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Traditionelle Fischerboote am Hafen von Ribeira Quente

HIGHLIGHTS | GEHEIMTIPPS | WOHLFÜHLADRESSEN

»Gott gab dem Meer Abgründe
und Gefahren und ließ es doch
den Himmel widerspiegeln.«

Fernando Pessoa

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Steilküsten prägen die Insel Flores.

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INHALT

Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen

Willkommen auf den Azoren

SÃO MIGUEL – WESTTEIL

1 Ponta Delgada modern

2 Ponta Delgada historisch

3 Sete Cidades

4 Südwestküste

5 Nordwestküste und Capelas

6 Ribeira Grande

7 Lagoa do Fogo

8 Lagoa und Caloura

9 Vila Franca

SÃO MIGUEL – OSTTEIL

10 Furnas

11 Povoação

12 Ostküste

13 Nordeste und Serra da Tronqueira

14 Nordostküste

15 Maia und Porto Formoso

TERCEIRA UND SÃO JORGE

16 Angra historisch

17 Angra heute

18 Das Hochland

19 Serra de Santa Bárbara und Westküste

20 Rund um Biscoitos

21 Praia und Umgebung

22 Velas

23 Westteil

24 Hochland

25 Norte Grande und Umgebung

26 Topo und Umgebung

27 Calheta und Südküste

FAIAL UND PICO

28 Horta

29 Das Inselinnere

30 Westspitze und Capelinhos

31 Südküste

32 Nord- und Ostküste

33 Madalena und Südwestküste

34 Berg Pico

35 Lajes do Pico

36 Hochland im Osten

37 Ostküste und Piedade

38 São Roque und Nordküste

39 Nordwestküste

SANTA MARIA, GRACIOSA, FLORES UND CORVO

40 Santa Maria – Westteil

41 Rund um Santa Bárbara

42 Santo Espírito und Umgebung

43 Das Meer der Azoren

44 Graciosa – Westteil

45 Graciosa – Ostteil

46 Flores – Santa Cruz und Lajes

47 Ponta Delgada und Nordküste

48 Fajã Grande und Westküste

49 Flores – Inselinneres

50 Corvo

REISEINFOS

Azoren von A bis Z

Kalender

Kleiner Sprachführer

Register

Impressum

MEHR WISSEN

Kunst und Kultur – von Klassik bis Street-Art

Angra und die Seefahrt

Weinbau auf der Insel Pico

MEHR ERLEBEN

Eine Woche auf São Miguel

Azoren für Kinder und Familien

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Im Osten von São Miguel ist jeder Aussichtspunkt ein Park.

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Städtisches Ambiente an der Hafenpromenade von Ponta Delgada

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Die Landwirtschaft prägt das Leben auf den Azoren.

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Fajãzinha liegt eingebettet zwischen Wasserfällen und dem Meer.

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Warten auf die Prozession

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Marienverehrung wird auf den Azoren großgeschrieben.

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Historisches Flair in Angra

DAS SOLLTEN SIE SICH NICHT ENTGEHEN LASSEN

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Blick auf Fajã Grande, den westlichsten Ort Europas

image Im Naturschwimmbecken planschen (s. Seiten 56, 138, 215)

Viele Azorianer ziehen diese Badeplätze den Stränden vor. Dort, wo einst die Lava ins Meer floss, bildeten sich Becken, in denen sich heute das Meerwasser sammelt – der ideale Platz für eine schnelle Abkühlung zwischendurch. Und mit einer Taucherbrille und Schnorchel kann man hier die Unterwasserwelt erkunden. Besonders schöne Naturschwimmbecken gibt es rund um die Insel Pico, in Biscoitos auf Terceira und in Mosteiros auf São Miguel.

image Den Blick auf den Pico am frühen Morgen genießen (s. Seite 196)

Der Berg Pico auf der gleichnamigen Insel hüllt sich gerne in die Wolken. Frühaufsteher werden jedoch belohnt – im Morgengrauen ist der Pico oft wolkenfrei. Es lohnt sich auf jeden Fall, morgens die erste Fähre von Faial nach Pico zu nehmen, die Sonne geht dann neben dem Berg auf – eine sagenhafte Stimmung. Abenteuerlustige erklimmen den Berg nachts mit einem Bergführer und genießen den Sonnenaufgang am höchsten Punkt Portugals.

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Wasserfälle sind nur einer der landschaftlichen Reize des Ostens von São Miguel.

image Abendstimmung am Capelinhos-Vulkan (s. Seite 180)

Sie sind Morgenmuffel? Kein Problem, dann geht es eben am Abend zum Capelinhos-Vulkan, dem in den 50er-Jahren entstandenen Vulkanland an der Westspitze von Faial. Die Ausflügler sind dann alle weg, das Licht ist sagenhaft und lediglich das Geschrei der Seeschwalben durchbricht die Stille.

image Die Nordküste von São Miguel erwandern (s. Seiten 108 ff)

Auf alten Pfaden, die einst von den Orten zu den Wassermühlen führten, geht es auf und ab die Küste entlang. Zwischen Porto Formoso und Ribeira Funda gibt es eine ganze Reihe an lohnenswerten Routen. Unterwegs passiert man Wasserfälle, tiefe Schluchten, eindrucksvolle Felsformationen und Ruinen ehemaliger Mühlen. Und das alles mit Panoramablick über den Atlantik und die vegetationsreiche Küstenlandschaft.

image Sich beim Sonntagspicknick unter die Einheimischen mischen

Die Azorianer lieben Picknick. Sonntags geht es mit Kind und Kegel zur großen Grillaktion an einem der Picknickplätze, die es an jeder Ecke gibt. An den Unmengen von Kühlboxen und Kisten, die angeschleppt werden, sieht man gleich, dass Essen auf den Inseln eine wichtige soziale Funktion erfüllt. Sprechen Sie die Familie am Nachbartisch einfach mal an, fast alle Azorianer kommen gerne mit Leuten aus dem Ausland in Kontakt. Sie sind nur manchmal zu zurückhaltend, um den ersten Schritt zu tun.

image Heiliggeistsuppe essen (s. Seite 24)

Um die Pfingstzeit herum finden große Gemeinschaftsessen zu Ehren des Heiligen Geistes statt (»Sopas do Espírito Santo«). Auf vielen Inseln sind diese Essen öffentlich und man tafelt an langen Tischen mit Hunderten von Leuten. Schnell kommt man mit den Tischnachbarn ins Gespräch und nach kurzer Zeit kennt man schon die komplette Familiengeschichte.

image Die Inseln vom Meer aus betrachten (s. Seite 249)

