Cover

Der Bergpfarrer (ab 375)
– 490 –

Mein Herz gehört Nathalie

Doch ihr Glück ist nicht lange ungetrübt …

Toni Waidacher

Impressum:

Epub-Version © 2019 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74095-935-7

Weitere Titel im Angebot:

Weitere Titel im Angebot
Weitere Titel im Angebot

Am 22. Dezember, punkt zehn Uhr, läuteten die Kirchenglocken von St. Johann die kirchliche Trauung Gregg Powells und Corinnas ein. Vor zwei Tagen hatten sie sich das Ja-Wort in einem Standesamt in London gegeben, nun sollte ihr Bund fürs Leben auch vor Gott besiegelt werden.

Der Bergpfarrer war sehr gerührt, dass die beiden dafür extra nach St. Johann gekommen waren, um sich von ihm trauen zu lassen. Es waren etwa fünfzehn Leute, die als Gäste der Zeremonie beiwohnten. Unter ihnen waren Max Trenker mit seiner Familie und Markus Bruckner mit Ehefrau. Auch Monika Heinold und Ulrike Scharl, die beiden jungen Frauen, die den Bergpfarrer in seinem Bemühen unterstützt hatten, Gregg Powell zu überzeugen, dass die Freilichtbühne dem Wachnertal irreparablen Schaden bringen würde, sowie deren Freunde Thomas Demmel und Alexander Gärtner gehörten zu den Gästen.

Die Trauung fand in angenehm lockerer Atmosphäre statt, später, vor der Kirche, gratulierten die Gäste und auch einige St. Johanner dem Paar und wünschten ihm alles Gute für die Zukunft. Danach ging es zum Hotel, wo Sepp Reisinger einen Sektempfang vorbereitet hatte. Er und seine Familie beglückwünschten das Brautpaar, dann führte Sepp die Hochzeitsgesellschaft ins Nebenzimmer, das liebevoll mit Blumengebinden und Kerzen dekoriert worden war.

Die Tische waren in Hufeisenform zusammengestellt, das frisch getraute Ehepaar hatte den Ehrenplatz an der Tafel inne. Rechts neben Gregg war der Platz des Bergpfarrers. Neben Sebastian saß Bürgermeister Markus Bruckner und neben diesem seine Gattin. Gitti und Heidi Reisinger hatten alle Hände voll zu tun, die Getränkewünsche der Gäste zu erfüllen. Das Mittagessen sollte erst in etwa einer halben Stunde beginnen.

Aus dem Stimmenwirrwarr stieg hin und wieder schallendes Gelächter. Die Stimmung war ausgelassen, und sogar das Gemeindeoberhaupt zeigte sich von seiner vollkommen gelösten Seite. Er stupste Sebastian leicht mit dem Ellenbogen an, und als sich der Pfarrer ihm zuwandte, sagte er gerade so laut, dass ihn Sebastian trotz der Geräuschkulisse in dem Raum verstehen konnte: »Der Herr Powell hat der Gemeindekasse einen ziemlich großen Betrag gespendet. Ich weiß net, ob er Ihnen das erzählt hat, Hochwürden. Mich hat er gebeten, kein großes Aufhebens deswegen zu machen.«

»Er hat angedeutet, dass er spenden will«, nickte Sebastian. »Aber ich habe keine Ahnung, wie hoch die Spende ausgefallen ist.«

Mit verschwörerischer Miene nannte Bruckner die Summe.

