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Nr. 3075

 

Die Warnung der Signatin

 

Gefährliche Experimente der Naats – die Bleisphäre reagiert

 

Uwe Anton

 

 

 

PERRY RHODAN KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Mutantenfischer

2. Der Naat in der Blase

3. Ein hyperphysikalisches Phänomen?

4. Unterschiedliche Auffassungen

5. Flottenbewegungen

6. AUGE ALPHA

7. Naatfischer

8. Es kommt, wie es kommen muss

9. Die Schlacht

10. Das Weiße Loch

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Cairanischer Vital-Suppressor der Ausweglosen Straßen

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Er wurde vorwärts durch die Zeit katapultiert und findet sich in einem Umfeld, das nicht nur Terra vergessen zu haben scheint, sondern in dem eine sogenannte Datensintflut fast alle historischen Dokumente entwertet hat.

Nachdem er in der fernen Galaxis Ancaisin einen Weg fand, die sogenannte Zerozone zu betreten und womöglich eine Fährte Terras aufzuspüren, begibt sich sein Raumschiff RAS TSCHUBAI ohne ihn auf den weiten Rückweg in die Milchstraße. Mit sich nimmt die Besatzung die Erkenntnis, dass die Cairaner, die sich als Herrscher der Heimatgalaxis aufspielen, nichts anderes sind als Flüchtlinge vor einer weitaus schrecklicheren Gefahr: den Phersunen und ihrer Schutzmacht, der »Kandidatin Phaatom«.

In der Milchstraße wird der Vorstoß Atlans nach Arkon von einer entsetzlichen Tragödie überschattet: Gucky wird ermordet. Aber nun gilt es, einen Weg ins Arkonsystem zu finden, das seit Jahrhunderten unzugänglich ist. Die Naats versuchen es bereits, aber da erreicht sie DIE WARNUNG DER SIGNATIN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Dancer und Schlafner – Die maskierten Mutanten begegnen goldenen Blasen.

Der TARA-Psi – Der Roboter dient nicht nur als letzter Rettungsanker.

Markul agh Fermi – Der arkonidische Befehlshaber agiert zwischen Naats und Ladhonen.

Atlan – Der unsterbliche Arkonide trifft an der Bleisphäre ein.

Aus dem Pranaat: Der Pra über den reisenden Ritter

Aufgabe des reisenden Ritters ist es, seinem Schwurherrn als Paladin zu folgen. Er gelobt, in treuer Gefolgschaft zu dienen, zu arbeiten und zu kämpfen.

Was bestimmt den Suchenden auf seiner Reise?

Denke konträr! Das Ziel treibt den Ritter voran, es bestimmt seinen Weg.

Welchem Ziel folgt der Suchende?

Denke konträr! Nicht der Ritter bestimmt das Ziel, es ist der Schwurherr, der die Wahl trifft!

Doch wenn der Schwurherr sich von den Lehrsätzen des Mua entfernt?

Denke linear!

Ein Schwurherr kann den falschen Weg einschlagen, ein Ritter bleibt allzeit dem Mua verpflichtet. Das Mua bietet nicht die eine Antwort, sondern die Fähigkeiten, etwas zu erkennen, sich zu entwickeln und alle Kräfte zu beherrschen.

 

 

1.

Mutantenfischer

21. Juni 2046 NGZ

 

Und so trieben sie dahin: der TARA-Psi, Schlafner und Dancer, drei winzige Gestalten in endloser Dunkelheit. Die BAILNOOD existierte nicht mehr, war in einer vernichtenden Explosion untergegangen.

Der TARA-Psi hatte es bestätigt. Er hatte die meisten seiner Systeme aktiviert, durfte und konnte sie nicht ausschalten. Seine Ortungen waren ausschlaggebend für ihr Überleben.

Sein Roboterkörper war leicht anzumessen, ein über zwei Meter hoher und 70 Zentimeter breiter Kegelstumpf mit vier Tentakelarmen und einem halbkugelförmigen, grünlich schillernd gemaserten Ortungskopf.

Der TARA-Psi erholte sich langsam, sofern man bei einem Roboter – und als das wurde er von den meisten gesehen – diesen Ausdruck benutzen konnte. Es würde eine Weile dauern, bis er wieder teleportieren konnte.

Dancer spürte, wie die Sekunden verrannen, aber nicht rasend schnell, tick-tick-tick, sondern quälend langsam, tiiick ... tiiick ... tiiick ... Eine nach der anderen, und in jeder einzelnen schienen mehrere Atemzüge Platz zu haben.