Wenigstens einmal sollte man die Azoren vom Meer aus sehen, erst dann versteht man wirklich, wie abgelegen die Eilande mitten im Atlantik liegen. Egal ob Fährfahrt, Whalewatching oder Sunset-Cruise – Hauptsache raus aufs Wasser. Die Hauptorte der Azoren sind so gebaut, dass sie vom Meer aus Eindruck machen, man reiste ja früher mit dem Schiff an und nicht mit dem Flugzeug. An der Küste entdeckt man Felsnasen und abgelegene Sandbuchten. Die wohl spektakulärste Küstenlandschaft mit Grotten und Wasserfällen hat die Insel Flores zu bieten. Falls das Meer ruhig genug ist, wird eine Fahrt mit dem Zodiak bestimmt zu einem der eindrucksvollsten Erlebnisse der Reise.

image Frisches Brot mit Azorenkäse

Viele Bäckereien auf den Azoren backen noch Brot im Holzofen. Am Morgen und manchmal auch am späten Nachmittag werden die Laibe warm verkauft. Dazu etwas Azorenkäse und man hat schon fast eine Mahlzeit. Große Werbeschilder sucht man bei den Bäckereien meist vergeblich, es lohnt sich also, bei den Leuten im Ort nachzufragen. Holzofenbrot heißt »pão em forno de lenha« und »quente« bedeutet warm.

image Das Landleben genießen

Sie sind müde vom Leben in der hektischen Großstadt? Dann ist ein Ferienhaus auf dem Land die richtige Form von Urlaub. In den kleinen Dörfern geht es zu wie zu Großmutters Zeiten. Wundern Sie sich also nicht, wenn die Milch noch mit dem Pferd zur Sammelstelle gebracht wird. Einkaufen im Dorfladen, ein Kaffee in der Dorfkneipe, den Hühnern guten Tag sagen und den Kohlköpfen im Garten beim Wachsen zusehen. Animationsprogramm und noble Cocktails sucht man hier zwar vergebens, aber ein Grillabend unterm Sternenhimmel lässt bestimmt nichts vermissen.

image Geschichte pur in den Gassen von Angra (s. Seiten 120 ff)

Wenn es doch etwas Stadtleben und Kultur sein soll, wird man in Angra do Heroísmo auf Terceira mit Sicherheit fündig. Im 16. Jahrhundert machten hier die Gewürzschiffe aus Indien Station und am Stadtbild der Gassen im Zentrum hat sich seitdem wenig verändert. Sie sind in den Museen von Angra auf den Geschmack gekommen und möchten mehr über die portugiesische Geschichte erfahren? Gut, wenn man dann das Taschenbuch »Geschichte Portugals« im Gepäck hat (Autoren: Bernecker, Walther L./Pietschmann, Horst; Verlag: C. H. Beck Wissen).

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Stadtpark und Jesuitenkirche

WILLKOMMEN auf den Azoren

Vom »Azorenhoch« hat man gehört, als Reiseziel sind die Inseln jedoch vielfach noch wenig bekannt. Weit draußen im Atlantik ragen sie einsam aus dem Meer auf. Rechnet man die französischen Überseedepartments nicht mit, bildet ein Felsen vor der Westküste der Azoreninsel Flores das geografische Ende Europas. »All-inclusive« bieten die Azoren nicht, sonst aber fast alles, was man sich von einer authentischen Urlaubsregion wünschen kann.

Unbekannte Perlen

Über die autonome Inselgruppe mitten im Atlantik wissen selbst die Portugiesen vom Kontinent, zu deren Land sie gehört, oft erstaunlich wenig. Fragen zu den Azoren haben da schon so manchen Teilnehmer in Fernsehshows um seinen Gewinn gebracht.

Auf die Azoren zieht es vor allem Urlauber, denen Natur und Ursprünglichkeit wichtiger sind als eine touristische Infrastruktur, die ins letzte Eck reicht. Langweilig wird es ohnehin nicht: Es scheint, als hätte eine höhere Macht bei der Erschaffung der Azoren besonders tief in den Farbtiegel gegriffen, auf engem Raum finden sich Landschaften, wie sie unterschiedlicher nicht sein können: Schwarze Lavaküste und grünes Weideland, idyllische Seen und wilder Atlantik, beschauliche Sandbuchten und steile Klippen schaffen eine reizvolle Atmosphäre, der man sich nur schwer entziehen kann. In den kleinen Orten geht das Leben seinen ruhigen Gang, im Dorfladen fühlt man sich um einige Jahrzehnte zurückversetzt. Das i-Tüpfelchen sind die Gastfreundschaft und die Fülle an Traditionen, die hier wie kaum sonst irgendwo in Europa noch gelebt werden und auf die die Einheimischen auch mit Recht stolz sind.

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Wale muss man schützen – das weiß auf Pico heute jedes Kind.

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Leuchtturm am Capelinhos-Vulkan auf Faial

Geografie

Die Azoren bestehen aus mehreren bewohnten Inseln, die in drei Gruppen unterteilt werden. Die Ostgruppe besteht aus der größten Insel São Miguel und der Nachbarinsel Santa Maria. Zur Zentralgruppe gehören die Inseln Terceira, Graciosa, São Jorge, Faial und Pico, wobei der gleichnamige Vulkanberg auf der letztgenannten Insel mit 2351 m die größte Erhebung innerhalb des portugiesischen Hoheitsgebiets darstellt. Flores und Corvo bilden schließlich die niederschlagsreiche Westgruppe. Bis auf Pico liegt auf den meisten Inseln der höchste Punkt um die 1000 m, nur Corvo, Santa Maria und die mit 403 m flachste Insel Graciosa liegen erheblich darunter.

Die Distanz zwischen Flores und Santa Maria beträgt immerhin fast 600 km, die Fläche der Inseln zusammengenommen entspricht ungefähr der des Saarlands. Die Azoren liegen auf etwa einem Drittel des Weges zwischen Europa und Amerika. Von Ponta Delgada nach Lissabon sind es 1450 km, nach Neufundland 2450 km.

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Dunkler Sandstrand in der Nähe von Ponta Delgada

Beste Reisezeit

Das Azorenwetter ist für seine Unberechenbarkeit bekannt und kann zu jeder Jahreszeit positiv wie negativ überraschen. Die regenärmsten Monate sind Juli, August und September, allerdings können sich gerade an warmen Tagen leicht Kondenswolken in den Bergen bilden, die für Regen sorgen. Zum Baden ist es ab Mitte Juli ideal, im August erreicht das Meer seine Höchsttemperatur und bleibt bis Oktober noch angenehm warm. Gefürchtet sind die Johannisnebel, die in der zweiten Junihälfte die Azoren heimsuchen. Dichte Nebelglocken umhüllen dann die Inseln und bewegen sich tagelang nicht vom Fleck, Anfang Juli hat der Spuk aber in der Regel wieder ein Ende. In den letzten zehn Jahren traf diese Bauernregel achtmal zu. Juli und August sind zwar die regenärmsten Monate, allerdings können schwülfeuchte Tage dann gerade Wanderern zu schaffen machen.

