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Die

UNDERWOOD
METHODE
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DER INOFFIZIELLE HOC-RATGEBER
rund um Macht, Erfolg und Intrigen

THOMAS FUCHS

Copyright 2018:

Gestaltung Cover: Daniela Freitag

ISBN 978-3-86470-581-6

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

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„House of Cards“ ist die erfolgreichste Serie, die Netflix
bis jetzt auf den Markt gebracht hat; ein Zeitgeist-Phänomen
in vielerlei Beziehung.

Zum Start der sechsten und letzten Staffel liegt mit
„Die Underwood-Methode“ ein Begleitbuch vor, das die Strategien
der Underwoods näher beleuchtet und dabei auch „Experten“
wie Niccolò Machiavelli (der auf seinen Reisen zu der Erkenntnis
gelangt, dass Politik zum großen Teil Taktik und Verstellung ist)
sowie Romanautor und Serienerfinder Michael Dobbs zu Wort
kommen lässt. Was sind die Hintergründe der Vorlage?
Was hat der Politsoap den Weg geebnet?
Wo finden sich die Schlüsselszenen und Schauplätze?
Und vor allem: Welche Erfolge und Niederlagen begleiten
das geniale Powerpaar auf dem an Stolperfallen
reichen Weg nach oben?

Nicht nur Serienfans werden hoffentlich ihre Freude
an diesem kleinen Kompendium haben, sondern auch der Leser –
ob aufstrebender Mitarbeiter oder genervte Vereinskollegin –,
der mehr über Machtspiele und Intrigen im System wissen will.

