Tobias Bücklein

 

Feierkunst:

Leuchtende Augen

statt hohler Rituale

 

Wie Sie mit klaren Zielen

budgetbewusst feiern

 

Mit einem Vorwort von Götz W. Werner

 

 

Kreutzfeldt digital

 

 

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ISBN 978-3-86623-585-4

© 2017 Kreutzfeldt digital, Hamburg

Foto Umschlag: Julius Ise

Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

 

 

Hohle Rituale – rausgeworfenes Geld?

 

Ein Coach fürs Feiern? Kann das nicht jeder?

Warum gutes Feiern wichtig ist und warum ich darüber ein Buch schreibe

 

Hohle Rituale: Grußwort – Grußwort – Streichquartett

Wo Gewohnheiten hilfreich sind und warum es sich lohnt, das Übliche zu hinterfragen

 

Feiermuffel: Was uns am Feiern hindert

Warum Menschen applausscheu sind und wie aus Vorbehalten großartige Feste werden

 

Die Bedeutung des „Warum“: Gründe und Ziele

Warum Ihr runder Geburtstag noch lange kein Grund zum Feiern ist

 

Wert-voll oder teuer? Worauf es wirklich ankommt

Wie Sie Ihr Budget am wirkungsvollsten einsetzen

 

Warum Schöneberger Ihre Feier nicht rettet

Wie gute Unterhaltung wirklich auf Ihre Marke einzahlt

 

Gesamtkunstwerk statt Rahmenprogramm

Warum die Trennung von Inhalt und Entertainment nur die zweitbeste Lösung ist

 

 

Das Prinzip Gemeinschaft

 

Intermezzo: Warum funktioniert Dinner for One?

Wie man zu zweit in der Gruppe feiern

 

Bedürfnisse befriedigen

Wann Ihre Gäste sich „wohlfühlen“ und was Sie dazu beitragen können

 

Kleidung. Essen. Rituale.

Was Dresscode und Catering mit Gemeinschaft zu tun haben

 

Gemeinsames Tun

Wie Zusammengehörigkeit erlebbar wird

 

Humor und Sprache

Wie Sie 600 Menschen enttäuschen und warum wir über Physiker-Witze nicht lachen

 

Einladung

Warum das Fest mit der Einladung schon fast gelaufen ist

 

 

Bühnenkunst

 

Intermezzo: Die Hochzeit der Cousine meiner Frau

Bei Hochzeiten werden Kulturen vereint – oder eben meistens nicht

 

Der Vertrauensbaum

Wie Sie auf der Bühne gut zurechtkommen

 

Spiegelneuronen

Wie Sie die Erkenntnisse der Hirnforschung für sich nutzen können

 

Episodisches Gedächtnis

Warum Sie sich an Hoeneß’ verschossenen Elfmeter erinnern – aber nicht an die Zahl seiner Bundesliga-Tore

 

Erste-Hilfe-Maßnahmen

Wie Sie Lampenfieber heilen und den Fokus auf das Richtige lenken

 

Es wird Regen geben

Warum auch perfeckte Feste Feler haben müsen

 

Moderation

Welche Rolle Sie spielen, und wann Sie einen Moderator brauchen

 

 

ShowKnowHow

 

Der Teufel steckt im technischen Detail

Warum manchmal Nebensächlichkeiten doch wichtig sind

 

Frontalunterricht

Wie Sie das Publikum von Anfang an im Griff haben

 

Licht aus, Ton an

Machen Sie Eindruck auf Augen und Ohren!

