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Ibn Battuta (1304-1368 oder 1377) wurde in Tanger geboren. Er bereiste und beschrieb im 14. Jh. weite Teile der Welt. Bekannt wurden seine Aufzeichnungen in Europa erst im 19. Jh. Sie sind ein überzeugender Beleg für die kulturelle und wissenschaftliche Führungsrolle der Araber im Mittelalter.

Hans Dieter Leicht
Historiker, Autor und Spezialist für Orientalistik, hat Battutas Reisebericht im deutschsprachigen Raum bekannt gemacht. Für die Edition Erdmann betreute er u.a. die Veröffentlichung von Ein Harem in Bismarcks Reich von Nasreddin Schah und Wilhelm von Rubruks Reise zu den Mongolen.

Zum Buch

»Der Marco Polo Arabiens.«

Fasziniert von der Welt, legt der Araber Ibn Battuta im 14. Jahrhundert, wie noch kein Mensch vor ihm, in etwa 27 Jahren rund 120.000 km zurück und sprengt damit den Rahmen seines ursprünglichen Vorhabens von seiner Geburtsstadt Tanger aus nach Mekka zu pilgern.

Mit Schiffen, Kutschen und auf Kamelen unternimmt er eine Reise durch die gesamte islamische Welt und darüber hinaus – damit erweitert er die traditionellen Gebiete arabischer Geographen.

Im Auftrag des Sultans von Marokko hält der größte Weltreisende des Mittelalters seine Erlebnisse in diesem eindrucksvollen Reisebericht fest. Battuta liefert landes- und volkskundliche Betrachtungen sowie Verzeichnisse von Reiserouten und hinterlässt der historischen und ethnologischen Forschung damit reiche Quellen des Mittelalters.

Abu Abdallah Mohammed Ibn Battuta wurde 1304 in der afrikanischen Hafenstadt Tanger geboren. Sein vermögender Vater ermöglichte ihm das Recht zu studieren und eine umfangreiche Bildung zu erwerben. Als guter Moslem unternimmt Ibn Battuta 1325 eine Pilgerfahrt nach Mekka. Unterwegs wird deutlich, dass seine Neugier und der Wunsch die Welt kennenzulernen lange nicht gestillt sind. Seine Reise wird ihn durch die gesamte islamische Welt und darüber hinaus führen. 27 Jahre ist Battuta unterwegs und legt über 120.000 Kilometer zurück. Selbst Schiffbruch und der Verlust seiner Habseligkeiten halten ihn nicht davon ab Arabien, Indien, die Malediven, China und Afrika zu bereisen und zu erkunden. Heute ist er als der Marco Polo der Araber bekannt.

DIE 100 BEDEUTENDSTEN ENTDECKER

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Der Reisende – Abu Said – nimmt Abschied.

(Schule von Bagdad, zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts)

Ibn Battuta

Reisen ans Ende
der Welt

Durch Afrika und Asien

1325 – 1353

Herausgegeben von
Hans D. Leicht

Mit 29 Abbildungen und 2 Karten

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Alle Rechte vorbehalten

2. Auflage 2016

© by Edition Erdmann in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden
Der Text wurde behutsam revidiert
nach der Ausgabe Edition Erdmann Stuttgart und Wien, 1985
Lektorat: Dietmar Urmes, Bottrop
Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH
nach der Gestaltung von Nele Schütz Design, München
Bildnachweis: Die Geschichte vom Pfirsichblütenland,
Gemälde im Sommerpalast, Peking, China
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0399-1

www.marixverlag.de

Inhalt

Einführung

Araber erschließen fremde Länder

Ibn Battuta – Kaufmann, Gelehrter, Abenteurer

Araber erschließen die Welt

Der »Marco Polo der Araber«

Ein Mann von Intellekt und Wissbegierde

Ibn Battuta – Reisen ans Ende der Welt

Chorasan und Transoxanien

Durch Steppe und Wüste

Das Erbe Dschingis Khans

Über Berge und durch Schnee

Indien

Merkwürdige Art der Geschenke

Besitzer von Dörfern

Festlich geschmückt zur Verbrennung

Indiens Früchte und Getreidearten

Im Dienst des Herrschers von Indien

Folterungen und Hinrichtungen

Am Hof des Sultans

In Gefangenschaft

»Das Grab der Liebenden«

Die Festung der Ratten und sehr erfahrene Frauen

Durch indische Küstenstädte

Seefahrt mit vielen Hindernissen

Auf den Malediven

Lebensweise der Bewohner

Die Frauen und ihr Liebesleben

Dämonenglaube und Bekehrung zum Islam

Eine Frau herrscht über die Inseln

Als Richter auf den Malediven

Frauen und Intrigen

Ceylon

Rubine, Affen und fliegende Blutegel

Der Fuß des Stammvaters

Mabar und Bengalen

Als Schiffbrüchiger an Land

Die Grausamkeiten des Sultans

Eine Hölle voll Glücksgüter

Hinterindien und der indische Archipel

Massenvergewaltigungen für Ehebrecherinnen

Zwei Wochen beim Sultan von Java

Merkwürdigkeiten in Kambodscha

Fürstin und Amazone zugleich

China

Porzellan und »dritter Fuß«

Steckbriefe und Übernachtungshinweis

Vier Wochen Flussfahrt

Die größte Stadt der Welt

In der Kaiserstadt Peking

Rückkehr aus China

Ein Berg fliegt davon

Ein Wiedersehen in Bagdad

Arabien

Medina – die Stadt des Propheten

Afrika

Durch die Wüste zum Niger

Im Lande Mali

Ungeziefer und Kamelfresser

Erläuterungen

Literatur

Bildquellen

Einführung

Araber erschließen fremde Länder

Ibn Battuta – Kaufmann,
Gelehrter, Abenteurer

»… trieb mich ein fest entschlossener Sinn, und ein leidenschaftliches Verlangen, diese hehren Heiligtümer zu sehen, wohnte in meiner Brust. So beschloss ich denn, mich von meinen Lieben zu trennen – Männern wie Frauen –, und verließ meine Heimat, wie der Vogel sein Nest verlässt.«

Ibn Battuta, im Alter von 21 Jahren, zu seiner ersten Reise von Tanger nach Mekka und Medina im Jahre 1325 n. Chr.

In einem historisch nahezu einzigartigen Schwung hatten die Heere des Islam, vornehmlich Araber, in der zweiten Hälfte des siebten und in den ersten drei Jahrzehnten des achten Jahrhunderts den Großteil der damals bekannten Welt erobert. Als im Herbst 732 der Franke Karl Martell mit einer starken Streitmacht vor den Toren von Paris, bei Tours und Portiers, dem arabischen Feldherrn Abd ar-Rahman und dessen Truppen, die zur festen Inbesitznahme des Landes sogar Frauen und Kinder mitgebracht hatten, gegenübertrat und den Ansturm der Orientalen stoppte, hatte das von Mohammed staatlich und religiös geeinte Arabertum den Kulminationspunkt seiner Machtpolitik bereits überschritten. Von den Pyrenäen bis zum Jaxartes und über den Indus hinausreichend, hatte sich die Herrschaft der ersten Kalifen zu weit von ihrer Ausgangsbasis, der Arabischen Halbinsel, entfernt, um diesem gewaltigen Reich nach der Eroberung auch die innere Stabilität zu sichern.

