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Inhalt

Was es bedeutet, Winter zu haben

Im Großen wie im Kleinen: Makro- und Mikroklima

Der phänologische Kalender

Lebensformen der Pflanzen und natürliche Anpassungen

Tiere im winterlichen Naturgarten

Vorbereitung auf den Winter

Was rund um den Garten zu tun ist

Die Naturgartenelemente im Winter

Die Wildstrauchhecke

Der Obstgarten

Der Gemüse- und Kräutergarten

Blumen und blühende Stauden

Trocken- und Feuchtbiotope

Blumenwiese und Kräuterrasen

So fühlen sich Nützlinge wohl

Komposthaufen und Wildes Eck

Die Welt der Kübelpflanzen

Woher kommen unsere Kübelpflanzen?

Wann wird es Zeit für drinnen?

Fünf Faustregeln beim Gärtnern mit Kübeln

Im Winter wird gefastet

Welche Winterquartiere passen für wen?

Pflanzenschutz im Winterquartier

Überwinterung der beliebtesten Kübelpflanzen

Bezugsadressen

Nützliche Adressen

Literatur

Internet-Links zum Thema

Vorwort

Der Naturgarten im Winter

Wenn sich die tiefen Temperaturen heranschleichen und sich eine dicke Schneedecke über die Natur legt, dann kehrt Ruhe ein im Garten; alles Leben scheint zu verstummen. Die Pflanzen haben sich zurückgezogen und die Tiere überdauern schlafend die kalte Jahreszeit …

Mit diesem Bild vor Augen könnte man der Vorstellung verfallen, dass es im winterlichen Naturgarten eigentlich gar nichts zu sehen, zu nutzen oder zu erleben gibt. Doch zum Glück ist das ganz und gar nicht der Fall.

Unsere Winter sind von dieser durchgehenden kältestarren, schlafenden und schneebedeckten Phase des Jahres meist weit entfernt. Kalte und wärmere Perioden wechseln sich ab, oft sind Ernten bis in den Dezember aus dem Garten möglich. Auch die Gestaltung der Gärten hat den Winter mittlerweile tief ins Herz geschlossen. Die heimischen Gehölze zieren sich bis in den Winter mit bunten Früchten; standortangepasste Winterblüher duften und erfreuen uns mit willkommenen Farbtupfern. Bunt ist auch das Treiben am Vogelhäuschen, wo wir unsere singenden Nützlinge ein paar Monate bei Laune halten und deren Vielfalt genießen können.

Also sogar im Winter mühsame Gartenarbeit auch im pflegeleichtesten Naturgarten? „Im Naturgarten kann man vieles und muss wiederum nichts“, sagte zu mir einmal Prof. Dr. Georg Grabherr, Wissenschaftler des Jahres 2012. Je näher wir uns an der Natur orientieren, desto eher können wir uns aufs Beobachten und Genießen konzentrieren. Doch natürlich sind Gärten so vielfältig wie ihre Gärtnerinnen und Gärtner; jeder hat seine Vorlieben und Leidenschaften. So kommen auch einige ausgefallene Arten, Kübelpflanzen, spezielle Rosensorten oder wärmeliebende Nutzpflanzen in den Garten, und das ist wunderbar. Alles, was ohne Gifte, Torf und chemische Dünger auskommt, ist herzlich willkommen – und wie wir dann unsere Lieblinge in den verschiedenen Gartenbereichen am besten durch den Winter begleiten, soll uns dieses Buch zeigen. Dabei wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.

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Joachim Brocks

Was es bedeutet, Winter zu haben

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©Brocks

In Mitteleuropa denken wir beim Gärtnern gerne im Rhythmus der vier Jahreszeiten: der Frühling, die Zeit der Zwiebel- und Knollenpflanzen, der Obstbaumblüte und der bunten Blumenwiesen, der Sommer mit voll belaubten Gehölzen, Gemüse- und Kräuterbeeten, der Herbst mit seinen Früchten und Laubfärbungen und natürlich der Winter, wo alles zur Ruhe kommt.

