Toni der Hüttenwirt 142 – Das Geheimnis des Bergsees

Toni der Hüttenwirt –142–

Das Geheimnis des Bergsees

Ein Herz ist ein besonderer Schatz

Friederike von Buchner

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.keltermedia.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74091-734-0

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Der Himmel wölbte sich strahlendblau über Waldkogel. Die Sonne schien. Es war ein sehr warmer Sonnentag. An der Haustür des Pfarrhauses hing ein großer Zettel. Darauf stand:

Treffen heute im Garten!

Die Tür zum Garten stand offen. Nach und nach kamen die Frauen zur wöchentlichen Kaffeerunde, zu der Helene Träutlein eingeladen hatte. Die Frauen trafen sich regelmäßig unter der Leitung von Pfarrer Zandlers Haushälterin. Sie tranken zusammen Kaffee und machten Handarbeiten, die sie in der Adventszeit für einen guten Zweck verkauften. Aber seit zwei Wochen blieben die Wollknäuel, Strick- und Häkelnadeln in den Körben. Es gab bei den Frauen nur noch ein einziges Thema, die Wahl des ›Waldkogeler Bergmadls’.

»Also, des ist mit meinem Alten daheim nimmer auszuhalten. Mei, ich hab’ mir schon überlegt, ob ich mir Watte in die Ohren stopfe oder mir in der Apotheke in Kirchwalden Ohrenstöpsel hole. Er redet von nix anderem mehr. Es ist grausig«, schimpfe Maria Lechbacher.

»Da bist net die Einzige, Maria. Bei uns daheim ist es genauso. Mein Mann und die Buben reden auch über nix anderes mehr. Es geht nur noch darum, welches Madl sie wählen«, warf eine andere ein.

»Es sind doch noch keine Fotos ausgehängt. Wie wollen sie dann entscheiden?«

Alle lachten.

»Jeder kann sich an den Fingern abzählen, dass jedes Madl zwischen achtzehn und fünfundzwanzig dabei mitmacht. Meine Buben, die machen schon Listen«, sagte Hedi. »Dabei sind sie auch schon öfters in Streit geraten.«

»Genau wie bei uns daheim. Es ist erschreckend, mit wie viel Interesse die Burschen des verfolgen. Ich habe ja immer gedacht, sie würden sich nur über Fußball so ereifern. Aber jetzt, da drehen sie fast durch. Wo soll das noch hinführen? Ich sage euch ehrlich, dass ich froh bin, wenn diese seltsame Wahl herum ist. Wie der Fellbacher auf so eine Idee kommen konnte, ist mir ein Rätsel. Mei, so eine Schönheitskönigin, die brauchen wir hier bestimmt net!«, betonte Anneliese mit Nachdruck.

Alle stimmten ihr zu.

»Wo ist eigentlich die Irene? Kommt die heute nicht?«

Helene Träutlein schenkte eine weitere Runde Kaffee ein.

»Die Irene Fellbacher hat angerufen. Sie kommt, es kann aber ein bisserl später werden, hat sie gesagt.«

»Sie will sich doch nicht drücken?«, rief Maria. »Dass es hier in der Runde im Augenblick net so angenehm für sie ist, das kann ich verstehen. Aber ganz freisprechen kann ich sie nicht.«