 

Alle mal herhören

Was Sie selbst zum guten Ton beitragen können

 

Der Traum vom Firmen-TV

Wenn Sie sich hinterher alles nochmal in Ruhe ansehen wollen

 

Letzte Tipps

Was für das Gelingen Ihrer Show ebenfalls wichtig ist

 

 

Anhang

 

Dank

Über den Autor

Abbildungsverzeichnis

Vorwort

Es lohnt sich, dieses Buch zu lesen. Es macht Sinn. Pointiert, mit Charme, Humor und angereichert mit einer gehörigen Portion Fachkompetenz – wie man es von Tobias Bücklein kennt – gibt er hier Erkenntnisse aus 20 Jahren Event- und Bühnenerfahrung weiter. Was hier vorliegt, ist nichts weniger als ein Wegweiser zu einer gelingenden Veranstaltung. Und so war ich mit Freude dabei, ein Vorwort für dieses biografisch gespickte Kompendium zu liefern, als mich Tobias Bücklein fragte.

 

 

Abb. 1: Götz W. Werner und der Autor im Gespräch

 

Wir kennen uns seit Sommer 2011. Er lud mich in seine bekannte Konstanzer Bühnenshow ein. Wie mit all seinen Bühnengästen, wollte Tobias Bücklein mit mir etwas Musikalisches aufführen. Wenn man sich auf das Verkaufen von Zahnpasta spezialisiert hat und im Übrigen als Realträumer für das bedingungslose Grundeinkommen durch die Lande zieht, beharrlich im Bemühen und bescheiden in der Erfolgserwartung, ist das eine schöne Abwechslung. Also nahm ich die Einladung gerne an.

 

Ein Stück von Händel, das ich schon mal halbwegs sicher auf der Querflöte spielen konnte, sollte es werden. Ich begann also zu üben. Die Zeit verging wie im Flug und der Termin für den Gastauftritt im Kabarett kam immer näher, ohne dass ich meinen Händel sicher beherrschte. Meine Frau brachte mich schließlich auf eine wunderbare Idee: Ich könne doch so gut pfeifen und das würde ich ohne Unterlass üben, weil ich, ganz gleich, wo ich gerade wäre, immer gern ein Liedchen auf den Lippen hätte. Ein großartiger Einfall, mit dem ich Tobias Bücklein überraschen wollte. Schließlich drohte mir eine ziemliche Blamage, sollte ich mit der Querflöte auftreten. Also übte ich fortan das Pfeifen.

 

Der Tag des Auftritts war gekommen. Bevor sich Tobias Bücklein ans Klavier setzte, forderte er mich auf, die Flöte auszupacken. Die hatte ich natürlich „vergessen“ und ich hatte ihn auch bewusst nicht vorgewarnt. Manche Dinge bekommen einen ganz besonderen Charme, wenn man einfach improvisiert. Vorbereitung ist zwar ganz wesentlich, das können Sie in diesem Buch nachlesen, aber wir wissen alle, dass es erstens anders kommt und zweitens als geplant.

 

Mein Gastgeber war überrascht, das konnte jeder im Saal sehen. Schnell löste sich die Spannung, als ich den Vorschlag unterbreitete, ich könnte ein Stück von Händel pfeifen. Und genauso machten wir es auch, Tobias Bücklein begleitete mich am Klavier und die musikalische Einlage wurde ein wunderbarer kleiner Erfolg. Ein Erlebnis, an das wir uns heute, viele Jahre danach, gerne erinnern. Es war einfach ein stimmiges Erlebnis. Und darauf kommt es an!

 

Nun verstehe ich vom Verkauf von Duschgels, Shampoos, Cremes und besagter Zahnpasta mehr als vom Veranstaltungsmanagement. Es gibt jedoch gewisse Parallelen, die sich aufdrängen. In unseren Metiers sind zum Beispiel die richtige Komposition und Stimmigkeit ganz entscheidend. Wie auch in der bildenden Kunst: Warum ist Michelangelos David so beeindruckend? Er hat das gleiche Material benutzt wie viele andere Bildhauer vor und nach ihm. Michelangelo gelang es, durch eine treffende Komposition eine Stimmigkeit zu schaffen, die einmalig ist. Bei einer Veranstaltung ist die Herausforderung im Grunde die Gleiche. Es gilt, unzählige Kleinigkeiten so zusammenzubringen, dass die richtige Stimmung aufkommt. In der Conclusio unserer Beurteilung, die fast immer gefühlsmäßig stattfindet, sagen wir dann einfach: Es hat mir einfach gut gefallen. Die Stimmung war großartig. Komposition und Stimmigkeit machen eine gelingende Veranstaltung aus – oder auch einen Drogeriemarkt, in den man gerne einkaufen geht.