Auch im Winter kann man mit dem Wetter Glück haben, sollte sich aber auf den einen oder anderen Regentag einstellen. Die Temperaturen bewegen sich dann zwischen 10 °C und 17 °C, was sich bei der oft hohen Luftfeuchtigkeit schon mal recht kühl anfühlen kann. Zwischen November und April sollte man unbedingt darauf achten, dass die Unterkunft beheizbar ist, ansonsten muss man wie die Azorianer tapfer frösteln.

Auch im Sommer sind die Azoren bis auf einige beliebte Aussichtspunkte selten überlaufen, im Winter hat man die kleineren Inseln oft fast für sich allein.

Entdeckungsgeschichte

Inwieweit die Azoren vor der Entdeckung durch den portugiesischen Seefahrer Diogo de Silves bekannt waren, lässt sich wohl nicht mehr mit letzter Genauigkeit rekonstruieren. Auf genuesischen Seekarten waren bereits im 14. Jahrhundert einige Inseln im Bereich der Azoren eingezeichnet, darunter auch eine mit dem Namen San Zorzo. Von dieser Bezeichnung könnte auch der Name »Açores« herrühren, denn von weiter Ferne am Horizont erspähte Inseln erscheinen meist als bläulicher Schimmer, also »azzurro«, wie ein Italiener sagen würde. Auch sollen die Entdecker Corvos an der exponierten Ponta do Marco eine Reiterstatue entdeckt haben, die nach Westen zeigte. Angeblich soll sie auf Geheiß von König Manuel abmontiert worden und dabei zu Bruch gegangen sein.

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Durch enge Gassen spaziert man auf der kleinsten Azoreninsel Corvo.

Wie dem auch sei, die Portugiesen fanden auf den Inseln weder Menschen noch wilde Tiere, dafür aber fruchtbares Ackerland und Süßwasser vor. Da es auf dem Festland an Weizen fehlte, siedelte man auf den Azoren Bauern an, die auf den fruchtbaren, noch nicht ausgelaugten Böden gute Ernten erwirtschafteten. Heinrich der Seefahrer und der Christusorden übernahmen die weltliche und geistliche Verwaltung der Azoren, an diese Zeit erinnern viele Denkmäler, die mit dem Templerkreuz verziert sind. Selbstversorgung und Export von Agrarprodukten – erst Weizen und Färberwaid, dann Orangen und Wein, schließlich Tee und Ananas – prägten die Lebensweise auf den Azoren-Inseln.

Zwischenstopp auf dem Atlantik

Ab dem 16. Jahrhundert wurde insbesondere Terceira zum Knotenpunkt des Atlantikhandels, was zwar gute Geschäfte versprach, aber auch Piraten und Korsaren anlockte, die den Gewürzschiffen aus Indien und den Inselbewohnern das Leben schwer machten. In den Hauptorten bildete sich bald eine Elite aus Großgrundbesitzern und Händlern heraus, die besonders im 18. und 19. Jahrhundert ein erstaunlich luxuriöses Leben führten. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Ponta Delgada dank großer Einnahmen aus dem Orangengeschäft eine der reichsten Städte in Portugal. Die Familien der Oberschicht besaßen riesige Ländereien, schickten ihre Sprösslinge auf Internate nach Paris und London und beschäftigten ein ganzes Heer an Dienstboten und Gärtnern. Beinahe unglaublich hoch ist die Zahl der Klöster, die es in den Hauptorten gab. Hier brachte die Elite die jüngeren Kinder unter, die nicht standesgemäß verheiratet werden konnten. Zunächst sorgten vor allem die Franziskaner für das Seelenheil der Azorianer, später kamen Jesuiten, Karmeliter und Augustiner dazu. Als sich im Jahr 1829 in Portugal der Liberalismus durchsetzte, wurden die Klöster aufgelöst, viele beherbergten in der Folgezeit staatliche Einrichtungen, was auch heute noch der Fall ist.

Strategischer Knotenpunkt

Im 20. Jahrhundert gingen die Azoren durch ihre strategische Lage noch einmal in die Geschichte ein. Faial wurde zum Knotenpunkt der Telegrafenkabel im Altantik, im Ersten und Zweiten Weltkrieg errichteten Engländer und Amerikaner Militärstützpunkte, bis in die 1960er-Jahre legten die Flieger der Transatlantik-Routen auf den Azoren einen Zwischenstopp ein.

Bleiben oder auswandern?

Trotz allem war das Leben für das einfache Volk nie leicht, bereits im 17. Jahrhundert gab es mehrere Auswanderungswellen, zunächst nach Brasilien, später in die USA, nach Kanada und sogar bis nach Hawaii. 320 000 Einwohner hatten die Azoren Anfang der 1960er-Jahre – heute sind es 70 000 weniger. Antonio Salazar, der Portugal 36 Jahre lang als Diktator regierte, investierte kaum in die Azoren, auf dem Land wohnte man in ärmlichsten Verhältnissen, Perspektiven gab es kaum. Nach der Nelkenrevolution 1974, in der große Teile des Militärs gegen die autoritäre Diktatur putschten und den Weg zur Demokratie öffneten, ging es für die Azorianer endlich langsam bergauf. Der Autonomiestatus gab neues Selbstbewusstsein, eine gute Ausbildung war nicht mehr ein Privileg der Elite. Immer wieder haben Azorianer in ihrer fast 600-jährigen Geschichte schwere Krisen gemeistert – leider bestand ein Teil der Lösung immer aus Emigration. Diese Tendenz ist auch in der letzten Zeit wieder zu beobachten.

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Die Auswanderer fühlen sich oft zwei Ländern verbunden.

Tierwelt

Aufgrund unterschiedlich temperierter Meeresströmungen ist die Anzahl der Fischarten in den Gewässern um die Azoren beträchtlich. Auch Wale und Delfine bevölkern die Gewässer um die Inseln, einige der Meeressäuger bleiben ganzjährig auf den Azoren, andere – z. B. die Bartenwale – ziehen nur im Frühling vorbei. Im Sommer ist die häufigste Walart der Pottwal, den man noch bis in die 1980er-Jahre zur Trangewinnung jagte.