»Genau«, stimmte Hedi zu, »die Irene hätte des ihrem Fritz ausreden müssen. Des ist doch ein Schmarrn, des Ganze! Wir brauchen so eine Wahl in Waldkogel nicht. Des gibt nur noch mehr Ärger. Ihr wisst ja, dass ich zwei Madln hab. Die Große ist zwanzig und die Kleine ist siebzehn Jahr’. Sie sind vom Schönheitsfieber befallen. Jeden Tag probieren sie eine neue Frisur aus und ein neues Make-up. Ihre Zimmer gleichen einer Theatergarderobe. Und jetzt kommt noch des Dickste: Sie wollen nach München und sich von einem Stylisten beraten lassen. Die spinnen doch! Also, ich weiß mir bald nimmer zu helfen. Und Geld geben die aus! Da haben sie jahrelang gespart. Es sollte für später sein, wenn sie mal heiraten. Jetzt werfen sie des Geld nur so mit vollen Händen hinaus. Jeden Tag ziehen sie durch die Läden in Kirchwalden und kommen mit Tüten und Kartons voller Kleider und Schuhe heim. Die ersten Tage hab’ ich mir des Zeugs noch angesehen und vorführen lassen. Na, jetzt mache ich des nimmer. Ich hab’ ihnen gesagt, sie sollen mit ihrem Krempel in ihre Zimmer verschwinden. Ich will nix mehr sehen und hören. Ihr braucht euch net über eure Buben und Mannsbilder auszulassen. Des ist eine Kleinigkeit, gegen das, was sich bei mir daheim abspielt, des sage ich euch. Narrisch geworden! Alle beide! Des ist schon beängstigend«, machte sich Gisela Luft.

Sie seufzte tief.

Die Frauen sprachen weiter über dieses Thema und es ging ziemlich laut dabei zu. Pfarrer Zandler saß im Studierzimmer und las. Er konnte sich nicht konzentrieren und schloss das Fenster. Er machte sich leise Musik an. Ihn plagte auch etwas das schlechte Gewissen, weil er fand, dass er nicht ganz unschuldig an der Angelegenheit war. Aber die Sache war nun einmal angelaufen und konnte schwerlich aufgehalten werden. Es war, als gingen sowohl mit den Mannsbildern als auch mit den Madln die Pferde durch. Aber neugierig war Pfarrer Zandler schon. Deshalb machte er das Fenster wieder auf und lauschte.

Als Irene Fellbacher in den Garten kam, verstummten alle für einen Augenblick. Helene Träutlein rückte zur Seite, damit sich Irene neben sie setzen konnte.

»Ich gebe dir gleich einen Kaffee.«

»Danke, Helene! Ich habe gerade in Kirchwalden Kaffee getrunken. Ich habe die Kinder zu meinen Eltern gebracht.« Sie seufzte leise und fügte hinzu: »Da bleiben sie jetzt auch bis zum Ende der Schulferien. Gefallen tut ihnen des net, aber darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Ich musste sie aus dem Weg haben.«

»Mei, was hast vor?«, fragte Hedi.

»Ich will in Streik treten.«

»Wie bitte?«

»Streiken willst?«

»Wie kommst denn auf so etwas?«

Irene Fellbacher prasselten die Fragen entgegen. Sie nahm jetzt doch einen Kaffee.

»Also gut, sage ich es euch besser selbst, bevor es zu Gerüchten kommt.«

Sie trank einen Schluck Kaffee. Dann atmete sie tief durch. Sie schaute in die Runde.

»Also, dass es schon mal klar ist. Ich hab’ net vor, mich von meinem Fritz scheiden zu lassen. Aber streiken tue ich! Mit dem Mann ist kein vernünftiges Wort mehr zu reden, seit dieser depperten Idee, mit dem Schönheitswettbewerb. Mei, ich weiß, dass er als Bürgermeister abends oft fort muss. Aber seit es diese Arbeitsgruppe gibt, sehe ich ihn überhaupt nimmer. Die Kinder sind schon unruhig geworden, weil er keinen Abend mehr daheim ist. Wenn der dann kommt, dann höre ich nur noch von diesem narrischen Schönheitswettbewerb. Ich habe beschlossen, zu streiken.«

»Heißt des, du ziehst bei euch daheim ins Gästezimmer?«, fragte Maria, ohne dabei rot zu werden.

»Ob ich des mache, des weiß ich noch net. Ich kann mir ja auch ein Zimmer im Hotel ›Zum Ochsen‹ nehmen. Habe ich net das Recht, mal Urlaub zu machen? Mich zu erholen? Alles ist so selbstverständlich, Kochen, Waschen, Bügeln, dem Herrn die Schuhe putzen, um die Kinder kümmern, den Garten in Ordnung halten und so weiter und so weiter. Ihr wisst genau, von was ich rede. Und alles ist so selbstverständlich! Naa, so geht des net weiter, das habe ich gestern beschlossen.«

»Ja, hast mit deinem Mann net erst mal geredet, Irene?«, fragte Helene Träutlein.