 

Und dann gibt es da noch eine zweite Gemeinsamkeit und das ist die Sache mit der Veränderungsbereitschaft. Wenn wir ehrlich zu uns sind, dann sind wir doch froh, wenn alles so bleibt, wie es ist. Aber das ist ein Trugschluss. Stellen Sie sich nur einmal vor, ein dm-Markt würde heute noch so aussehen wie 1973. Mein erster Laden war damals hoch erfolgreich und trotzdem konnten wir nicht einfach so weitermachen. Wir hatten Erfolg und das hatte Folgen. Und das können Sie auf Ihr gesamtes Leben übertragen. Die Art, wie Menschen auf die Dinge schauen, ändert sich ständig. Also müssen sich die Unternehmen, die Produkte, Dienstleistungen und natürlich auch die Events verändern. Das, was ich in die Welt bringe, muss ich so weiterentwickeln, dass es den Zeitgeschmack, man könnte auch sagen die Mode, etwas übertrifft. Nur das zu bieten, was erwartet wird, ist zu wenig. Wo etwas Neues, Außergewöhnliches stattfindet, kann man seine Kunden positiv überraschen. Es darf nur nicht zu weit von ihnen entfernt sein. Als Unternehmer und Eventmanager – bitte bedenken Sie, das Leben ist nichts anderes als ein einzigartiges Event – muss man die Dinge vorausahnen, sie antizipieren, dann kann man die Zukunft mitgestalten.

 

Schließlich gibt es noch eine dritte Parallele und die ist eigentlich das Wichtigste bei allem, was wir tun: Es geht immer um die Menschen. Das dürfen wir nie aus den Augen verlieren. Egal ob man Drogeriewaren verkauft oder ein Event vorbereitet. Das Unternehmen, die Veranstaltung, das Catering, die Zahnpasta – all das sind nur Mittel, das Ziel sind immer die Menschen. Deshalb müssen alle Vorhaben vom Kunden aus gedacht werden. Am Anfang einer jeden Unternehmung müssen Sie sich fragen: Macht das für meine Kunden, meine Mitmenschen Sinn? Warum und wozu machen wir das eigentlich? Und wenn Sie sich diese Fragen gestellt haben und die Tipps von Tobias Bücklein beherzigen, dann kann nichts mehr schiefgehen. Wie sagte Franz Kafka so schön: „Man muss bezaubern, wenn man etwas Wesentliches bekommen will.“ Also, an die Arbeit!

 

Götz W. Werner

Gründer und Aufsichtsrat von dm-drogerie markt

im Sommer 2017

Ein Coach fürs Feiern? Kann das nicht jeder?

Warum gutes Feiern wichtig ist und warum ich darüber ein Buch schreibe

 

 

Ein Desaster zur Eröffnung

 

Meine erste Veranstaltung war eine große Enttäuschung. Ich hatte den Raum perfekt vorbereitet, Musik ausgesucht, mir eine wohlklingende Ansprache ausgedacht – und sogar aufgeschrieben, was einige Mühe bereitete – und nun verteilte ich erwartungsfroh die Einladungskarten an meine potentiellen Zuschauer.

 

Aber meine großen Brüder lachten mich nur aus: „Was? Du willst im Keller einen Gottesdienst feiern? Du bist doch erst fünf und hast keine Ahnung von so etwas!“

 

Vielleicht muss man dazu sagen, dass ich aus einer evangelischen Pfarrersfamilie stamme. Ich kannte mich also gut mit Gottesdiensten aus – jedenfalls was den organisatorischen Teil betraf. Auch wenn mir die Inhalte bis heute eher fremd geblieben sind, erlebte ich die Kirche als Kind sozusagen „backstage“, wusste schon früh, dass beim Abendmahl in Würfel geschnittenes Toastbrot verteilt wird und half nach den Gottesdiensten begeistert beim Zählen der Kollekte.

