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Lars Hoffmann

Die bedeutenden Historiker
 

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Korrekturen: Christine Klinger, Usingen
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ISBN: 978-3-8438-0033-4
 
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Inhalt

Über den Autor

Zum Buch

Vorwort

Herodot aus Halikarnassos

Thukydides

Xenophon

Polybios

Caius Iulius Caesar

Caius Sallustius Crispus

Titus Livius

Flavius Iosephus

Plutarchos aus Chaironeia

Cornelius Tacitus

Caius Suetonius Tranquillus

Cassius Dio

Eusebios von Kaisareia

Ammianus Marcellinus

Cassiodor und Iordanes

Prokopios von Kaisareia

Gregor von Tours

Beda Venerabilis

Lampert von Hersfeld

Anna Komnene

Niketas Choniates

Jean Mabillon

Johann Christoph Gatterer

Edward Gibbon

Friedrich Christoph Dahlmann

Leopold von Ranke

Jules Michelet

Jacques-Paul Migne

Johann Gustav Droysen

Heinrich von Sybel

Theodor Mommsen

Karl Marx

Jacob Burckhardt

Heinrich von Treitschke

Herbert Baxter Adams

Adolf von Harnack

Henri Pirenne

Ramón Menéndez Pidal

Nicolae Iorga

Winston Spencer Churchill

Lucien Febvre

Américo Castro

Marc Bloch

Heinrich Mitteis

Arnold Joseph Toynbee

Arnaldo Dante Momigliano

Kontakt zum Verlag

Vorwort

Eine Auswahl an bedeutenden Historikern zusammen stellen zu wollen, ist kein leichtes Unterfangen. Denn seit den ersten historiographischen Versuchen unter den Vorgängern des Herodot von Halikarnass gibt es eine Unzahl von Schriftstellern und Gelehrten, die sich mit der Geschichtsschreibung beschäftigt haben. Wem von diesen Leuten soll man nun eine größere Bedeutung beimessen und wem nicht? Als ein Gradmesser dafür könnte die Verbreitung des literarischen Werkes einzelner Historiker dienen, als ein anderer die Frage, ob der eine oder andere von ihnen Nachfolger fand und sich auf diese Weise so etwas wie eine Schule entwickelte. Doch beides ist recht bedenklich. Denn mit Blick auf etwaige Zeiterscheinungen verbietet es sich einerseits, hohe Auflagenzahlen als Erweis für die Qualität oder die Bedeutung eines bestimmten Autors heranzuziehen, andererseits lässt eine mehr oder weniger große Anhängerschaft bestimmter Historiker nicht unbedingt darauf schließen, dass der jeweilige geistige Urheber tatsächlich etwas Wesentliches geleistet hätte. Dies wird nämlich nicht die journalistische, sondern erst die viel größere historische Perspektive zeigen, die allein die Tragfähigkeit einer bestimmten Sichtweise im Blick auf zurückliegende Vorgänge unter Beweis stellen kann.

Daneben darf man nicht außer Acht lassen, dass es in der Geschichtsschreibung von Anfang an unterschiedliche Auffassungen darüber gab, was ein Historiker leisten kann oder leisten sollte. Der bereits erwähnte Herodot gehörte zu den rein beschreibenden Autoren, die möglichst viele Nachrichten über Gewesenes zusammentrugen, um die eigene Neugierde oder auch die der möglichen Leser zu befriedigen, während bereits sein Nachfolger Thukydides Erklärungen für bestimmte Abläufe suchte und das, was er schilderte, mit einem eigenen inhaltlichen und auch formalen Konzept versah. Die Geschichtstheorie und die Entwicklung historiographischer Methoden, beides Bereiche, in denen auch die zeitgenössischen Historiker so gerne schwelgen, sind also keineswegs eine Erfindung der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts, sondern gehörten von Anfang an dazu. Um dies zu erkennen, muss man allerdings dazu bereit sein, sich mit Geschichte nicht nur für den Zeitraum zu befassen, für den man sich zufälligerweise interessiert. Denn so wird jeder seine scheinbar revolutionären Entdeckungen machen oder Methoden entwickeln, obwohl sie doch keinesfalls neu sind. Noch bedenklicher wird es natürlich, wenn sich Geschichte etwa per ministerialem Dekret auf den Meinungsterror von geist- und phantasielosen Lehrplänen beschränken soll: Denn auf diese Weise wird nur noch das historische Wissen einer Vermittlung für wert geachtet, von dem eine gleichsam willkürlich zusammengewürfelte Gruppe etwa von ministerialen Fachleuten meint, es diene bestimmten politischen und pädagogischen Zwecken.

Schon bei Thukydides oder Livius findet sich die Auffassung, dass Personen Geschichte machen – ein Prinzip, das auch in die Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts Einzug hielt. Seither hat sich vieles geändert. Die theoretischen Modelle unserer Tage gehen eher von Systemen und Ereignisverkettungen aus. Alles wird als miteinander verschränkt gedacht, man sucht Kohärenzen, Stringenzen und Perseveranzen, man integriert und desintegriert, man konstruiert Geschichts- und Kulturräume, man ergründet die Interkulturalität, Nationen bilden sich oder werden von Historikern gebildet – kein soziologischer Entwurf wäre absurd genug, um daraus nicht wieder eine scheinbar neue Geschichtstheorie herleiten zu können. Das Einzelereignis bleibt dabei natürlich auf der Strecke oder stört allenfalls.