Das Arabertum wurde von da an auf seine erste Bestimmung – Träger des Islam und der geistigen, aber nicht der politischen Führung zu sein – zurückgedrängt. Während sich in Mitteleuropa die aus der Völkerwanderung hervorgegangenen Staaten und im weiteren Verlauf Kirche und Kaiser in oft blutigen Auseinandersetzungen konsolidierten und dabei zunächst keine Zeit aufbrachten, das Erbe der Antike auf breiter Ebene anzutreten, steigerten sich Hunderte von islamischen Gelehrten in einen Rausch an wissenschaftlicher Aktivität. Dutzende von Hochschulen zwischen Cordoba und Persien lehrten nicht nur den Koran, sondern ein Universalwissen, mit dem die zahlreichen in den eroberten Ländern vorgefundenen kulturellen Güter weiterentwickelt wurden.

Einmalig in der bis dahin viertausend Jahre alten schriftlich fassbaren Geschichte der Menschheit war es, dass der Vater des berühmtesten Abbasidenkalifen Harun ar-Raschid, Al-Mansur, nach einem siegreichen Feldzug gegen die Oströmer im Friedensvertrag als Reparationen kein Gold, keine Sklaven und keine Territorien forderte, sondern den Byzantinern zur Auflage machte, ihm 40 000 Bände ihrer Literatur auszuhändigen, die er übersetzen und auswerten ließ. Eine solche Tatsache unterstreicht nicht nur das Bemühen der Muslime, sich die geistigen Schätze der Völker des Mittelmeerraumes anzueignen, sondern macht auch verständlich, dass sie aus diesem Hunger nach Erkenntnissen heraus eine einsame Spitze der Wissenschaften erreichten und über Spanien, über die Kontakte in den Kreuzzügen und über das Sizilien Kaiser Friedrichs II. dem Abendland bis in die Neuzeit hinein entscheidende Impulse gaben. Noch im 14. Jahrhundert durfte in Paris die Lehre des Aristoteles nur nach dem arabischen Averroes-Kommentar interpretiert werden.

Araber, Perser, Ägypter, Chorasmier, Armenier, Juden und konvertierte Christen wurden von dem politischen und geistigen Sturmlauf des Islam erfasst und verhalfen der neuen Religion zu einer weitgespannten Bildungswelt. Das Arabische wurde nicht nur die Sprache des Glaubens, sondern auch der Literatur und der Wissenschaft, und blieb es auch dann, als das persische Element die politische Vorherrschaft im islamischen Reich erlangt hatte, wie es unter den Abbasidenkalifen der Fall war. Selbst die späteren Eroberer aus Innerasien, mongolische und Turkstämme, konnten sich der arabisch-islamischen Geisteswelt und der Farbenpracht ihrer literarischen Werke nicht verschließen.

Während sich auf mitteleuropäischem Boden das Merowingerreich erst aus den germanischen Stammestraditionen löste, hatten Technik, Kultur und Wissenschaften in den islamischen Ländern bereits eine Höhe erreicht, die erst Jahrhunderte später vom Abendland eingeholt werden konnte. So zieht sich durch die Geschichtsschreibung der karolingischen Zeit das fast ungläubige Staunen über die faszinierenden Geschenke, die Harun ar-Raschid dem Frankenkönig Karl gesandt hatte. Schon im achten Jahrhundert standen Uhren auf den öffentlichen Plätzen von Damaskus, der Hauptstadt des Omaijadenreiches, und nur hundert Jahre danach reisten arabische Wissenschaftler nach Paderborn und Magdeburg, um sich einen unmittelbaren Eindruck von den »Saqaliba«, den Sachsen, zu machen.

Zwischen dem neunten und dem zwölften Jahrhundert entstanden die berühmten, in Mitteleuropa so gut wie unbekannt gebliebenen Reiseberichte der vielen arabisch-islamischen Geographen. Sie vermittelten ihrer damaligen Welt ein Bild der ihnen bekannten, der Masse ihrer Zeitgenossen aber kaum zugänglichen Länder, wie es bis nach Marco Polo nicht besser gezeichnet werden konnte. Ibn Kordadbeh, Masudi und Idrisi waren unter den ersten Reisenden und sollten auch gleich zu den bedeutendsten zählen. Ibn Fadlan, Biruni, Ibn Dschubair, Ibn Battuta und Abu Said lieferten, ausgeschmückt mit persönlichen Erlebnissen, nicht nur landes- und völkerkundliche Betrachtungen, sondern ganze geographische Wörterbücher und Verzeichnisse von Reiserouten, sogenannte Itinerarien. Dazu kamen jüdische Kaufleute in arabischen Diensten, wie Suleyman, der über China und Indien berichtete, Ibrahim Ibn Yaqub, der vornehmlich die entferntesten Gebiete Europas aufgesucht hatte, und Rabbi Benjamin von Tudela, der besonders die Verhältnisse des Vorderen Orients schilderte.

Wenn die Namen dieser Männer aus dem islamischen Reich oft nur Historikern und Völkerkundlern geläufig sind, so mag dies vor allem darin begründet sein, dass es über sie noch immer kein zusammenfassendes Werk, sondern nur eine Vielzahl von Einzeldarstellungen gibt.

Araber erschließen die Welt

Die Längsachse durch die islamische Welt verlief vom Orient über die afrikanische Nordküste nach Spanien. Samarkand, Maschhad, Isfahan, Schiras, Bagdad, Damaskus, Kairo, Marrakesch und Cordoba sind nur die bekanntesten Städte des Mittelalters, in denen Künste und Wissenschaften immer wieder großartige Leistungen aufwiesen. Nach der Erkundung der orientalischen Heimat bot sich gerade Afrika zum ersten Erforschen an. Die Araber beschränkten sich jedoch nicht nur auf die Küstenregion und ihr unmittelbares Hinterland, sondern drangen bereits in den Kontinent ein. Schon 738, also knapp ein Jahrhundert nach Mohammeds Tod, schrieb Wahb Ibn Munabbeh ein Werk über die Bewohner des Westsudans und der Gegend rund um den Tschadsee. Ihm folgte der aus Bagdad stammende Abul-Hasan Ali Masudi, wohl einer der bedeutendsten unter jenen Geographen, deren Arbeiten nur auf persönlichen Erfahrungen und Anschauungen fußten. Schon ein halbes Jahrtausend, bevor das erste europäische Schiff Afrika umsegelte, hatte er einen klaren Begriff von Größe und Gestalt des Schwarzen Kontinents. Während man in Europa noch im 18. Jahrhundert einen Erdteil im südlichen Indischen Ozean vermutete, hatte bereits Masudi die Existenz eines solchen bestritten.

