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Fürstenkrone
– 173 –

Schicksal, nimm deinen Lauf

Wie zwei unglückliche Prinzessinnen ihr Lebensglück fand

Corinna Sandberg

Impressum:

Epub-Version © 2020 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74096-231-9

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In der Nähe von Velden am Wörthersee stand das Schloss des Fürsten von Buchenau, ein stolzer Bau auf einer Anhöhe. Es war Mai, rundum leuchtete die Apfel- und Kirschblüte. Das frische Gras grünte, eine leichte Brise kräuselte den See, auf dem im strahlenden Sonnenschein ein paar Segelboote unterwegs waren.

Fürst Theo von Buchenau war keineswegs sonniger Laune. Der gedrungene, breitschultrige Fürst zog vielmehr ein Gesicht wie eine Donnerwolke. Das geschah wegen seiner jüngeren Tochter Prinzessin Alix, die in ihrem hellen Sommerkostüm, natürlich aus einer exklusiven New Yorker Boutique, auf der Kante des Schreibtischs des Fürsten saß.

Bei dem Schreibtisch handelte es sich um barockes Prunkstück. Ein Laptop stand darauf, zudem eine Telefonanlage.

Fürst Theo ging mit der Zeit. Er stand am Fenster und schaute auf den See hinunter, ein schöner, romantischer Anblick, der ihm jetzt nicht gefiel.

Der Fürst wusste, dass seine ältere Tochter Bea mit einem der Segelboote auf dem See unterwegs war. Ein Verehrer, der Sohn des Marchese di Caravalli, befand sich bei ihr in der schnittigen Jolle, die Prinzessin Bea meisterlich beherrschte.

Sie war mehrfache Regattasiegerin und nicht nur als Seglerin ausgezeichnet. Da sie bald fünfundzwanzig wurde und noch unverheiratet war, knüpfte Fürst Theo an ihren Segeltörn mit Giorgio di Caravalli bestimmte Hoffnungen.

Hoffentlich stellt sich der junge Marchese beim Segeln nicht allzu tölpelhaft an, dachte der Fürst. Seine ältere Tochter stellte nämlich sehr hohe Anforderungen an einen Mann, der ihr gefallen sollte.

Standesgemäß sollte er sein, intelligent, sportlich, erfolgreich, sensibel und energisch, musisch interessiert und möglichst noch kreativ, spontan und zugleich abwägend und überlegend.

Gut aussehend natürlich. Bisher hatte sich dieses Musterstück von einem Mann noch nicht eingefunden. Die zweite Tochter des Fürsten, Prinzessin Alix, mit vollem Namen Alexandra Natalie Sybille von Buchenau, zweiundzwanzig Jahre alt, war weniger wählerisch, was Männer betraf.

Ihr Lebenswandel missfiel dem verwitweten Fürsten erheblich.

Er drehte sich um.

»Setz dich bitte ordentlich hin, Alexandra«, sagte er.

»Ich bin kein kleines Mädchen mehr.«

»Eben deshalb. – Ich habe dich hergerufen, weil ich ein ernstes Wort mit dir reden muss. – Zieh deinen Rocksaum herunter.«

Alix’ Slip blitzte vor. Sie verdrehte die Augen, rutschte jedoch von der Schreibtischkante und nahm im Besuchersessel Platz. Fürst Theo hatte sie in sein Arbeitszimmer im ersten Stock des Schlosses bestellt und ihr zunächst den Rücken zugedreht und sie eine Weile warten lassen. Damit zeigte er ihr seine Ungnade.

»Was ist es denn diesmal, Paps?«, fragte Alix und strahlte ihn unschuldig mit ihren großen blauen Augen an.

»Weißt du, was ich im letzten Monat deinetwegen an Rechnungen bezahlen musste?«, fragte der Fürst.

»Nein, aber du wirst es mir bestimmt sofort sagen. An dir ist ein Buchhalter verloren gegangen, Paps.«

»Einer muss ja den Familienbesitz zusammenhalten.«

Zahlen prasselten auf die blonde Prinzessin nieder. Sie summierten sich zu einer erklecklichen Summe.