Wer in einem kleinen Buch bedeutende Historiker zusammenstellt, scheint damit möglicherweise wieder in das 19. Jahrhundert zurückzufallen, denn es bedeutet ja nichts anderes als Fakten aneinander zu reihen, indem man einzelnen Personen einen besonderen Wert beimisst, ohne dass man diese kohärent aufeinander beziehen könnte. Dennoch interessieren sich Menschen nun einmal genauso für andere Menschen wie für wissenschaftlich-theoretische Konstruktionen, und von daher haben auch solche Zusammenstellungen nach wie vor ihre Berechtigung. Denn sie vermitteln auch einen Eindruck davon, wie in einer bestimmten Zeit oder unter bestimmten politischen Voraussetzungen Geschichte geschrieben wird. Naturgemäß muss es dabei zu einer Auswahl kommen, die immer auch eine subjektive ist. Nicht alles lässt sich bekanntermaßen auf den Verlag und dessen editorische Platzvorgaben abwälzen, obwohl dies natürlich eine treffliche Ausrede wäre. Eine solche Auswahl muss aber auch den großen geistigen Bruch berücksichtigen, den die Renaissance für Europa brachte. Hier ändert sich nämlich der Charakter der Geschichtsschreibung, weil antike und mittelalterliche Historiker nun ihrerseits Objekte der historischen Forschung werden. Was etwa hat denn noch ein Thukydides mit einem Marc Bloch gemeinsam? Beide jedoch wollen erklärend über die Vergangenheit berichten, wollen dazu beitragen, dass man Gewesenes verstehend erkennt – und bedienen sich dazu natürlich des Stils und der Form ihrer eigenen Zeit. Kriterium für die Auswahl war nun, ob man nach einer gewissen historischen Distanz die hier genannten Persönlichkeiten noch kennt, und ob es nicht doch etwa allgemeiner Konsens ist, dass sie einen herausragenden Platz in der historischen Erinnerung einnehmen oder etwa die einzige Quelle für ihre Zeit sind. Dabei steht im Gefolge von Herodot der geographische Raum des sogenannten Abendlands im Vordergrund. Die arabische, persische oder auch chinesische Geschichtsschreibung jedoch konnte hier aus Platzgründen leider nicht berücksichtigt werden, und auch die Geschichtsschreibung Russlands, das beginnend mit der sogenannten Nestorchronik aus dem 12. Jahrhundert sehr wohl eine ganze Reihe sehr wichtiger Vertreter wie etwa Theodor I. Uspenskij oder Nikolaj P. Kondakov aufzuweisen hat, musste deswegen ausgeblendet werden.

Dennoch wird der eine oder andere Name fehlen, und anstelle von Johann Christoph Gatterer hätte etwa auch August Ludwig Schlözer stehen können. Dagegen fehlt etwa ein Christoph Keller (Cellarius), da seine Leistung für die Geschichtswissenschaft allenfalls darin besteht, ein heute heftig kritisiertes Epochenschema formuliert zu haben, das zwar in Lehrplänen noch immer nachwirkt, das letztlich aber doch unbrauchbar ist. Aus diesem Grund übrigens werden in dem vorliegenden Buch die traditionellen historischen Hauptepochen auch nicht voneinander abgesetzt. Andere Geschichtsforscher wie Johann Friedrich Böhmer, Georg Heinrich Pertz, Karl Lamprecht oder Eduard Meyer haben zweifellos sehr große Verdienste um ihre Wissenschaft erworben, doch hätte man für deren Aufnahme in die Liste den Umfang dieses Bandes in der Tat verdoppeln müssen, ein Band der somit nur Interesse an der Materie erwecken und zu eignen Recherchen ermuntern kann. Andere Autoren wie Friedrich Schiller, Wilhelm Dilthey oder Oswald Spenlger, die neben ihren Hauptdisziplinen auch für die Geschichtswissenschaft in Anspruch genommen werden können, wurden gleichfalls ausgelassen – mit Ausnahme jedoch von Karl Marx, weil dessen Geschichtstheorie Konsequenzen von welthistorischer Bedeutung hatte. Bewusst ausgeschieden wurden auch die Historiker, deren Tätigkeit überwiegend in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts fällt. Hier fehlt die zeitliche Distanz, um deren Wirkung zuverlässig einschätzen zu können. Oder es handelt sich um die Träger von zwar bekannten Kontroversen wie der sog. Fischer-Kontroverse zwischen Gerhard Ritter und Fritz Fischer sowie dem zum großen Teil auch persönlich motivierten Historikerstreit der 80er Jahre, bei denen es letztlich um die Frage der Verantwortlichkeit für Kriege und die (auch unlängst wieder aufgeflammte) Einmaligkeit bzw. Vergleichbarkeit bestimmter Verbrechen ging. Hier muss es die Zeit noch erweisen, ob die jeweilige Fragstellung nicht doch von zu lokaler, sprich deutscher, oder nur zeitbedingter Bedeutung war, um historisch tatsächlich wichtig werden zu können. Vice versa gilt dies natürlich auch für die Protagonisten der genannten Auseinandersetzungen.

Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass das vorliegende Buch allenfalls eine bestimmte Auswahl an Historikern vorstellen will und kann. Dabei ist es jeder Leserin und jedem Leser natürlich anheim gestellt, bestimmte Personen für ergänzenswert zu halten oder sich ein Urteil zu bilden, warum dieser oder jener Geschichtsforscher in die Reihe aufgenommen wurde, ein anderer aber nicht. Wenn das erreicht werden könnte, wäre der Zweck dieses Buches bereits erfüllt.