»Hast du neue Erkenntnisse?«, fragte sie. »Kannst du in der Nähe jemanden orten?« Die drei hatten sich längst verkabelt und konnten problemlos miteinander kommunizieren.

Denn so allein, wie es den Anschein hatte, waren sie vielleicht gar nicht. Zahlreiche Beiboote waren unmittelbar vor der Explosion aus der BAILNOOD gestartet, und sicherlich waren sie nicht alle detoniert. Außerdem hatte Buthult, der Kommandant des Schiffes, unmittelbar vor dessen Untergang befohlen, dass die Besatzungsmitglieder in ihren Raumanzügen ausschleusen sollten. Es war nicht nur denkbar, sondern sogar wahrscheinlich, dass zwischenzeitlich überlebende Naats, Báalols oder Ladhonen in ihrer unmittelbaren Nähe angekommen waren.

Die Evakuierung der BAILNOOD war eine Verzweiflungstat gewesen. Zum einen würden Buthults Leute bei so einem Vorgehen kaum genug Abstand zum Mutterschiff bekommen, zum anderen konnten sie im freien All nur einige Tage überleben, falls sie nicht aufgegriffen werden sollten. Also musste Dancer davon ausgehen, dass früher oder später jemand vorbeischauen würde.

Sie atmete tief durch. Dem Tod mochten sie vorerst entronnen sein, aber sie waren keineswegs in Sicherheit. Der Tod war allgegenwärtig, auch dort, wo man ihn vielleicht gar nicht vermutete.

Sie musste an den Mausbiber Gucky denken, der in Atlans Armen gestorben war, an das Bild der Spiralgalaxis, die von der Leiche aufgestiegen war, sich majestätisch erhoben hatte und emporgeschwebt war. An die grenzenlose Wut des Arkoniden, der das Ende der Mörder ohne jedes Mitleid mit angesehen hatte.

Atlan hatte geplant, den Mausbiber in jener alten, 2410 Lichtjahre vom Solsystem entfernten, sterbenden Sonne beizusetzen, die einst vom Planeten Tramp umlaufen worden war, der Heimat der Ilts. Ob ihm das mittlerweile gelungen war?

Dancer würde nicht beigesetzt werden. Abgesehen davon, dass sie wahrscheinlich bei der Bleisphäre verrecken und bis in alle Ewigkeit im freien All treiben würde, hatte sie ohnehin keine Heimatsonne mehr, in der man sie bestatten konnte.

»Ich orientiere mich noch«, riss der TARA-Psi sie aus den düsteren Gedanken.

Er hatte recht. Sie war nicht tot, ebenso wenig wie ihr Bruder. Aber es fiel ihr schwer, die nötige Geduld aufzubringen, dem Roboter die Zeit zu geben, die er benötigte, um ihre durchaus missliche Lage zu analysieren.

»Die Flotte der Arkoniden ist nicht in meiner Reichweite«, gab er schließlich bekannt. »Sie kann ich auf keinen Fall mit Teleportationen erreichen.«

Geht er nach dem Ausschlussverfahren vor?, fragte sich Dancer. Teilt er uns erst einmal mit, was ihm nicht möglich ist, und dann, was er eventuell schaffen könnte? Oder folgt er irgendeiner Dramaturgie?

»Dann werden wir eben auf ein Schiff der Naats oder der Ladhonen wechseln müssen«, sagte Dancer trotzig. »Sind welche von ihnen in der Nähe?«

»Einige Schiffe nähern sich unserer Position. Aber es wird dauern, bis sie uns erreicht haben.«

War ja klar, dachte Dancer. Die Naatraumer können nicht mit dreißig Prozent Lichtgeschwindigkeit angebraust kommen, dann einfach stoppen und uns aus dem All fischen.

»Vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit ...«, fuhr der TARA-Psi fort.

»Welche?« Der Roboter konnte mit einem Passagier im Transportkorb bis zu 500 Kilometer teleportieren. Bei jedem Sprung verbrauchte er allerdings eine winzige Menge Salkrit, sodass dessen Vorhandensein den Einsatzmöglichkeiten Grenzen setzte.

Der TARA-Psi antwortete nicht, schien nachzudenken. Für ihn war es kein großes Problem, im All zu treiben, jedenfalls nicht auf kurze Sicht. Bei Schlafner und ihr sah das schon etwas anders aus. Sie warf einen Blick auf die SERUN-Anzeigen.

Du darfst dich nicht verrückt machen! Ihr Vorrat an Atemluft, Wasser und Nahrungskonzentraten reichte für mehrere Tage.