»Donnerwetter«, entfuhr es Sebastian, »das ist ja ein beträchtlicher Batzen Geld. Das, denk’ ich, ist Trostpflaster genug für dich Markus. Jetzt weinst du der Freilichtbühne gewiss nimmer hinterher.«

»Nein, ich glaub’, jetzt hab’ ich die Sach’ endgültig verschmerzt. Das Gemeindesäckel kann die Spende ganz gut gebrauchen.«

»Wenn ich mich net irr’, Markus, dann hat der Herr Powell unter der Voraussetzung gespendet, dass die Gemeinde das Geld für den Naturschutz verwendet.«

»Ja, ja.« Das Lächeln, das Markus gezeigt hatte, wirkte jetzt wie eingefroren. »Natürlich werden wir die Spende nur zweckentsprechend einsetzen. Natürlich immer unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes. Auf eine andere Idee wär’ ich nie gekommen, Hochwürden.«

»Was anderes hab’ ich von dir auch gar net erwartet, Markus. Weiß ich doch, wie sehr dir die Natur des Wachnertals am Herzen liegt.«

Misstrauisch forschte der Bürgermeister im Gesicht des Pfarrers. Wie war das jetzt gemeint? Etwa ironisch? Doch das Lächeln des Bergpfarrers war unergründlich. »Ach, Sie …«, brabbelte Bruckner vor sich hin.

Sebastian spürte Gregg Powells Hand auf seinem Arm. »Reden wir ein anderes Mal weiter, Markus«, sagte er und wandte sich dem Engländer zu.

»Ich hatte Gelegenheit, mich ein bisschen intensiver in Ihrer Kirche umzusehen, Herr Pfarrer. Dabei ist mir aufgefallen, dass viele der Fresken ziemlich verblichen sind. Auf den ersten Blick fällt es nicht auf, bei näherer Betrachtung, aber schon. Meinen Sie nicht auch, dass die Fresken ein wenig aufgemöbelt werden sollten?«

»Das ist mir schon seit längerer Zeit bewusst«, erwiderte Sebastian. »Aber das würde ziemlich viel Geld kosten, Geld, das wir net haben. Und die Diözese schiebt die Renovierung immer wieder auf die lange Bank. Ich meine, man vertröstet mich ein um das andere Mal.«

»Darüber müssen wir reden«, sagte Gregg lächelnd. »Im Einvernehmen mit meiner lieben Gattin habe ich mich nämlich entschlossen, Ihrer Kirche auch einen gewissen Betrag zu spenden, mit dem Sie ihren wunderschönen Fresken einen neuen Glanz verleihen können.«

»Aber, das ist doch net notwendig, Herr Powell. Sie haben doch schon der Gemeinde …«

»Die Spende an die Gemeinde sollte ursprünglich höher ausfallen. Aber dann hat mich Corinna auf die Idee gebracht, dass man das Geld aufteilen könnte. Und nachdem ich heute bemerkt habe, dass in Ihrer Kirche einiges der Restaurierung bedarf, war mir klar, wem ich die andere Hälfte der Spende zur Verfügung stelle.«

Sebastian war baff. »Ich weiß net, was ich sagen soll, Herr Powell …«

»Sagen Sie Gregg zu mir, Herr Pfarrer. Beauftragen Sie einen Kirchenmaler mit den Renovierungsarbeiten. Die Mittel, die ich Ihnen dafür zur Verfügung stelle, dürfte ausreichend sein. Und der Zweck ist ein guter, denke ich.«

Spontan reichte Sebastian dem Engländer die Hand. »Ich weiß net, was ich sagen soll, Gregg«, erklärte er, noch immer völlig überwältigt von so viel Großzügigkeit. »Außer danke zu sagen, fällt mir im Moment nix ein.«

»Das ist auch nicht nötig«, versetzte Powell. »Wir haben Ihnen doch schon erzählt, dass wir vorhaben, uns in St. Johann ein Anwesen zu kaufen, um hier, so oft es möglich ist, zu erholen und uns einen späteren Alterssitz zu schaffen.«

»Haben Sie denn schon etwas in Aussicht?«

»Nein. Aber ich werde einen Makler damit beauftragen. Und vielleicht können auch Sie sich ein wenig umhören. Ich habe mir nämlich sagen lassen, dass gute Objekte oft ohne Makler angeboten werden. Sie haben Ihr Ohr gewissermaßen am Pulsschlag des Wachnertals. Sollte Ihnen etwas zu Gehör kommen, dann wissen Sie ja, an wen Sie denken müssen.«