INHALT

Vorwort

I. Michael Dobbs – Der Mann hinter dem Erfolgsmythos

II. F. U. & C. U. – ein Paar wie Pech und Schwefel

Das Powerpaar in der Serie

Das Powerpaar im richtigen Leben

III. Die Underwood-Methoden

1. Wie Frank Underwood seine Skrupellosigkeit einsetzt

2. Wie Frank Underwood mit Verrat umgeht

3. Wie Frank Underwood Intrigen inszeniert

4. Wie Frank Underwood falschspielt

5. Wie Frank Underwood Menschen einschüchtert

6. Wie Frank Underwood Leute in Position bringt

7. Wie Frank Underwood an seine Grenzen kommt

8. Wie Frank Underwood Indiskretionen erzwingt

9. Wie Frank Underwood mit Schmeicheleien umgeht

10. Wie Frank Underwood mit Ratschlägen umgeht

11. Wie Frank Underwood seine Großzügigkeit zeigt

12. Wie Frank Underwood Verbündete sucht

13. Wie Frank Underwood Konkurrenz ausschaltet

14. Wie Frank Underwood Parteifreunde austrickst

15. Wie Frank Underwood Untergebene instrumentalisiert

16. Wie Frank Underwood Schwächere einspannt

17. Wie Frank Underwood sich die Hände schmutzig macht

18. Wie Frank Underwood sich seiner Feinde entledigt

19. Wie Frank Underwood „Freunde“ verrät

20. Wie Frank Underwood Gegner provoziert

21. Wie Frank Underwood „Freunde“ abserviert

22. Wie Frank Underwood seine Gegner analysiert

23. Wie Frank Underwood Fallen stellt

24. Wie Frank Underwood Fallen ausweicht

25. Wie Frank Underwood seine Triumphe genießt

26. Wie Frank Underwood mit Macht umgeht

27. Wie Frank Underwood Stärke demonstriert

28. Wie Frank Underwood die Medien benutzt

29. Wie Frank Underwood Probleme löst

30. Wie Frank Underwood es mit der Religion hält

31. Wie Frank Underwood in Krisen agiert

32. Wie Frank Underwood Märtyrer schafft

33. Wie Frank Underwood mit Geld umgeht

34. Wie Frank Underwood Sex einsetzt

35. Wie Frank Underwood angreift

36. Wie sich Frank Underwood verteidigt

37. Wie Frank Underwood Niederlagen verkraftet

38. Wie Frank Underwood gegen seine Frau arbeitet

39. Wie Frank Underwood endgültig scheitert

40. Wie Claire Underwood die Rollen wechselt

41. Wie Claire Underwood mit Emotionen umgeht

42. Wie Claire Underwood Niederlagen in Siege verwandelt

43. Wie Claire Underwood ihren Sexappeal einsetzt

44. Wie Claire Underwood Besitzansprüche anmeldet

45. Wie Claire Underwood mit Seitensprüngen umgeht

46. Wie sich Claire Underwood „aus der Affäre zieht“

47. Wie Claire Underwood Mitarbeiter feuert

48. Wie Claire Underwood Daumenschrauben anlegt

49. Wie Claire Underwood Mitstreiter sucht

50. Wie Claire Underwood Kontakte knüpft

51. Wie Claire Underwood die Wahrheit verdreht

52. Wie Claire Underwood vertraulich wird

53. Wie Claire Underwood sich Erpresser vom Hals schafft

54. Wie Claire Underwood sich ihrer Herkunft stellt

55. Wie Claire Underwood ihre Ziele neu definiert

56. Wie Claire Underwood ihren Coup vorbereitet

57. Wie Claire Underwood selbst ihren Mann steht

IV. Wie „House of Cards“ zum Welterfolg wurde

Mit Serien an die Spitze

Netflix knackt den Jackpot

V. Was, wann, wo und wer mit wem

Die Folgen im Überblick

Der Vorspann

Die Schauplätze

VORWORT

„Lesen Sie das Kleingedruckte.
Das ist viel wichtiger als der Preis.“

Francis J. Underwood

House of Cards“ ist eine amerikanische Politserie, die 2013 ihren Siegeszug auf Netflix antrat. Was vielleicht nicht jeder weiß: Sie basiert auf einer gleichnamigen englischen Miniserie, die 1990 von der BBC ausgestrahlt wurde und auf den Bestseller von Michael John Dobbs zurückgeht, eines konservativen Politikers, der von seiner Zeit als Stabschef im Hauptquartier seiner Partei zum Roman inspiriert wurde.

Die Staffeln um den amerikanischen Kongressabgeordneten und späteren Präsidenten Frank Underwood (Kevin Spacey) und seine politischen Ambitionen bilden die bisher kommerziell erfolgreichste Netflix-Serie, auch wenn der Rauswurf Spaceys so einiges gekostet haben dürfte. (In diesem Zusammenhang sprechen wir doch gleich auch den sprichwörtlichen Elefanten an, der immer noch so unübersehbar und laut trompetend im Raum steht: In diesem Buch geht es nicht um Kevin Spacey und die mit seiner Person verbundenen Turbulenzen und Missbrauchsvorwürfe. Dazu ist von so vielen Seiten schon so viel gesagt worden, dass man zur Abwechslung auch ganz gut daran tut, keine Meinung dazu zu äußern. Die Palette reicht von „Enterprise“-Sulu George Takei, der nach scharfsinniger Analyse zu dem Schluss kam, dass hinter der ganzen Angelegenheit ein gewisser Wladimir Putin stecke, bis hin zu Kommentaren, dass nun, wo die Herrschaft der alten weißen Männer (und Bill Cosbys!) gebrochen sei, Hollywood zu neuen kreativen Ufern aufbrechen werde, diesmal jedoch beseelt von Fairness und Respekt.)

Wir werden sehen, wie das alles ausgeht, und freuen uns natürlich über jeden Fortschritt, sind aber viel eher gespannt zu erfahren, wie sich denn nun unsere „Kartenhaus“-Geschichte aus dieser leidigen Affäre zieht. 2018 wird die Serie mit acht Folgen zu Ende erzählt (sein), im Mittelpunkt steht dann Claire Underwood (Robin Wright) als Franks Gattin und derzeit amtierende Präsidentin.