Mainz, im Januar 2008 Lars Martin Hoffmann

Herodot aus Halikarnassos

Herodot (gr. Heródotos) aus der antiken Stadt Halikarnássos, die sich auf dem Gebiet des modernen türkischen Bodrum an der westlichen Ägäisküste befand, setzt man im allgemeinen an den Beginn der Geschichtsschreibung, als deren »Vater« ihn kein geringerer als Cicero bezeichnet hatte. Seine Heimatstadt war zu seinen Lebzeiten weithin bekannt, und sollte später durch das Grabmal des karischen Königs Maussolos, das zu den sog. Sieben Weltwundern der Antike gehörte, einen hohen kulturgeschichtlichen Stellenwert erlangen. Es ist natürlich immer mit Schwierigkeiten verbunden, will man für ein bestimmtes literarisches Genre einen festen Ausgangspunkt markieren, und ganz gewiss kam Herodot dabei der glückliche Zufall zu Hilfe, dass gerade sein Geschichtswerk als erstes der Nachwelt überliefert wurde, während von ihm benutzte schriftliche Quellen – wie etwa der Periodos des Hekataios von Milet (ca. 550 – ca. 480 v. Chr.) – gar nicht oder nur in spärlichen Auszügen erhalten sind. Geboren wurde Herodot um das Jahr 485 v. Chr. Seine Teilnahme an einem zunächst erfolglosen Umsturzversuch gegen Lygdamis, einen Tyrannen seiner Heimatstadt, zwang ihn vorübergehend ins Exil auf die Insel Samos, doch war er am gelungenen Sturz dieses propersischen Tyrannen im Jahr 454 v. Chr. wieder beteiligt. Aufgrund politischer Spannungen in Halikarnassos wanderte er etwa zehn Jahre später in die erst 444 v. Chr. gegründete athenische Kolonie Thurioi am westlichen Ende des Golfs von Tarent aus, soll aber nach einem unsicheren literarischen Zeugnis des Eusebios von Kaisareia bereits gut ein Jahr später in Athen gelebt haben, wo ihm die Gruppe der politischen Reformer um Perikles (ca. 490-429 v. Chr.) eine neue geistige Heimat bot. Zu seinen Freunden gehörte dabei unter anderem der Tragiker Sophokles, dessen literarisches Schaffen wiederholt Anspielungen auf Person und Werk Herodots erkennen lässt.

Seine Geschichten oder Berichte (griech. Historiai) hat Herodot, dessen Todesdatum etwa zwischen den Jahren 430 und 425 v. Chr. anzusetzen ist, allem Anschein nach in Athen verfasst. Verstorben ist er jedoch in seiner Wahlheimat Thurioi. Bis dahin müssen zumindest Teile des nach antikem Brauch zur Verlesung konzipierten Werkes publiziert gewesen sein, da sich inhaltliche Anspielungen darauf in den Acharnern des Komödiendichters Aristophanes finden, einer Burleske, die den Peloponnesischen Krieg (431-404 v. Chr.) zwischen Athen und Sparta parodiert und die 425 v. Chr. den Siegespreis der Lenäen, eines jährlich abgehaltenen Theaterwettstreits davontrug. Umstritten ist in der Forschung nach wie vor, wie Herodot an seine Informationen gelangte. Sicherlich trifft es zu, dass er längere Reisen innerhalb Griechenlands, nach Ägypten und auch bis Babylon unternommen und einen größeren Teil der Städte und Monumente selbst gesehen hat, die er in seinem Werk beschreibt. Allerdings sind in vielen Fällen die Unstimmigkeiten recht groß, weswegen Zweifel an seiner Zuverlässigkeit vor allem dann angebracht sind, wenn er über Vorgänge berichtet, die weit vor seiner Zeit liegen oder bei denen er sich einzig auf Augen- und Ohrenzeugen beruft.

Gleichwohl liegt dem Werk das ernsthafte Bemühen zu Grunde, die das antike Griechenland betreffenden historischen Ereignisse nach bestem Wissen für seine Zeitgenossen – und wahrscheinlich auch für die Nachwelt – festzuhalten. Dabei fällt auf, dass Herodot die Gründungsmythen der einzelnen griechischen Stämme oder auch die legendären Ereignisse, von denen etwa Homer in seinen beiden Hauptwerken berichtet, sehr wohl kannte. Allerdings geht er rasch darüber hinweg, um sich dann auf diejenigen Vorgänge zu beschränken, die er entweder noch selbst erlebt hat oder die nur so weit in der Vergangenheit zurücklagen, dass er dafür noch auf Quellen oder Gewährsleute zurückgreifen konnte, die er für verlässlich hielt. Allerdings bildet er in den Fällen, in denen er auf widersprüchliche Aussagen stieß, keine historische Synthese, sondern lässt die unterschiedlichen Darstellungen nebeneinander stehen, um es damit zu einer Aufgabe seines Publikums zu machen, welcher Ansicht man nun folgen will oder nicht. Die spätere Kritik sollte ihm aber gerade dies zum Vorwurf machen.

Für seine Darstellung legte Herodot seinen Historiai ein ganz bestimmtes gestalterisches Prinzip zu Grunde. Sein Bericht läuft nämlich auf die als unvermeidlich angesehene Konfrontation zwischen Griechen und Persern hinaus. Dafür laufen die Erzählstränge für die historische Entwicklung jeder Gruppe zunächst nebeneinander her, bis sie schließlich in der Schilderung der militärischen Auseinandersetzungen zusammenfallen.

