image

ELISABETH REICHART

MEIN GELIEBTER,
DER WIND

Gedichte

Die Drucklegung dieses Buches wurde gefördert von den
Kulturabteilungen der Stadt Wien (Literatur), Oberösterreich und Stadt
und Land Salzburg.

image

www.omvs.at

ISBN 978-3-7013-1273-3

eISBN 978-3-7013-6273-8

© 2019 OTTO MÜLLER VERLAG SALZBURG-WIEN

Alle Rechte vorbehalten

Satz: Media Design: Rizner.at

Druck und Bindung: Christian Theiss GmbH, A-9431 St. Stefan

Cover: Media Design: Rizner.at

INHALTSVERZEICHNIS

TROTZDEM

Schüttle die Worte

Mondsüchtig

Glücksrausch

Medusa

An dich geschmiegt

In der Dämmerung

Vertraue

Der Gesang des Frühlings

Der Schmerz wacht in den Worten

In die Stunde der Geister

Deine Augen träumen dich

Herzzungen reden

Nahe/Ferne

Vollkommene Schönheit

Wortgeister

Freundinnen flüchteten

Der Ring passte nicht

Fremdes Stiegenhaus

I/II

Atemmusik

Im Traum

In dir lache ich

Ich bin ein Lied

Die harten Schreie der Krähen

EULENAUGEN

Bevor wir lachten

I/II

Sie geht mit leisen Schritten

Wohin

Zungen reden

Fastenzeit

Spinnenland

I/II

Mit ihrer verzweifelten Hand

Vorgestern wollten wir

Die Dichterin

Mein Gesicht

Die schwarzen Winde

Verstaubter Koffer

Vergorene Sätze

WASSER

Lethe/Mnemosyne

Springt Worte, springt

Die Flüsse lachen

Im heißesten Sommer

Der kleine Bach

Vor dem Taifun

Springende Fische

Ägäische Fluten

See

Das Orakel von Delphi

Abschiedstränen

Wasser I

Wasser II

ERDE

Vollmond

Vielleicht

Heute würde der seit Tagen

Die Wölfe heulen

Siegfried und Achill

Gaia

FEUER/LICHT

Wortsonnen wollen

Schweben

Endlich vogelfrei

Sternschnuppen

Der Geliebte der Wolken

Erste Liebe

Leuchtkäfer erschrecken

Fegefeuer

Feuer I

Feuer II

Ein Blatt tanzt

Kairo

All die Zauberstäbe

Bergmolche bewegen sich

Der Wald

Dämmerung

MEIN GELIEBTER, DER WIND

Mein Geliebter, der Wind

TROTZDEM

Schüttle die Worte

aus dem Mantel der Freude

lass sie aufleuchten

verglühen

als wären sie

begabte Selbstdarsteller

im Karussell des Lachens

inmitten des Flussdeltas

gepeitscht vom Flügelschlag

durchziehender Vögel

im Gepäck den Wortkosmos

mit den vergilbten Lauten

schrillen Tönen

Wortungeheuern

gebrochenen Silben

Wortkelche werden gereicht

das Wasser perlt den Satz entlang

verschluckt ein Wort

spuckt auf ein anderes

Die Sätze weigern sich

noch einmal zu leuchten

inmitten der Lautgespenster

Im freien Fall halte ich den Atem an

fangen die Worte mich auf

Im Wortgefieder

träume ich

in verklungenen Sprachen

Mondsüchtig

Aus dem Wald kommend

steht mitten am Tag

der Vollmond vor mir

riesig und durchsichtig

nah genug für eine Umarmung

Staunende Augen

groß wie der Mond

Bleiben, immer so bleiben wollen

inmitten der Schönheit

süchtig nach ihr

bereit zu jeder Unterwerfung

Die Vögel sind verstummt

sie sind auf den Mond ausgewandert

ohne mich

Allein gelassen

bleibt mein Kopf

mein einziger Spielplatz

Ich verschlinge den Mond

in mir singen die Vögel

und sie wissen von nichts

Glücksrausch

Wintersonnenwald

funkelnde Kristalle

Glitzermeer

Schnee/Erde

Meine Hündin

wälzt sich

auf dem vereisten Weiß

mit ihrem breitesten Lächeln

Nur auf hartem Schnee

erlebt sie diesen Glücksrausch

Betört von ihrer Freude

folge ich ihr in den Gesang der Kristalle

Medusa

Träume zu Albträumen vergoren

jagen mich wie Fallgeräusche

Nichts schützt mich

vor der Erstarrung

in die ich gleite

bis das Feuer mich wärmt

weiche Erde

sinkendes Sein

Der Schnee

löscht das Feuer

bedeckt mich

mit seiner Stille

Im Frühling

fließe ich talwärts

rauschendes Schmelzwasser

bereit auszuufern

Erde dringt ein

Erde dringt aus mir

zu Schlamm geworden

entstehe ich neu

an Medusas Hand

Herrscherin

Schönste der Schönen

und ich, Schlammweib

fließen in grenzenlosen Flüssen

erheben uns in den Südwind

Fliegen können

uralter Traum

ich vermisse

die Fantasie

der Griechen

lasse Medusa auferstehen

und Pegasus

der Enthaupteten

entsprungenes Dichterpferd

Poseidon und der Dreizack