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Michael Feil

Das Morgenlob
für Zuhause und
die Gemeinde

Danke für diesen guten Morgen

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Michael Feil, Diplom-Sozialpädagoge und promovierter Theologe, ist seit 2002 theologischer Referent im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz und Geschäftsführer der Glaubenskommission. Unter anderem arbeitete er intensiv mit an der Familiensynode 2015. Obwohl er nicht gerade ein geborener Frühaufsteher ist, kümmert er sich regelmäßig um das Morgenlob in seiner Gemeinde und ist stets dankbar für den anschließenden Kaffee. Er lebt mit seiner Familie in Bonn.

© Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH, Stuttgart 2019

Alle Rechte vorbehalten

Für die Texte der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift vollständig durchgesehene und überarbeitete Ausgabe

© Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart 2016

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart

Umschlagmotiv: © shutterstock.com, Nitr

Bilder im Innenteil: 13 © Volodymyr Martyniuk/shutterstock.com,

43 © owik2/photocase.com, 71 © horstgerlach/iStock.com, 99 ©
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Satz: wunderlichundweigand

Druck und Bindung: Finidr s.r.o., Lípová 1965,

737 01 Český Těšín, Czech Republic

Verlag: Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH,

Silberburgstraße 121, 70176 Stuttgart

www.bibelwerk.de

eISBN 978-3-460-51054-8
ISBN 978-3-460-25604-0

Inhalt

Einführung

Das Tagzeitengebet in der Gemeinde

„Ein Tag sagt es dem andern“

Den Tag begrüßen

Der Freude eine Chance!

Hoffnung geht irgendwie immer

Was mich umtreibt

Nötig wie Wasser

Wie es sein könnte

„Am Morgen hörst du mein Rufen“

Den Dingen ins Auge sehen

In all meiner Verwundbarkeit

Im Dunkeln

Wenn es mir die Kehle zuschnürt

Im Angesicht von Leid und Tod

Du fehlst mir!

„Wie ein Baum gepflanzt an Bächen voll Wasser“

Zutrauen fassen zu sich selbst

Seine Stimme hören

Ein freies Ja sagen

Was mir Atem gibt

Sich nach Frieden sehnen

Kurs halten

„Lehre mich deine Pfade“

Ein Stück zurückgehen

In mich hineinhören

Meine eigenen Sünden sehen

Den unteren Weg gehen

Neu anfangen

Mit Gottes Augen sehen

„Vor wem sollte ich mich fürchten?“

Den Sprung wagen

Glauben ist auch so eine Sache

Und wenn ich mir nicht sicher bin?

Manchmal ist alles ganz klar

Sich ihm anvertrauen

Dem Sinn nachspüren

Einführung

Das Tagzeitengebet in der Gemeinde

„Wohl dem, der über die Weisung des Herrn nachsinnt bei Tag und bei Nacht.“ An diesen Gedanken, der ganz vorne im alttestamentlichen Buch der Psalmen steht, knüpft sich die Idee, den ganzen Tag mit Gebet und Lobpreis Gottes auszufüllen. Es gab zu früheren Zeiten Klöster, die das sehr wörtlich genommen und so etwas wie einen Schichtdienst fürs Gebet betrieben haben, damit es immer jemand im Haus weiterführt – bei Tag und bei Nacht.

Größere Verbreitung hat der Gedanke gefunden, den Tag mit einer Art Netz von Gebetszeiten zu überziehen, sodass man zu regelmäßigen Zeiten und an den „Eckpunkten“ des Tages immer wieder das Alltagsgeschäft unterbricht, um sich neu zu besinnen.

Aus dieser Überlegung ist das Tagzeitengebet entstanden: Es beginnt mit der Matutin („früh morgens“), auch Vigil („Nachtwache“) genannt, noch vor Sonnenaufgang, gefolgt vom Morgengebet, den Laudes („Lobpreisungen“). Über den Tag kommen die Horen („Stundengebete“) und am Abend die Vesper („Abend“), gefolgt von der Komplet („Abschluss“) am späteren Abend. Das volle Programm, das kann man sich vorstellen, ist ziemlich zeitaufwändig und war schon immer eher was für Klöster und Ordensleute. Für die „Weltgeistlichen“, die nicht im Kloster leben, hat man deswegen eine etwas verkürzte Variante eingeführt, die man deshalb auch Brevier („Kurzgebet“) nennt.