Wer die Serie verfolgt, kann nicht nur viel Spaß damit erleben, sondern auch so einiges lernen: über Bluffs, Finten und eiskalte Schachzüge auf dem Weg nach oben und über machterhaltende Paarstrategien in guten wie in schlechten Zeiten. Dass diverse Akteure an reale Personen erinnern, sei es Hillary Clinton, Edward Snowden oder die ehemalige Verlegerin der Washington Post, Katherine Graham, dürfte alles andere als ein Zufall sein. Wie bei amerikanischen Serien üblich, ist alles „larger than life“, überlebensgroß, doch trägt das nüchterne britische Fundament definitiv mit dazu bei, dass die Geschichten trotz aller Übertreibungen in der Regel nicht den Boden unter den Füßen verlieren. Natürlich ist das alles sehr schillernd, und man fragt sich, wie wohl ein deutsches Pendant zu „House of Cards“ aussähe. Das Ergebnis wäre vermutlich alles andere als elektrisierend, und man mag sich die Aktivitäten in den Casting-Agenturen („Wir brauchen jemanden, der vom Typ her so ist wie die Nahles, aber sie muss auch singen können!“) nicht wirklich ausmalen.

Die Faszination der Serie reicht weit über das Feld der Politik hinaus. Was Frank Underwood im Laufe der Serie alles anstellt, um – nachdem er als Außenminister abgeblitzt ist –Präsident zu werden, hat für viele Beziehungen Modellcharakter. Das mag man bewundern oder bedauern, Tatsache ist: Fast überall – ob in Firmen, Verwaltungen oder Organisationen – findet man große und kleine Frank Underwoods, die mit mehr oder weniger schmutzigen Tricks versuchen, ihre Ziele zu erreichen.

Auch wenn es von den Machern anfangs nicht unbedingt so gedacht war, kann man „House of Cards“ als ein modernes Pendant zu Machiavellis „Der Fürst“ sehen, mit Maximen, die die Underwoods zur Freude der Zuschauer bei passender Gelegenheit direkt in die Kamera sprechen. In der Serie wird überhaupt viel und gern zitiert, von Churchill über Ralph Waldo Emerson, von Oscar Wilde bis hin zu Shakespeare. Im Laufe der Ausstrahlung wurden die Aussprüche Frank Underwoods selbst zu Zitaten und machten eifrig die Runde. Wer im Netz danach sucht, wird schnell fündig. Zwar mag die Zahl der Frank-Underwood-Zitate noch nicht so groß sein wie die der Witze und Sprüche über und von Chuck Norris, dafür aber ist ihr Informationsgehalt und Nutzen weitaus größer – für Fans der Serie wie auch für die, die nicht jede Folge inhaliert haben. Alles, was Sie an Wissenswertem über die Materie und den Fortgang der Handlung benötigen, finden Sie im Text (Vorsicht: Spoiler-Alarm!), so dass Sie jeden Schritt, jeden Richtungswechsel und jede Methode der Underwoods mit Leichtigkeit nachvollziehen können. Auch wenn das Revier von Frank und Claire die große Politik ist, begegnet man den Verhaltensmustern und Strategien, die hier das Spiel bestimmen und voranbringen, überall auf der Welt, auf jedem Level der Gesellschaft wie auch der Wirtschaft.

Ein langjähriger Vorgesetzter, der sich der Intrigen seines Möchtegern-Nachfolgers erwehren muss, oder ein Patriarch, der einen würdigen Nachfolger sucht, wird hier ebenso fündig wie Mitarbeiter, die unter Kollegen leiden, die sich dauernd mit fremden Federn schmücken und die Anerkennung einheimsen, die eigentlich einem selbst zusteht. Der Digital Native, der kaum Erfahrung mit Strukturen und Hierarchien hat (und es gibt überall Strukturen und Hierarchien, besonders dort, wo ihre Existenz geleugnet wird), absolviert einen Crashkurs in Sachen Betriebsklima und sozialen Umgangs, der ihm lange Jahre schmerzhafter Selbstversuche erspart. Am Ende ist es immer noch so, wie es der Dichter John Donne, der große Landsmann des Serien-Erfinders Michael Dobbs, postulierte: „Kein Mensch ist eine Insel.“ Und wer sich im weiten Meer behaupten will, sollte unbedingt verstehen, was sich um ihn herum an Haifischen, Kraken und Tarnfarben tummelt.