Es war ein psychologisches Problem. Vielleicht hätte sie nicht an den Mausbiber denken sollen. Aber Atlan hatte sie per Funk über die tragischen Ereignisse informiert, und seitdem bewegten sich immer wieder ihre Gedanken um den Kleinen.

Gucky war ein geborener Multimutant gewesen, sie hingegen verfügte über eher eingeschränkte Kräfte. Und die waren nicht einmal angeboren.

»Wir sind ganz in der Nähe eines akonischen Etappenhofs herausgekommen, den die Ladhonen oder die Cairaner hier positioniert haben«, sagte der Roboter dann.

»Wir sind also unmittelbar vor der Bleisphäre«, stellte Schlafner fest. Man konnte die riesige graue Wand zwar sehen, aber die Entfernung nicht abschätzen.

Dancers Gedanken gingen schon etwas weiter. »Kann das Zufall sein?«, murmelte sie. Es gab nur sechs Etappenhöfe, und bei der gewaltigen Größe der Bleisphäre kam ihr das sehr unwahrscheinlich vor.

»Ein Etappenhof hat auch etwas gesendet, als wir mit der BAILNOOD in die Sphäre eingedrungen sind«, sagte Schlafner nachdenklich. »Du hast damals den Eindruck gehabt, als hätten wir uns irgendwie in diesen Transmitterimpuls eingefädelt ...«

Das war richtig. Sie könnte es nicht rational erklären, falls man es nun von ihr verlangte, aber es war mehr als nur ein bloßes Gefühl gewesen.

»Schiffe nähern sich«, meldete der TARA-Psi. »Einheiten der Ladhonen, aber auch etliche der Naats. Ich messe sowohl Fünfzehnhundert-Meter-Raumer der KUTTBAYAR-Klasse als auch Tausend-Meter-Schiffe der BUCHANDHA-Klasse an.«

Wie die BAILNOOD eines gewesen ist, dachte Dancer. »Schleusen sie Beiboote aus?«

»Die meisten. Das war kaum anders zu erwarten. Sie beginnen, die Überlebenden der Katastrophe aufzusammeln.«

Keine Menschenfischer, dachte Dancer, aber immerhin Mutanten- oder Naatfischer. Womit unsere Probleme jedoch keineswegs ausgestanden sind, sondern erst beginnen.

Ihr Bruder und sie trugen Fazialmasken, die sie bei oberflächlicher Kontrolle als Maaliter durchgehen ließen.

Als Maaliter hatten sie sich an Bord der BAILNOOD Dimma Tatshu und Okarul Tatshu genannt, Geschwister wie im wahren Leben. Sollten ihre Retter sie aber auf Herz und Nieren überprüfen, nachdem sie sie aufgefischt hatten, würden die Masken mit Sicherheit auffallen.

Dieses Risiko müssen wir eingehen, dachte Dancer. Immer ein Schritt nach dem anderen. Wir befassen uns damit, sobald wir uns damit befassen müssen.

Eine Option hatte sie bislang nicht angesprochen. »Ist es möglich, Funkkontakt mit Admiral agh Fermi aufzunehmen?«

Der De-Keon'athor Markul agh Fermi war der Stellvertreter des Mascanten Atlan in M 13, und das Trio war zu dessen Unterstützung und Schutz an Bord der TARTS geblieben. Von Bord der TARTS waren sie zu ihrer Mission aufgebrochen. Über Rettungsmissionen hatten sie kein Wort verloren. Ihnen war klar, dass sie größtenteils auf sich allein gestellt sein würden.

»Nein, das wäre zu verräterisch«, hielt ihr Bruder dagegen. »Außerdem bezweifle ich, dass er imstande sein wird, uns irgendwie zu unterstützen. Ganz zu schweigen von der arkonidischen Zurückhaltung, die er an den Tag legen soll.« Wie jeder Mitspieler auf dieser Bühne hatte sich auch der Admiral an die Vorgaben zu halten.

Dancer war klar, was ihr Bruder damit ausdrücken wollte. Würde der De-Keon'athor es riskieren, eine Eskalation des Konflikts in Kauf zu nehmen, nur um sie zu retten?

Strategisch durfte er gar keinen Gedanken daran verschwenden. Die Flotten der Arkonidischen Baronien und der Naats standen sich an der Bleisphäre direkt gegenüber. Jede Aktion konnte der Auslöser sein, der den fragilen Zustand zerbrechen ließ und Kämpfe zur Folge haben könnte, die Hunderttausende von Leben fordern würden.