Auf dem Land war vor der Ankunft der ersten Siedler der endemische Azoren-Abendsegler (Nyctalus azoreum) das einzige Säugetier. Die kleine Fledermausart ist die tagaktivste der Welt und daher auch im Sonnenschein oft zu beobachten. Mit den Schiffen gelangten Mäuse und Ratten auf die Inseln, die Siedler führten Mauswiesel, Frettchen und das auf einigen Inseln zur Plage werdende Wildkaninchen ein. Später wurden verschiedene Froscharten auf die Inseln gebracht, die erfreulicherweise die Stechmücken dezimieren, und über die Lavasteinmauern huscht die Madeira-Mauereidechse. Auch in der Vogelwelt gibt es einige für die Azoren typische, nur hier lebende Vertreter. Leicht zu beobachten sind der Azorenbussard, der einzige Greifvogel, und die Azoren-Gebirgsstelze mit ihrem leuchtend gelben Bauch. Vom Wintergoldhähnchen gibt es gleich drei Unterarten, der neben dem Zaunkönig kleinste Vogel Europas versteckt sich gerne in Bäumen, ist aber an seinem hohen Tschilpen leicht zu erkennen. Eine Besonderheit ist der Azorengimpel, den es nur im Osten der Insel São Miguel gibt und den man mit diversen Schutzprojekten vor dem Aussterben bewahrt hat. Spatzen kamen erst in den 1960er-Jahren auf die Azoren. Vermutlich auf der Militärbasis auf Terceira ausgesetzt, eroberten sie rasend schnell die anderen Inseln und machen nun den einheimischen Singvögeln den Lebensraum streitig. Zu den häufigsten Seevögeln gehören die Gelbfußmöwen und die im Winter nach Afrika ziehenden Seeschwalben. Befindet man sich nachts außerhalb der großen Ortschaften an der Küste, wird man Zeuge eines fast Angst einflößenden Geschreis. Es sind aber lediglich die Gelbschnabelsturmtaucher, die sonst ihr Leben auf dem Meer verbringen und nur des Nachts zum Füttern der Jungen die Nester in den Felsen aufsuchen. Viele Freiwillige sammeln im Herbst im Rahmen des Projekts »SOS Cagarro« orientierungslose Jungvögel von den beleuchteten Straßen und bewahren sie so davor, überfahren zu werden. Auch das Handy vieler Azorianer gackert manchmal urplötzlich los – das Sturmtauchergekreisch ist ein beliebter Klingelton.

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Im Meer um die Azoren gibt es viele Delfine.

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Über den Ausblick können sich die Kühe auf Faial nicht beklagen.

Pflanzenwelt

Aus botanischer Sicht haben die Azoren mehr zu bieten als aus faunistischer. Nur ein Drittel der knapp 1000 Gefäßpflanzen waren vor der Besiedlung durch den Menschen auf den Inseln vorhanden, davon kommen ca. 70 Arten und Unterarten nur auf den Azoren vor. Die berühmteste unter den endemischen Pflanzen ist die zur Küstenvegetation gehörende Azoren-Glockenblume, die man in letzter Zeit auch immer häufiger in Gärten sieht. Gerade auf den Inseln São Jorge, Pico und Flores findet man in den Bergen noch größere Bestände des Lorbeerwaldes, der ursprünglichen Höhenvegetation mit Wacholderbäumen und Stechpalmen. Vielerorts wurde der Lorbeerwald durch die zur Holzgewinnung gepflanzte Japanische Sicheltanne verdrängt. Der Azoreanische Lorbeerwald ist als Wasserspeicher wichtig, deshalb wurden in den letzten Jahren wieder verstärkt ursprüngliche Wälder begründet. Projekte an den Schulen, Ausstellungen und Pflanzaktionen sollen die Bevölkerung für die Bedeutung der einheimischen Pflanzenwelt sensibilisieren.

Viele der heute für die Azoren »typischen« Pflanzen wurden als Zier- oder Nutzpflanzen eingeführt. Auch die überall präsente Hortensie ist nicht einheimisch. Auf den Azoren nehmen die Blüten aufgrund des leicht sauren Bodens eine hellblaue Farbe an, bei höherem pH-Wert sind sie eher rot gefärbt. Auf den Azoren gibt es keinen Monat ohne Blüten, allerdings zeigen nicht alle zur gleichen Zeit ihre Pracht. So wird man etwa im Winter vergeblich nach Hortensien suchen und im Sommer keine Kamelien finden. Letztere stehen im Januar und Februar in voller Blüte, ab Ende März sind Klivien und Azaleen an der Reihe, im Juli säumen Hortensien und Schmucklilien die Straßen. Pünktlich zum Schulbeginn nach den Sommerferien blühen die Belladonna-Lilien, eine rosafarbene Amaryllis-Art, und die hübsch anzusehende, aber stark invasive Girlandenblume. Im Herbst präsentieren die Yuccas ihre großen weißen Blüten, gegen Weihnachten zieren Fackellilien und Aloe die Gärten.

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Blüten gibt es auf den Azoren zu jeder Jahreszeit.

Geologie

Bergauf und bergab geht es auf den Azoren, denn die Inseln sind durch die Kräfte und vor allem das Auswurfmaterial unzähliger Vulkane geformt worden. Der Archipel ragt ebenso wie Island auf dem Mittelatlantischen Rücken, wo die euroasiatische und nordamerikanische Kontinentalplatte aufeinandertreffen, aus dem Ozean. Der Rücken verläuft zwischen Faial und Flores, die beiden Platten driften pro Jahr zwei Zentimeter weit auseinander. Südlich der Azoren befindet sich der Übergang zur afrikanischen Platte, es handelt sich also um eine dreifache Plattengrenze. Vom Atlantischen Rücken Richtung Südosten verläuft das Terceira-Rift, das sich bis zur afrikanischen Platte hinunterzieht und so die Mikroplatte der Azoren bildet, auf der die Inseln der Zentral- und Ostgruppe liegen. Flores und Corvo dagegen befinden sich relativ stabil auf der amerikanischen Platte und bleiben von Erdbeben in der Regel ganz verschont.

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Geologie mal praktisch im Lavastollen Gruta do Natal auf Terceira

Santa Maria ist die älteste Azoreninsel, nach Schätzungen der Fachleute liegt ihr Alter bei 6 Mio. Jahren. Als Letztes – vor gut 250 000 Jahren – entstand die Insel Pico. Manche Inseln wie São Miguel und São Jorge bestanden ursprünglich aus zwei Teilen, die sich später annäherten und zusammenwuchsen. Mit Sicherheit abgeschlossen ist die Entstehungsgeschichte nur auf Santa Maria, alle anderen Inseln sind noch potenziell geologisch aktiv, also das, was man gemeinhin als »schlafende Vulkane« bezeichnet.

Von Vulkanismus geprägt

Außer auf Santa Maria, Flores und Corvo wurden die Bewohner auf allen Inseln immer wieder mit Ausbrüchen konfrontiert, seit 1427 haben sie die Bevölkerung fast 30-mal in Angst und Schrecken versetzt. Die Hälfte der Eruptionen fand übrigens im Meer statt. 1957 begann ein Vulkan an der Westspitze von Faial zu brodeln, über ein Jahr lang kam es immer wieder zu Ausbrüchen, am Ende hatte sich die Insel um über 2 qm vergrößert. Um nicht von einem Vulkanausbruch überrascht zu werden, überwacht man die Inseln mit verschiedenen Messeinrichtungen wie Erdbebenmeldern. Zusammen mit der Universität der Kanaren entwickelt die Universität der Azoren ein Frühwarnsystem für Vulkanaktivität.