 

Der entscheidende Fehler meiner ersten Veranstaltung war wohl, dass ich mich lediglich mit den Äußerlichkeiten der Feier beschäftigt hatte. Es war alles bestens organisiert und hätte sicher tadellos funktioniert. Aber das ganze Projekt hatte überhaupt keinen Sinn!

 

 

Feiern beginnt da, wo die Organisation aufhört

 

Veranstaltungen, die hauptsächlich aus Äußerlichkeiten bestehen, habe ich in der Folge immer wieder erlebt. Weniger häufig in den über zwanzig Jahren als Komponist und Regisseur am Schauspiel. Denn dort bezahlen die Zuschauer Eintritt und fordern ihren Anspruch auf Inhalt und Sinn mit dem Geldbeutel ein.

 

Häufig jedoch bei Firmenveranstaltungen oder Jubiläumsfeiern, zu denen ich als Kabarettist oder Zuschauer eingeladen war. Sie erfüllten äußerlich die Form einer Feier – es gab Häppchen, Sekt, sowie Reden und Grußworte in der richtigen Reihenfolge, dazwischen Auftritte eines Streichquartetts. Aber letztlich hatten alle Gäste nach wenigen Tagen und Wochen längst vergessen, um was es eigentlich gegangen war. Das war kein erfülltes Feiern, sondern man hatte vielmehr die äußere Hülle einer Feier erfüllt.

 

Wenn Firmen oder Verbände regelmäßig oder alle Jubeljahre eine größere Veranstaltung machen, geben sie dafür gewöhnlich eine Stange Geld aus. Die meisten Feste, die ich in den vergangenen zehn Jahren als Feier-Coach betreut habe, lagen im Gesamtbudget irgendwo im mittleren bis höheren fünfstelligen Bereich.

 

Kaufen die Chefs für das gleiche Geld einen Firmenwagen oder eine neue Maschine für die Produktion, überlegen sie meist ausführlich, was genau gebraucht wird und wie lange der Neuerwerb genutzt werden kann. Selbstverständlich investieren sie ihr Geld so, dass es in den kommenden fünf bis zehn Jahren in irgendeiner Form einen Nutzen oder eine Rendite verspricht.

 

Erstaunlicherweise haben dieselben Firmenchefs aber oft kein Problem damit, eine aufwändige Feier zu veranstalten, an die sich nach ein paar Tagen niemand mehr erinnert. Und schlimmer: Sie machen sich oft überhaupt keine Gedanken darüber, was diese Veranstaltung überhaupt bewirken könnte oder sollte. Sie delegieren die Organisation ihres Firmenjubiläums oder der Mitarbeiterfeier an eine ihrer Abteilungen oder an ein Eventbüro und lassen den Anlass „abfeiern“ – rausgeworfenes Geld!

 

 

Außer Spesen nichts gewesen

 

Nehmen wir an, Sie haben ein paar Jahre lang gespart, um drei Monate Urlaub zu nehmen und eine große Reise anzutreten. Dann gehen Sie sicher nicht ein paar Tage vorher auf sabbatjahr.de und buchen für 25.000 Euro das erstbeste Angebot. Natürlich überlegen Sie erst einmal, wohin Sie reisen möchten und auch welche Art von Reise für Sie die richtige ist. Von Rucksacktourismus über Städtereise bis Karibikurlaub ist das Angebot ja doch recht breit gestreut.