»Solange unser Leben nicht akut gefährdet ist, sollten wir Funkdisziplin wahren«, gab der TARA-Psi ihm recht.

Dancer registrierte sehr wohl, dass er von unserem Leben sprach. Wer genau hinhörte, musste annehmen, dass an diesem Roboter offenbar ein Mensch verloren gegangen war. Doch Dancer wusste es – als eine von nur wenigen – besser: Im TARA-Psi steckte ein Mensch, zumindest dessen Bewusstsein oder jedenfalls immerhin Spuren davon. Doch so, wie ihr Bruder und sie ihre wahren Namen – Odin und Dva Bouknadel – nur in absoluten Ausnahmesituationen verwendeten, würde sie auch Sallu Browns Geheimnis wahren und ihn mit seiner offiziellen Bezeichnung anreden.

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Illustration: Swen Papenbrock

Haben wir die Lage unter- und uns selbst maßlos überschätzt?, fragte sie sich. Es war klar, dass jeder Versuch, die Bleisphäre zu durchqueren, zu katastrophalen Ergebnissen führen könnte, und diese Ergebnisse waren nun eingetreten. Die BAILNOOD hatte die Passage nicht überstanden, der Unterstützung durch die Hypertronik zum Trotz, und obwohl die Antis den Flug mit ihren Paragaben zu steuern versucht hatten.

Sie drehte den SERUN leicht, sodass sie zur Bleisphäre sah. Der Anblick war genauso furchterregend und unheimlich wie am ersten Tag. Ein undurchdringliches silbrig-bleigraues Wabern tat sich vor ihr auf, nicht mehr und nicht weniger als eine endlos hohe Wand. Dancer wusste, dass die Sphäre insgesamt diskusförmig war. Von ihrem Standort hatte sie aber keinen Gesamtüberblick, und da der SERUN sich weiterhin drehte, schien das grenzenlose Grau nun direkt über ihrem Kopf zu schweben.

Es war kein gutes Gefühl.

Die Sensoren lieferten immer mehr aktuelle Informationen. Dancer las über die Verkabelung mit und stellte fest, dass viele andere Personen aus der BAILNOOD entkommen waren. Sie zählte vor allem Naats und Antis, die sich allein anhand der Masse problemlos voneinander unterscheiden ließen. Waren das da in der Ferne nicht sogar Ladhonen? Sie konnte es nicht genau feststellen. Beiläufig fragte sie sich, ob die Shenpadri Shonopord, die Betreuerin der Hypertronik, es lebend von Bord geschafft hatte.

»Ich könnte jetzt eine Alternative anbieten«, sagte der TARA-Psi plötzlich und projizierte ein Holo.

Dancer kniff die Augen zusammen.

Es schien sich um eine Raumstation zu handeln, die sich in relativer Nähe befand. Offensichtlich bestand sie aus drei übereinander gestapelten Diskusraumern der Blues, die fest miteinander verbunden waren.

Elektrisiert nahm Dancer weitere Messungen vor. Die Energieemissionen der Station waren sehr niedrig und erlaubten keinen eindeutigen Rückschluss, ob sie bewohnt oder verlassen war. Arbeitete sie in automatischem Betrieb, oder lebten nur wenige Bewohner in ihr?

Ein Blick auf den Entfernungsanzeiger verriet Dancer, dass die Station alles andere als eine Alternative war. Sie war etwa 16.000 Kilometer entfernt.

Das würde dem TARA-Psi 96 Sprünge abverlangen: 32 mit einer Person hin, 32 allein zurück, 32 mit der zweiten Person hin.

»Das wären viel zu viele Teleportationen für dich«, sagte sie schroff. »Das schaffst du nicht. Und mit dem Gravopuls-Antrieb unserer SERUNS ist das ebenfalls nicht in einer sinnvollen Zeit zu machen, selbst wenn wir beschleunigen würden, solange die Speicher noch Energie hergäben. Außerdem wären wir während der Beschleunigung leicht zu orten, was sicher Fragen hervorrufen würde.«

»Falls man uns auffischt«, pflichtete Schlafner ihr bei. »Wovon wir ausgehen müssen. Und solche Fragen wollen wir ja gerade vermeiden.«

»Es kommt Bewegung ins Spiel!«, warf der TARA-Psi ein. »Ich orte ein Schiff der Naats, KUTTBAYAR-Klasse, das sich unserer Position nähert. Es schleust Beiboote aus. Offensichtlich soll es die im Raum versprengten Überlebenden einsammeln!«

Dancer kniff die Augen zusammen, konnte aber weder das Mutterschiff noch die Beiboote in der Finsternis des Alls sehen. Sie war weiterhin einzig und allein auf die Ortungsergebnisse angewiesen.