House of Cards“-Fans, die nach einem handlichen Kompendium ihrer Lieblingsserie suchen, werden ebenso fündig: Neben der eigentlichen Entstehungsgeschichte, einem Episodenguide und Angaben zu den Schauplätzen und Drehorten finden sie hier auch die Vorgeschichte der englischen Originalversion.

Last but not least mag es unter den Leserinnen und Lesern die Gruppe der Möchtegern-Underwoods geben, die hoffen, durch die Lektüre schnell all die schmutzigen Tricks zu erlernen, die sie im Leben zügig voranbringen. Auch sie werden nicht enttäuscht werden. Allerdings hat die Sache einen Haken. Wie wir sehen werden, ist selbst ein Frank Underwood nicht unschlagbar und auch nicht davor gefeit, in die Grube zu fallen, die er selbst gegraben hat.

TEIL 1

Michael Dobbs – Der Mann hinter dem ERFOLGSMYTHOS

Vom Buch-Bestseller zum TV-Serienereignis

Alles begann damit, dass ein britischer Politprofi Ende der 1980er-Jahre frustriert in den Sommerurlaub fuhr. Michael John Dobbs hatte vor, sich zusammen mit seiner Frau am Pool eines Hotels auf der Insel Gozo zu erholen, aber irgendwie wollte sich die Urlaubsstimmung nicht so recht einstellen. Und das lag zur Abwechslung einmal nicht daran, dass diese verdammten Deutschen wie üblich die besten Plätze mit ihren Handtüchern belegt hatten.

Dobbs war ein begeisterter Leser, doch diesmal konnte er sich auf den Bestseller der Saison einfach nicht konzentrieren. „Was für ein Mist“, dachte er. „So ein Buch kann doch jeder schreiben.“ Dobbs’ Ehefrau zeigte sich von seinen Nörgeleien unbeeindruckt. „Wenn du es besser kannst, Darling, warum probierst du es dann nicht einfach selbst?“

Lady Dobbs war mit Sicherheit nicht die erste Frau, die ihre bessere Hälfte mit einer derartigen Bemerkung ausbremsen wollte, bei Michael Dobbs fiel der Kommentar jedoch – über Umwege zumindest – auf fruchtbaren Boden. Denn als Erstes wurde ihm klar, dass der Grund für den Sommer seines Missvergnügens nicht in seiner Urlaubslektüre zu finden war.

Dobbs begann seine Laufbahn als eines der aufstrebenden politischen Talente Großbritanniens. Er hatte im englischen Oxford und in den Vereinigten Staaten an der Fletcher School of Law and Diplomacy studiert, dann seine Doktorarbeit über das nukleare Wettrüsten in Ost und West geschrieben. Neben seiner Politkarriere arbeitete er für die Werbeagentur Saatchi & Saatchi, die in den 1970ern unter anderem mit dem Geld der Minirock-Erfinderin Mary Quant gegründet worden war.

Als Politiker legte Dobbs dann tatsächlich eine atemberaubende Karriere hin. Obwohl noch jung an Jahren, wurde er Stabschef der Torys. Vom linksliberalen Guardian bekam der konservative Politiker als meisterhafter politischer Drahtzieher den Titel „Babyface Hitman“ verliehen.