»Helene, nimm es mir nicht übel, aber von so einer Sache verstehst du nix! Du bist unverheiratet und bekommst deine Hausarbeit bezahlt. Du hast einen geregelten Urlaub und freie Abende und Nächte, wenn ich das mal umschreiben darf. Also halte dich da heraus.«

Helene Träutlein verzog erstaunt das Gesicht. Dass Irene sie so offen kritisierte, überraschte sie. Doch sie fasste sich schnell.

»Irene, ich kann verstehen, dass du auf deinen Fritz sauer bist. Ich billige dir auch zu, dass du mir in gewisser Weise absprichst, dass ich da mitreden kann. Aber so ein Streik, ich weiß nicht, kann es dadurch nicht schnell zu einem dauerhaften Streit kommen? Zuerst sollte man doch immer miteinander reden und versuchen, sich in der Mitte zu treffen. Der Fritz scheint doch ein ganz vernünftiger Mann zu sein.«

»Normalerweise, aber wir haben im Augenblick keine normalen Zeiten in Waldkogel. Sicher hab ich es versucht, wie wir wohl alle hier, oder?«

Irene schaute in die Runde und erntete zustimmendes Nicken.

»Ich habe mit dem Fritz geredet, an seine Vernunft und an seine Verantwortung appelliert. Nix! Nichts hat geholfen. Da habe ich gedroht. Meine Drohung verpuffte. Ich mache sie wahr. Wenn er erst selbst die Hausarbeit machen und jeden Tag auswärts essen muss, vielleicht kommt er dann zu Besinnung. Es kommt mir vor, als bestünde seine Welt nur noch aus feschen, jungen Madln. Erspart mir, über was die Mannsbilder in dieser Arbeitsgruppe alles reden. Die steigern sich da in etwas hinein, des nimmer feierlich ist. Und ich nehme des nimmer hin!«

Sie stöhnte.

»So, jetzt frage ich euch, wann haben sich die Mannsbilder mal so viele Gedanken um uns gemacht?«

Es entstand Gemurmel rund um den Kaffeetisch. Irene Fellbacher lächelte.

»Jedenfalls will ich, dass sich etwas ändert, jedenfalls bei mir daheim. Nur mit einem schönen großen Blumenstrauß zum Muttertag ist das nicht mehr getan. Vielleicht bin ich für euch kein gutes Vorbild. Aber darauf nehme ich keine Rücksicht. Mein Fritz wird jetzt seine Lektion lernen, das schwöre ich euch. Und ich sage euch gleich noch etwas. Sollte es eine von euch wagen, den Fritz zum Essen einzuladen, dann kann sie mich kennenlernen. Sicher wird er sich bei seinen Freunden ausheulen. Ich denke mir schon, dass sie ihn herumreichen, ihn zum Essen einladen. Aber ich warne euch! Wenn ihm eine hilft, dann kann sie mich von einer anderen Seite kennenlernen.«

»Du drohst uns?«, rief Maria vom anderen Ende des Tisches her.

»Fass es auf, wie du es willst, Maria. Ich will nur nicht, dass mir jemand in den Rücken fällt. Mit der Gina habe ich auch schon geredet. Sie wird ihm im Rathaus kein Frühstück machen und seinen Kaffee kann er sich selbst kochen. Mit der Meta Baumberger habe ich auch gesprochen. Mittagstisch bieten die Baumbergers eigentlich nicht an. Xaver und Meta machen die Wirtschaft erst am späten Nachmittag auf. Aber wir wissen alle, dass die Franziska und der Sebastian jeden Tag nach der Schule bei den Baumberger Großeltern zum Mittagessen gehen. Außerdem gibt es gelegentlich doch einen Mittagstisch für Reisegruppen, auch wenn es mehr die Ausnahme ist. Aber Meta hat versprochen, den Fritz abzuweisen, falls er auf den Trick verfällt, sich bei ihr einzuschmeicheln.«

Irene schaute Helene an, die neben ihr saß.