 

Firmen dagegen stecken bei der Vorbereitung eines Festes jede Menge Geld und Ressourcen in die Organisation, das Catering und die Location. Aber sie nehmen sich oft nicht einmal wenige Stunden Zeit, um darüber nachzudenken, was sie eigentlich mit der Veranstaltung erreichen möchten, was nach Wochen und Monaten noch davon in Erinnerung bleiben soll.

 

Mein Einstieg in die Welt der Veranstaltungen kam so: Ich wurde häufig als Sänger und Kabarettist für Firmenanlässe gebucht mit dem Auftrag, zwischendurch mal was Unterhaltsames zu bringen. Sozusagen die Leute aus ihrem Grußwort-Streichquartett-Koma aufzuwecken.

 

Irgendwann dachte ich mir: Wieso soll ich eigentlich immer Leute aufwecken? Wie wäre es zur Abwechslung, wenn ich dafür sorge, dass sie gar nicht erst einschlafen? Die Idee für meine „Showmanufaktur“ war geboren, mit der ich heute Feierkunst und Eventorganisation so verknüpfe, dass ein stimmiges Ganzes entsteht. Eine gelungene Feier ist aus meiner Sicht gut organisiert, unterhaltsam, aber gleichzeitig auch inhaltsreich. Und sie zahlt auf die Werte und Marke meiner Auftraggeber ein.

 

Um auf das Beispiel mit der Drei-Monats-Reise zurückzukommen: Man könnte meinen Job mit dem eines Reisebüros vergleichen. Ich helfe herauszufinden, was für eine Reise meine Auftraggeber eigentlich machen wollen, unterstütze sie bei der Planung und kann am Ende auf Wunsch auch noch die Reiseleitung übernehmen und sicherstellen, dass alles gut klappt.

 

 

Cosi fan tutte

 

Die Eventbranche besteht zu einem guten Teil aus Händlern, die Module und Dienstleistungen vertreiben und zu mehr oder weniger stimmigen Veranstaltungen zusammenstellen. Die äußere Form wird immer erfüllt, aber die wenigsten fragen nach der Seele, dem Kern, dem Sinn.

 

Als ich mir mal den Spaß erlaubte, meinen anstehenden 50. Geburtstag auf eventmachine.de zu planen, interessierte sich das Programm für die technische Ausstattung, das Catering und die Details der Dekoration bis hin zur Tischkarte. Ich konnte zwischen Zauberer und Sängern und zwischen Band und DJ wählen. Nur, was eigentlich der Sinn oder der Inhalt des Ganzen sein sollte, daran hatte der Konfigurator keinerlei Interesse. Das muss der Gastgeber einfach selbst wissen – oder sich entsprechend beraten lassen.

 

Was mir an meinem eigenen Beispiel klar wurde: Dass Firmen also oft so seelenlos feiern, ist sicher kein böser Wille. Feiern ist einfach nicht ihre Kernkompetenz, und die Anlässe sind nicht so häufig, dass es eine werden müsste.

 

Die Eventagenturen jedoch vermitteln ihnen nur Dienstleistungen, und die Marketingabteilung ist nur darin geübt, die Markenbotschaft oder das Leitbild in Form von Fotos, Claims und Werbespots zu vermitteln. Bei einer Live-Veranstaltung geht es um eine ganz andere Nummer: Hier müssen die Protagonisten in der Lage sein, diese Werte wirklich auszustrahlen und das Markenversprechen lebendig einzulösen, damit ein stimmiges Ganzes entsteht.

 

Da gehen die meisten Firmen am liebsten auf „Nummer Sicher“: Sie feiern nach Schema „F“ wie alle anderen und verstecken sich hinter der Formel „Grußwort, Grußwort, Streichquartett!“ Da macht man sicher nichts falsch.

 

Aber eben auch nicht viel richtig.

