Flammende Augen

 

 

Scarlett O`Conner

Band 1

Flammende Augen

Die Horrorserie von

Jason Moor

 

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

 

1.Auflage

Erstausgabe August 2015

© 2015 für die Ausgabe Mondschein Corona Verlag, Plochingen

Alle Rechte vorbehalten

Autor: Jason Moor

Lektorat/Korrektorat: Werner Diefenthal

und Eva-Maria Stuckel

Grafikdesigner: Finisia Moschiano

Buchgestaltung: Finisia Moschiano und

Michael Kruschina

 

© Die Rechte des Textes liegen bei den oben genannten Autoren und Verlag

 

Mondschein Corona Verlag

Finisia Moschiano und Michael Kruschina GbR

Teckstraße 26

73207 Plochingen

www.mondscheincorona-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Wenn das Schicksal ruft …

In der Waldhütte

Die Prüfung

Die Hölle hatte sie ausgespien …

Das Erbe der Kriegerin

 

Wenn das Schicksal ruft …

 

Mitternacht lag über einer schweigenden Welt.

Die Kronen der hohen Bäume des Waldes im Herzen von Schottland schienen nach den Sternen des nachtschwarzen Firmaments zu greifen. Ein mit rohen Steinen befestigter Weg führte hinaus zum Hügel von Graig Phadrig, den die Menschen der Umgebung auch am Tage mieden, weil es dort nicht geheuer war und immer wieder Dinge geschahen, die mit dem normalen Denken eines Menschen kaum zu erklären waren.

Stille Ruhe und tiefer Frieden lagen über dem Land. Kein Laut war zu hören, keine Tierstimme zu vernehmen. Nur die Blätter der Bäume raschelten leise, wenn sie der Wind hin- und her bewegte. Der helle Tag war von der hereinbrechenden Nacht in den Schlaf gewiegt worden und anschließend still und heimlich gegangen.

Doch mit der Geburt des neuen Morgens zerriss der tiefe Klang der Kirchenglocken die Weihe der nächtlichen Stille. Die Geisterstunde war angebrochen. Die erste Stunde des neuen Tages, in der die Lebenden schlafen sollten und die Toten wandeln konnten.

Mit einem leisen Schrei schreckte ein kleines Mädchen von ungefähr acht Jahren aus dem Schlaf hoch. Niemand war da, der hätte sagen können, dass die zierliche Gestalt des Kindes erst sichtbar wurde mit dem ersten Glockenschlag im Gras zwischen den Stämmen zweier mächtiger Buchen. Denn vorher war dort nichts gewesen. Dann ein kurzes grüngelbes Aufleuchten und ein Blitz in einer dunklen karminroten Scharlach-Farbe, der nur für den Bruchteil eines Herzschlages sichtbar war.

Als es von unbekannten Kräften hierhergebracht wurde, hatte die Kleine ganz gewiss geschlafen. Doch während der zwölf Schläge der Kirchenglocken, mit denen der sterbende Tag verabschiedet und der neue Tag begrüßt wurde, war sie erwacht und stützte ihren Oberkörper auf den Ellenbogen empor.

Die Kleidung war einfach und doch zweckmäßig. Sie ließ erkennen, dass dieses Kind nicht aus einer längst vergangenen Zeit hierhergebracht, sondern dass es von dort, wo es bisher gelebt hatte, entführt worden war. Wenn man das, was im Zwielicht der unsichtbaren Welt geschehen war, als eine Entführung betrachten sollte.

Das kleine Mädchen trug Jeans, die ihr etwas zu groß waren, und ein Paar Stiefel aus schwarzem Leder, die sie über die Hose trug und ihr bis zu den Kniekehlen hinaufreichten. Ein schwarzer Pullover aus grob gestrickter Wolle floss über das obere Ende ihrer Jeans bis zu den Hüften hinab und wurde von einem handbreiten Gürtel aus schwarzem Leder gerafft, in den verschiedene Verzierungen aus silbernen Metallplättchen eingearbeitet waren.