Von Erdbeben erschüttert

Viel Zerstörung brachten auch Erdbeben mit sich. Die schlimmste Katastrophe in der Geschichte der Inseln war das Erdbeben 1522 auf São Miguel. Eine Kombination aus Beben, Erdrutsch und Flutwelle zerstörte die Inselhauptstadt Vila Franca komplett, man geht von bis zu 4000 Toten aus. Aber auch die Zentralgruppe blieb nicht verschont: 1757 starben bei einem zweiminütigen Beben, dessen Wert am oberen Ende der Mercalli-Skala (Messung des Ausmaßes der Schäden) lag, 20 % der Inselbevölkerung. 1964 gibt es über Monate immer wieder starke Beben auf Faial und im Westteil von São Jorge, ein Teil der Bevölkerung muss nach Terceira evakuiert werden. 1980 zerstörte ein Erdbeben mit einem Richterwert von 7,2 die Stadt Angra auf Terceira und richtet im Osten von São Jorge große Schäden an. Ein Drittel der Häuser Terceiras waren nicht mehr bewohnbar. Das letzte größere Beben betraf im Jahr 1998 die Insel Faial. Früher interpretierte die Bevölkerung solche Naturkatastrophen als Strafe Gottes, der Ursprung vieler religiöser Traditionen geht auf solche Ereignisse zurück. Während man heutzutage aufgrund der Finanzkrise an einigen weltlichen Festen spart, finden die religiösen, auf Gelübde zurückgehenden Prozessionen weiterhin statt.

Wirtschaft

Die Hauptexportprodukte der Azoren waren schon immer landwirtschaftliche Erzeugnisse und daraus hergestellte Güter. Mehrmals in der Geschichte hat man sich auf ein Produkt spezialisiert, etwa auf Orangen. Ließ die Nachfrage nach, kam die große Krise. Zumindest so lange, bis man eine neue Einnahmequelle gefunden hatte. Seit den 1950er-Jahren haben sich die Inseln verstärkt auf die Milchwirtschaft verlegt, gefördert wurde diese Tendenz zusätzlich durch die EU-Agrarpolitik in den 1980er-Jahren. Heute spricht man von einer »Kuh-Monokultur«, fast jede verfügbare Fläche wird als Weideland genutzt. Auf jeden Azorianer kommt statistisch eine Kuh, mehr als 500 Mio. Liter Milch produziert man im Jahr, fast ein Drittel der portugiesischen Milch kommt von den Inseln. Große Molkereibetriebe und einige kleine Produzenten verarbeiten die Milch vor allem zu Käse, der in Lissabon in jedem Supermarkt zu finden ist. Auch ein großer schweizerischer Konzern lässt auf den Azoren Milchpulver produzieren. Industriebetriebe gibt es kaum, zwei Zigarettenfabriken und eine Zuckerfabrik in Ponta Delgada sind fast schon alles.

Am Tropf der EU

1986 trat Portugal der EU bei, seit 1999 zählen die Azoren zu den »Regionen in äußerster Randlage« und kommen somit in den Genuss umfangreicher Strukturhilfen. Gefördert wurden vor allem Verbesserungen der Infrastruktur, Straßen, Häfen und Flughäfen wurden gebaut. Ein weiteres Augenmerk galt den Bildungsmaßnahmen, in wenigen Jahren hat sich der Bildungsgrad vor allem bei den Jüngeren stark verbessert. Die von der EU geförderte Bautätigkeit fiel mit dem Wiederaufbau nach den Erdbeben von 1980 und 1998 zusammen, bald war der Job auf dem Bau lukrativer als die Arbeit auf dem Feld.

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Wandern auf der Insel Corvo

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Kraterseen geben der Landschaft ihren besonderen Reiz.

Zukunftsperspektiven

Jetzt sind fast alle großen Bauprojekte abgeschlossen, die portugiesische Finanzkrise macht sich durch geringere Gehälter und Renten sowie eine höhere Steuerlast auch auf den Azoren bemerkbar. Die Arbeitslosenquote, die vor einigen Jahren noch unter 4 % lag und somit die niedrigste Portugals war, ist in wenigen Jahren auf 17 % (Stand 2013) angestiegen. Viele Azorianer wählen die altbewährte Lösung: Die Jungen spielen mit dem Gedanken, dahin auszuwandern, wo es Arbeit gibt. Das kann Nordamerika, Frankreich, Deutschland oder Angola sein.

Eine Hoffnung für die Inseln sind Touristen aus dem Ausland. Kamen früher mehr als 50 % der Gäste vom portugiesischen Festland, ist es heute nur noch ein kleiner Teil. Seit es günstigere Flüge von Lissabon und Porto gibt, hat sich der Markt wieder erholt und besonders die Deutschen entdecken dank häufigerer direkter Flugverbindungen die Azoren als Urlaubsdestination. Anfang 2017 hatte sich die Situation erheblich verbessert, die Arbeitslosigkeit war auf 9,3 Prozent gesunken.

Feste und Bräuche

Wer in der Fastenzeit nach São Miguel reist, sieht sie singend und betend die Straßen entlangziehen: Gruppen von Männern in dunklen Wollumhängen, mit Pilgerstab und Rosenkranz. Es ist die Zeit der Pilger, die von ihrem Heimatort aus in einer Woche die gesamte Insel umrunden. Nachtquartier und Verpflegung bekommen die Männer in den Dörfern unterwegs, gestartet wird gegen vier Uhr morgens und erst gegen 18 Uhr ist der Tag mit einer Andacht in der örtlichen Kirche beendet. Unterwegs besuchen die Pilger alle Kirchen und Kapellen, die der Mutter Gottes geweiht sind. Persönliche Anliegen, tiefer Glaube und das starke Zusammengehörigkeitsgefühl unter den »Brüdern« der Gruppe veranlassen viele, Jahr für Jahr dabei zu sein. Wie zahlreiche andere religiöse Traditionen geht auch der Pilgerzug auf eine Naturkatastrophe zurück, in diesem Fall auf das verheerende Erdbeben von Vila Franca im Jahr 1522.

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Keine Prozession ohne Blaskapelle

Im Juni gibt es in vielen Orten fröhliche Feste zu Ehren der Volksheiligen Santo António (13. Juni), São João (24. Juni) und São Pedro (29. Juni). Zu Johanni rund um den 21. Juni ziehen bunt kostümierte Gruppen singend und tanzend durch die Straßen, die Feste erinnern fast ein wenig an Fasching. Die größten Johannisfeste finden in Angra auf Terceira, auf Faial und in Vila Franca auf São Miguel statt. Der Tag des heiligen Petrus wird in Ribeira Grande auf São Miguel mit einem großen Reiterumzug begangen (s. Kalender Seite 271).