Wissensdrang, Erkenntnisse und Genialität arabischer Geographen gipfelten jedoch in dem aus Ceuta stammenden arabischen Fürstensohn Al-Idrisi, der im Auftrag des Normannenkönigs Roger II. von Sizilien in fünfzehnjähriger Arbeit eine Erdkarte auf eine Silberplatte zeichnete, in die er alle Forschungen der Gelehrten seiner Zeit einmünden ließ. Da er jedoch sein universales Wissen auf dieser Platte nicht erschöpfen konnte, schuf er ein Atlaswerk von 73 Blättern, das er »Die Gärten der Bildung und der Trost der Seele« nannte, von der Wissenschaft sehr prosaisch als der »Kleine Idrisi« bezeichnet, nachdem es, arabischen Quellen zufolge, noch ein umfassenderes Werk gegeben hat, das verlorengegangen ist.

Wie zuverlässig arabische Geographen die damals außerhalb des islamischen Machtbereichs völlig unbekannten Räume schilderten, mag der Bericht Al-Bekris über die alte Königsstadt von Ghana zeigen. Kurz vor Zweiten Weltkrieg begann man aufgrund seiner Darstellungen, in Kumbi Saleh, rund 300 Kilometer nördlich des Nigerhafens Bamako, archäologische Nachforschungen anzustellen. Als R. Thomassey im Jahr 1950 seine ersten Ausgrabungsberichte vorlegte, bestand kein Zweifel, dass jene von Al-Bekri beschriebene Hauptstadt des alten Ghana von ihm gefunden worden war. Auch die mit 15 000 angegebene Zahl der Einwohner musste anhand der Größenordnung der freigelegten Ruinen und deren Umfang stimmen. Zahlreiche moderne Staaten Westafrikas beziehen ihre ersten historischen Quellen aus den arabischen Berichten des Mittelalters.

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Den Holzschiffen der Pharaonen sind die arabischen Dhaus nachgebildet. Wie im Mittelalter fahren sie auch heute noch – nur mit dem Monsun und ohne Navigationsmittel.

Es wäre jedoch einseitig, wollte man den Angehörigen der im Islam vereinigten Völker, die in den Jahrhunderten nach der Ausbreitung dieser Religion auf Reisen gingen, nur wissenschaftliche Motive unterstellen. Auf den Dhaus, jenen arabischen Seglern, die man heute noch in den Küstengewässern rund um die Halbinsel antreffen kann, und mit den Karawanen zogen vornehmlich Kaufleute und Pilger von Land zu Land, diese auf dem Weg nach Mekka und Medina oder wieder heimwärts, jene als Händler, die begehrte Waren und Sklaven transportierten. Zu ihnen gesellten sich, wie zu allen Zeiten, zahlreiche Abenteurer, die aus Neugierde, Gewinnsucht, aber auch auf der Flucht vor einer Strafe fernen Regionen zustrebten. Es ist bekannt, dass auch bei den großen Entdeckungen des 15. und 16. Jahrhunderts unter den Beteiligten gerade diese letzte Kategorie sehr stark vertreten war.

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Kleidung und Lebensweise der Mannschaft einer arabischen Dhau haben sich seit dem Mittelalter kaum verändert.

Mancher Gelehrte, mancher Pilger, Kaufmann oder Reisende brachte es dabei auch zu großen Ehren, indem ihm ein Sultan oder Fürst wichtige, echt diplomatische Aufgaben übertrug. So waren Botschaften an andere Herrscher zu überbringen oder eine hochgestellte Persönlichkeit zu begleiten.

Der Mann aus dem arabisch-islamischen Bereich, der seiner Nachwelt den wohl eindrucksvollsten Versuch einer Gesamtschau der Welt des Mittelalters überlieferte, war Ibn Battuta. Im Gegensatz zu jenem ersten literarischen Denkmal arabischer Reiselust, den etwa um 830 n. Chr. entstandenen, im 19. Jahrhundert überall berühmt gewordenen Erzählungen Sindbads des Seefahrers, bleibt Ibn Battuta auf dem Boden der von ihm erlebten Realität.

Er war Pilger, Abenteurer, Diplomat, Richter, Gelehrter und Beobachter, je nach der Situation, die sich ihm stellte.

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Besonders bedeutungsvoll ist für Ibn Battuta immer die Ausstattung einer Stadt mit Basaren. Seit Jahrhunderten hat sich das äußere Bild solcher Händlerstraßen in orientalischen Städten kaum geändert.

Der »Marco Polo der Araber«

Mit Ibn Battuta erlebte die arabische Reiselust ihr Ende, aber auch ihren Höhepunkt. Kein Mensch vor ihm war so lange und so weit unterwegs gewesen. In modernen Maßen ausgedrückt, legte er rund 120 000 Kilometer zurück, wofür er allerdings über 27 Jahre seines Lebens aufwendete.

Abu Abdallah Mohammed Ibn Battuta wurde am 17. Tag des Monats Rajab im Jahre 703 der Hidschra, also am 24. Februar 1304, in der afrikanischen Hafenstadt Tanger geboren. Sein vermögender Vater ließ den Herangewachsenen die Rechte studieren. Als strenger Muslim erzogen, wollte dieser sich durch eine Pilgerfahrt zu den heiligen Stätten seines Glaubens, wie man es vielleicht modern ausdrücken würde, den Segen des Himmels für seinen Beruf erbitten. Mit 21 Jahren begab er sich am 14. 6.1325 auf diese Reise.

Aber schon unterwegs sollte es sich zeigen, dass in ihm der Wunsch, die Welt kennenzulernen, den Vorrang haben musste. Auf dem Landweg erreichte er nach der Durchquerung Nordafrikas die Stadt Alexandria, widmete Kairo einen ausgiebigen Besuch, ging nilaufwärts und von dort ans Rote Meer, um nach Arabien überzusetzen. Die jedoch auch damals nicht heile Welt machte seine Absicht zunichte. Kriegerische Verwicklungen, die auf diesem Meer für einen Pilger lebensgefährlich sein konnten, zwangen ihn zur Änderung seines Planes. Er musste nach Unterägypten zurück und über die Halbinsel Sinai nach Palästina und Syrien. Er nahm die Gelegenheit wahr, die Städte des Landes, darunter das auch dem Islam heilige Jerusalem, zu besuchen.

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Auch in den großen Städten des Orients gibt es heute noch Holzhäuser, die teilweise schon mehrere Jahrhunderte alt sind.

