloui sie und wies mit einer Kopfbewegung nach vorne. »Ich glaube, jemand kommt, um uns zu begrüßen.«

Tatsächlich war die kräftig gebaute Arkonidin, die auf sie zukam, dem Botschafter leidlich bekannt. Sie war bei offiziellen Anlässen immer irgendwo im Umfeld der Kristallbarone von Girmomar zu finden.

»Botschafter.« Die Arkonidin grüßte ihn mit einer knappen Geste des Respektes, ohne dass die Augen in dem breiten, von helmartig geschnittenem weißem Haar umrahmten Gesicht irgendwelche Unterwürfigkeit ausdrückten. »Darf ich fragen, wer deine Begleitung ist?«

»Patrizia Trevis, ein Neuzugang in meiner Assistenzabteilung. Sie kommt gewissermaßen frisch vom Schiff – und ich habe mich kurzfristig entschieden, sie gleich hierher mitzunehmen, damit sie erste Eindrücke sammeln kann. Ich entschuldige mich dafür, darüber versäumt zu haben, sie anzumelden, Kiroan.«

Die Arkonidin hatte den Namen bereits in ein Armbandgerät eingegeben und betrachtete die Daten, die daraufhin ausgespuckt wurden.

»Keine Entschuldigung notwendig, Botschafter«, sagte sie schließlich. »Dies ist ein gesellschaftliches Ereignis ohne sicherheitspolitische Relevanz, da sind wir auf solche Änderungen vorbereitet. Sie darf bleiben.«

»Danke«, sagte Patrizia. Kurz sahen die beiden Frauen einander an, die Terranerin aus graugrünen, die Arkonidin aus roten Augen. Ein Abtasten, ein Anerkennen.

»Ich wünsche viel Spaß.« Kiroan grüßte noch einmal und wandte sich dem nächsten ankommenden Gleiter zu.

Patrizia atmete hörbar aus. »Ich denke, dieser Frau möchte ich nicht in den Weg geraten.«

»Es ist zu empfehlen. Man sagt, sie habe früher zu den Bluthunden des Imperators gehört.«

»Den Kralasenen? Du meine Güte! Dann erst recht nicht. Man sagt, sie seien von keinerlei Skrupeln belastet.«

»Gleichzeitig aber absolut loyal«, ergänzte Sintloui, während er sich und Patrizia auf die Ehrenlogen zu manövrierte. »Solange du nicht vorhast, ihren Arbeitgebern gefährlich zu werden, hast du also nichts zu befürchten.«

»Wie kommt es, dass eine Kralasenin in die Dienste zweier Kristallbarone tritt?«

Sintloui zuckte die Achseln. »Seit Imperator Bostich untergetaucht und Imperator Hozarius in die virtuelle Messingwelt eingegangen ist, stehen die Kralasenen ohne echte Aufgabe da. Manche haben sich dem Zarlt von Zalit unterstellt, dem ehemaligen Vizeimperator. Andere verdingen sich als Söldner oder, wie Kiroan, als Sicherheitsberater.«

»Ich finde es faszinierend, was sich in den letzten fünfunddreißig Jahren bei den Arkoniden getan hat«, bemerkte Patrizia. »Ich habe versucht, mich während des Fluges von Terra in die aktuelle Situation einzuarbeiten, aber es schwirrt einem schnell der Kopf bei all den Namen, die im Raum stehen.«

Sintloui winkte einer Mehandor, deren feuerrote Hochfrisur sie aus der Menge herausstechen ließ. Die Frau erwiderte die Geste fröhlich und widmete sich dann wieder ihren Gesprächspartnern.

»Die wichtigsten Namen wirst du heute im Lauf des Tages kennenlernen«, sagte Sintloui. »Aber konzentrier dich erst einmal auf Girmomar. Das sind die Leute, mit denen wir hier unmittelbar zu tun haben. Das dort zum Beispiel ist Sosgosha, die Handelsmeisterin. Eine sehr umgängliche Frau, aber du musst aufpassen, nicht auf sehr liebenswürdige Weise über den Tisch gezogen zu werden.«

Patrizia musterte die Frau aus dem Volk der Mehandor, was übersetzt nichts anderes als »Händler« hieß. Viele bezeichneten sie allerdings als Springer, weil ihre Sippen traditionell mit ihren Raumschiffen ein teilnomadisches Leben führten und von Planet zu Planet »sprangen«.