 

 

Das Leuchten in den Augen der Gäste

 

Wenn Sie aus dem Brei der vielen Hundert Veranstaltungen herausstechen wollen, die jährlich in Ihrer Region gefeiert werden, dann müssen Sie kein besonders großes Budget haben oder einen besonders bekannten Prominenten engagieren. Viel wichtiger ist es, dass Sie sich als Veranstalter, Firmeninhaber oder Marketingchef einige Stunden Zeit nehmen, um klar darüber zu werden, was Sie mit Ihrer Veranstaltung bezwecken.

 

Idealerweise tun Sie das, bevor Sie mit der Organisation beginnen. Man kann später die meisten Teile eines Events delegieren, aber erst dann, wenn man weiß, wohin die Reise gehen soll.

 

Dieses Buch kann Ihnen dabei helfen, das Reiseziel zu definieren und das Navi zu programmieren, bevor Sie losfahren. Es wird Ihnen auch helfen, budgetschonend unterwegs zu sein. Denn Sie werden nach der Lektüre sowohl Kosten vermeiden können, die Sie Ihrem Ziel nicht näher bringen, als auch die kleinen Dinge zu berücksichtigen wissen, an denen man nicht sparen darf.

 

(Um im Bild der Reise zu bleiben: Ihr Reisepass kostet im Verhältnis zum Langstreckenflug sehr wenig. Aber wenn Sie ihn vergessen, heben Sie nicht ab – ich spreche aus Erfahrung.)

 

Im ersten Teil möchte ich die bestehenden Vorstellungen und Konzepte des Feierns reflektieren. Wie wird es normalerweise gemacht? Warum funktioniert das mehr oder weniger gut? Wo hört Bewährtes auf und wo fängt Langeweile an? Wie lenken wir die Energie und die Ressourcen auf die richtigen Dinge?

 

Im zweiten Teil geht es um grundlegende Gesetze, nach denen ein gelungenes Fest modelliert ist. Zum einen aus der Zuschauersicht: Wann fühlen sich die Gäste wohl? Zum anderen aus der Bühnensicht: Wie komme ich gut rüber?

 

Der dritte Teil vereint zahlreiche konkrete Tipps zu Technik, Planung und Durchführung eines Festes – organisatorisches und technisches ShowKnowHow.

 

Als Leitstern für alle Kapitel, als wichtigster Kompass auf der gesamten Reise dient das Leuchten in den Augen Ihrer Gäste. Und da ich seit über 35 Jahren auf Bühnen stehe, kenne ich mich mit diesem Leuchten ganz gut aus.

 

Letztlich geht es nur um Ihre Zuschauer, Ihre Gäste, die „Kunden“ Ihrer Veranstaltung eben. Sie sollen sich wohlfühlen, voller Freude und aufnahmebereit sein für Ihre Botschaften. Denn an was soll sich der Erfolg einer Feier sonst bemessen als an Reaktion und Beurteilung der Zuschauer, die für eine hoffentlich lange positive Erinnerung an Ihre Veranstaltung sorgt.

Hohle Rituale: Grußwort – Grußwort – Streichquartett

Wo Gewohnheiten hilfreich sind und warum es sich lohnt, das Übliche zu hinterfragen

 

 

Drücken. Küssen. Tschüssen.

 

Als meine Tochter in den Kindergarten kam, verhinderten wir die ewige Trennungsorgie, die wir bei anderen Eltern beobachten konnten, durch ein einfaches Ritual: Sobald wir am Kindergarten angekommen waren, nahmen wir unsere Tochter herzlich in den Arm und drückten sie kräftig. Dann bekam sie einen liebvollen Kuss, und zuletzt gingen wir winkend und gut gelaunt auseinander.

 

„Drücken – Küssen – Tschüssen“ nannten wir dieses kleine Verabschiedungs-Ritual. In ihm kam in Kurzfassung zum Ausdruck, dass sich unsere Tochter unserer Liebe sicher sein konnte – auch wenn wir nun eine Zeitlang getrennt waren – und es erinnerte sie auch an die Tatsache, dass wir immer wenige Stunden später wiedergekommen waren, um sie abzuholen.