Auf dem Landweg kam er endlich nach Mekka und Medina, die beiden Orte des Propheten und des Islam. Zwar war damit sein erstes »leidenschaftliches Verlangen, diese hehren Heiligtümer zu sehen«, gestillt, doch scheint ihn nun erstmals so richtig die Lust des Reisens erfasst zu haben. Das Zweistromland, seit Jahrtausenden Inbegriff der Kultur und unter den Abbasidenkalifen wieder zum geistigen Mittelpunkt des Islam erhoben, war sein nächstes Ziel. Von Bagdad, Basra, Mosul, Wasit und den verschiedenen Siedlungen in den Sümpfen zwischen Euphrat und Tigris mit ihm unbekannten muslimischen Sekten begab er sich nach Persien, um den Südteil dieses Landes kennenzulernen.

An eine Rückkehr in seine Heimat nicht mehr denkend, pilgerte Ibn Battuta erneut nach Mekka und Medina, wo er sich von 1328 an zwei Jahre lang aufhielt, um sich geistig und materiell für die großen Reisen zu rüsten, die zu seinem Lebenswerk und -inhalt werden sollten. Von nun an durfte er sich Scheich nennen, was ihm dann auf den vielen Stationen zwischen Arabien und den bis Hinterindien reichenden muslimischen Ländern sehr zustattenkam. Daneben genoss er immer wieder hohe Anerkennung als Richter, Kadi und als dreimaliger Mekkapilger.

Zunächst durchquerte er die Arabische Halbinsel, hielt sich im Jemen auf und reiste die ostafrikanische Küste entlang, um das gefürchtete Kap Guardafui herum, um Kilwa, die blühende arabische Handelsstadt im Südosten des Schwarzen Kontinents, zu besuchen, in der es damals dreihundert Moscheen gegeben haben soll, das moderne Quiloa, das jedoch durch das 200 Kilometer nördlich gelegene Daressalam in der Neuzeit als Hafen an Bedeutung verloren hat.

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Im dürftigen Schatten der wenigen Bäume eines Dorfes
in Chorasan bereitet die Frau das Essen zu
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Wieder nach Arabien zurückgekehrt, pilgerte er erneut zu den heiligen Stätten Mekka und Medina, um sich dann nach Norden zu wenden. Durch Syrien und Anatolien gelangte er an das Schwarze Meer und ging nach einer stürmischen Überfahrt in der Krimstadt Kaffa, dem heutigen Feodosia, an Land. Hier, in dieser griechischen Siedlung, die seit 1262 den Genuesen gehörte, hatte Ibn Battuta eine seiner wenigen Begegnungen mit dem Christentum. In der kurz zuvor zum Bischofssitz erhobenen Stadt störte ihn das dauernde Geläute der vielen Kirchenglocken, sodass er, spürbar erleichtert, die Christenstadt verlassen zu können, unter Glaubensbrüdern auf einem tatarischen Wägelchen die Siedlung Sarai im Kiptschak ansteuerte. Diese Niederlassung der Tataren an der Wolga erlebte zu jener Zeit als Handelsplatz zwischen Innerasien und dem Westen eine große Blüte. Der dortige Tatarenkhan Mohammed Uzbek empfing ihn mit hohen Ehren und erlaubte ihm sogar einen Blick in den Serail, was eine besondere Auszeichnung bedeutete. Der Khan war hocherfreut, als sich Ibn Battuta erbot, seine Weiterreise nach Bolgar im Tatarenland aufzuschieben und sich als Begleiter einer der Gattinnen des Khans, der byzantinischen Kaisertochter Bailun, zur Verfügung stellte, die mit einem großen Aufwand an Reitern, Sklavinnen und Pagen ihrem Vater in der Metropole am Bosporus einen Besuch abstatten wollte.

Nach einer Audienz beim Kaiser und einem sechsunddreißigtägigen Aufenthalt in Byzanz, wobei er auf einem Ritt durch die Straßen der Stadt dem Volk vorgestellt wurde, verabschiedete ihn der Herrscher mit einem Ehrenkleid und einem Sonnenschirm als Geschenk.

Zwar in Wolfspelze eingehüllt, aber doch jämmerlich frierend, kam der in der heißen Sonne Nordafrikas aufgewachsene Ibn Battuta mitten im Winter wieder in der Residenz des Tatarenkhans Mohammed Uzbek an der Wolga an. Nach einem – im Gegensatz zu anderen Besuchen – ungewöhnlich kurzen, nur drei Tage dauernden Aufenthalt in Bolgar, wo er wahrscheinlich mit seinen Geschäften – Ibn Battuta trieb wie viele seiner Vorgänger auf den Reisen auch Handel – nicht zufrieden war, nahm er seinen Weg ostwärts der Kaspischen See durch die Wüsten Innerasiens in das Reich von Chiwa, das auch das Chorasmische genannt wird, und nach Transoxanien. In Buchara, einer der kulturgeschichtlich interessantesten Städte der islamischen Welt, machte er dem Dschingiskhaniden Ala ed-Din Tarmaschirin seine Aufwartung.

Viele Wege führten ihn kreuz und quer durch Chorasan und Afghanistan, bis er endlich am 1. Moharrem 734 n. H., am 12. September 1333, die Grenze Indiens überschritt. Seit Jahrtausenden, und dann besonders vom Feldzug Alexanders des Großen an, war der Subkontinent Indien ein begehrtes Land für viele Völker und Herrscher, ebenso für Kaufleute, die sich besonders für die begehrten Gewürze, aber auch für Edelmetalle interessierten. Mit den Kriegszügen Mahmuds von Gazna hatte der Islam in Indien Fuß gefasst, ohne sich jedoch in dem Umfang ausbreiten zu können, wie es ihm anderswo möglich war. Der damals schon vorhandene Gegensatz zwischen den Muslimen und den altgläubigen Indern, den auch Ibn Battuta am eigenen Leib zu spüren bekam, setzte sich unvermindert bis heute fort.

Es hatte den Anschein, als wollte sich Ibn Battuta in Indien auf die Dauer niederlassen; denn über acht Jahre lang hielt er sich in Delhi auf. Hier brachte er es zu großem Ansehen, sodass ihn schließlich der dortige Sultan bat, als dessen Gesandter nach China zu reisen. Schon an die vierzig Jahre alt, startete Ibn Battuta in sein größtes Abenteuer, das ihm unter den abendländischen Kennern seiner Schilderungen den Namen »Marco Polo der Araber« eingebracht hat. Diese an vielen unglücklichen Zwischenfällen, aber auch angenehmen Ereignissen reiche Reise wird Hauptinhalt seiner nachfolgenden Schilderungen sein.

Im April 1347, also 14 Jahre nachdem er Indien betreten hatte, kam er zurück. Von Zafar an der Nordküste Arabiens durchquerte er Persien, Mesopotamien, Syrien und Palästina, wo er die furchtbare Pest erlebte, und ging von Ägypten aus zum vierten Mal als Pilger nach Mekka. Nach einem Abstecher in Sardinien gelangte er über Nordafrika Anfang 1349 nach Fez in Marokko, nachdem er über 24 Jahre unterwegs gewesen war. Hier diktierte er dem Dichter Mohammed Ibn Djuzayy seine Erlebnisse unter dem Titel »Reisen in Asien und Afrika«.