Unter den religiösen Festen ist die Verehrung des heiligen Geistes eine der großen Besonderheiten der Azoren. Der Ursprung der Feste liegt vermutlich in der Mystik des 13. Jahrhunderts, verstärkt wurde der Kult durch die portugiesische Königin Isabel (1271–1336) und die Franziskaner. Gewagtere Thesen wollen in den Festen gar eine jüdische Tradition sehen, der man einen christlichen Deckmantel verpasst hat.

Auch bei dem letzten Vulkanausbruch 1957/58 auf Faial wurden in Bittprozessionen die Heiliggeistkronen zum Vulkan getragen. Das Symbol des Heiligen Geistes ist eine versilberte Krone mit Zepter, die zwischen Ostern und Pfingsten jeweils für eine Woche im Haus einer Familie des Ortes aufbewahrt wird. Ein Zimmer wird ausgeräumt, um der Krone ein würdiges Zuhause auf einem eindrucksvoll mit Blumen und Stickereien geschmückten Altar zu schaffen. Eine Fahne oder Blumen am Hauseingang machen auf das Heiliggeistzimmer aufmerksam, Betrachten ist ausdrücklich erwünscht. Am darauffolgenden Sonntag gibt es während der Messe eine Krönungszeremonie, in der die Krone der nächsten Familie anvertraut wird. Wer die Krone am Pfingst- oder Dreifaltigkeitssonntag zu Gast hat – übrigens eine große Ehre für die Familie –, veranstaltet ein riesiges Fest, bei dem es Heiliggeistsuppe für alle gibt. Nach speziellen Rezepten gebackene Brote und Wein werden verteilt, früher hatten die Feste auch die Funktion der Armenspeisung. Der genaue Ablauf der Feste ist auf jeder Insel anders, überall aber hat man dem Heiligen Geist eigene Kapellen errichtet. Lange Zeit waren der Kirche diese vom Volk organisierten Feste, in die teils heidnische Bräuche einflossen, ein Dorn im Auge. Verbieten ließen es sich die Leute aber nicht, zu sehr glaubte man an die Macht des »Senhor Espírito Santo», des »Herrn Heiliger Geist«.

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Musikaufführung im ehemligen Franziskanerkloster

Im Sommer und Herbst werden reihum die Schutzpatrone der einzelnen Orte gefeiert. Der Ablauf ist stets ähnlich: Die Straßen werden mit Blütenteppichen geschmückt, Blaskapellen und als putzige Engelchen verkleidete Mädchen begleiten die Prozession. Am Abend isst und trinkt man zusammen, entrollt die Lose der Tombola und vor der beleuchteten Kirche sorgen Blaskapelle, Folkloregruppe und Bands für Unterhaltung. Während des Sommers vergeht kaum ein Wochenende ohne Fest – einfach mitfeiern!

Musik

Musik war auf den Azoren schon immer von großer Bedeutung und oft die einzige Abwechslung zur harten Arbeit in der Landwirtschaft, die kaum genug zum Leben abwarf. Abends traf man sich im Schein der Petroleumlampe zu den »Guitarradas«, bei denen mehrere Gitarrenspieler zusammen improvisieren. Die zwölfsaitige azorianische Gitarre hat durch die Metallsaiten einen sehr vollen Klang, man erkennt sie an den herzförmigen Schallöffnungen. Der junge Musiker Rafael Carvalho spielt wunderschöne Solos auf dieser Gitarre, viele junge Azorianer wollen ihm inzwischen nacheifern. Auf den Azoren gibt es über hundert Blaskapellen, die allesamt schmuck in einheitlichen Uniformen aufspielen. Im Sommer sind sie oft im Einsatz, um die Prozession und das Abendprogramm der Dorffeste musikalisch zu untermalen. Nicht verpassen sollte man in Ponta Delgada die Konzerte des Kirchenchors von São José (Coral de São José), beeindruckend ist auch der Chor von Lajes do Pico, der bereits mehrere CDs herausgebracht hat. Wunderschön sind die Balladen der jungen Sängerinnen Helena Oliveira aus São Miguel und Raquel Dutra aus Faial. Wenn es moderner sein darf, sind die Auftritte der Bands Myrica Faya von Terceira und Tributo von São Jorge ein Highlight. Im Sommer gibt es in vielen Orten Musikfestivals mit unterschiedlichen Stilrichtungen. Das Kulturangebot in den größeren Orten sollte man nutzen, die Karten sind günstig und die Azorianer freuen sich sehr über das Interesse.

Azoren kulinarisch

Die Azorianer essen gerne und reichlich, endlose Unterhaltungen drehen sich auch nach dem dritten Dessert noch bevorzugt um Gerichte und deren Zubereitung. Da kein Restaurant ausschließlich von Touristen leben kann, müssen Preise und Portionen den Erwartungen der Einheimischen entsprechen. Satt wird man immer – kleine Portionen für teures Geld sind für Azorianer nicht akzeptabel. Sie lieben vor allem bodenständige Küche ohne allzu viele Soßen oder Experimente, besonders deftige Fleischgerichte und Steaks werden im Restaurant gerne bestellt. Die Einrichtung des Gasthauses ist gerade auf dem Land dabei eher zweitrangig. Inzwischen hat sich das gerade in den größeren Orten geändert. Dort eröffnen immer mehr schicke Restaurants mit ambitionierten jungen Köchen, die aus hochwertigen lokalen Produkten tolle Kreationen schaffen. Auch auf Fisch spezialisierte Restaurants findet man immer häufiger, und um guten Fisch zu essen, sollte man auch ein solches aufsuchen. Lecker sind dicke Stücke vom frischen Thunfischfilet (Naco de atum), gegrillte Brassen (besonders fein ist der Alfonsim) oder ein zartes Filet vom Gabeldorsch (Abrótea). Sehr lecker sind die Caldeiradas, ein lecker gewürzter Fischeintopf mit Kartoffeln oder Spezialitäten, die in einer dachziegelartigen Tonform geschmort werden (na telha). Außerdem sind noch die Wurstspezialitäten zu erwähnen, wie die auf São Miguel mit frischer Ananas servierte Blutwurst (Morcela), die mit grobem Schweinefleisch gefüllte Linguiça oder die oft scharf gewürzten Chouriços. Auch Liebhaber von Meeresfrüchten kommen auf ihre Kosten, vor allem der Oktopus (Polvo) von den Azoren ist butterweich und wird gerne in einer Rotweinsoße zubereitet.

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Sauer eingelegte Wachteleier sind ein beliebter Snack.

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Frisch aus dem Meer ist der Fisch ein Genuss.

Beim Dessert darf es gerne süß sein, in den Puddings ist reichlich Sahne und gesüßte Kondensmilch enthalten. Kalorienbewussten bleibt zum Glück noch der Griff zur gesunden und aromatischen Azoren-Ananas.

Auf dem Markt fällt die sonderbare schwarze Tarowurzel auf. Als gekochte Beilage war sie lange eine wichtige Nahrungsquelle der ärmeren Bevölkerungsschichten, besonders in Jahren mit schlechten Getreideernten. Die Azorianer bezeichnen den Taro als »Inhame«, obwohl die Pflanze mit der in Afrika kultivierten Yamswurzel nicht verwandt ist.