Dabei beschränkt sich die Einleitung inhaltlich auf einen längeren Satz, in dem Herodot zum Ausdruck bringt, er wolle durch seine Arbeit sowohl menschliches Tun, als auch dasjenige vor dem Vergessen bewahren, was der menschliche Geist bei Griechen und Barbaren hervorgebracht habe. Daran schließt sich sogleich die Kriegsgeschichte an, denn die anhaltenden Spannungen zwischen Persern und Griechen waren das, was die erlebte Gegenwart des Autors am nachhaltigsten beeinflusste. Buch I ist den Lydern und deren König Kroisos (ca. 595 – ca. 546 v. Chr.) gewidmet, durch dessen politische Anmaßung es nach Herodot überhaupt erst zu jenem großen Konflikt kommen konnte, der die östliche Mittelmeerwelt gut 1000 Jahre lang bis zu den Siegen des byzantinischen Kaisers Herakleios (610-641) gegen die Perser unter ihrem Großkönig Chosraw II. in den Jahren 627 bis 630 begleiten sollte. Buch II schildert die Geschichte Ägyptens, um zu Buch III überzuleiten, das die Eroberung dieser Region durch den Perser Kambyses (gest. 522 v. Chr.) beinhaltet. Die Bücher IV bis VI beschreiben die Feldzüge des persischen Königs Dareios (549-586 v. Chr.) und beschäftigen sich insbesondere mit dem Ionischen Aufstand (500/499-494 v. Chr.) der griechischen Stadtstaaten Kleinasiens gegen die persische Oberhoheit. Am Schluss dieser Einheit steht der Bericht über die Schlacht bei Marathon (490 v. Chr.), in der Dareios das zahlenmäßig weit unterlegene Heer des Atheners Miltiádes nach heftigen Kämpfen bezwang. Die Bücher VII bis IX beschäftigen sich mit den Feldzügen des Xerxes (485-465 v. Chr.), den die Griechen schließlich in den Schlachten von Salamis (480 v. Chr.) und Plataíai (479 v. Chr.) an der Grenze zu Attika besiegten. Ihre politische Dominanz in Kleinasien büßten die Perser noch im selben Jahr ein, als es dort den Griechen bei Mykale gelang, die Flotte ihrer Gegner zu vernichten. Nach diesen Ereignissen nahm das politische und kulturelle Leben in Griechenland einen ganz entscheidenden Aufschwung: Es begann nun das sog. Goldene Zeitalter des Perikles (ca. 480-431 v. Chr.), das dem neu erstarkten Griechentum mit seinem Zentrum in Athen wichtige politische Reformen brachte und ein Geschichtswerk wie das des Herodot, das Zeugnis von einer gemeinsamen Anstrengung aller Griechen gegen einen scheinbar überlegenen, auswärtigen Gegner ablegt. Diese lange, schöpferische Friedensphase sollte bis zum Peloponnesischen Krieg der Jahre 431-404 v. Chr. andauern.

Die Einteilung in neun Bücher oder Hauptabschnitte, wie wir sie heute kennen, ist übrigens sekundär und hängt mit der Überlieferung des Textes zusammen. Wie viele der antiken Schriften gelangte auch das Werk Herodots in die große Bibliothek der Ptolemäer im ägyptischen Alexandria. Da die frühen Beschreibstoffe im Gegensatz zum Pergament, das sich erst im Lauf der Spätantike durchsetzte, von nur geringerer Haltbarkeit waren, mussten die auf Papyrus aufgezeichneten Werke von Zeit zu Zeit abgeschrieben werden. Für eine Papyrusrolle gab es bestimmte Standardmaße, wodurch auch die Textmenge beschränkt wurde, die man auf einer solchen Rolle unterbringen konnte. Denn zu dicke Rollen neigten zum Bruch des geklebten und gestampften Materials. Für umfangreichere Werke ergab sich somit eine Einteilung in einzelne Rollen bzw. Bücher von selbst. Dieser Vorgang gilt in gleicher Weise für viele andere der antiken Schriften, die wir heute noch kennen, und bei der späteren Übertragung in die Kodex- bzw. Buchform wurde diese Einteilung beibehalten. Ein Buch nach dieser antiken Rechnung umfasst etwa 1000 Gedichtverse, also z. B. zweieinhalb Mal so lang wie Schillers Glocke, und damit natürlich weit weniger als ein modernes Buch. Im Falle Herodots entstanden auf diese Weise eben jene neun Bücher, die der Tradition nach den neun Musen gewidmet gewesen sein sollen. Dafür jedoch finden sich in seinem Geschichtswerk keinerlei Anhaltspunkte. Überlegungen, warum ein bestimmtes Buch dieser oder jener Muse zugeordnet war, gehören somit in den Bereich der Spekulation.

Ausgabe:

Herodot. Neun Bücher zur Geschichte. Mit einer Einleitung von L. HOFFMANN. Wiesbaden 2007.

Weiterführende Literatur:

H. BICHLER, Herodots Welt. Der Aufbau der Historie am Bild der fremden Länder und Völker, ihrer Zivilisation und ihrer Geschichten. Mit Beilagen von D. FEIL und W. SIEBERER. Berlin 2000.

H. ERBSE, Studien zum Verständnis Herodots. Berlin u. New York 1992.

W. SCHADEWALDT, Die Anfänge der Geschichtsschreibung bei den Griechen. Herodot, Thukydides. Frankfurt a. M. 1992, S. 9-219.

Thukydides

Während sich Herodot in erster Linie mit jenem Konflikt beschäftigte, der die griechische Welt einigte und eine politisch wie auch kulturgeschichtlich herausragende Epoche einleitete, steht das Geschichtswerk des Thukydides (griech. Thukydídes) am Ende eben dieser Entwicklung: Er ist nämlich der Gewährsmann für den Peloponnesischen Krieg (431-404 v. Chr.), an dem er selbst, wenn auch wenig erfolgreich, aktiv beteiligt war und der der Dominanz Athens innerhalb der griechischen Stadtstaaten ein Ende bereiten sollte.