Der durch zweieinhalb Jahrzehnte strapazierte Geist Ibn Battutas kam jedoch noch nicht zur Ruhe. Als strengen Muslim trieb es ihn nach Spanien, wo er am Kampf gegen die »Ungläubigen«, nämlich die Christen der Reconquista, teilnehmen wollte. Er hatte aber nur einen Strauß mit christlichen Wegelagerern zu bestehen, die man modern vielleicht mit Partisanen vergleichen könnte. Im Übrigen hielt er sich hauptsächlich im islamischen Königreich Granada, der letzten arabischen Bastion auf der Iberischen Halbinsel, auf.

Den Schlussstrich unter sein Wanderleben zog Ibn Battuta, als er am 18. Januar 1352 seine letzte bedeutende Fahrt antrat. Sie führte ihn auf den Karawanenwegen, deren Mühsale dem Fünfzigjährigen sehr zu schaffen machten, durch die Sahara an den oberen Niger und in die geheimnisvolle Stadt Timbuktu, die ihn jedoch sehr beeindruckte. Agades, Gao und das Königreich Mali der Mandingoneger waren weitere Stationen dieser Reise, die es an Eindrücken jedoch nicht mit seinen asiatischen Erlebnissen aufnehmen konnte. Hinzu kam, dass man es hier an Ehrerbietung ihm gegenüber fehlen ließ. Ungeziefer und Hitze machten ihn beinahe mürbe, und an den Mahlzeiten fehlten jene feinschmeckerischen Raffinessen, die nun einmal zum Lebensstil eines Orientalen gehörten. In Agades erreichte ihn das Schreiben des Sultans von Marokko, was für die hervorragende Nachrichtenverbindung jener Zeit spricht, und das ihn zur Rückkehr bewog. Glücklicherweise zog er im Monat Ramadan durch das Hoggargebiet, wo er in dieser einzigen ruhigen Zeit des Jahres von muslimischen Wüstenräubern verschont blieb, die dieses Fest ebenfalls respektierten. Zwei Jahre nach dem Aufbruch zu dieser letzten Reise traf er schließlich Ende Dezember 1353 wieder in Marokko ein.

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Genügsam wie die Kamele, die er zu betreuen hat, lebt
dieser Beduinenjunge in der Steppe, immer aber die
Hand nach einem Bakschisch ausstreckend
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Noch 22 Jahre lebte er in seiner alten Heimat und genoss dort große Ehren. Im Jahre 1377 rief Allah seinen strenggläubigen, aber doch lebensgewandten Diener für ewig in das von seinem Propheten Mohammed gepriesene Paradies.

Ein Mann von Intellekt
und Wissbegierde

Ibn Battutas Reiseberichte sind nicht allein für die Wissenschaft von Bedeutung, gab er doch genaue Beschreibungen von Land und Leuten seiner Zeit, sondern auch für den an frühen Entdeckungen und Abenteuern Interessierten, der hier in ein Jahrhundert zurückversetzt wird, das reich an politischen Ereignissen und kulturellen Schöpfungen in Asien war, aber auch bereits den Aufbruch der Kulturvölker, die Welt näher zu erforschen, einleitete.

Ibn Battuta verfällt nicht dem Reiz, seine Berichte mit Übertreibungen oder Märchen auszuschmücken, sondern bleibt stets auf dem Boden der Tatsachen oder zumindest des ihm Mitgeteilten. Abweichungen davon sollten daher nicht überbewertet werden. Wenn er nämlich beim Besuch Ceylons den Adam’s Peak, der damals Serendib genannt wurde, besteigt und von ihm glaubt, er sei der höchste Berg der Welt, so mag ihn der Eindruck überwältigt haben, den er bereits auf der Anfahrt vom Meer aus hatte, und der bei einer Erhebung von 2243 Metern über dem Meer, aus dem dieser Berg scheinbar unmittelbar emporstrebt, auch einen modernen Menschen zu falschen Schätzungen verleitet. Wenn Ibn Battuta dennoch einmal der durch Jahrhunderte der Seefahrt spukenden und aus den Erzählungen von Tausendundeiner Nacht bekannten Sage vom Vogel Rock verfällt, so muss man die ganze Mentalität der Leute des Mittelalters verstehen, die auf kleinen, leichten Schiffen im riesigen, von seinem Umfang nur wenig bekannten Meer stets in Furcht vor dem Unbekannten und dem Gigantischen lebten. Inmitten einer Schar zitternder und sich verloren glaubender Seeleute mag schließlich auch Ibn Battuta von der allgemeinen Psychose angesteckt worden sein und in einer atmosphärischen Erscheinung jenes legendäre Riesentier erblickt haben.

Neben solchen meist persönlichen Impressionen darf man jedoch Ibn Battutas Berichten den Glauben schenken, der bei fast allen arabischen Reisenden jener Jahrhunderte angebracht ist, zumal sich auch Vergleiche anbieten, die viele seiner Behauptungen bestätigen. Seine Fahrten übertreffen an Entfernung und Zeitdauer die weltberühmt gewordene Reise Marco Polos und sind in ihrem literarischen Ertrag zumindest ebenbürtig, trotzdem aber auch heute noch nur einem recht kleinen Kreis geläufig. Dies mag auch darin begründet sein, dass sich im Werk Ibn Battutas, das sich ja aus mehreren Einzelarbeiten zusammensetzt, viele Schilderungen jener Gegenden des Vorderen Orients befinden, die weitgehend bekannt sind und es damals schon waren, zum anderen Ibn Battuta nicht immer die zeitliche Folge einhält und in spätere Abschnitte Reflexionen früherer Erlebnisse einbaut. So hatten bisher alle Herausgeber bei der Einordnung des tatsächlichen Ablaufs der Ereignisse einige Schwierigkeiten. Die mangelnde Kenntnis Ibn Battutas und seines Lebenswerks dürfte auch darin begründet sein, dass man in Europa und damit im nichtmuslimischen Bereich keinen allgemeinen Kontakt zu arabischen Schriftstellern besaß, weshalb ein Ibn Battuta im Schatten Marco Polos verschwand, der in dem geistig aufblühenden Italien seiner Zeit eine gute Ausgangsbasis für die Aufnahme seiner Erlebnisse vorfand.

Die Schwierigkeit bei der Einordnung der Berichte Ibn Battutas erklärt auch, weshalb sich die bisherigen Veröffentlichungen meist über mehrere Jahre erstreckten. Vier Bände gaben C. Defremery und B. R. Sanguinetti zwischen 1853 und 1858 in Paris heraus, und auch die Gesamtausgabe von Sir Hamilton Gibb, »The Travels of Ibn Battuta«, nahm die Jahre 1958 bis 1971 in Anspruch.