Das einzig Merkwürdige an ihrer Kleidung, das vom Stil her absolut nicht dazu passen wollte, war ein Mantel, der mehr ein Umhang war und dennoch über Ärmel und auch eine Kapuze verfügte. Man konnte ihn sich einfach nur umhängen oder direkt als Schutz gegen Regen und Kälte tragen.

Doch noch merkwürdiger als seine Form war die Farbe des Mantels.

Es war die Farbe Scharlach. Eine Farbe, die einst Königen und Fürsten vorbehalten war – oder Kriegern, die im Kampf scharlachfarbene Gewänder trugen, damit der Feind nicht das Blut auf ihrer Kleidung erkennen konnte.

In diesem Moment war der Mantel für die Kleine jedoch mehr eine Decke, auf der sie erwachte und so keinen direkten Kontakt zu dem überall um sie herumwuchernden Gras hatte.

Der Mond, der jetzt seine volle Rundung hinter einer Wolke hervorschob, ließ das schmale, bleiche Gesicht des kleinen Mädchens noch blasser erscheinen, als es schon in der Helligkeit des Tages wirkte. Lange dunkle Haare, die –je nachdem, wie das Kind den Kopf drehte –die Farbe vom Gefieder eines Raben oder den dunkelbraunen Glanz einer reifen Kastanie zeigten, umrahmten ein zierliches Antlitz, das einer jener geheimnisvollen Feen gehören mochte, die sich nach dem Glauben der Leute in der Umgebung in mondhellen Nächten hier auf dem Graig-Phadrig-Hügel im Tanz wiegten.

Über einem jetzt im Nachdenken leicht zusammengekniffenen Mund war eine Stupsnase, die der Kleinen einen liebenswerten Ausdruck verlieh und auch die leicht gerunzelte Stirn des in diesem Moment etwas strengen Gesichtsausdrucks abmilderte. Doch wie kann man lächeln, wenn man an einem gottverlassenen, unbekannten Ort erwacht und nicht weiß, wie man hierhergekommen ist?

Zwei große, braune Augen, in denen man bei genauer Betrachtung kleine goldene Punkte erkennen konnte, versuchten, die nur vom Mondlicht etwas gemilderte Nachtschwärze zu durchdringen.

Das Kind schüttelte sich, als es erkannte, dass es sich nicht in einem Haus oder einem Bett, sondern mitten in einem Wald befand. Ortskundige hätten ihr sicher sagen können, dass sie sich in den Highlands nördlich der Mündung des Flusses Ness an der Bucht des Moray Firth befand. Ein Wald etwas nördlich der großen Stadt Inverness, die genau am Schnittpunkt der nördlichen und südlichen schottischen Highlands liegt und von deren Burg herab einst der grausame König Macbeth regierte. Der steinige Weg neben der Stelle, an der die Kleine erwachte, führte hinauf zu einem Hügel, auf dem es nicht geheuer sein sollte.

Das Mädchen hatte sich jetzt völlig aufgesetzt und sah sich neugierig um. Ihre kleine Nase verzog sich, als sie den feuchten und modrigen Geruch wahrnahm. Aber dort …da konnte sie das Plätschern eines kleinen Baches hören. Wenn sie Durst hatte, fände sie dort gewiss etwas zu trinken. Doch dann waren da noch all die Fragen in ihrem Inneren.

»Wo bin ich? Warum bin ich allein? Und wer oder was bin ich überhaupt?« Trotz der ungewöhnlichen Umgebung schien das Kind in diesem Augenblick keine Furcht oder Beklommenheit zu empfinden. Energisch erhob es sich und sah sich nach links und rechts um. Einige Male klang sein suchendes und fragendes Hallo durch die Nacht. Doch die Antwort kam nur aus dem Geäst der Bäume, wo einige Vögel durch ihre Rufe erwachten und auf ihre Art gegen die Ruhestörung protestierten.