 

Jeder, der einmal Kinder großgezogen hat, weiß um die Bedeutung, die Rituale haben können. Sie geben eine enorme Sicherheit, denn sie regeln wiederkehrende Dinge in einem stark verkürzten Prozess. Im Idealfall vergegenwärtigen wir uns durch sie in Sekundenschnelle die dahinterstehende Bedeutung.

 

Wenn Sie an das einfache Begrüßungsritual des „Händeschüttelns“ denken, wird Ihnen die Bedeutung möglicherweise nicht auf Anhieb einfallen: Im Händeschütteln erzeugen wir gleichzeitig eine Verbindung mit dem Gegenüber und halten ihn auf Abstand. Zwei Unterarmlängen, das ist so ziemlich genau die Distanz, in der wir uns anderen gegenüber wohlfühlen. Im Druck der Hand kommt außerdem ein gewisser Machtanspruch zu Ausdruck, wir fragen also im Bruchteil einer Sekunde ab, wer von uns beiden das Sagen hat.

 

Auch wenn Sie sich diese Bedeutung nicht unbedingt jedes Mal vergegenwärtigen, dürfte sie doch für die meisten von uns so zutreffen. Menschen, denen wir näher sind, umarmen wir oder legen ihnen die Hand auf Arm oder Schulter (was auch wieder eine Unterwerfungsgeste ist).

 

 

Abb. 2-4: In der Begrüßungsform drücken sich Distanz oder Nähe aus.

 

Rituale sind also immer dann hilfreich, wenn die dahinterstehende Bedeutung noch zutreffend und bekannt ist. Schwierig wird es, wenn ein Kollektiv nicht mehr weiß, woher das Ritual kommt, die Bedeutung nicht kennt, oder die Bedeutung nicht an geänderte Grundbedingungen angepasst wird.

 

Wussten Sie zum Beispiel, warum auf dem Gehsteig Männer links von der Frau laufen? In einer Zeit, als man Ehre und Ehefrau noch mit dem Schwert verteidigte, hatte das durchaus Sinn. Denn dieses Schwert hing an der linken Körperseite der meisten Männer herab, damit sie es mit der (gewöhnlich stärkeren) rechten Hand greifen und zur Verteidigung aus der Scheide ziehen konnten. Wäre nun die Frau auf dieser Seite gelaufen, hätte sie das möglicherweise ein Bein gekostet ...

 

Da heute Gott sei Dank nur sehr wenige Menschen mit einem Schwert durch die Gegend laufen, hat diese Gewohnheit für die meisten ihre Bedeutung eingebüßt und gerät zu Recht allmählich in Vergessenheit.

 

Andere Rituale haben nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen eine Bedeutung und sind für andere eher befremdlich. Die Feier des Heiligen Abendmahls beispielsweise ist für viele Christen ein sehr starkes religiöses Erlebnis, während andere der Bewirtung mit Traubensaft und ungetoastetem Weißbrot nichts Besonderes abgewinnen können.

 

 

Rituale und Protokoll beim Feiern

 

Wenn man beim Feiern bekannten Mustern folgt, begibt man sich einerseits auf sicheres Terrain. Auf der anderen Seite lohnt es sich immer, zu hinterfragen, ob das Muster auf den jeweiligen Anlass (noch) zutrifft und die beste Lösung ist für das, was man ausdrücken will.

 

Wenn früher der Bürgermeister der nächstgrößeren Stadt oder gar der Landrat zum Dorffest kam, dann war das eine Ehre fürs ganze Dorf. Der Landrat hatte vielleicht eine ordentliche Strecke zurückgelegt, um in den Nachbarort zu gelangen. Und deshalb äußerte der Ortsvorsteher in seiner Eröffnungsrede völlig zurecht die Freude, so hohen Besuch begrüßen zu dürfen. Er drückte damit aus, was das ganze Dorf dachte.