Wenn nun nachfolgend der größte Weltreisende des Mittelalters zu Wort kommt, so muss dies im Rahmen einer Auswahl und nicht eines umfassenden Werkes geschehen. Von der Bedeutung her gesehen, wird seine wichtigste und zeitlich längste Reise, der Besuch und Aufenthalt in Indien wie auch die Fahrt nach China und die Rückkehr über die indonesische Inselwelt, den größten Raum beanspruchen. Mit dieser Reise und ihrer Beschreibung hat nämlich Ibn Battuta die bis dahin traditionellen Gebiete arabischer Geographen überschritten und seiner islamischen Welt erstmals ein umfassendes Bild jener Länder vermittelt, die zwar den Händlern nicht mehr unbekannt waren, aber für die Mehrzahl seiner Zeitgenossen jenseits des eigenen Vorstellungsbereichs lagen. Wo andere, auch noch für den modernen Leser interessante Momente und vielleicht kuriose Erlebnisse Ibn Battutas gegeben sind, sollen sie in geraffter Form und in Auszügen ein Bild von der Vielgestaltigkeit jener spätmittelalterlichen Zeit, in der sich bereits ein Umbruch andeutet, vermitteln.

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Zwischen Marokko und Indonesien leben rund 400 Millionen
Menschen, die sich zum Islam bekennen. Die Moschee ist, von
Mohammed eingeführt, Mittelpunkt des religiösen Lebens. Zu
den berühmtesten zählt die Omar-Moschee in Jerusalem
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Zum Verständnis zahlreicher Kommentare Ibn Battutas soll noch darauf verwiesen werden, dass der Araber ein strenggläubiger Muslim war. Wenn er sich unterwegs einen eigenen Harem zulegt, wenn er sich junge, hübsche Sklavinnen kauft und behauptet, dass es für ihn eine Selbstverständlichkeit sei, täglich mit all seinen Frauen und Konkubinen zu schlafen, so ist dies für ihn und seine Religion durchaus nicht unsittlich. Auch seine geradezu bestürzende Teilnahmslosigkeit, als ihm eine solche Frau eine Tochter schenkt, lässt sich nur aus der Gesamthaltung des Muslims zu weiblicher Nachkommenschaft erklären. Hingegen spricht er mit Leidenschaft gegen die Unzucht, die ihm besonders in den unbekleidet umhergehenden Frauen Afrikas entgegentritt; hier ist es nicht das Geschlechtliche, sondern die Nacktheit, die den an verschleierte, ja fast vermummte Frauen gewöhnten Muslim abstößt, während Sklavinnen und Dirnen ihre ganzen Reize in der Öffentlichkeit demonstrieren dürfen.

Schließlich soll nicht übersehen werden, dass Ibn Battuta auf seinen Reisen Handel trieb, dass er also von Geschäften und Gewinn abhängig war. Auch diese Tatsache findet immer wieder ihren Niederschlag in Äußerungen und Bewertungen. Als Rechtsgelehrter und mehrfacher Mekkapilger genoss er außerdem an Fürstenhöfen im islamischen Bereich besondere Achtung. Es ist daher verständlich, wenn er einen Khan oder Sultan vornehmlich danach beurteilt, wie sich dieser ihm gegenüber verhält. Je reichhaltiger die Geschenke und je eindrucksvoller die Freizügigkeit, die ihm widerfuhr, desto günstiger lauteten die Prädikate, die Ibn Battuta einem Gastgeber zu verleihen bereit war. Knausrige Potentaten hingegen konnten nicht mit der literarischen Gunst des schon zu seinen Lebzeiten geschätzten Arabers rechnen. Geschenke, Bestechungen und überschwängliche Lobhudeleien haben noch in der Gegenwart im Orient einen anderen Stellenwert als im Abendland.

Trotz allem steht fest, dass die geistige Welt mit Ibn Battuta einen Autor besitzt, der an Mut, Wissbegierde und am konsequenten Festhalten seines Ziels, auch bei schweren persönlichen Rückschlägen, den großen Entdeckern und Weltreisenden ebenbürtig ist, die meisten von ihnen aber an Intellekt und an der Fähigkeit, seine Eindrücke schriftlich festzuhalten, in den Schatten stellt.

Der Kenner arabisch-islamischer Dichtung, die sich durch blumenreiche Sprache und vielgestaltige Bilder auszeichnet, wird solches bei Ibn Battuta vermissen. Dieser Araber hatte nie im Sinn, seinen Zeitgenossen und der Nachwelt ein literarisches Denkmal zu schenken. Ihm ging es allein darum, seine Erlebnisse und Eindrücke aus fremden Ländern festzuhalten, dazu zwar den Wortschatz seiner damals hochentwickelten Muttersprache auszuschöpfen, jedoch keine dichterische Großtat zu liefern. Ibn Battuta bleibt stets sachlich, manchmal vielleicht sogar zu nüchtern. Aber gerade diese Tatsache macht seine Niederschrift auch noch für unsere Zeit interessant.

Der Maßstab, den man an Ibn Battutas Arbeit legen will, wird sich daher immer innerhalb der Grenzen dieser Tatsachen zu bewegen haben.

Es erschien notwendig, verschiedene Namen und Begriffe zu erläutern. Um historische Fakten und die geographische Lage sichtbar zu machen, mussten die Bezeichnungen zahlreicher Städte, Flüsse und Gegenden durch den modernen Ausdruck ergänzt werden. Um aber den Fluss der Darstellung nicht durch einen Anmerkungsapparat zu stören, wurden diese Erklärungen in Klammern gesetzt und sehr kurz gehalten. Weitere Erläuterungen geographischer und anderer Begriffe sind am Schluss des Buches zu finden. Dem Interessenten, der sich näher mit Ibn Battuta, seiner Zeit und den arabischen Reisenden des Mittelalters beschäftigen möchte, soll das Literaturverzeichnis weitere Hinweise geben.

Am Ende dieser Einleitung sei noch ein Wort erlaubt. Indem Ibn Battuta seine Erlebnisse dem Dichter Ibn Djuzayy diktierte, vermuten manche, die literarische Arbeit sei nur jenem – modern ausgedrückt – »Ghostwriter« zuzuschreiben. Aber gerade dies dürfte nicht zutreffen; denn arabische Poeten sind für ihre äußerst blumenreiche Sprache bekannt, und bei einem solchen Thema wäre sicher jeder Dichter der Versuchung verfallen, das ganze Reservoir der arabischen Sprache auszuschöpfen. Da dies aber nicht der Fall ist, darf man mit Recht annehmen, dass in diesem Werk Ibn Battuta selbst spricht.