»Allein was du vertelefonierst, diese Handys hat der Teufel erfunden. Davon könnte man eine mehrköpfige Familie ernähren.«

»Du meinst, die Familie soll Handy-Telefone essen, Paps?«

»Nenn mich nicht immer Paps! Ich spreche jetzt als der Fürst Buchenau zu dir.«

»Ich weiß, dass du der Fürst bist, Paps.«

Der Blutdruck des Fürsten stieg bedenklich. Wenn doch nur Anastasia noch leben würde, dachte er. Ich muss das Mädel falsch erzogen haben – oder vielmehr gar nicht. Die Gattin des Fürsten war vor zwölf Jahren an einer Krankheit verstorben. Die damals zehnjährige Alix hatte das schwer getroffen.

Die übrigen Familienmitglieder natürlich auch. Fürst Theo, jetzt neunundvierzig, hatte nicht wieder geheiratet. Er hing noch immer an seiner verstorbenen Frau, die er nicht vergessen konnte. Irgendetwas in ihm zwang ihn, ihr die Treue zu halten, über den Tod hinaus.

Obwohl sie das nicht gewollt hätte.

»Zieh das, was ich dir sage, nicht ins Lächerliche, Alexandra!«, fuhr der Fürst fort. Er sprach unter vier Augen mit seiner leichtsinnigen und verschwenderischen Tochter. »Du erhältst jeden Monat ein großzügiges Budget, kommst aber nie damit aus. – Ständig jettest du in der Welt umher, kaufst alle möglichen sündteuren modischen Fummel und Accessoires, die du dann hinterher vielleicht gerade einmal anziehst oder gebrauchst, gibst mit vollen Händen das Geld aus …«

Die Standpauke dauerte an. Alix, groß, schlank, mit einer erstklassigen Figur und beachtlicher Oberweite, die ein tiefer Ausschnitt betonte, seufzte innerlich. Input – Output, dachte sie – also zu einem Ohr hinein, zum anderen wieder hinaus, während die Wortkaskaden ihres Vaters auf sie niederprasselten.

»Du studierst an der Sorbonne in Paris«, sagte der Fürst, »bist aber kaum je in den Vorlesungen. Dein teures Apartment an der Avenue Foch steht meist leer.«

»Manchmal vermiete ich es unter.«

»Ich weiß, die Renovierungskosten, die ich schon dreimal beglichen habe, sprechen für sich. Deine Freunde, denen du die Wohnung großzügig zur Verfügung stelltest, müssen gehaust haben wie die Vandalen.«

»Sie haben ein wenig zu ausgelassen gefeiert.«

»Ich frage mich, wie und was. Einmal war gar der Kronleuchter heruntergerissen. Erheblicher Wasserschaden …«

»Das war eine Schaumparty, Paps.«

»In einem noblen Apartmenthaus, ausgerechnet. Der begehbare Kleiderschrank brannte aus. Die Feuerwehr musste kommen.«

»Ein Feuerwerkskörper flog in den Schrank.«

»Ein Feuerwerkskörper, soso. Solche Art Feiern kenne ich nur von Silvester, und dann im Freien. Das geschah aber im März. Die Versicherung springt in dem Fall nicht ein, weil gleich mehrere Versicherungsklauseln nicht erfüllt wurden. Zudem musste ich einen Anwalt beauftragen, um die Sache zu regeln – mit hohen Abfindungszahlungen, da es mehrere Zivilklagen gab und zudem eine Strafanzeige wegen fahrlässiger Brandstiftung.«

»Eine Feier geriet etwas außer Kontrolle, Paps. Ich gebe es zu. Ich war ja nicht da.«

»Ja, du bist in Rio gewesen, mit ­anderen Freunden. Aus Rio haben mich mehrere Rechnungen erreicht – Beträge, die du großzügig mit deiner goldenen Kreditkarte beglichen hast.«

Alix schluckte die Bemerkung hinunter, dafür hätte sie die Kreditkarte doch.

»Es soll nicht wieder vorkommen«, versprach sie.

»Dass du dich überhaupt noch in diesem Haus in Paris sehen lassen kannst, wundert mich«, sagte der Fürst.