Geboren wurden Thukydides, über dessen Leben nur wenig sichere biographische Daten vorliegen, um das Jahr 460 v. Chr. in Athen, genauer gesagt in dem attischen Demos Halimos unweit der Stadt. Sein Vater trug den Namen Oloros, der für Könige des nordgriechischen Thrakien belegt ist, und aller Wahrscheinlichkeit nach war seine Familie im Zug der griechisch-persischen Auseinandersetzungen nach Attika gelangt. Über sich selbst spricht Thukydides an vier Stellen seines Geschichtswerks. Zunächst sagt er in Buch I 1.1, dass er Athener sei, um nun über jenen großen Krieg zwischen seiner Heimatstadt und den Spartanern zu schreiben, der der wichtigste und bedeutendste sei, der jemals stattgefunden habe. In seiner Einschätzung stehen diese Ereignisse also noch über Herodot und dem griechisch-persischen Krieg. In Buch V 26.1 heißt es, er wolle nunmehr zu den Vorgängen der Jahre nach 421 v. Chr. kommen, um die einzelnen Etappen der Auseinandersetzung der Reihe nach zu schildern, wie sie sich Sommer für Sommer und Winter für Winter bis zum Jahr 404 v. Chr. ereignet hätten, als es den Spartanern gelang Athen und den Piräus zu besetzen. Insgesamt habe sich dieser Krieg mit diversen Unterbrechungen über 27 Jahre hin erstreckt. Über seine kurze eigene Beteiligung gibt Buch V 26.5 Auskunft. Im Jahr 424 v. Chr. war Thukydides zum Strategen (Feldherrn/Oberkommandierenden) für die nördliche Ägäis ernannt worden, wo er in Thrakien, der vermeintlichen Heimat seiner Familie, Posten bezog. Im Jahr 422 v. Chr. kam es nun bei der Stadt Amphipolis an der Mündung des Strymon in das Mittelmeer zu einer von den Spartanern unter ihrem Feldherrn Brasidas überraschend begonnenen Schlacht mit den Athenern unter Kleon, die mit dem Tod beider Generäle, aber auch mit dem Verlust von Amphipolis für die Athener endete, und mit dem sog. Nikiasfrieden (Thukyd. V 17-19) zu einem längeren Waffenstillstand führte. In Athen machte man jedoch Thukydides für diese Niederlage verantwortlich, da seine Flotte einige Stunden zu spät vor Amphipolis eingetroffen war. Als Folge wurde er für 20 Jahre aus Athen verbannt, wobei nicht genau bekannt ist, ob Thukydides nicht doch früher zurückkehren durfte, wie einige behaupten. Jedenfalls akzeptierte er das Urteil der Volksversammlung und beurteilte die nun folgende Phase für sich selbst durchaus als positiv, da er nunmehr die Gelegenheit dazu habe, sich genauer mit den Ereignissen zu befassen. So nutzte er die Zeit nach seinem erzwungenen Ausscheiden aus dem politischen Dienst zu längeren Reisen, die ihn auf die Halbinsel Peloponnes und nach Sparta brachten, aber auch nach Sizilien und zu einer ganzen Reihe von Kampfplätzen des Peloponnesichen Krieges. Der vierte autobiographische Beleg in seinem Werk findet sich in Buch II 48.3. Dort berichtet er über eine Epidemie, die im Jahr 430 v. Chr. in Athen ausbrach, vermutlich eine Form der Pest, an der Thukydides auch selbst erkrankte.

Über seine historische Methode äußert sich Thukydides in Buch I 22.1: Im Gegensatz zu anderen Autoren – womit in erster Linie Herodot gemeint sein könnte – will er nicht nur Zeugnisse aneinanderreihen, die ihm sozusagen jedermann berichtet habe. Vielmehr wolle er das Gehörte genau prüfen und abwägen, um auf diese Weise einen möglichst objektiven Bericht der Ereignisse zusammenzustellen, und zwar so, wie er sie für objektiv und damit auch für wahr hielt. Was er inhaltlich auslässt, verschweigt er indessen. Dies gilt in derselben Weise auch für seine Quellen, die er nicht namentlich anführt und die heute nicht mehr erkennen lassen, ob es sich dabei um einen vollständigen Text bzw. Bericht handelt oder nur um einen Auszug daraus, der das geflissentlich übergeht, was den Meinungen des Thukydides zuwider lief – aber eine solche Kritik ist nur aus einem modernen Bewusstsein heraus verständlich. Wie es Thukydides selbst zum Ausdruck bringt, geht es ihm in seinem Werk vor allem darum, den langwierigen Krieg zu verstehen, und immer wieder wägt er scheinbar ab, bevor er zu einem historiographischen Urteil gelangt.

Das Werk, das im Original keinen Titel trägt und mit den Ereignissen des Jahres 411 v. Chr. sehr unvermittelt abbricht, besitzt jedoch eine klare Struktur. Buch I behandelt nach einführenden Bemerkungen die Entstehung und die Ursachen des Krieges, während die Bücher II bis V dem sog. Archidamischen Krieg der Jahre 431-421 v. Chr. gewidmet sind, benannt nach dem spartanischen General und König Archidamos II. Der bereits erwähnte Nikiasfriede der Jahre 421 bis 416 v. Chr. ist Inhalt der Bücher V bis VI, während sich die für Athen so verlustreiche sizilische Expedition (415-413 v. Chr.) in den Büchern VI und VII findet. Buch VIII bricht am Anfang des Dekeleisch-Ionischen Krieges (414/413-411 v. Chr.) ab, der sich nach dem von Thukydides dargestellten Zeitraum noch bis zum Jahr 404 v. Chr. hinziehen sollte.

Über die Gründe dafür, warum sein Werk hier endet, das der Historiker Xenophon in seinen Hellenika fortsetzen sollte, kann man nur spekulieren. Am plausibelsten wäre es wohl, auch den Tod des Thukydides in diese Zeit zu setzen, doch sprechen inhaltlich Kriterien dafür, dass er noch im Jahr 397 v. Chr. mit der Redaktion seiner Monographie beschäftigt war. Infolgedessen setzt man seinen Tod etwa in die Jahre 399 bis 397 v. Chr. Wahrscheinlich ging er auch erst nach dem Ende des Peloponnesischen Krieges 404 v. Chr. daran, sein Geschichtswerk aus seinen persönlichen Beobachtungen und Notizen heraus zusammenzustellen, um in dieser Arbeit durch seinen Tod jäh unterbrochen zu werden.