Dann kam der Wahlkampf des Jahres 1987. Ein Meinungsforschungsinstitut sagte Dobbs’ Partei einen Einbruch in der Wählergunst voraus, das Wahlvolk schien der Premierministerin Margaret Thatcher überdrüssig zu sein, und die sonst so „Eiserne Lady“ zeigte Nerven. Zwischen dem Stabschef und der Spitzenkandidatin kam es zum Bruch.

Nachdem Michael Dobbs bewusst geworden war, wie sehr ihm die ganze Geschichte immer noch zusetzte, hatte er den Stoff für seinen Roman gefunden. Er machte einen gewissen Francis Urquhart zum Helden seines Romans, der – wie Dobbs selbst - vom Premierminister ungerechterweise abgekanzelt worden war. Als Schüler hatte Michael Dobbs zwar zu seinem großen Leidwesen Shakespeare lesen müssen, doch das Drama um Julius Cäsar, jenen Römer, der zu seiner Sicherheit nur „wohlbeleibte Männer um sich haben wollte“ und dann doch von seinem besten Freund ermordet wurde, blieb wohl doch noch gut in Erinnerung.

Als das Buch fertig war, trug es den Titel „House of Cards“, wurde zum Bestseller und ließ seinen Autor zum bis dato erfolgreichsten Politschriftsteller Großbritanniens werden. Selten zeigte ein Stoff so deutlich, noch dazu bei einem derartigen Thema, wie dicht Liebe und Verachtung für eine Profession beieinanderliegen können.

Der große Erfolg des Romans, der durch die amerikanische TV-Adaption zu einem weltweiten Phänomen wurde, erfüllt Dobbs mit Demut. Es war nicht zuletzt dieser Erfolg, der ihm half, sein Zerwürfnis mit Maggie Thatcher in einem neuen Licht zu sehen.

Die BBC blickt auf eine lange Tradition intelligent gemachter TV-Serien zurück, die im Politikermilieu spielen. Als Margaret Thatcher Ende der 1970er-Jahre an die Macht kam, startete kurz nach ihrem Amtsantritt die Comedy-Serie „Yes Minister“. Sie handelt von den nicht enden wollenden Grabenkämpfen zwischen dem frisch gewählten Minister für administrative Aufgaben, James Hacker, und seinem vorgeblich loyalen Staatssekretär Sir Humphrey Appleby. Herzstück einer jeden Folge waren Applebys Reden, die in der Regel eine Frage des Ministers im Stile von Radio Eriwan mit „Ja. Und auch nein.“ beantworteten und diesen am Ende verwirrt und überfordert zurückließen. Maggie Thatcher ließ verlauten, dass diese Serie zu ihren TV-Lieblingen gehöre, denn sie hatte gleich dem fiktiven Hacker der allgegenwärtigen Bürokratie den Kampf angesagt. (Andere hingegen vermuten, die Premierministerin habe die Serie vor allem deshalb angepriesen, weil sie mit einem der Autoren befreundet war. Das ist nicht völlig von der Hand zu weisen. Mrs Thatcher zeichnete sich durch eine für Briten geradezu untypische Humorlosigkeit aus. Die Berichte von einem Parteitag, auf dem ihr Referenten verzweifelt einzubläuen versuchten, eine Anspielung auf einen Monty-Python-Sketch – der mit dem toten Papagei – sei humorvoll gemeint, sind erschütternd und doch überaus glaubwürdig.)

1990 adaptierte die BBC Dobbs’ Roman und bewies nicht nur bei der Wahl des Ausstrahlungstermins ein glückliches Händchen. Die Drehbücher wurden von dem Waliser Andrew Davies verfasst, der später mit „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ Erfolge feierte. Die erste Folge beginnt mit einem Francis Urquhart, der versonnen auf ein Porträt der Premierministerin Margaret Thatcher blickt und im Weiteren ihren Sturz plant. Sie wurde genau zu dem Zeitpunkt gesendet, als die Konservative Partei im wirklichen Leben Margaret Thatcher demontierte. Die Einschaltquoten waren gigantisch, sodass der ersten Staffel noch zwei weitere in den 1990er-Jahren folgten. Vor allem Hauptdarsteller Ian Richardson macht die Serie immer noch sehenswert.