»Die Franzosen sehen das nicht so eng. Comme ci, comme ca, sie haben da eine leichte Lebensart.«

»Deine Eskapaden sind einfach zu teuer«, beendete Fürst Theo seine lange Rede. »Dann noch dein Lebenswandel, deine Affären …«

»Ich bin keine Nonne, Vater.«

»Das verlangt keiner, du solltest jedoch etwas wählerischer sein. Filmstars, Rockmusiker, Popsänger, Sportler, zumindest solltest du etwas mehr auf Diskretion und auch auf standesgemäßeren Umgang achten.«

»Mit einigen von den Männern, mit denen mich die Yellow Press in Verbindung bringt, bin ich gerade mal essen gewesen oder in der Disco. Du weißt doch, was die Klatschblätter immer gleich schreiben und wie schnell sie bereit sind, einem eine Affäre anzudichten. – Als Prinzessin Buchenau bin ich nun mal prominent.«

»Deine Schwester Bea ist ebenfalls eine Prinzessin Buchenau und hat noch nie in den Klatschspalten gestanden.«

»Wer wird denn schon über Bea berichten wollen? Sie ist total uninteressant.«

»Sprich nicht so von deiner Schwester. Du solltest dir lieber an ihr ein Beispiel nehmen. Bea hat das Abitur mit besten Noten bestanden, während du im zweiten Anlauf in einem Internat gerade mal durchgerutscht bist. Mit Nachhilfe und weil du die Prinzessin Buchenau bist. Bea studiert Betriebswirtschaftslehre, ist fast fertig und wird zweifellos ihren Doktor machen. Im Moment volontiert sie bei einer Großbank in München.«

»Ich dachte, sie segelt mit dem Marchese di Caravalli?«

»Nun ja, von der sprachlichen Korrektheit her hast du recht, Alexandra. Zurzeit studiert sie … Du weißt, was ich meine. – So geht es nicht weiter, Alexandra.«

Die blonde Prinzessin seufzte wieder unhörbar. Sie kannte die väterlichen Vorträge und nahm an, dass dieser bald zu Ende gehen würde.

»Auch ich habe schließlich schon mal gearbeitet«, warf sie ein, als Fürst Theo erwähnte, wie zufrieden man bei der Bank mit seiner älteren Tochter war.

Weitere Kinder hatte er nicht. Der Fürst schaute gallig drein.

»Ja«, sagte er, »du hast einmal gearbeitet. Bei einem Musiksender warst du Moderatorin und tratest im Fernsehen auf.«

»Das war echt coool, Paps.«

»Für dich vielleicht, für mich nicht. Das Outfit, in dem du dich vor der Fernsehkamera zeigtest, war himmelschreiend. Mit Lippenpiercing und mehreren anderen Piercings, Punkerfrisur und einem Make-up, das eine Grabeule erschreckt hätte.«

»Du meinst eine Friedhofseule?«

»Ja. Deine Lederklamotten oder das, was du als Kleidung bezeichnetest … Die schrille Prinzessin nannte man dich. Ständig standen Artikel über dich in den einschlägigen Blättern. Ich habe mir in Adelskreisen viel anhören müssen. Du hast unser Geschlecht zum Gespött gemacht.«

»Nur ein paar engstirnige alte Knacker und Stiftsdamen haben sich darüber aufgeregt. Außerdem habe ich den Job ja gekündigt.«

Alix verschwieg, dass sie wegen Unzuverlässigkeit gefeuert worden war. Das wusste ihr Vater bis heute noch nicht.

»Bis auf mein Nabelpiercing trage ich keins mehr«, fuhr die Prinzessin fort. »Könnten wir mit der Unterredung zu Ende kommen? Was willst du denn eigentlich von mir, Vater?«

»Dass du weniger Geld ausgibst und dich solide benimmst«, erklärte der Fürst. »Dass du dein Studium ernst nimmst …«

»Ich studiere Kunst.«

»Dann studiere auch und flattere nicht in der Weltgeschichte herum. Deine Skandale sind ungeheuerlich und schaden dem Ansehen des Fürstenhauses Buchenau. Sogar mit einem verheirateten Mann bist du in Verbindung gebracht worden.«

»Mit dem Herzog von Worthingham, weil ich auf seiner Jacht eine Kreuzfahrt durchs Mittelmeer unternahm. Das ist nun ein Adliger, und das gefällt dir auch wieder nicht, Paps.«

»Er ist noch verheiratet, und er gilt als Playboy. Genau wie dieser andere, Gierig oder so ähnlich …«