Diese Jahreszeiten verdanken wir der Neigung unserer Erdachse. Die Achse, um die sich die Erde täglich dreht, ist um 23,5 Grad geneigt, bezogen auf die Bahn, die sie um die Sonne nimmt. Die Neigung bleibt auf ihrer Laufbahn konstant, und somit ist die nördliche Erdhalbkugel im Sommer der Sonne zu- und im Winter abgewandt. Dass es im Sommer wärmer ist, hängt also damit zusammen, dass die Strahlen der Sonne in einem steileren Winkel auf die Erde treffen. Mehr Strahlenenergie auf kleinerem Raum und die längeren Tage bedeuten stärkere Erwärmung. Im Winter fallen die Sonnenstrahlen in unseren Breiten sehr flach auf die Erde ein – dadurch verteilt sich die Strahlenenergie auf eine große Fläche und das bei einer weit geringeren Tageslänge als im Sommer. Die logische Folge ist eine kalte Jahreszeit mit Eis und Schnee. Je weiter wir in den Norden gehen, desto deutlicher wird die Ausprägung dieser Jahreszeiten.

Im Großen wie im Kleinen: Makro- und Mikroklima

Winter ist auch in unseren Breiten nicht gleich Winter. Wie ausgeprägt dieser ist, verändert sich von Westen nach Osten sowie von Süden nach Norden. Die ozeanischen, küstennahen Gebiete Westeuropas sind stark von Westwinden geprägt. Das Klima ist generell feuchter und zeigt geringere Jahresschwankungen der Temperatur. Im Vergleich dazu zeichnet sich das Klima in den kontinental geprägten Landschaften des Ostens durch geringe Niederschläge, heiße Sommer und kalte Winter aus. Die Temperaturschwankungen sind hier größer und das Thermometer fällt regelmäßig unter –20 °C. Die Temperaturen sinken andererseits auch graduell von Süden nach Norden. Auch die Seehöhe hat natürlich einen entscheidenden Einfluss auf das Klima – je höher wir kommen, desto kälter und niederschlagsreicher werden auch die Winter.

Diese klimatischen Unterschiede spiegeln sich in der natürlichen Vegetation Mitteleuropas genauso wider wie in unseren gärtnerischen Möglichkeiten und Grenzen. Je strenger die Winter und je ausgeprägter die klimatischen Extreme, desto eher empfiehlt es sich, robuste und standortangepasste Arten und Sorten im Garten zu verwenden.

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Der phänologische Kalender unterscheidet zehn „Jahreszeiten“.

©Brocks

Gärtnerische Kreativität zeigt sich aber nicht nur in der Pflanzenverwendung, sondern auch in der klugen Gestaltung der Grünräume. Die klimatischen Extreme lassen sich auf viele Wege abschwächen. Gut geplante Geländemodellierungen, eine schützende Hecke oder Gehölzgruppen, ein Innenhof, ein Südhang, Trockensteinmauern als Sonnenfallen oder sogar ein Senkgarten sind Möglichkeiten, ein milderes und windgeschützteres Kleinklima zu schaffen. Und wie immer erspart es viele Probleme, wenn unsere Beete, Kräutergärten, Teiche, Obstbäume und Blumenwiesen an einem für sie passenden Standort angelegt werden.

Der phänologische Kalender

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, das Klima groß- und kleinräumig zu klassifizieren. Winterhärtegrade wurden festgelegt, die die Winterhärte von Pflanzen beurteilen; die Jahreszeiten können astronomisch oder meteorologisch festgelegt werden. In diesem Sinne würde im ersteren Fall der Winter vom 21. oder 22. Dezember bis zum 20. oder 21. März und im zweiten Fall vom 1. Dezember bis zum 1. März dauern. Für Gartenmenschen sind solche Einteilungen eher zweitrangig. Für sie zählt einfach das, was sich bei den Pflanzen und Tieren des Gartens tut. Auf diesem Ansatz beruht der „phänologische Kalender“. Das Jahr wird hier gleich in ganze zehn Abschnitte unterteilt, die mit dem Auftreten eines deutlichen Phänomens der Natur einhergehen. Diese Phänomene – wie das Aufblühen einer bestimmten Pflanzenart oder der Laubfall – sind von den vorher genannten astronomischen oder meteorologischen Daten unabhängig und zeigen sich in verschiedenen Gebieten zu unterschiedlichen Zeiten.