Wein aus Edelreben wird vor allem auf der Insel Pico produziert, kleinere Mengen auch auf São Miguel und Terceira. Der tiefrote Landwein »Vinho de Cheiro«, aus einer reblausrestistenten amerikanischen Rebsorte gekeltert, ist nicht immer ein Hochgenuss. In größeren Mengen und über lange Zeit genossen, macht er durch den hohen Methanolgehalt körperlich abhängig. Heute wird der Landwein als Kneipengetränk immer mehr durch Bier ersetzt und auch hier kann man auf ein azorianisches Produkt zurückgreifen. Die Brauerei Melo Abreu in Ponta Delgada braut das recht starke Especial (5,5 %) mit Hopfen aus Bayern und produziert unter der Marke »Kima« eine leckere Maracuja-Limonade.

Steckbrief Azoren

Lage: Die Azoren liegen im Nordatlantik zwischen 36 ° und 40 ° nördlicher Breite und zwischen 25 ° und 31 ° westlicher Länge, also in etwa auf einer Linie zwischen Lissabon und New York.

Fläche: 2323 Quadratkilometer, davon São Miguel 745 Quadratkilometer, Pico 445 Quadratkilometer und Terceira 400 Quadratkilometer. Die größten Orte sind Ponta Delgada (ca.17 500 EW, inkl. direkt angrenzender Gemeinden ca. 50 000 EW), Angra (ca. 11 000 EW) und Horta (ca. 6100 EW).

Geografie: Die neun Inseln der Azoren unterteilen sich in die West-, Zentral- und Ostgruppe. Die Distanz zwischen der westlichsten Insel Flores und der östlichsten Insel Santa Maria beträgt 602 Kilometer.

Zeitzone: Mitteleuropäische Zeit (MEZ) minus 2 Stunden

Einwohner: 246 772 EW, davon 137 856 auf São Miguel

Währung: Euro

Amtssprache: Portugiesisch

Politik und Verwaltung: Die Azoren sind seit 1976 eine autonome Region mit eigenen Verwaltungsbefugnissen. Die Regierung befindet sich auf São Miguel, das Parlament auf Faial. Die regionalen Ministerien, »secretaria« genannt, sind auf den drei Hauptinseln verteilt. Wahlen sind alle vier Jahre, 2016 hatte die Linkspartei PS zum vierten Mal in Folge die Mehrheit der Stimmen. Eine Hauptstadt der Azoren gibt es nicht, die Inseln sind in 19 Verwaltungsbezirke (Câmaras) unterteilt.

Flagge:

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Religion: 92 % der Azorianer sind römisch-katholisch.

Wirtschaft und Tourismus: Das wichtigste Exportprodukt der Azoren sind Milcherzeugnisse. Die meisten Milchproduzenten sind kleine Familienbetriebe, die Verarbeitung – vor allem zu Käse – findet mehrheitlich in großen Molkereibetrieben statt. Der berühmteste Käse der Azoren kommt von der Insel São Jorge. Auf den Azoren gibt es etwa 250 000 Kühe, die jährliche Milchproduktion liegt bei ca. 550 Mio Litern. Weitere Exportprodukte sind Rindfleisch, Bauholz, Blumen (insbesondere Protheas), Fisch und in kleineren Mengen Ananas.

Zeitzone: Die Zeitdifferenz zu Mitteleuropa beträgt minus 2 h, zu Lissabon minus 1 h.

Elektrizität: Die Spannung beträgt 220 V, die Stecker sind die gleichen wie in Deutschland.

Klima: Die Temperaturen an der Küste bewegen sich ganzjährig zwischen 10 °C und 30 °C.

Geschichte im Überblick

1427 Vermuteter Zeitpunkt der Entdeckung der Ost- und Zentralgruppe durch den Seefahrer Diogo de Silves.

1439 Karte der Azoren, gezeichnet von Gabriel de Valesca. Dies ist die erste korrekte kartografische Darstellung der Inseln und das erste überlieferte königliche Dokument, in dem die Azoren Erwähnung finden. König Afonso V. beauftragt Heinrich den Seefahrer mit der Besiedlung der Inseln. Im selben Jahr besiedelt Gonçalo Velho Cabral Santa Maria. Meist waren es Mitglieder des Adels, die mit der Zuteilung von Landparzellen auf den Azoren belohnt wurden.

1450 Bulle von Papst Nikolaus V., in der alle unter Heinrich dem Seefahrer entdeckten Gebiete dem portugiesischen König zugesprochen werden.

1452 Entdeckung von Flores und Corvo durch Diogo de Teive.

1498 Nach der geglückten Indienfahrt von Vasco da Gama wird Terceira zum obligatorischen Stopp der Indienflotte auf dem Rückweg nach Lissabon.

1534 Gründung der Diözese der Azoren mit Sitz auf Terceira.

1580–1640 Spanische Herrschaft in Portugal. Während dieser Zeit nehmen die Angriffe von englischen Korsaren auf den Azoren stark zu.

1580–83 Terceira bleibt die letzte Bastion im Kampf gegen die Spanier.

1650–1750 Anbau von Färberwaid (Isatis tinctoria) auf den Azoren. Der blaue Farbstoff wird zu einem höchst lukrativen Exportartikel, Hauptabnehmer sind die Textilfabriken in England und Flandern. Es kommt zu Hungersnöten unter der Landbevölkerung, da die Großgrundbesitzer immer mehr auf den Anbau von Färberwaid setzen und deshalb immer weniger Kartoffeln und Korn pflanzen lassen.

1670 Beginn der Auswanderungswelle nach Brasilien.

1750 Beginn des Orangenanbaus in großem Stil.

1766 Marquês de Pombal setzt auf Terceira eine königstreue Zentralverwaltung der Azoren ein.

1821–30 Bürgerkrieg zwischen dem liberalen König D. Pedro IV. und seinem absolutistischen Bruder D. Miguel. Von Terceira aus werden unter dem Conde de Vila Flor liberale Truppen organisiert, nach entscheidenden Siegen auf den Azoren setzt sich der Liberalismus schließlich auch auf dem Festland durch.

1834 Auflösung der religiösen Orden.

1852 Die Reblaus zerstört die Weinberge. Auf Pico führt die fehlende Einnahmequelle zu großen Hungersnöten.

1864 Beginn des Exports von Ananas. Hauptabnehmer sind England und Deutschland.

1870–80 Zerstörung der Orangenplantagen durch Schildlaus und Wurzelfäule, Konkurrenz durch preisgünstigere Früchte aus Südspanien.

1870 Auswanderungswelle in die USA.

1878 Einführung des Tees als Kulturpflanze auf São Miguel.

1880 Beginn des Walfangs durch azorianische Walfangboote. Bereits seit 1830 betreiben amerikanische Großsegler um die Azoren Walfang und heuern billige Arbeitskräfte an.