»Darauf können S’ sich verlassen, Gregg. Sie haben schon recht. Oft gehen solche Transaktionen unter der Hand vonstatten.«

»Darum hab’ ich auch Herrn Bruckner gebeten, sich für mich ein wenig umzuhören, denn Corinna und mir wäre viel daran gelegen, hier eine schöne Bleibe zu finden. Es kann auch etwas Renovierungsbedürftiges sein, unter Umständen auch ein Bauernhof, der aus irgendeinem Grund aufgegeben wird.«

»Wenn ich was hör’, kriegen S’ Bescheid, Gregg«, versicherte Sebastian.

»Was die Spende anbetrifft, komme ich morgen oder übermorgen zu Ihnen ins Pfarrhaus«, gab Powell zu verstehen. »Dann machen wir die Sache perfekt. Heute reden wir nicht mehr über Geld«, setzte er lächelnd hinzu. »Heute wollen wir nur noch feiern.« Er nahm sein Bierglas und hob es: »Cheers, Herr Pfarrer.«

Auch Sebastian hob sein Bierglas. »Auf Ihr Wohl und das Ihrer Gattin, Gregg.«

Der Engländer, den Sebastian ursprünglich für rücksichtslos gehalten und als eiskalten Geschäftsmann eingestuft hatte, und er, der Pfarrer, waren auf dem besten Weg, gute Freunde zu werden.

»Darf ich auch mit anstoßen?«, fragte der Bürgermeister und zeigte sein breitestes Grinsen. Er hatte zwar die Ohren aufgesperrt und sich bemüht, etwas von dem Gespräch zwischen dem Pfarrer und Powell mitzubekommen, doch ihre Stimmen waren in dem übrigen Lärm untergegangen. Jetzt aber wollte sich Bruckner wieder einbringen … Er hielt sein Glas hoch, Sebastian und Gregg Powell stießen mit ihm an.

*

Am folgenden Morgen setzte sich Sebastian nach der Morgenmesse an den Frühstückstisch.

Sophie Tappert brachte frisch gebackenes Brot, Wurst und Käse, auch Butter und selbst eingekochte Marmelade, sowie eine Thermoskanne mit Kaffee. »Na, hat’s lang gedauert heut’ Nacht?«, fragte sie. Begrüßt hatten sie und der Pfarrer sich bereits vor der Andacht.

»Ich bin um elf Uhr nach Haus’ gegangen«, antwortete Sebastian. »Es war eine angenehme Feier. Ich denk’, dass der Gregg und die Corinna sehr gut miteinander harmonieren werden. Den beiden gefällt’s bei uns. Sie planen sogar, hier ein Haus zu kaufen, damit sie, so oft es möglich ist, ins Wachnertal kommen und ein paar Tage entspannen können. Und wenn Gregg in den Ruhestand geht, wollen s’ ganz herziehen.«

»Der weiß aber schon, was bei uns so ein Häusl kostet?«, fragte Sophie.

Sebastian winkte ab. »Geld spielt bei ihm keine Rolle. Er hat der Gemeinde einen ansehnlichen Betrag für den Naturschutz gespendet, und der Pfarrei will er die Restaurierung der Kirche bezahlen.«

»Sagen S’ bloß«, rief Sophie erstaunt und fixierte den Pfarrer geradezu ungläubig.