Hans D. Leicht

Ibn Battuta

Reisen ans Ende der Welt

Chorasan
und Transoxanien

Durch Steppe und Wüste

Im Namen Gottes des gnädigen Erbarmers, des Allmächtigen! Gott segne unseren Herrn Mohammed, seine Familie und seine Genossen und gebe ihnen Heil!

Zehn Tage nach unserem Aufbruch von Al-Sara, der Residenz des Sultans Uzbek (Sarai, auf der Ostseite der Wolga, in Höhe des heutigen Wolgograd), trafen wir in Sarachuq ein, das am Ufer des großen und wasserreichen Flusses Ulusu (Ural) liegt, den wie in Bagdad eine Schiffsbrücke überquert. Hier war unseren Pferden als Zugtieren eine Grenze gesetzt. So entlohnten wir die Pferdeführer und mieteten Kamele.

Nach einem kurzen Aufenthalt in dem von einem alten und frommen Türken geleiteten Hospiz brachen wir wieder auf. Dreißig Tage lang waren wir dann unterwegs, angestrengt marschierend, mit nur zweistündiger Rast am Tag. Lediglich zum Zubereiten der Mahlzeiten machten wir eine längere Pause. Jeder von uns aß und schlief in seinem Wagen, auch wenn dieser durch die Steppe holperte. Bei mir im Wagen hatte ich drei Sklavinnen. Denn in dieser Wildnis reist man möglichst schnell, weil keine Herbergen zur Verfügung stehen und man auf die einzelnen Wasserstellen angewiesen ist, die eine Strecke von zwei oder drei Tagen auseinanderliegen.

Auf diese Weise kamen wir schließlich nach Chwarizm (Urgentsch), der größten, schönsten und bedeutendsten Stadt der Türken. Hier gibt es prächtige Basare, breite Straßen, viele Gebäude und Einrichtungen, die der Behaglichkeit dienen. Wie ein aufgewühltes Meer wogt die Masse der Bevölkerung durch diese Stadt. Als ich eines Tages mit dem Pferd ausritt und in den Basar kam, musste ich mein Vorhaben nach halbem Weg aufgeben, so sehr war ich von der Menge eingekeilt. Auch der Weg zurück war mir versperrt. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mit größter Geduld zu warten, bis sich eine Möglichkeit bot, nach langer Zeit und mit erheblichen Schwierigkeiten den Rückzug anzutreten. Ich folgte einer Empfehlung und besuchte an einem Freitag den Basar, wo er weniger bevölkert war. Da konnte ich dann bis zur großen Moschee und ihrer Koranschule vordringen.

Die Stadt gehört zum Herrschaftsbereich von Sultan Uzbek, der hier durch seinen Emir Qutludumur repräsentiert wird. Er war der Erbauer der Koranschule, während seine fromme Frau Turabak die Moschee errichten ließ. Der Emir, ein Verwandter des Sultans, ist Gouverneur von Chorasan.

Kadi Abu Hafis Omar, der mich in sein prächtiges Haus eingeladen hatte, berichtete mir, dass der Emir bereits von meiner Ankunft unterrichtet worden sei, mich aber hier nicht besuchen könne, da er sich von einer Krankheit noch nicht erholt habe. So begab sich der Kadi mit mir in die Residenz. In einer kleinen, reich geschmückten Halle empfing uns der Emir. Er saß auf einem Seidenteppich und hatte eine Decke über seine Beine gebreitet, da er an Gicht litt, einem unter den Türken sehr verbreiteten Leiden. Ich musste ihm vom Sultan, von meinen bisherigen Reisen und der Stadt Byzanz erzählen. Anschließend wurde auf goldenen und silbernen Schüsseln ein reichhaltiges und hervorragend schmeckendes Mahl aufgetragen.

In die Herberge, die sich in der Schule befand, zurückgekehrt, erhielten wir vom Gouverneur reiche Geschenke, darunter auch Lebensmittel und Brennmaterial. Nach einem Freitagsgebet in der Moschee erklärte mir Kadi Abu Hafis, dass der Emir Anweisung gegeben habe, mir 500 Dirhams zu schenken und für mich ein Bankett, ebenfalls im Wert von 500 Dirhams, vorzubereiten, an dem die Scheichs, Gelehrten und Persönlichkeiten der Stadt teilnehmen sollten. Ich begab mich zu ihm und sagte ihm: »O Emir, du lässt ein Bankett für mich bereiten, bei dem doch alle Teilnehmer nur ein wenig essen können. Wenn du jedem seinen Anteil an Geld geben würdest, so hätte er mehr davon.«

Dies tat er dann auch. Ich erhielt aber auch tausend Dirhams und kaufte mir ein vorzügliches Pferd, das mich für die nächsten drei Jahre begleiten sollte. Die Frau des Kadis schickte mir hundert Silberdinare, und ihre Schwester Turabak, die Frau des Gouverneurs, gab mir zu Ehren ein Bankett, an dem dann die schon erwähnten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens teilnahmen. Sie sandte mir auch ein Pelzgewand und ein vortreffliches Pferd, die tugendhafteste, frömmste und großzügigste aller Frauen – Gott möge ihr alles Gute angedeihen lassen!

Die in Chorasan wachsenden Melonen sind unübertrefflich, vielleicht noch mit jenen von Buchara oder Isfahan zu vergleichen. Ihre Schale ist grün und das extrem süße Fleisch von roter Farbe. Sie werden in Streifen geschnitten, an der Sonne getrocknet und in Körbchen nach Indien und China exportiert. Während meines Aufenthalts in Delhi wurden mir immer wieder solche Melonenstreifen zu den Mahlzeiten vorgesetzt.

Zu meiner Weiterreise mietete ich Kamele und kaufte eine Doppelsänfte. Die Diener ritten einige der Pferde, während der Kälte wegen die anderen Tiere in Pferdedecken gehüllt wurden. So brachen wir in die Wildnis Chorasmiens auf, einen 18-Tage-Marsch durch unbewohnte Sandgebiete vor uns.

Nach vier Tagen erreichten wir die Stadt Al-Kat, den einzigen Ort an dieser Strecke (die alte Hauptstadt von Chorasmien, auf dem rechten Ufer des Amu-Darja, etwa 50 km nordöstlich von Chiwa). Wir kampierten außerhalb der Stadt an einem See, der zugefroren war. Die Buben spielten und rutschten darauf herum. Der Richter von Kat hatte von meiner Ankunft erfahren und suchte mich auf, wobei ihn die Theologiestudenten und die Scheichs der Stadt begleiteten. Auch der Emir erschien bei mir mit seinen Offizieren und Dienern. Obwohl wir rasch weiterreisen wollten, drängte er mich, ihm zu Ehren an einem Bankett teilzunehmen, bei dem die in der Stadt lebenden Dichter ihre Verse rezitierten.