Mit seinem amerikanischen „Cousin“ Frank Underwood teilt der Engländer Francis Urquhart neben den Initialen die Angewohnheit, Handlung wie Personen mit pointierten Kommentaren zu begleiten. Allerdings fallen Urquharts Sottisen nicht selten bissiger aus: „Westminster [das britische Parlament] ist wie ein Zoo. Ich bevorzuge den Dschungel.“ Oder: „Jesus lehrt uns: Vergib deinen Feinden. Von Freunden hat er nichts gesagt.“

Als die Amerikaner dann im 21. Jahrhundert beschlossen, „House of Cards“ für die USA zu adaptieren, setzte Michael Dobbs sich noch einmal hin und überarbeitete den Roman, ohne ihn jedoch grundsätzlich zu verändern.

Der Autor im Gespräch mit „Lord House of Cards“

Seit 2010 darf sich Michael Dobbs Baron Dobbs of Wylye nennen, in dieser Funktion ist er Member of the House of Lords. Nun ist es nicht so einfach, mit einem Mitglied des englischen Oberhauses in Kontakt zu treten, aber nach einiger Zeit entspann sich zwischen uns ein freundlicher Austausch. Ungeachtet seines Titels erwies sich der „Erfinder“ von Roman und Serie als freundlicher Gesprächspartner, dem die Misanthropie seiner Helden trotz vieler Jahre Erfahrung im Politikbetrieb völlig fremd zu sein schien. Sein Deutsch ist überraschend akzentfrei und grammatikalisch korrekt, doch blieben wir auf meinen Wunsch hin beim Englischen, weil man in dieser (irdischen) Welt nicht so oft Gelegenheit erhält, jemanden mit „Dear Lord“ anzureden.

Michael Dobbs lernte während seiner Laufbahn viele beeindruckende Persönlichkeiten kennen, von denen einige sogar die Güte besaßen, ihre Erfahrungen mit ihm zu teilen. Dennoch würde er sich selbst kaum als Politik-Experten oder Insider des Politikbetriebs beschreiben. Zumindest nicht mehr. Dazu habe sich die Welt viel zu sehr verändert, auch wenn der Kern immer noch derselbe sei: In der politischen Arena treffen Ideen aufeinander, von denen sich auf lange Sicht – manchmal auf sehr lange – die besseren durchsetzen.

Die vielerorts diagnostizierte Politikverdrossenheit kann Dobbs verstehen, vielfach sogar nachvollziehen, seiner Meinung nach ändere das jedoch nichts daran, dass die Politik das Leben der Menschen entscheidend beeinflusse. Politiker prägten nun mal die Welt, so wenig wir ihnen dieses Vorrecht manchmal auch zugeständen. Das gerade in Großbritannien sehr aktuelle Thema Brexit sei ein schlagender Beweis für diese These. Wenn man akzeptiere, dass es zur Politik nur zwei Alternativen gebe – Anarchie und Bürgerkrieg –, werde man sich wohl oder übel mit dem ganzen Apparat auseinandersetzen und lernen müssen, ihn für seine Zwecke zu verwenden.

Selbst bedeutende Politiker hätten ihre Macken, viel Licht und viel Schatten, und kaum jemand sei dabei so gestrickt, dass man mit ihm nur mal so ein Bier trinken oder über Fußball fachsimpeln würde. Aber die „ganz Großen“ glaubten zumindest an ihre Ziele und setzten sie durch. Sei allerdings die Größe nur vorgespielt, habe man im doppelten Sinne eine Niete gezogen, denn zu all dem, was einen bei Politikern sowieso schon zur Weißglut treibe, komme noch eine gähnende Leere.

Politintrigen und das (Macht-)Spiel mit gezinkten Karten