Pferdegeschichten vom Franz

1. Der Franz hat es mit der Gabi nicht leicht

Der Franz Fröstl wohnt mit seiner Mama, seinem Papa und seinem großen Bruder, dem Josef, in der Hasengasse. Haus Nummer 4, zweiter Stock, Tür 12.

Direkt daneben wohnt die Gabi Gruber mit ihren Eltern und ihrer Baby-Schwester. Die Gabi ist die Freundin vom Franz, ihre Mama ist die Tagesmutter vom Franz. Jeden Tag nach der Schule geht der Franz zur Gabi und bleibt bei ihr, bis seine Mama von der Arbeit kommt. Die Gabi-Mama kocht für ihn Mittagessen, hilft ihm bei den Hausaufgaben, näht ihm abgerissene Knöpfe an, schmiert ihm Jausenbrote, putzt ihm Dreckflecken aus den Klamotten und beschützt ihn, wenn die Gabi eklig zu ihm ist.

In der Schule sind der Franz und die Gabi nicht in einer Klasse.

Obwohl sie gleich alt sind. Der Franz geht in die 2b, die Gabi in die 2a.

Der Franz hat die Gabi sehr gern. Aber leicht hat er es mit ihr nicht. Immer soll alles nach ihrem Kopf gehen, und tut der Franz nicht brav, was sie will, wird sie stinksauer und schimpft ihn „Wichtelzwerg“ oder „Oberpiepser“.

Das trifft den Franz in der Seele! Dass er für sein Alter viel zu klein ist und ein piepsiges Stimmchen bekommt, wenn er sich aufregt oder traurig ist, sind nämlich seine zwei wunden Punkte. Früher hatte er noch einen dritten wunden Punkt. Den, dass ihn die Leute für ein Mädchen hielten. Doch seit seine Nase gewachsen ist, passiert das nicht mehr so oft.

Die Gabi-Mama sagt ständig zum Franz: „Du bist zu gutmütig. Die Gabi ist ein kleines Biest. Du musst dich gegen sie wehren!“

Dann nickt der Franz und tut, als nähme er sich vor, ab jetzt weniger gutmütig zu sein und sich mehr zu wehren. Aber dabei denkt er: Ich bin nicht gutmütig, ich weiß nur nicht, wie ich mich wehren soll. Streite ich mit der Gabi, rege ich mich auf. Rege ich mich auf, kriege ich die blöde Piepsstimme, und das Biest lacht bloß. Heimgehen könnte ich. Aber daheim ist nur der Josef, und der will seine Ruhe haben, der antwortet nicht mal, wenn ich ihn was frage. Ich wäre ganz allein, und das halte ich noch schlechter aus als eine keifende Gabi.

Also tut der Franz meistens brav, was die Gabi will, und damit ihm das leichter fällt, redet er sich ein: Eigentlich will ich sowieso immer dasselbe wie sie, ich merke es bloß nicht gleich.

2. Die Gabi legt sich einen Tick zu

In den Osterferien war der Franz mit seinen Eltern und dem Josef in Tirol. Am Dienstag nach Ostern, gegen Mittag, kam er heim und klingelte gleich bei der Gabi. Richtige Sehnsucht hatte er nach ihr. Schließlich hatte er sie zehn Tage lang nicht gesehen. Die Gabi-Mama machte die Tür auf.

„Die Gabi ist nicht daheim“, sagte sie. „Komm trotzdem rein, ich hab ein Stück von der Ostertorte für dich aufgehoben.“

Der Franz ging mit der Gabi-Mama in die Küche und setzte sich an den Küchentisch. „Wo ist sie?“, fragte er mit hängenden Mundwinkeln.

Die Gabi-Mama gab dem Franz einen Teller mit einem Stück Zitronentorte und einer Kuchengabel drauf und sagte: „Zur Sandra ist sie gegangen.“

Der Franz stocherte mit der Gabel im Tortenstück herum und dachte enttäuscht: Sie hat gewusst, dass ich heute zu Mittag heimkomme. Wieso geht sie trotzdem weg, wieso wartet sie nicht auf mich?

„Sie wird bald zurück sein“, sagte die Gabi-Mama und setzte sich zum Franz. „Sie wollte sich nur ein Buch von der Sandra ausborgen.“

„Ein Buch?“ Der Franz legte die Kuchengabel weg und schaute kugelrund. Die Gabi las doch nicht gern, die hatte noch nie freiwillig ein Buch gelesen!