»Kaum zu glauben, dass die Mehandor einmal Arkoniden gewesen sein sollen«, stellte sie fest. »Sie haben sich körperlich ziemlich anders entwickelt.«

»Du findest im arkonidischen Siedlungsgebiet viele Völker, die schon lange nicht mehr die weißen Haare und roten Augen des Kernvolks haben. Nimm nur die kupferhaarigen Zaliter mit ihrer rotbraunen Haut. Allerdings wirst du auch schnell feststellen, dass die Arkoniden vom Urtypus sich auf ihre Gene gelegentlich mächtig viel einbilden. Keine Familie ohne diese Gene hatte je die Chance, in den Hochadel aufzusteigen.«

»Eine idiotische Verschwendung von Potenzial«, fand Patrizia.

»Wie jede Form der Diskriminierung«, stimmte Sintloui zu. »Aber die verschiedenen arkonidischen Reiche haben trotzdem immer wieder gut funktioniert. Irgendwie schaffen sie es, auch bei den sogenannten Kolonialarkoniden Loyalität zu erzeugen. Selbst wenn sie nicht als vollwertige Arkoniden anerkannt werden, sind sie in ihren eigenen Augen eben immer noch besser als all die anderen Völker der Galaxis.«

»So schlimm?«

»Nicht ganz so schlimm, wie es sich anhört. Aber der Zusammenhalt dieser Leute trotz aller Differenzen ist gewaltig.«

 

*

 

Sintloui grüßte ein paar andere Gäste und plauderte kurz mit ihnen. Nur wenige hatten sich bislang in die geräumigen Schwebekugeln zurückgezogen. Schließlich löste er sich wieder von ihnen.

»Die Leute da unten wirken so gar nicht arrogant«, sagte Patrizia.

Sintloui warf einen Blick in den Park hinunter. Auf den Wiesen hatte sich eine bunte Menge eingefunden, in der weißes Haar zwar überwog, aber vor allem auch viele Rotschöpfe zu sehen waren. Sie plauderten und lachten ungezwungen miteinander, spielten Spiele, um sich die Zeit bis zum Beginn der Eröffnungsfeierlichkeit zu vertreiben, oder genossen die Strahlen der Sonne Girom. Aus Akustikfeldern schwang fröhliche Musik durch den Park, und eine Gruppe Jugendlicher tanzte sogar.

»Girmomar war schon immer ein Handels- und Finanzplanet«, erklärte er. »Das sorgt für eine gute Durchmischung. Man schließt Geschäfte miteinander ab, lernt sich kennen und respektieren. Ich denke, diese Haltung hat sehr dazu beigetragen, dass die Kristallbaronie ihre heutige Form gefunden hat.«

»Die Leute scheinen glücklich zu sein. Ich habe bisher immer angenommen, dass die meisten Arkoniden den Zeiten des Kristallimperiums nachweinen würden. Aber was ich hier bislang erlebt habe, sieht ganz anders aus. Mehr, als würden sie sich richtig freuen, wieder etwas Neues aufbauen zu können.«

»Glaub mir, das war nicht von Anfang an so. Das Trümmerfeld, vor dem alle Völker der Milchstraße gestanden haben, als die Tiuphoren und das Atopische Tribunal abgezogen waren, hatte für die Arkoniden noch die verschärfte Komponente, dass sie das Herz des Reiches und ihre Führungsfiguren verloren hatten. Manche Grenzländereien haben sich unter den Schutz der Liga Freier Terraner gestellt ...«

»... die nicht zuletzt deswegen mittlerweile die Liga Freier Galaktiker ist ...«

Sintloui winkte ab. »Schlimm ist, dass auch manche zu Vetris-Molauds Neuem Tamanium übergelaufen sind. Er hat sich einen ordentlichen Bissen des Kuchens einverleibt. Aber es gab eben auch die Grenzländereien, die ohnehin immer mehr oder weniger auf eigenen Füßen stehen mussten.«

»›Der Imperator ist groß und Thantur-Lok ist weit‹ oder so, hm?«

»Exakt. An sich waren es die kleinen und mittleren Adligen dieser Sternmarken, die am Ende alles zusammengehalten haben. Die kleinen Ritter und Barone, wenn man die Ränge in alte terranische Adelsbegriffe übersetzen wollte.«

Sie hatten den Rand der Schwebeplattform erreicht, wo ihre fünf Meter durchmessende Logenkugel wartete. Die untere Hälfte mit den technischen Aggregaten hing unsichtbar unterhalb der Plattform. Sichtbar war nur die obere Halbkugel, die im Moment vollständig transparent war und den Blick auf das bequeme Mobiliar im Inneren erlaubte. Zwei Personen konnten dort problemlos allen möglichen Tätigkeiten nachgehen, ohne dass es eng wurde.