»Hmm, wenn niemand eine Antwort gibt, ist keiner hier!«, stellte die Kleine nach einer Weile achselzuckend fest. »Und was mache ich jetzt nun? Oder besser gefragt, was soll ich überhaupt hier? Wie komme ich hierher? Und was das Wichtigste ist …« setzte sie hinzu, »… wer bin ich? Denn ich erinnere mich an Nichts. An gar nichts! Ich bin mir selbst ein einziges Rätsel!«

Das Kind ahnte nicht, dass es die Umstände mit sich brachten, dass sie sich in der Tat an nichts erinnern konnte. Es wusste weder sein Alter noch seine Herkunft oder gar seinen Namen. Auch nicht, warum und wie lange es geschlafen hatte und warum es gerade jetzt aufgewacht war. Die Antworten auf diese vielen offenen Fragen, die es unbedingt haben wollte, befanden sich nicht in seinem Bewusstsein.

Unsicher strich sich das kleine Mädchen das glatte, dunkle Haar aus der Stirn. Ihre braunen Augen starrten in die Dunkelheit, als würden sie dort in der Schwärze der Nacht die Antwort finden.

Für das kleine Mädchen war es wie im Moment einer Geburt. An nichts, was vor diesem Erwachen hier im Wald lag, hatte es noch eine Erinnerung. Und dennoch wusste die Kleine gleichzeitig, was das Leben war und was sie zu tun hatte. Und warum konnte sie denken, sprechen und fühlen? Wie hatte sie das Sprechen gelernt? War sie schon einmal wach gewesen und hatte an dieses Wachsein einfach keine Erinnerung?

Und immer wieder die drängende Frage –wer war sie? Und woher kam sie?

Unschlüssig, was sie tun solle, ging das Mädchen hinüber zum Weg und versuchte dabei vergeblich, etwas um sich herum zu erkennen.

Sie wusste ja nicht, wie lange ihr Körper hier gelegen hatte. Vielleicht schon sehr lange. Aber warum hatte dann noch niemand das kleine Mädchen entdeckt? Und hatte man ihr vielleicht etwas eingegeben, damit sie schlafen sollte?

»Welchen Weg nehme ich am besten?«, fragte sie sich mit Ratlosigkeit in der Stimme. Denn die Steine des Weges führten in sanfter Steigung den Hügel hinauf – oder aber in die entgegengesetzte Richtung. Das Mädchen war sich völlig im Unklaren, wohin es sich wenden solle.

Es war sicher das Beste, sich irgendwo an einen sicheren Ort zu setzen und in Ruhe über alles nachzudenken. Doch hier weiter zu verweilen, brachte nicht viel. Und nachdenken konnte sie auch, während sie dem Weg folgte und hoffte, dass sie von den Steinen dorthin geführt wurde, wo andere Menschen wohnten.

Das Wichtigste war, das sie versuchen musste, sich an ihren Namen zu erinnern. Als ihre Finger über den Stoff ihres Umhang-Mantels glitten, und das Mondlicht die Scharlach-Farbe glänzen ließ, kam ihr spontan ein Name in den Sinn.

Scharlach!

Im Englischen nannte man diese Farbe »Scarlett«.

Scarlett!

Ja, genau das war es. Das Mädchen wusste in diesem Moment nicht, warum. Aber sie war sich von einem auf den anderen Moment vollkommen sicher. Sie hieß – ja, ihr Name war ganz sicher – Scarlett.

Wenn sie wusste, dass sie diese Scarlett war – dann musste es ihr auch gelingen, hinter das Geheimnis ihrer Identität zu kommen.

Zu dieser Zeit ahnte das kleine Mädchen nicht, welches aufregende Leben diese Identität mit sich brachte. Ein Leben, das wie ein einziges, gefährliches Abenteuer sein würde. Ein Weg, der ihr vorherbestimmt war. Doch das konnte das kleine Mädchen jetzt, in diesem Augenblick, noch nicht ahnen.

Vielleicht fand sie ja hier im Wald jemanden – der ihr helfen konnte, die in ihr immer wieder aufkochenden Fragen zu beantworten. Entschlossen machte sich Scarlett auf den Weg und schlug impulsiv die ansteigende Richtung auf den Hügel ein. Obwohl es jetzt, wo der Mond hinter einer Wolke verschwand, noch dunkler wurde, verspürte sie keine Furcht. Sie war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Erst, als es unter ihren Füßen knirschte und knackte, zuckte sie zusammen. Doch sehr schnell erkannte Scarlett, dass es nur trockenes Gehölz war, das unter den Sohlen ihrer Stiefel zerbrach. Also gab es keine Gefahr.