»Endlich!«, sagte ihr Bruder. »Das wurde ja langsam auch Zeit.«

Dancer war nicht so guten Mutes. Sie hatte das Gefühl, dass ihr die Entscheidung über ihr weiteres Vorgehen abgenommen worden war. Fraglos war diese Alternative besser, als tagelang im Raum zu treiben, während der TARA-Psi sich schließlich verausgabte und den hoffnungslosen Versuch unternahm, sie mit Teleportationen in Sicherheit zu bringen. Aber eigentlich hatten sie vermeiden wollen, sich aus höchster Raumnot retten zu lassen, weil das unangenehmen Fragen nach sich ziehen könnte.

»Ich empfange einen unverschlüsselten Funkspruch«, meldete der TARA-Psi. »Das Schiff identifiziert sich als FONAGUR. Es hält weiterhin auf den Bereich zu, in dem wir im Raum treiben.«

»Die Naats und Antis aktivieren ihre Hyperfunkgeräte, lassen sich anpeilen«, sagte Schlafner.

Dancer reagierte sofort. »Wir sollten es ihnen gleichtun, sonst machen wir uns verdächtig. Vergiss nicht, unsere Einsatznamen zu verwenden, Dimma Tatshu und Okarul Tatshu.«

Ihr Bruder schnaubte wütend. »Manchmal hältst du mich für den größten Einfaltspinsel unter dieser hässlichen Bleidecke, oder?«

Sie grinste. »Für was denn sonst? Du bist nun mal, was du bist.« Sie schaltete den Funk auf maximale Reichweite. »Hier spricht Dimma Tatshu von der BAILNOOD ...«

Es dauerte eine geraume Weile, bis eine Bestätigung erfolgte. »Hier ist die FONAGUR. Wir haben euch mit der Ortung erfasst und werden euch so schnell wie möglich bergen. Übt euch in Geduld, es wird eine Weile dauern ...«

Immerhin schien der Naat hinter dem Funkgerät sich in lemurisch-humanoider Psychologie auszukennen und zu wissen, wie wichtig solch eine Bestätigung für einen in Raumnot befindlichen Maaliter war. Ebenso wie die Erklärung, dass die endgültige Rettung noch auf sich warten lassen würde ...

Dancer fragte sich kurz, was ihre Retter mit dem TARA-Psi anstellen würden. Er glich mit seinen Tarnaufbauten einem naatschen Medo- und Serviceroboter. Aber sie würde irgendwie zu verhindern wissen, dass die Naats ihn einfach zurückließen. Notfalls würde sie ihren Rettern erklären, dass der Roboter über wichtige Daten über den Untergang der BAILNOOD verfügte, die sie unbedingt auswerten mussten. Oder er teleportierte heimlich hinterher.

 

*

 

Es fiel Dancer unglaublich schwer, doch sie musste sich in Geduld üben. Eine halbe Stunde, eine volle ... Der Funk schwirrte von Nachrichten der Naats und Báalols, die ihre Positionen durchgaben, auf Anweisungen der FONAGUR warteten, die schrien und flehten, bettelten und fluchten. Wenn man allein im All trieb, bröckelte die dünne Fassade der Zivilisation schneller, als einem lieb sein konnte. Obwohl die Rettung absehbar war, wurde die Angst, die Beunruhigung, die Sorge immer größer. Wenn man mich vergisst, werde ich bis zum Ende meiner Tage hier treiben, und irgendwann, in Jahrhunderten oder Jahrtausenden oder Jahrmillionen, als Leiche in die Sonne stürzen und dort verglühen ...

»Die FONAGUR ist nah«, meldete der TARA-Psi. »Man wird uns bald an Bord holen können. Ich habe übrigens eine gute Nachricht. Ich habe etliche Funksprüche der Naats und Antis abgehört, und zu meiner Überraschung hat der Naat Gozom Phibro die Katastrophe überlebt.«

Dancer verspürte eine freudige Erregung. Um den Logistiker, der als Agent der arkonidischen Baronien agierte, zu suchen und zu retten, waren sie fast bis zum letzten Augenblick an Bord der BAILNOOD geblieben. Sie hatten ihn zwar nicht gefunden, aber offensichtlich hatte er sich aus eigener Kraft in Sicherheit gebracht.

»Auch die Sprecherin der Báalols, Simisvare Kaáta, hat sich gemeldet«, fügte der Roboter hinzu.