Darüber hinaus gibt es für „Normalchristen“ natürlich auch die Möglichkeit, sich nur einen Teil davon herauszusuchen. Nach dem Motto „Lieber weniger als gar nichts“ kann man sich eben auch auf ein Morgenlob oder ein Abendgebet begrenzen oder auch jeweils Teile davon herausgreifen. Es bleibt dann immer noch der Grundgedanke, dass es sinnvoll ist, sich wenigstens ein kleines Stück Zeit zu nehmen, um einmal in aller Ruhe einen Blick auf den geistlichen Kompass zu werfen, bevor man weiterrödelt.

Herzstück der 25 Morgenlob-Andachten in diesem Buch sind die Psalmen. Erst einmal sind dies uralte Gebetstexte. Sie entstammen dem gottesdienstlichen Gebrauch im alttestamentlichen Volk Israel. Über die genauen Ursprungsumstände wissen wir dabei ziemlich wenig. In der christlichen Kirche hat man die Psalmen seit jeher gebetet.

Das kann man auf unterschiedliche Weise tun. Man kann Psalmen für sich im Stillen beten, man kann sie vortragen wie einen Lesungstext, man kann sie in der Gruppe gemeinsam sprechen und man kann sie auch singen. Dabei ist das Psalmensingen eine eigene Kunst, die vor allem in den Klöstern über Jahrhunderte entwickelt wurde. Es gibt dafür Standardmelodien, Psalmodien, die dann auf die einzelnen Psalmverse „gelegt“ werden. Eine Art Rahmen ergibt sich durch die Antiphon, einen Vers, mit einer eigenen Melodie, der als Beginn und als Abschluss gesungen wird. Wer sich dafür interessiert und sich etwas damit beschäftigt, wird das vielleicht auch in einer kleinen Gemeindegruppe hinbekommen. Etwas einfacher zu realisieren ist in diesem Kontext das Psalmbeten im Wechsel von zwei Gruppen.

Es funktioniert so: Ein Vorbeter spricht die Antiphon, alle zusammen wiederholen sie. Der Vorbeter liest den ersten Halbvers und die erste Gruppe setzt mit dem zweiten Halbvers ein. Die zweite Gruppe betet den zweiten Vers, die erste Gruppe den dritten und so weiter. Am Ende sprechen alle miteinander noch einmal die Antiphon. Besonders schön finde ich es, wenn man jeweils nach dem ersten Halbvers eine ganz kurze Atempause macht. In den Psalmtexten gibt es dafür extra ein kleines Sternchen („Asteriscus“) an der entsprechenden Stelle. Das ist am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, aber es gibt dem ganzen Gebet einen schönen Rhythmus und macht es zu einer Art Sprechgesang. Wenn es dabei gerade am Anfang mal etwas holpert, ist das überhaupt nicht schlimm. Unter uns: Ich habe auch schon erlebt, dass sich hohe Kardinäle beim Psalmgebet verhaspelt haben. Mit der Zeit kommt man aber gut rein. Insgesamt ist das Anliegen, wie es die liturgische Tradition so schön sagt, der „Einklang von Herz und Stimme“.

Psalmen sind vielleicht fromm, aber brav sind sie nicht. Es geht in diesen Gebetstexten ganz schön zur Sache. Unverhohlen ist da schon mal von Gewalt, Rache, Blutvergießen, Krieg und Untergang die Rede. Den Feinden wird Tod und Verderben an den Hals gewünscht. Weshalb sollte man gerade solche Gebetstexte heute noch verwenden?