Wirklich nicht? Wirklich keine Gefahr? Erneut zuckte Scarlett zusammen, als der Schrei eines Käuzchens durch den Wald hallte. Automatisch wanderte ihr Blick dorthin, wo der Schrei aus dem Geäst der Bäume herkam. Im gleichen Moment brach der Mond durch die Wolke und sein Silberlicht drang durch die Baumkronen.

Es war kaum zu erkennen. Doch Scarletts Blick wurde von dem hellen Gegenstand, der unter einem umgestürzten Baum im Gras lag, wie magisch angezogen. Sie fasste sich ein Herz und ging neugierig näher heran.

Ihre Augen erblickten eine kleine Schatulle aus glattem, dunkelbraunem Holz, die mit einem messingfarbenen Metallschloss verriegelt war. Sie war nicht besonders groß. Etwa eine halbe Armlänge lang und anderthalb Handflächen hoch.

Für einen Moment war Scarlett unsicher. Durfte sie diesen kleinen Kasten mitnehmen? Oder überhaupt nur berühren? Denn obwohl der Kasten nur teilweise auf dem Gras und darüber gehäuftem welken Laub zu sehen war, schienen sich unsichtbare Wellen aus einer geheimnisvollen magischen Energie um ihn herum auszubreiten.

Vielleicht war dieser kleine Kasten auf diese Weise vor dem Zugriff einer unberechtigten Person geschützt. Dennoch – warum hatte sich dieses Artefakt Scarlett erst jetzt in diesem Moment gezeigt? Sie hatte schon vorher diese Stelle unter dem umgestürzten Baum mit den Augen fixiert und nichts gesehen. Dass ihre Augen nun das kleine Holzkästchen wahrnahmen, konnte nur eines bedeuten.

Sie, Scarlett, sollte es sehen und an sich nehmen. Vielleicht fanden sich im Inneren Hinweise, wer sie war, woher sie kam und warum man sie hierher gebracht hatte.

Sie musste nur zugreifen. Und es musste schnell geschehen. Denn das kleine Mädchen sah, dass dieses Kästchen sich aufzulösen begann. Einige Herzschläge noch und es würde verschwinden.

Scarlett musste handeln. Jetzt sofort! Oder es war zu spät. Niemand konnte wissen, was geschah, wenn das Kästchen sich im Nichts aufgelöst hatte. Allerdings wusste sie auch nicht, was mit ihr geschah, wenn sie jetzt zugriff.

»Es … es muss!«, bebte es von Scarletts Lippen. »Es ist mein. Es gehört mir. Wer immer es mir geschickt hat – es ist … meins!« Allen Mut zusammennehmend streckte Scarlett die Hände aus. Langsam schlossen sich ihre kleinen Finger um das Holz. Dann fasste sich das Mädchen ein Herz und hob die sehr leichte Schatulle aus dem Gras.

Sofort stabilisierte sich das Holz wieder in Form und Festigkeit. Mit der Berührung schien das Material nun nicht mehr zu verschwinden. Misstrauisch begann das Mädchen erst einmal, ihren Fund zu beäugen.

Nichts passierte. Im Moment war es tatsächlich nur eine ganz normale kleine Holzkiste, an der sich als einzige Merkwürdigkeit das Schloss befand. Schon wurde Scarlett wieder mutig. Neugierig schüttelte sie den merkwürdigen Behälter und vernahm ein Klimpern und Rasseln. Es waren also feste Gegenstände im Inneren des kleinen Kästchens.

Scarlett wollte unbedingt wissen, was die kleine Schatulle verbarg. Geduld war nicht gerade ihre Stärke. Am liebsten hätte sie das geheimnisvolle Kästchen jetzt sofort selbst untersucht. Nur wie? Es war zu dunkel, um etwas zu erkennen. Und die Schlösser an den Holzbeschlägen gaben wider Erwarten nicht ein Quäntchen nach. Achselzuckend entschied sich das zierlich gebaute Mädchen fürs Warten – zumindest so lange, bis es endlich heller wurde.