Sechs Tage lang ging es dann durch die Wüste, in der es keinen Schluck Wasser gab. Eine Tagesreise vor Buchara kamen wir in die hübsche Stadt Wabkana, die zahlreiche Wasserläufe und Obstanlagen besitzt. Ihre Bewohner pflanzen vor allem die Pflaume an, die sie als Trockenfrucht nach Indien und China ausführen. Im grünen Zustand ist diese Pflaume süß, getrocknet besitzt sie jedoch eine scharfe Säure, die, mit Wasser vermischt, getrunken wird. Mir ist aus Spanien oder Marokko nichts dergleichen bekannt.

Durch eine dichtbesiedelte und kultivierte Gegend mit Wäldern und Flüssen waren wir einen Tag lang unterwegs, um nach Buchara zu gelangen. Dies war einst die Hauptstadt der Länder jenseits des Oxus (Amu-Darja), bevor sie vom verfluchten Dschingis Khan, dem Tataren, zerstört wurde. Mit wenigen Ausnahmen liegen daher heute ihre Moscheen, Schulen und Basare in Schutt und Asche. Auf ihre Bewohner blickt man jetzt verächtlich herab, und ihr Wort hat keine Geltung mehr. Sie legen falsches Zeugnis ab und halten es mit der Wahrheit nicht genau. Nicht ein Mensch hat eine religiöse Erziehung mehr oder bemüht sich auch nur um eine solche.

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Araber beim Hüten der Kamele

(Schule von Bagdad, 13. Jahrhundert)

Das Erbe Dschingis Khans

Dschingis Khan war ursprünglich ein Hufschmied im Land Cathay (Nord- und Nordwestprovinzen von China). Als untadeliger, die Strenge liebender Mann sammelte er mit der Zeit eine Reihe von Leuten um sich, die ihn schließlich zu ihrem Anführer wählten. Bald hatte er in seinem eigenen Land die Herrschaft errungen. Er wurde durch seine Härte und Angriffslust bekannt. Es gelang ihm, die Könige von Cathay und China zu besiegen. Mit seiner an Zahl immer mehr wachsenden Armee unterwarf er die ganzen Länder des Ostens, verhielt sich jedoch gegenüber Jalal ed-Din Sanjar, dem König von Chorasan und Transoxanien, sehr zurückhaltend und vermied jeglichen Konflikt, da er dessen Macht und militärische Stärke fürchtete.

Da geschah es, dass Dschingis Khan eine Gruppe von Händlern mit Waren aus China und Cathay, besonders Seide, in die Stadt Utrar, die letzte Siedlung im Gebiet von Jalal ed-Din, sandte. Der dortige Gouverneur benachrichtigte den Sultan und bat um eine Anweisung, was er mit diesen Kaufleuten tun sollte. Jalal ed-Din befahl, den Händlern die Waren abzunehmen, sie selbst zu verstümmeln und ohne Glieder in ihr Land zurückzuschicken. Diese grausame Behandlung seiner Leute veranlasste Dschingis Khan, sich selbst an die Spitze seiner Truppen zu stellen und in die Länder des Islam einzufallen. Der Gouverneur von Utrar hatte Spione ausgeschickt, von denen sich einer als Bettler Einlass in das tatarische Lager verschaffte. Als dieser Spion beobachtete, wie sich die Soldaten verhielten und wie sie sich von tierischen Eingeweiden mit Pferdeblut ernährten, berichtete er nach der Rückkehr seinem Gouverneur, dass niemand auf der Welt die Macht besäße, mit Erfolg gegen ein solches Heer zu kämpfen.

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Die Große Versammlung, in der Dschingis Khan proklamiert wird

(Raschid ed-Din, 14. Jahrhundert)

Die von Jalal ed-Din aufgestellte Armee mit 60 000 Mann wurde von Dschingis Khan vernichtet. Die Tataren eroberten die Stadt Utrar, wo sie alle Männer umbrachten und die Kinder in die Sklaverei schickten. Nach mehreren Schlachten, die in die Geschichte des Islam eingegangen sind, besetzte Dschingis Khan schließlich Transoxanien, verwüstete Buchara, Samarkand, Balkh und andere Städte, um letztlich in den Irak einzufallen und Bagdad, die Hauptstadt des Islam, zu erobern, womit der Untergang des Kalifats besiegelt war. Dem Blutbad der Tataren fielen im Irak allein 24 000 Koranschüler zum Opfer.

Nach Ankunft in Buchara nahmen wir in dem Stadtteil Fath Abad Quartier, wo sich das Grabmal des gelehrten Scheichs und frommen Asketen Saif ed-Din al-Bakharzi, eines großen Heiligen, befindet.

Auf unserer Weiterreise kamen wir nach Nakhshab, einer kleinen, von Gärten und Wasserläufen umgebenen Stadt, an deren Rand wir in einem dem Gouverneur gehörenden Haus Unterkunft erhielten. Ich hatte eine Sklavin bei mir, die ihrer Niederkunft entgegensah. So bemühte ich mich, sie nach Samarkand bringen zu lassen, wo sie entbinden sollte. In einer Sänfte, die von einem Kamel getragen wurde, brachte sie einer meiner Begleiter noch in der Nacht fort, wobei ich dem kleinen Trupp ausreichend Proviant und andere Dinge des notwendigen Bedarfs mitgab.

Ich selbst blieb zurück, um am Tag weiterzureisen. Mit meinen Begleitern benutzte ich jedoch eine andere Route, sodass wir erst spät am Abend und fast ausgehungert das Lager des Sultans erreichten, das jedoch immer noch weit von der nächsten Einkaufsmöglichkeit entfernt lag. Ein Mitreisender verfügte noch über einige Lebensmittel, mit denen wir unseren größten Hunger stillen konnten. Nachdem wir in einem geliehenen Zelt übernachtet hatten, setzten wir unseren Marsch fort und holten am Abend die andere Gruppe mit meiner Sklavin ein.

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Hofhaltung des Sultans (Miniatur, 14. Jahrhundert)

Da sich Sultan Ala ed-Din Tarmaschirin gerade auf der Jagd befand, wies mir Emir Taqbugha eine Unterkunft neben seinem Gebetszelt an. Ich brachte die Sklavin in ein Zelt, wo sie noch in der Nacht einem Kind das Leben schenkte. Man berichtete mir, dass sie einen Jungen zur Welt gebracht habe. Doch war dem nicht so; denn nach der Zeremonie der Namensgebung (sieben Tage nach der Geburt, wobei das Gewicht des geschorenen Kinderhaares in Gold oder Silber als Almosen gegeben werden musste) erfuhr ich, dass es sich um ein Mädchen handelte. Daher befahl ich die Sklavin zu mir, und sie bestätigte mir die Geburt eines Mädchens. Das Kind war unter einem glücklichen Stern zur Welt gekommen, und ich hatte Freude und Genugtuung über den Zeitpunkt der Geburt. Aber zwei Monate nach meiner Ankunft in Indien starb das Mädchen.