So startet der Vorfrühling unter anderem mit der Blüte des Schneeglöckchens, der Erstfrühling mit der Forsythienblüte, der Vollfrühling mit der des Apfels, der Frühsommer mit der Blüte des Schwarzen Holunders, der Hochsommer mit dem Aufblühen der Sommer-Linde, der Spätsommer mit dem Reifen der Felsenbirne, der Frühherbst mit der Blüte der Herbstzeitlose, der Vollherbst mit der Reife der Walnuss, der Spätherbst mit dem Beginn des Laubfalls der Wildbäume. Der Winter startet im phänologischen Jahreskreis, wenn alle Bäume ihr Laub abgeworfen haben, die das natürlicherweise tun. Mithilfe dieses „phänologischen Kalenders“ lassen sich auch Gartentätigkeiten zeitlich optimal festlegen, ohne dass ein konkretes Datum genannt werden muss. So kann man z. B. den besten Zeitpunkt des Rosenschnittes mit dem Start der Forsythienblüte beschreiben – und dieser kann je nach Region um Wochen auseinanderliegen.

Lebensformen der Pflanzen und natürliche Anpassungen

Die Pflanzen sind im Gegensatz zu den meisten tierischen Organismen modular aufgebaut. Das heißt, dass sie ihr ganzes Leben lang wachsen und sich aus gleichförmigen Einheiten (Modulen) zusammensetzen. Die endgültige Form der Pflanze ist also nicht festgelegt. Teile können immer wieder verloren gehen, absterben, gefressen oder vom Wind abgerissen werden – die modulare Organisation der Pflanzen ermöglicht immer wieder neues Wachstum. Das ist auch für das Überwintern der Pflanzen von großer Bedeutung. Für manche Pflanzengruppen ist das Absterben der oberirdischen Teile sogar natürlich vorgesehen. Sie besitzen Erneuerungsknospen, von denen im nächsten Frühjahr das neue Wachstum ausgeht.

Ökologen unterscheiden Pflanzen gerne nach der Strategie, wie ihre Erneuerungsknospen den Winter unbeschadet überdauern. Diese Einteilung hilft auch uns, die Pflanzen im eigenen Garten besser zu verstehen und sie gegebenenfalls sogar zu unterstützen.

Die erste Gruppe umfasst Bäume, hochkletternde Lianen und Sträucher. Sie alle tragen die Überdauerungsknospen über einer potenziell schützenden Laub- oder Schneeschicht. In unseren Breiten verlieren die meisten dieser Pflanzen ihre Blätter im Winter. Dieser Blattwurf ist ein Schutz vor dem Verdursten.

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Die Knospen der Bäume überwintern in luftiger Höhe.

©Brocks

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Mit der Herbstfärbung beginnt die phänologische Jahreszeit „Vollherbst“.

©Brocks

Das wirkt möglicherweise irritierend, weil ja gerade im Winter so häufig Niederschläge fallen. Doch die meist gefrorenen Böden machen es den Pflanzen unmöglich, Wasser über die Wurzeln aufzunehmen. Die Verdunstung der Blätter durch die Sonneneinstrahlung würde es aber notwendig machen, Wasser aufzusaugen. Immergrüne Bäume und Sträucher haben besondere Anpassungen, um mit dieser „Frosttrocknis“ zurechtzukommen. Das sind in unserer Naturlandschaft zum einen die Koniferen, die mit ihren nadelförmigen und durch eine dicke Wachsschicht geschützten Blätter die Verdunstung reduzieren können, und zum anderen Stauden, Farne oder Kleinsträucher, die meist im schattigen Unterwuchs der Bäume leben. Die immergrünen Sträucher besitzen zudem häufig derbe Blätter mit einer schützenden Wachsschicht, um die Wasserverluste im Winter zu minimieren.

Herbstfärbung und Laubfall

Warum verfärben sich die Blätter im Herbst?