Allerdings ist die Darstellung des Thukydides auch angreifbar, denn an zahlreichen Stellen seines Werkes lässt er teils längere, teils kürzere Reden einfließen, die in der berichteten Form sicherlich niemals gehalten worden sind und die in einer Art Selbstreflexion des Feldherrn oder des politischen Führers dazu dienen, die genauen Beweggründe dafür darzulegen, warum es nun zu dieser oder jener Folgehandlung kommen muss. In Wahrheit handelt es sich aber gerade dabei um ureigene Gedanken des Thukydides, die er auf diese Weise geschickt in sein Werk integriert, sich aber als deren Urheber verbirgt, da er sie einem anderen in den Mund legt. Dies wirft aber nun die Frage auf, wie glaubwürdig Thukydides überhaupt ist – und ob er nicht auch an anderen Stellen durch eine geschickte rhetorische Überblendung die Ereignisse so darstellt, wie nur er sie sah und wie er sie gerne hätte. Er sagt zwar selbst einschränkend, dass er Reden einfügt, wie sie gehalten worden sein könnten, doch ging dieser Aspekt in der Rezeption solcher Textpassagen verloren.

Trotz dieser Kritik gebührt Thukydides ein sehr hoher Stellenwert innerhalb der Historiographie, den ihm bereits die antiken Autoren zugestanden. Im Vergleich etwa zu Herodot zeugt sein Werk von dem immensen Aufschwung, den die Literatur in jenen langen Friedensjahren nach 479 v. Chr. nehmen konnte, und davon, wie sich eine städtische Kultur mit einer ausgefeilten rhetorischen Praxis entwickelte, die einen massiven Einfluss auf neue literarische Gattungen wie etwa die Historiographie nahm. Im Sinne einer guten Darstellung übernahm Thukydides dabei auch Elemente aus dem antiken Drama, etwa im Melier-Dialog, was ihn alles in allem zu einem der wichtigsten Musterautoren der folgenden Jahrhunderte machte. Noch im höheren Rhetorikunterricht der Byzantiner lernte man Geschichte im Stil des Thukydides zu schreiben, und auch im westlichen Europa schätzte man den Text sehr, der 1452 von dem römischen Humanisten Lorenzo Valla aus dem Griechischen ins Lateinische als Ausgangspunkt für die Übertragungen in die anderen großen europäischen Sprachen übersetzt wurde.

Ausgabe:

Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges. Griechisch-deutsch. Übersetzt und mit einer Einführung und Erläuterung versehen von G. P. LANDMANN. I-II. München 1993 (Sammlung Tusculum).

Weiterführende Literatur:

W. WILL, Thukydides und Perikles. Der Historiker und sein Held. Bonn 2006.

K. I. L. SOMMER, Techne und Geschichte. Eine diskursgeschichtliche Studie zu Thukydides. Bonn 2006.

H. SONNABEND, Thukydides. Darmstadt 2004.

W. SCHADEWALDT, Die Anfänge der Geschichtsschreibung bei den Griechen. Herodot, Thukydides. Frankfurt a. M. 1992, S. 221-396.

Xenophon

Der um das Jahr 426 v. Chr. in Athen geborene Xenophon erweist sich mehr als sein Vorgänger Thukydides durch die politisch-rhetorische Praxis der athenischen Sophistik geschult und verstand es daher, in seinen Werken nicht nur eine einzige literarische Gattung zu bedienen. Dabei lassen seine historiographischen Werke erkennen, dass er nicht so sehr ein um Objektivität oder um ein sicheres Urteil bemühter Geschichtsschreiber sein will, sondern dass es ihm stets auch um sein eigenes Leben sowie um eine Darstellung der Ereignisse ging, die ihn persönlich betrafen.

Xenophon, der im Rahmen des Peloponnesischen Krieges vermutlich der athenischen Reiterei angehörte, entstammte einer konservativen Familie seiner Heimatstadt, zog jedoch den strengen Geist Spartas der attischen Demokratie vor. Als Schüler des Sokrates (469-399 v. Chr.) folgte er im Jahr 402/401 v. Chr. dem Rat seines Lehrers, um im sog. Zug der Zehntausend, einem griechischen Söldnerheer, den persischen Thronprätendenten Kyros gegen dessen Bruder Artaxerxes II. im Kampf um die Königsherrschaft zu unterstützen. Zwar verlief die Unternehmung durchaus erfolgreich, doch nach dem Tod des Kyros in der Schlacht bei Kunaxa (401 v. Chr.) unweit des modernen Bagdad verlor der Söldnertrupp seinen eigentlichen Zweck. Xenophon selbst wirkte zunächst nur als Kriegsberichterstatter mit. Nach dem Tod des Kyros kam es jedoch zu Verhandlungen mit den Persern, bei denen die griechischen Offiziere hinterrücks umgebracht wurden. Für das verbliebene Heer ergab sich nun die Notwendigkeit, möglichst rasch in die Heimat zurückzukehren. Dabei gelang es Xenophon, das nach dem Mord an seinen militärischen Führern verzweifelte griechische Heer moralisch wieder aufzurichten, um es nun gemeinsam mit dem aus Sparta stammenden Cheirisophos zum Schwarzen Meer und von dort aus in die Heimat zurückzuführen. Das literarische Werk, in dem er die mühsame, letzten Endes aber erfolgreiche Rückführung der Griechen beschrieb, trägt den Titel Anabasis (dt. Aufstieg). Dabei handelt es sich in erster Linie um eine Autobiographie mit einer ganzen Reihe von erzählerischen Momenten – wenn auch eindeutig historiographische Züge nicht fehlen. Denn sehr wohl wird auch über die Vorgänge am persischen Hof berichtet, die eine solche Mitwirkung von griechischer Seite überhaupt erst möglich gemacht hatten.