Mit ihrer Zunge fuhr sie über ihre trockenen Lippen. Scarlett gähnte, sie war nicht nur durstig, sondern nach dem stetig ansteigenden Weg auch müde. Es war sicher besser, sich erst einmal einen Schlafplatz zu suchen, um den Weg am nächsten Tag fortzusetzen.

Optimal wäre natürlich, wenn sie hier eine Sitzbank fand. Darauf könnte man gut schlafen. Doch auch, wenn dieses Steinpflaster die Anwesenheit von Menschen anzeigte, es war kaum anzunehmen, dass es hier mitten in einem Wald Bänke gab wie in einem Park. Sie musste sich wohl oder übel ein Nachtlager im Gras richten.

Merkwürdigerweise wurde die Schatulle unter ihrem Arm nach jedem Schritt immer schwerer. Ihre kleinen Finger, die das Holz umspannten, begannen zu schmerzen. Sie legte eine kurze Pause ein, stellte den Kasten auf dem Boden ab, setzte sich darauf und streckte ihre Beine im Gras aus.

Obwohl es eine laue Sommernacht war, begann Scarlett plötzlich zu zittern. Doch mit diesem Zittern war nicht die Dunkelheit gemeint, die sie im Moment umgab … es war die Dunkelheit in ihrem Innern, die sie frösteln ließ. Immer wieder fuhr Scarlett vor Schreck zusammen, als aus der Ferne Geräusche bellender Hunde und aus der nahen Umgebung das Krächzen der Raben oder das Schreien eines Käuzchens die Stille zerriss. Wie flüssiges Eis zirkulierte die Angst im Körper des kleinen Mädchens.

Und dann war da noch das Licht am Horizont. Ein Licht, hellblau wie der Himmel eines lauen Frühlingsmorgens. Gleißende Energie einer unbekannten Magie, die aus dem Nichts heraus ohne Vorwarnung entstand. Das blaue Leuchten war einfach da und begann, auf eigenartige Weise zu fluoreszieren.

»Sollte das meine ersehnte Hilfe sein?«, fragte sich Scarlett mit Selbstzweifeln in der Stimme, als das Licht immer stärker pulsierte. Mit beiden Händen hob das Mädchen die Schatulle hoch über den Kopf, um sie dann sofort runterzunehmen und an ihre Brust zu pressen.

In greller Helligkeit schoss ein silberner Blitz aus dem blauen Licht heraus und schlug in das Kästchen ein, das Scarlett mit beiden Händen an ihren Körper presste. Obwohl sie durch diesen Einschlag keinen Schmerz noch sonst ein Gefühl verspürte, wurde Scarlett doch einige Schritte zurückgeschleudert und stürzte rücklings zu Boden. Das, was den Blitz in sich getragen hatte, schien mit dem Kästchen zu verschmelzen und in dem Holz aufzugehen. Das blaue Leuchten aus der Dunkelheit waberte noch einmal auf, um anschließend völlig abrupt zu verschwinden.

Im gleichen Moment durchströmte Scarlett eine unbeschreibliche Müdigkeit. Mit weit geöffnetem Mund blickte sie in die Richtung, wo gerade eben noch ein Licht erschienen war … erschienen, um wieder zu vergehen. Was hatte das Licht zu bedeuten gehabt? Und was hatte der Blitz an dem Kästchen bewirkt? Und – was noch wichtiger war – was sollte der Blitz aus dem blauen Leuchten bewirken? Denn ganz eindeutig hatte dieses Licht etwas mit der Schatulle zu tun, die sie zufällig gefunden hatte.

Zufällig? Konnte man hier wirklich von »Zufall« sprechen? Oder war hier nicht etwas anderes im Spiel? Kräfte aus dem Unsichtbaren. Dem Unbekannten, das hier seine Fäden wie bei einer Marionette zog und die Geschicke lenkte.