Klar ist, dass man schon so etwas wie einen Verstehenshorizont braucht, um mit diesen Texten zu hantieren. Man muss sich schon klar darüber bleiben, dass diese jahrtausendealten Texte aus einer anderen Zeit stammen. Aber es drückt sich in diesen Psalmen adererseits auch etwas aus, was die Jahrtausende überdauert hat und mir heute immer noch etwas sagen kann. Es sind gerade diese ungefilterten Gefühle und Emotionen, die der ursprüngliche Psalmbeter in seinem Gebet vor seinen Gott hinstellt. Er freut sich wie ein Kind über sein Glück und über die erfahrene Nähe Gottes. Er jubelt wie ein Lottogewinner über diesen wundervollen Gott, er ist tödlich betrübt und schreit seinen Schmerz heraus, er nimmt in seiner Verzweiflung kein Blatt vor den Mund, ja, er lässt auch seinem Zorn und seiner Wut freien Lauf. Er redet sich alles von der Seele, was sich dort so ansammelt. Das ist oft hinreißend und manchmal auch abstoßend. Aber ich glaube, es lohnt sich, sich dieser Gebetspower auszusetzen, sich damit zu konfrontieren, gerade in seiner Ursprünglichkeit, Unebenheit, Fremdheit und zugleich Altehrwürdigkeit. Ich finde es richtig inspirierend, diese Worte immer wieder neu herauszukramen. Wenn es dann doch heftig blutrünstig und wutschnaubend wird, dann hilft es mir persönlich, wenn ich in Gedanken zum Psalmisten so etwas sage: „Na, da sind die Gäule jetzt aber mit dir durchgegangen – das muss ich mir jetzt so nicht zu eigen machen, in so rauen Zeiten lebe ich Gott sei Dank nicht.“ Ich distanziere mich dann doch etwas vom Text – das darf man, auch wenn es die Bibel ist. Denn die Bibel ist selbst für den Gläubigen Gotteswort in Menschenwort – und Menschen vor Tausenden von Jahren konnten nicht immer den Ton treffen, der mir heute behagt.

Das Benedictus ist das besondere feststehende Gebet, das in jedem Morgenlob gesprochen wird. Das Pendent des Benedictus beim Abendlob ist dagegen das Magnificat. Das Benedictus gehört zu den sogenannten „Cantica“, das heißt einfach, zu den Gebets- und Gesangstexten aus der Bibel, die nicht dem Buch der Psalmen entnommen sind. Das Benedictus entstammt dem Lukasevangelium (Lk 1,68–79). Dort gehört es zur Erzählung von der Geburt Johannes’ des Täufers. Dessen Vater, der Tempelpriester Zacharias, erfährt im Tempel von einem Engel, dass ihm mit seiner Frau Elisabet trotz hohen Alters ein Sohn geboren wird. Zum Zeichen göttlicher Macht verliert Zacharias bis zur Geburt dieses Kindes die Sprache. Als er nach der Geburt des Johannes die Sprache wiedererlangt, bricht die Freude über Gottes Güte aus ihm hervor und er spricht ein Lobgebet, das mit den Worten beginnt: „Gepriesen (lat. benedictus) sei der Herr, der Gott Israels.“

Die Idee ist also, dass das Benedictus im Morgenlob nach dem Schweigen der Nacht ertönen soll, wie es einst nach dem Schweigen des Zacharias ertönte.

So gibt es also ein ganz eigenes, feststehendes Element des Morgenlobs. Schön ist natürlich, auch dieses im Wechsel zu singen. Das braucht vielleicht ein wenig Übung, aber es ist nicht besonders schwierig und es gibt dem Morgenlob eine besonders festliche Note. Es hat dann ein bisschen was von klösterlichem Chorgesang.

Die spirituelle Tiefe und das Flair des Morgenlobs – etwa regelmäßig zur Fastenzeit – sind eine besondere Erfahrung. Damit es sich auch in der Gemeinde etabliert, ist auch ein guter Rahmen hilfreich. Schön ist es auf jeden Fall, wenn man eine Kirche dafür nutzen kann und sich nicht in irgendeinem Nebenzimmer trifft. Vielleicht eignet sich ja der Chorraum einer Kirche ganz gut dafür – der heißt ja nicht umsonst so. Wenn sich zwei Gruppen gegenübersitzen können, ist das optimal für das Psalmgebet im Wechsel.