Die Blätter unserer Pflanzen beinhalten verschiedene Farbstoffe. Das Blattgrün oder Chlorophyll ist dabei dominant und auch in erster Linie für die Photosynthese verantwortlich. Bei diesem Prozess wird mithilfe der Sonnenenergie Wasser gespalten und dabei chemische Energie für die Herstellung von Zuckern produziert. Als „Abfallprodukt“ dieser chemischen Reaktion entsteht der für das Leben auf der Erde so wichtige Sauerstoff. Die Blätter absorbieren das Licht nicht gleichmäßig, sondern filtern Strahlen bestimmter Wellenlängen heraus. Da diese Wellenlängen im roten und blauen Bereich liegen, erscheinen uns die Blätter grün. Es ist dieser Anteil des Lichtes, der im Farbenspektrum einfach übrig bleibt. Zusätzlich zum grünen Farbstoff Chlorophyll enthalten die Blätter auch gelbe und oft auch rote Farbstoffe – die Carotinoide und Anthocyane.

Gesteuert durch die kurzen Tageslängen und beschleunigt durch tiefe Temperaturen, werden in den Gehölzen Hormone aktiv. Diese sorgen dafür, dass die wertvollen Inhaltsstoffe der Blätter in die Speichergewebe der Pflanzen – in den Stamm und die Wurzel – transportiert werden. Das Chlorophyll wird in der Regel einige Tage vor den anderen Farbstoffen in den Blättern abgebaut – somit bleiben die gelben und roten Farbstoffe übrig und verzaubern uns Jahr für Jahr mit dem prächtigen Farbenspiel des Herbstes.

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Die Überdauerungsknospen der Stauden warten geduldig auf den Frühling.

©Brocks

Wenn die Blätter fallen

Unsere sommergrünen Pflanzen verlieren die Blätter nach der herbstlichen Verfärbung. Die Immergrünen und unsere tropischen Kübelpflanzen behalten das Laub hingegen das ganze Jahr über und stoßen dieses nach und nach ab. In beiden Fällen wird an der Basis des Blattstieles ein Trennungsgewebe angelegt, das es der Pflanze ermöglicht, Blätter aktiv loszuwerden. Dabei wird auch einiger chemischer Ballast entsorgt, der sich im Laufe des Jahres dort angesammelt hat. Der Verlust der Blätter schützt also nicht nur vor dem Verdursten, er ist auch eine willkommene Entschlackungskur.

Um den Winter unbeschadet zu überstehen, brauchen die Bäume, Sträucher und Lianen – wie die meisten anderen Lebensformen auch – eine Abhärtungsphase. Durch Temperaturen unter dem Gefrierpunkt besteht sonst die Gefahr, dass sich in den Zellen oder den Zellzwischenräumen Eis bildet. Dadurch würden die Pflanzenzellen zerstört oder ausgetrocknet. Um dem entgegenzuwirken, leitet die Pflanze verschiedenste Substanzen wie Zucker, Aminosäuren und Eiweiße in ihre Zellen, die eine Eisbildung verhindern. Diese Einlagerung wird durch kühle Temperaturen eingeleitet und braucht eine gewisse Zeit. Da die hoch liegenden Knospen nicht durch eine Lauboder Schneeschicht geschützt werden, sind sie meist auch noch mit harzhaltigen und oft behaarten Knospenschuppen bedeckt.

Die Pflanzen der nächsten Lebensform-Gruppe rücken mit ihren Erneuerungsknospen bereits viel näher an den Boden heran und werden normalerweise dort auch von einer Schneedecke geschützt. Zu dieser Gruppe gehören Zwerg- und Halbsträucher, Stauden mit hoch liegenden Überdauerungsknospen und Polsterstauden. In der Natur finden wir sie oft auf ungünstigen Standorten, an die sie besonders angepasst sind. Sie profitieren vom Schneeschutz und schaffen sich durch ihre Wuchsform selbst ein verbessertes Mikroklima. In unseren Gärten finden wir sie häufig in Trockenbeeten oder auf Trockensteinmauern. Häufig fehlt hier aber die schützende Schneedecke. Abhilfe schafft eine Mulchdecke, z. B. aus Laub oder Stroh.

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Zwiebelpflanzen überwintern mit ihren unterirdischen Speicherorganen.

©Brocks