 

Heute ist aus dieser Begrüßung in meinen Augen zumeist ein „hohles“ Ritual geworden. Der Grund, warum die meisten V.I.P.s gekommen sind, ist in den meisten Fällen, dass sie wahrgenommen (und im Zweifelsfall später einmal wiedergewählt) werden wollen. Die Mühen, die sie dafür auf sich nehmen, sind relativ gering. Sie haben einen Chauffeur und reservierte Plätze in der ersten Reihe. Und ihre größte Schwierigkeit ist, nach dem Grußwort unbemerkt zu verschwinden, damit sie noch bei einem anderen Anlass repräsentieren können.

 

Ehrlicherweise würde man also bei einer Begrüßung sagen: „Wir entsprechen nun dem Wunsch unserer Ehrengäste nach Repräsentation und zählen sie in der Reihenfolge ihrer protokollarischen Bedeutung auf.“

 

Die Begrüßung von V.I.P.s ist heute oft weniger eine Herzensangelegenheit, sondern vielmehr eine Serviceleistung an ihnen – oft auf Kosten der Zuschauer. (Wie man in einer Begrüßung die Bedürfnisse aller Gäste berücksichtigen kann, lesen Sie im Kapitel „Das Prinzip Gemeinschaft: Humor und Sprache“ auf S. 64ff.)

 

Üblich ist es auch, dass die Redner in absteigender Hierarchiefolge zu Wort kommen. Die Länge ihrer Rede entspricht dabei ihrer Wichtigkeit. Bei der Eröffnung des neuen Tagungszentrums hält also nach der Begrüßung zunächst der EU-Kommissar eine Rede (30 min), danach die anwesende Ministerin (20 min), darauf der Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium (15 min), dann der Landrat (10 min).

 

Der EU-Kommissar kann es am besten, spricht ohne Manuskript, witzig, flüssig und inhaltsreich. Die Nachfolgenden bieten inhaltliche Wiederholungen mit stetig sinkender rhetorischer Kompetenz, die auf eine immer weniger aufnahmefähige, dafür immer hungrigere Zuhörerschaft treffen.

 

Ähnlich wie bei der Begrüßung ist die Frage: Worum geht’s eigentlich? Wenn die Demonstration von Hierarchien das Ziel ist – was durchaus begründet sein kann – dann ist alles in Ordnung. Wenn es in erster Linie darum geht, Inhalte zu vermitteln oder mit den Gästen gutgelaunt zu feiern, sollte man hinterfragen, ob die Konventionen diesem Anspruch wirklich am besten gerecht werden.

 

Es gibt absolut Rituale, die menschlichen Grundbedürfnissen Rechnung tragen, z.B. am Anfang zu wissen, wo und mit wem man eigentlich versammelt ist (Begrüßung) und was auf einen zukommen wird (Programmhinweise). Oder das Bedürfnis nach Abwechslung und Sequenzierung (Musikeinlagen). Bestimmte Spielregeln geben einen Rahmen und Sicherheit.

 

Wichtig ist nur, sich immer darüber bewusst zu sein, dass diese Spielregeln nur der Rahmen und nicht der Kern einer Feier sind.

 

Rituale können, wie wir am Anfang gesehen haben, sehr wichtig und nützlich sein. Es muss auch durchaus nicht falsch sein, am Anfang alle V.I.P.s zu begrüßen oder Reden und Grußworte hierarchisch aneinander zu reihen. Ich lade jedoch dazu ein, sich jeweils die Bedeutung, die Wirkung und den Sinn dieser Konventionen und Gewohnheiten bewusst zu machen. Dann können Sie überprüfen, ob das „übliche“ Vorgehen wirklich immer die beste Lösung für Ihre Ziele und Ansprüche ist. Wenn es gute Gründe dafür gibt, ist es manchmal besser, die Spielregeln zu durchbrechen.

 

Rituale, Spielregeln, Gewohnheiten können ein Fahrzeug sein, um sich sicher zu bewegen. Sie ersetzen nie die Richtung und das Ziel der Reise.