„Wer betet, der soll auch essen!“ Mit einem Augenzwinkern wohlgemerkt gab es diese Regel in einem Salesianerkonvent, in dem ich zu Studiumszeiten einmal in der Woche Gast bei einer „Jugendfrühschicht“ war. Und bei aller Frömmigkeit sollte man die Bedeutung eines gemeinsamen Frühstücks nach dem Morgenlob nicht gering schätzen. Vielleicht lässt es sich in der ein oder anderen Gemeinde organisieren, dass sich jemand um einen gedeckten Frühstückstisch und um frische Brötchen kümmert. Dabei muss es gar nicht so üppig zugehen. Es soll ja nicht in Schlemmerei ausufern. Irgendwer hat dann meistens auch noch ein paar Gläser selbst gemachte Marmelade im Schrank. Wichtig ist dabei, den Zeitplan gut auszutarieren. Diejenigen, die nicht mit der Gnade des Frühaufstehertums gesegnet sind, sollten nicht allzu sehr leiden müssen, andere müssen pünktlich bei der Arbeit sein.

Übrigens: Wer das Morgenlob für sich alleine betet, sollte ebenfalls danach ein Frühstück einplanen, damit es Teil des eigenen Tagesrhythmus wird.

Für viele Gläubige ist das Morgenlob so etwas wie der Proviant, der sie durch den Tag trägt – Proviant für die Seele!

Michael Feil

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„Ein Tag sagt es dem andern“

Den Tag begrüßen

Der Freude eine Chance!

Freude ist immer etwas Besonderes. Sich ehrlich freuen zu können und anderen eine Freude machen zu können, ist ein Geschenk mitten im Leben. Es lohnt sich also, der Freude in Gedanken etwas nachzugehen.

Eröffnung

Liebe Schwestern und Brüder, stellen wir unser Morgenlob unter den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Amen.

Hymnus, GL 372

Singen wir zum Beginn miteinander als Hymnus das Lied:

Morgenstern der finstern Nacht

Psalm 65

Lasst uns miteinander den Psalm 65 beten:

Lobpreis auf den Retter und Schöpfer

Antiphon:

Du bist die Zuversicht aller Enden der Erde.

Dir ist Schweigen Lobgesang, Gott, auf dem Zion, *

dir erfüllt man Gelübde.

Du erhörst das Bittgebet. *

Alles Fleisch wird zu dir kommen.

Sündenlasten, die mir zu schwer sind, *

unsere Frevel, nur du kannst sie sühnen.

Selig, den du erwählst und in deine Nähe holst, *

in deinen Höfen darf er wohnen.

Wir wollen uns sättigen am Gut deines Hauses, *

am heiligen Gut deines Tempels.

Furcht gebietende Taten vollbringst du

und gibst uns Antwort in Gerechtigkeit, *

du Gott unsrer Rettung,

du Zuversicht aller Enden der Erde *

und der fernsten Gestade.

Du gründest die Berge in deiner Kraft, *

du gürtest dich mit Stärke.

Du stillst das Brausen der Meere, *

das Brausen ihrer Wogen, das Tosen der Völker.

Alle, die an den Enden der Erde wohnen, /

erschauern vor deinen Zeichen; *

das Kommen des Morgens und des Abends erfüllst du mit Jubel.

Du hast für das Land gesorgt, es getränkt, *

es überschüttet mit Reichtum.

Der Bach Gottes ist voller Wasser, /

gedeihen lässt du ihnen das Korn, *

so lässt du das Land gedeihen.

Du hast seine Furchen getränkt, seine Schollen geebnet, *

du machst es weich durch Regen, segnest seine Gewächse.

Du hast das Jahr mit deiner Güte gekrönt, *

von Fett triefen deine Spuren.

In der Steppe prangen Auen, *

es gürten sich die Höhen mit Jubel.

Die Weiden bekleiden sich mit Herden, /

es hüllen sich die Täler in Korn. *

Sie jauchzen, ja, sie singen.

Ehre sei dem Vater und dem Sohn *

und dem Heiligen Geist

wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit *

und in Ewigkeit. Amen.

Antiphon:

Du bist die Zuversicht aller Enden der Erde.

Schriftlesung, Phil 4,4–9

Wir hören eine Schriftlesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper:

Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren. Im Übrigen, Brüder und Schwestern: Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht! Und was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein.

Gedanken in den Tag

„Freu dich doch mal!“

„Lach doch mal!“

„Sei doch mal fröhlich!“