»Giering.«

»Rig oder Ring, das ist einerlei.«

»Er ist sehr amüsant. Rolf Giering noch mehr als der Herzog von Worth­ingham, der in den besten Jahren ist, bei dem also die guten vorbei sind.«

»Ich sehe, wir kommen so nicht weiter, Alexandra. Entweder du kommst mit deinem Budget aus, oder ich sperre dir deine Konten. Laut unserem Familiengesetz kann ich das.«

»Das würdest du tun, Vater?«

»Ja. Du hast meine Gutmütigkeit und mein Entgegenkommen lange genug ausgenutzt. Jetzt ist Schluss damit. Ich werde dich das Vermögen unseres Hauses nicht verschleudern lassen. Du musst dir einen verantwortungsvolleren Lebenswandel angewöhnen. Nimm dir ein Beispiel an deiner Schwester Beatrice. – Du bist eine Prinzessin Buchenau. Denk immer daran. Der Name verpflichtet.«

»Du hast keinen Sohn, Vater.« Alix berührte mit diesem Wort einen schmerzhaften Punkt bei dem Fürsten. »Bea wird einmal den Titel erben, was heißt, dass der Mann, den sie heiratet, dein Nachfolger als Fürst Buchenau wird.«

»Oder sie die Fürstin«, sagte Fürst Theo. »Wegen Beatrice mache ich mir keine Sorgen. Sie weiß, wie sie sich zu benehmen hat und wird sicher früher oder später einen standesgemäßen, untadeligen Gatten wählen.«

»Mir scheint sie eher so wählerisch zu sein, dass sie überhaupt nicht wählt«, sagte Prinzessin Alix spitz. »Es würde allmählich Zeit, dass sie unter die Haube kommt. In wenigen Wochen wird sie fünfundzwanzig. So weit kenne ich unser Familiengesetz, Paps, dass ich weiß, was das bedeutet.«

Fürst Theo, der hinter seinem monumentalen Schreibtisch Platz genommen hatte, hörte Alarmglocken in seinem Gehirn schrillen. Donnerwetter, dachte er, bei allem Leichtsinn und aller Oberflächlichkeit, die sie sich hoffentlich abgewöhnen wird, das weiß sie.

Er hätte es nicht gedacht.

»Was denn?«, fragte er, um sich zu vergewissern.

»Unser Familiengesetz im Fall nur weiblicher Erbinnen bestimmt Folgendes«, sagte Alix. »Die Älteste erbt den Fürstentitel, wenn sie bis zu ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag verheiratet ist. Ist das nicht der Fall, ist sie dann noch ledig, fällt er derjenigen Schwester zu, die als Erste heiratet.«

»So ist es«, musste Fürst Theo zugeben. »Aber selbst, wenn du vor deiner Schwester heiraten solltest, bin ich noch eine Weile da.«

»Ja, aber der Titel und die Rang- und Erbfolge würden mit der Heirat auf mich und meinen Gatten übergehen.«

Fürst Theo atmete tief durch. Das verhüte Gott, dachte er. Womöglich heiratet sie noch einen Pop- oder Rocksänger, Schauspieler oder Playboy, am Ende noch einen Bürgerlichen. Dann würde es schön ausschauen um das Fürstenhaus Buchenau. Beatrice ist vernünftig, sie gäbe die ideale Fürstin Buchenau ab, doch gegen das Familiengesetz kann ich nicht an.

»Vielleicht sollte ich heiraten«, sagte Alix.

Fürst Theo erschrak.

»Hast du jemand im Auge?«, erkundigte er sich sofort. »Wen?«

»Hm … Es gibt viele, die mich sofort ehelichen würden.«

»Wage es nicht, mir einen nicht standesgemäßen Mitgiftjäger ins Haus zu bringen!«

»Dann hättest du ein Problem, Paps.« Prinzessin Alix kam um den Schreibtisch herum und küsste ihren Vater auf die Stirn. »Keine Angst, ich werde schon nicht Hals über Kopf heiraten, nur um meiner Musterschwester eins auszuwischen und ihr den Fürstentitel vor der Nase wegzuschnappen. – Andererseits könntest du vielleicht etwas weniger streng mit mir sein.«