Zurück in seiner Heimat weigerte sich Xenophon, gemeinsam mit seinem Söldnerheer im neu entflammten griechisch-persischen Konflikt gegen die Perser zu ziehen. Aus diesem Grund wich er nach Sparta aus, wo er sich dessen König Agesilaos II. (444-360/359 v. Chr.) anschloss. Im Jahr 394 v. Chr. kämpfte Xenophon bei der Schlacht von Maroneia folgerichtig auf der Seite Spartas, was ihm spätestens zu diesem Zeitpunkt die Verbannung aus Athen einbrachte. Im Gegenzug räumte ihm Agesilaos jedoch die rechtliche Stellung eines Staatsgastes in Sparta ein, wo er mehr als 20 Jahre lang in der Nähe von Olympia ein Landgut bewirtschaftete. Die Niederlage Spartas gegen die Thebaner unter Epaminondas im Jahr 371 v. Chr., der das als unbezwingbar geltende Heer seiner Gegner mit einer taktischen Neuerung, der sog. schiefen Schlachtordnung überwinden konnte, wirkte sich jedoch sehr zu Xenophons Ungunsten aus, da er nun aufgrund seiner früheren Verbannung aus Athen erneut fliehen musste. Allerdings ermöglichte es ihm schon bald darauf der politische Ausgleich der führenden griechischen Stadtstaaten in dieser Zeit, sich in Korinth niederzulassen, wo er auch starb. Sein Todesjahr ist nicht genau bekannt, es muss aber aufgrund inhaltlicher Kriterien in seinem letzten staatspolitischen Werk nach dem Jahr 355 v. Chr. angesetzt werden.

Seine literarische Tätigkeit dürfte Xenophon erst nach dem Jahr 371 v. Chr. entfaltet haben. Von seinen 15 bekannten Werken kann neben der Anabasis vor allem ein weiteres für die Geschichtsschreibung in Anspruch genommen werden. Dabei handelt es sich um seine Hellenika, eine aus sieben Büchern bestehende Geschichte Griechenlands, die sich mit den Jahren 411 bis 362 v. Chr. beschäftigt. Sie setzt damit den Peloponnesischen Krieg des Thukydides fort und stellt sich so als ein Teil der sog. Historia perpetua dar, einer durchgängig bis zur osmanischen Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 aufgezeichneten Geschichte der griechischen Welt. Sicherlich gehört dieses Werk nicht zu den bedeutendsten Schriften Xenophons, der seine große Popularität in der Nachwelt mehr seinen sokratischen Schriften, der Kyropädie sowie der Anabasis verdankte. Offenbar wurde es in mehreren Etappen verfasst, und eine Endredaktion, die dem ganzen Text ein einheitliches Gepräge hätte verleihen können, blieb aus. Die beiden ersten Bücher führen in Stil und Aufbau durchaus dem Thukydides vergleichbar die Ereignisse des Peloponnesischen Krieges bis zu seinem Ende aus, worauf der Bericht über die tyrannische Herrschaft der 30 Oligarchen in Athen (404-403 v. Chr.) und die daran anschließende Restitution der attischen Demokratie folgt. Die Bücher III bis VII setzen zunächst mit Xenophons Anabasis ein, um von dort ausgehend eher kursorisch die allgemeine politische Entwicklung vom Jahr 403 bis zum Jahr 362 v. Chr. und der zweiten Schlacht von Mantineia darzulegen. Seinerzeit standen sich die Böoter unter Epaminondas auf der einen sowie Sparta und Athen auf der anderen Seite gegenüber. Diese Auseinandersetzung, bei der Epaminondas sein Leben ließ, endete mit einem militärischen Patt und führte zum Abschluss eines allgemeinen Friedens, der sämtlichen Stadtstaaten in Griechenland den gleichen Rang einräumte. Keine Polis war also dazu in der Lage, eine Vormachtstellung zu erreichen oder die politischen Verhältnisse grundlegend neu zu ordnen, ein Zustand, der später dem Vordringen der Makedonen unter König Philipp II. und dem Scheitern der Demokratie einen wesentlichen Vorschub leistete.

Was die Darstellung in den Hellenika angeht, ist es keinesfalls Absicht Xenophons gewesen, alle Ereignisse aufzuzeichnen, die ihm zugänglich waren. Dafür war seine Abneigung gegen Athen zu groß, das seiner Meinung nach seinen geschätzten Lehrer Sokrates mit einer erfundenen Klage umgebracht hatte, und dessen Demokratie er nur mit großem Misstrauen begegnete. Andererseits bringt er seine Sympathie für Sparta und dessen König Agesialos II., mit dem er sich freundschaftlich verbunden sah, offen zum Ausdruck. Weiterhin übergeht er einzelne Jahre, wenn dies dem Zweck seiner Darstellung entsprach. So hebt er die Freundschaft zwischen Athen und Sparta nach dem Jahr 371 v. Chr. sehr positiv hervor, während er eine ganze Reihe anderer Ereignisse, die ihn selbst nicht so sehr betrafen, einfach ausfallen lässt. Was für ihn in ganz besonderem Maße zählte, waren die Leistungen des militärischen Befehlshabers, d. h. Charakterstärke und persönliche Erfolge des Einzelnen standen für ihn über diplomatischen Erfolgen oder Vereinbarungen, die zwischen Stadtstaaten oder bestimmten Territorien getroffen wurden.