»Ja, er hat es mir gestern zugesichert. Nachdem er sich ein wenig intensiver in unserer Kirche umgeschaut hat, hat er bemerkt, dass einige der Fresken im Laufe der Zeit gelitten haben. Jetzt bin ich am Überlegen, wen ich mit der Restaurierung beauftragen soll. Ich muss mal schauen, ob’s in Garmisch einen Kirchenmaler gibt. Mir wär’ viel dran gelegen, dass den Auftrag jemand aus unserer Region erledigt.«

»Da denk’ ich sofort an den Lukas Baumann, Hochwürden. Der ist doch vor einigen Jahren nach München gegangen, um eine Ausbildung als Kirchenmaler zu absolvieren. Wenn ich richtig informiert bin, dann ist er inzwischen selbständig.«

»Richtig«, stieß Sebastian hervor. »Es ist acht Jahr’ her, dass er weggegangen ist. Das ist eine gute Idee, Frau Tappert. Ich werd’ mich gleich im Internet kundig machen und ihn anrufen.«

»Wie viel Geld hat der Powell denn gespendet?«, fragte Sophie, während Sebastian sein Stück Brot mit Käsescheiben belegte. Es war natürlich Bergkäse aus der Produktion des alten Thurecker-Franz, von der Kandereralm.

Sebastian nannte den Betrag und Sophie hielt den Atem an. »Der Powell muss aber sehr reich sein«, murmelte sie dann, nickte mehrere Male und fügte hinzu: »Mit der Summe können S’ was anfangen, Hochwürden. Himmel, da wird unser Kircherl bald in einem neuen Glanz erstrahlen. Was für eine Freud’!«

»Ja, das ist in der Tat erfreulich, Frau Tappert. Wer hätte das gedacht, als es vor einiger Zeit noch darum gegangen ist, den Bau der Open-Air-Arena zu verhindern. Beim Gregg hat sich’s wieder mal bewiesen, dass man einen Menschen net nach dem ersten Eindruck beurteilen sollt’. Und ich hab’ immer gedacht, ich verfüg’ über Menschenkenntnis. Beim Gregg hat mich sie mich vollkommen im Stich gelassen.«

»Sie haben sich ja auch unter Voraussetzungen kennengelernt, unter denen Sympathie zweitrangig war«, versetzte Sophie und schenkte dem Pfarrer Kaffee ein. »Sind wir dankbar, dass alles so gekommen ist. Lassen S’ Ihnen das Frühstück schmecken, Hochwürden.«

»Danke. Setzen S’ sich doch ein bissel zu mir und trinken S’ mit mir ein Tasserl Kaffee, Frau Tappert. Gegessen werden S’ schon was haben. Wenn net …« Er wies auf den reichlich gedeckten Frühstückstisch.

»Ein Tasserl Kaffee trink’ ich gern mit Ihnen, Hochwürden. Dann können S’ mir ein bissel was von der Hochzeit erzählen.« Sophie holte sich eine Tasse, setzte sich an den Tisch und schenkte sich ein. »Ihr Bruder war ja auch eingeladen. Ich hoff’, er hat kein Problem mehr mit seinem Knöchel.«

»Der rennt wieder wie ein Wiesel. Aber davon können S’ sich ja morgen Mittag mit eigenen Augen überzeugen, wenn er zum Essen kommt.«

»Ich werd’ für Sie Rumpsteaks braten, Hochwürden. Dazu gibt es grüne Stangenbohnen mit Speck und Zwiebelwürfeln, Kräuterbutter und Folienkartoffeln. Meinen S’, ihm dass das schmeckt?«

»Mit Sicherheit. Mich fragen S’ wohl schon gar nimmer, wie?«

»Ich bitt’ Sie, Hochwürden …« Sophie blickte geradezu erschreckt drein.

»Entschuldigen S’, dass ich …«

Sebastian lachte amüsiert auf. »Ich hab’ nur einen Spaß gemacht, Frau Tappert. Sie wissen doch, dass ich auf gebratenes Fleisch steh’. Und der Max ebenso. Ich soll Sie übrigens von der Claudia schön grüßen.«

»Dankschön. Jetzt erzählen S’ mir doch bitte ein bissel was von der Hochzeit. Der Bürgermeister war ja auch eingeladen. Hat er seinen Groll gegen den Mister Powell endlich begraben?«