1892 Erste Autonomiebewegung auf den Azoren. Grund war der Verbot des Exports von Alkohol (aus Süßkartoffeln produziert). Das wichtigste Exportprodukt der Insel São Miguel wurde somit fast wertlos, Bauern und Industriellen wurde die Einnahmequelle entzogen.

1993 Vertrag zwischen Portugal und England zur Verlegung von Telegraphenkabeln auf den Azoren.

1910 Ende der Monarchie, häufig folgende Regierungswechsel.

1917–19 Während des Ersten Weltkriegs unterhalten die Amerikaner eine Marinebasis in Ponta Delgada.

1932 Beginn der Diktatur in Portugal.

1943 Die Briten bauen eine Luftwaffenbasis auf Terceira, nach dem Zweiten Weltkrieg wird auf dem Gelände eine NATO-Basis eingerichtet. 1944 beginnen die Amerikaner mit dem Bau eines Flughafens auf Santa Maria.

1974 Die Nelkenrevolution beendet 42 Jahre Diktatur. Die zunächst recht aktive Unabhängigkeitsbewegung FLA (Frente da Libertação dos Açores) setzt sich nicht durch.

1976 Inkrafttreten der Statuten der Autonomen Region der Azoren. Gründung der Universität der Azoren.

1987 Endgültiges Verbot des Walfangs auf den Azoren.

1999 Die Azoren werden zu den »Regionen in äußerster Randlage« der Europäischen Union.

2007 Graciosa und Corvo werden Biosphärenreservat der UNESCO, seit 2009 zählt auch Flores dazu.

2008 Die portugiesische Wirtschaftskrise wirkt sich auch auf die Azoren aus. Die vorher sehr niedrige Arbeitslosenquote steigt in den folgenden Jahren bis auf 20 % an.

Seit 2015 fliegen Low-cost-Airlines vom portugiesischen Festland auf die Azoren, wodurch der Urlaub vor allem für jüngere Portugiesen erschwinglich wurde.

2017 scheint sich die Wirtschaft wie bereits im Vorjahr etwas zu erholen. Dies ist nicht zuletzt auf die steigenden Besucherzahlen zurückzuführen.

SÃO MIGUEL – WESTTEIL

1Ponta Delgada modern

2Ponta Delgada historisch

3Sete Cidades

4Südwestküste

5Nordwestküste und Capelas

6Ribeira Grande

7Lagoa do Fogo

8Lagoa und Caloura

9Vila Franca

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Blick über die Seen von Sete Cidades

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1 Ponta Delgada modern

Urbanes Flair der Azorenmetropole

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Im Gegensatz zu den ansonsten sehr traditionell geprägten Azoren gibt sich Ponta Delgada erfrischend modern. Die einzige wirkliche Stadt des Archipels bietet umfangreiche infrastrukturelle Einrichtungen, ist dabei überschaubar und ohne Hektik. Im Sommer gibt es auf den Plätzen der Stadt Konzerte, auch in den beiden Theatern ist regelmäßig Programm. Für lockeres Flair sorgen die Studenten der Universität, die am Wochenende die Kneipen bevölkern.

Eine offizielle Hauptstadt gibt es auf den Azoren nicht, trotzdem ist Ponta Delgada mit 18 000 Einwohnern im Zentrum mit Abstand die größte Stadt der Azoren. Rechnet man die direkt angrenzenden Gemeinden dazu, leben im Ballungsraum von Ponta Delgada fast 50 000 Menschen und damit ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Azoren. Hier finden sich ein Großteil der Industriebetriebe, der Hotelbetten und der qualifizierten Arbeitsplätze. Viele der jungen Leute mit guter Ausbildung, die hier arbeiten, kommen von bevölkerungsarmen Inseln wie Pico, Santa Maria und Flores hierher. Sie suchen auf der größten Insel der Azoren nach besseren beruflichen Perspektiven, vielleicht auch nach etwas mehr Privatsphäre und weniger »Aufsicht« durch die Familie.

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Blick auf das Zentrum und den Turm der Hauptkirche

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Stand in der Markthalle von Ponta Delgada

GUT ZU WISSEN

HALBPENSION JA ODER NEIN?

Während sich das Angebot an Restaurants in den Hauptorten ständig verbessert und mittlerweile auch Gourmets zufriedenstellt, hinkt die Küche – mit einigen rühmlichen Ausnahmen – in vielen Hotels noch hinterher. Auch sind zur vom Hotel vorgesehenen Essenszeit die Aussichtspunkte im Abendlicht am schönsten, die Prozessionen finden in den ländlichen Gemeinden meist erst gegen 18 Uhr statt. Schade, wenn man dann schnell zurück ins Hotel zum Abendessen muss. Fast immer kann man dort aber auch spontan eine Mahlzeit bestellen und dann meist zwischen Büfett und à la carte wählen.

Portas do Mar – Hafen für Kreuzfahrtschiffe

2008 wurde der riesige neue Hafen für Passagierschiffe inklusive Restaurants, Bars und Boutiquen fertiggestellt. Hier legen die großen Kreuzfahrtschiffe auf den Transatlantik-Routen an, im Frühling auf dem Weg in die Karibik und im Herbst auf dem Weg ins Mittelmeer. Die Azorianer freuen sich, dann ist endlich mal was los im sonst eher beschaulichen Städtchen. In den Restaurants kann man an lauen Sommerabenden draußen sitzen und danach in die benachbarten Bars umziehen. In der Mittagspause füllt sich der Badeplatz mit den Büroangestellten der Umgebung – viel Schiffsverkehr gibt es auf den Azoren sowieso nicht und sogar direkt am Hafenbecken ist das Wasser wunderbar sauber.

Mit dem Ausbau des Hafens wurde auch die Uferpromenade verlängert und verläuft nun mit Rad- und Fußweg in östlicher Richtung bis nach São Roque zu den Stränden.

Die Markthalle

Im ehemaligen Kreuzgang des Graça-Klosters befindet sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Markthalle. Während es im Supermarkt oft vor allem importierte Ware gibt, findet man hier die regionalen Produkte. Ein Besuch lohnt sich besonders am Freitag oder Samstag, wenn neben den festen Händlern auch die Bauern ihre Erzeugnisse anbieten und die Azorianer für das Wochenende einkaufen. Essen und kochen ist wichtig auf den Azoren – beim Metzger oder Gemüsehändler werden die Waren achtsam geprüft, bevor sie im Einkaufskorb landen. Einen Einblick in den Artenreichtum des Meeres bekommt man bei den Fischhändlern: Bunte Papageifische, Gabeldorsche, Oktopusse und frischer Thunfisch werden zu vergleichsweise günstigen Preisen angeboten.

Einfach gut!

LECKERE FRUCHT – DIE ANANAS