»Es kann sein, dass er dann mit seinem Freund essen will. Helene, du musst mit dem Pfarrer reden. Wenn er ihn einlädt, im Pfarrhaus zu essen, dann …, ja, dann hat er mich zum letzten Mal in der Messe gesehen. Kannst ihm ruhig erzählen, dass ich auch auf ihn sauer bin. Er hat den Fritz in seiner depperten Idee noch bestärkt. Zandler muss für einen Augenblick den Verstand verloren haben, Helene.«

Irene Fellbacher atmete tief durch.

»So, des war alles, was ich euch sagen wollte. Ich kann jetzt nicht länger bleiben. Ich habe in Kirchwalden eine Freundin getroffen. Wir beide gehen heute Abend ins Kino und vielleicht gehen wir anschließend noch auf ein Bier in den Biergarten. Was die Mannsbilder können, das können wir auch!«

Die Frau des Bürgermeisters stand auf. Sie nahm die Handtasche, sagte »Pfüat euch« und ging fort.

Es war ganz ruhig. Die Frauen fingen erst wieder an zu reden, als das Motorengeräusch von Irenes Auto nicht mehr zu hören war. Sie redeten wild durcheinander und diskutierten Irenes Verhalten. Die Meinungen gingen weit auseinander. Sie reichten von Empörung, dass sie so etwas machte, bis hin zu absoluter Zustimmung und Bewunderung. Einige berieten, ob sie sich ihr anschließen sollten. Dann würde hoffentlich bald wieder Ruhe in Waldkogel einkehren.

So ging das die nächste Stunde weiter. Helene Träutlein war froh, als endlich die Kirchturmuhr schlug und das Ende des wöchentlichen Kaffeeklatsches anzeigte. Die Frauen verabschiedeten sich. Helene blieb noch einen Augenblick allein sitzen und trank noch eine Tasse Kaffee. Sie konnte es kaum glauben, was sie eben erlebt hatte.

Pfarrer Zandler kam in den Garten. Er grinste.

»Sie haben alles gehört?«, fragte ihn seine Haushälterin.

Der lachte laut.

»Das Fenster stand offen und es war nicht zu überhören. Na ja, warten wir ab, was geschieht. Das war ja eine wirkliche Drohung von der Irene. Ich denke, es ist besser, wenn ich den Fritz in der nächsten Zeit nicht zum Essen einlade.«

Helene Träutlein zuckte mit den Schultern.

»Wie denkst du darüber, Träutlein?«

»Der Bürgermeister meinte es bestimmt gut mit dem Wettbewerb. Das Ganze scheint aber etwas aus dem Ruder zu laufen, Herr Pfarrer. Können Sie nicht ein bisserl die Zügel anziehen?«

»Versuchen kann ich es! Ob es gelingt, das steht auf einem anderen Blatt. Ich überlege, was zu tun ist, damit der Riss, der sich im Augenblick in der Gemeinde auftut, nicht noch tiefer wird.«

Helene Träutlein stand auf und begann, den Tisch abzuräumen. Pfarrer Zandler ging in die Gartenlaube und setzte sich in den Schatten. Er dachte nach. Aber ihm fiel nichts ein. Er bereute es, Fritz Fellbacher auf dieses Thema gebracht zu haben. Doch seine Reue brachte ihn nicht weiter. Ich muss aufpassen, dass ich nicht noch mehr Öl ins Feuer gieße, dachte er. Er kannte die Männer und Burschen von Waldkogel gut. Insgesamt waren sie alle recht umgänglich und gute Ehemänner und Buben. Aber wenn man sie in die Enge trieb, dann verwandelten sie sich, wider besseres Wissen, in dumme Esel und sture Böcke.