Andere Werke Xenophons bieten ebenfalls historische Informationen, wie etwa sein Agesilaos. Allerdings steht in diesem Text in sophistischer Manier das Lob seines königlichen Freundes und Gönners im Vordergrund, während sich die historische Darstellung im Wesentlichen auf die zu Beginn geschilderte Biographie seines Helden beschränkt. Ähnliches gilt für seine Verfassung der Spartaner: Als Historiker gewinnt man aus dieser Quelle zwar wichtige Informationen über das lakedämonische (= spartanische) Staatswesen, auch wenn er dessen Entstehung auf einen legendären Gesetzgeber zurückführt, den es niemals gegeben hat. Doch Xenophons Anliegen ist es in erster Linie, auf diese Weise die besondere Stellung und die großen militärischen, auf persönlichem Einsatz beruhenden Leistungen Spartas zu begründen.

Werke:

Xenophon, Anabasis. Der Zug der Zehntausend. Griechisch-Deutsch. Hrg. u. übersetzt v. W. MÜRI u. B. ZIMMERMANN. München 1990.

Xenophon, Hellenika. Griechisch-deutsch. Hrg. von G. STRASBURGER. München 1970.

Weiterführende Literatur:

Chr. MUELLER-GOLDINGEN, Xenophon. Philosophie und Geschichte. Darmstadt 2007.

O. STOLL,1 bis 29

Gemeinschaft in der Fremde. Xenophons Anabasis als Quelle zum Söldnertum im Klassischen Griechenland?, in: Göttinger Forum f. Altertumswissenschaft 5 (2002) 123–183.

B. SCHIFFMANN, Untersuchungen zu Xenophon. Tugend, Eigenschaft, Verhalten, Folgen. Göttingen 1993.

R. NICKEL, Xenophon. Darmstadt 1979.

Polybios

Polybios wurde um das Jahr 200 v. Chr. in der arkadischen Stadt Megalopolis auf der Peloponnes geboren. Sein Vater Lykortas, zeitweilig einer der Generäle des Achaiischen Bundes, einer aus zehn bzw. zwölf Städten der Landschaft Achaia zur gegenseitigen Unterstützung gebildeten Zweckgemeinschaft, die sich in einer früheren Phase gegen die Vormachtbestrebungen Philipps II. von Makedonien gebildet hatte, gehörte im Vorfeld des Dritten Makedonischen Krieges (173-168 v. Chr.) der romfeindlichen Partei an. In diesem Krieg setzten sich die verbündeten Griechen gemeinsam mit den Makedonen gegen die römische Invasion ihrer Heimat zur Wehr, doch scheiterte das alliierte Heer, das unter dem Oberbefehl des Makedonen Perseus stand, endgültig bei der Schlacht von Pydna im Jahr 168 v. Chr. Polybios selbst wirkte bei diesen Kämpfen als Hipparchos (Reiterkommandant) mit, er hatte somit eines der höchsten militärischen Ämter innerhalb des Achaiischen Bundes inne. Da diese Funktion ein Mindestalter von 30 Jahren voraussetzt, ergibt sich daraus ein wichtiger Anhaltspunkt für sein Lebensalter. Nach der griechischen Niederlage wurden – nach römischer Auffassung als friedenserhaltende Maßnahme – 1000 griechische Geiseln nach Rom verbracht, zu denen auch Polybios gehörte. Dort lebte er im Haus des Generals Lucius Aemilius Paullus, der nach dem römischen Sieg von Pydna den Ehrennamen Macedonicus erhielt. In Rom hochgeschätzt, stieg er zum Lehrer des Publius Cornelius Scipio auf, wodurch er insbesondere zum Berichterstatter über den Dritten Punischen Krieg (149-146 v. Chr.) wurde, der mit der Zerstörung Karthagos endete. Um 150 v. Chr. wurde er aus der Geiselhaft entlassen, musste dann aber im Jahr 146 v. Chr. die Zerstörung seiner Heimat Achaia sowie Korinths durch die Römer miterleben. Polybios selbst erwähnt längere Reisen, die er mit Scipio unternommen habe, wobei er auch den Weg Hannibals über die Alpen nachgegangen sein will. Nach Pseudo-Lukian soll er im Alter von 82 Jahren an den Folgen eines Sturzes vom Pferd gestorben sein, das hieße um das Jahr 120 v. Chr., doch kann man dieser Angabe nicht unbedingt Glauben schenken.

Seine Historiai beschreiben in 40 Büchern den Aufstieg Roms zur Weltmacht für die Jahre 220 bis 144 v. Chr. Dabei war das Werk ursprünglich bis zur Ausdehnung der römischen Dominanz über Griechenland nach der Schlacht von Pydna angelegt. Der erste Teil umfasst die Bücher I bis XXIX, während sich die Bücher XXX bis XL der westlichen Ausdehnung des Römischen Reiches und insbesondere der Zerschlagung des punischen Reiches widmen. Da sich innerhalb des Gesamtwerks auch zwei Vorreden finden, muss man davon ausgehen, dass sich Polybios zunächst auf den ersten Teil beschränken wollte, den er wohl auch noch selbst zur Veröffentlichung gebracht hat: Immerhin handelte es sich dabei um die Ereignisse, an denen er zumindest partiell, wenn auch aus der Sicht des Unterlegenen, aktiv beteiligt war. Der zweite Hauptteil des Werkes hingegen ist mit großer Sicherheit erst nach seinem Tod publiziert worden. Dabei ist auch Teil I in sich klar strukturiert. Im Sinne der sog. historia perpetuaBundesgenossenkriegVierte Syrische KriegDritten Makedonischen Krieges