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Dr. Reinhard Pohanka, geb. 1954, ist Archäologe am Historischen Museum der Stadt Wien. Zahlreiche Veranstaltungen mit den Schwerpunkten Mittelalter und römische Zeit, über 15 Publikationen, darunter bei marixwissen: Die Herrscher und Gestalten des Mittelalters; Der Amerikanische Bürgerkrieg; Die Völkerwanderung; Dokumente der Freiheit.

Zum Buch

Reinhard Pohanka zeigt in seiner Abhandlung, dass Ritter weit mehr waren, als raue Gesellen, die mit Schwertern aufeinander einschlugen. Das Rittertum des europäischen Mittelalters war ein kompliziertes Gesellschaftssystem aus Dienen und Herrschen, Kampf und Kultur, Liebesdiensten in der Minne und höchster Grausamkeit im Kampf gegen Andersgläubige. Mitreißend und facettenreich erschließt Pohanka dem Leser das Paradigma einer Figur, die für nahezu 700 Jahre die Geschicke Europas bestimmt hat und einer der erfolgreichsten Träger europäischer Kultur war. Hierbei beleuchtet er den Ritterdiskurs nicht allein aus historischer und literaturwissenschaftlicher Perspektive, er erörtert auch, wie dieser Diskurs nach dem geschichtlichen Ende des Rittertums im späten 14. Jahrhundert noch in den folgenden Jahrhunderten bis in die heutige Zeit in uns fortlebt.

Reinhard Pohanka

Das Rittertum

Reinhard Pohanka

Das
Rittertum

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-8438-0252-9
www.marixverlag.de

Inhalt

Einleitung: Die Idee des europäischen Rittertums

1. Grundlagen des Rittertums

Krieg und Krieger

Der Dienst als Grundlage der Herrschaft

2. Die Geschichte des Rittertums

Der Krieger in Frühgeschichte, Antike und Frühmittelalter

Das Kriegertum der Völkerwanderungszeit

Die Bauernkrieger im Frankenreich

Die Heeresreform Karls des Großen

Der Ursprung der Feudalgesellschaft

Der Aufstieg der Ritter und der Ritterschaft

Ein neuer Stand: Die Ministerialen

3. Die Ausbildung des hohen Rittertums

Vom Krieger zum Ritter: Das Beispiel der Normannen

Die Verhältnisse im ostfränkischen Reich zur Zeit der Ungarneinfälle

Die Burg als Mittelpunkt des ritterlichen Selbstverständnisses

Die Wirkung der Kirche auf die Ritterschaft

4. Rittertum, Kirche und die Kreuzzüge

Der Aufstieg des Islam

Die Synode von Clermont und der Kreuzzugsaufruf Papst Urbans II

Der erste Kreuzzug

Das Königreich Jerusalem

Das Leben der Ritter in Outremer

Das Königreich Jerusalem in der Defensive

Der Dritte Kreuzzug

Das Aufkommen der Ritterorden

Die Aufgaben der Ritterorden

Die Johanniter

Die Templer

Der Deutsche Orden

Der Lazarusorden

Die spanischen Orden

Das Abflauen der Kreuzzugsbewegung

Das Ende der Kreuzzüge

5. Die Abschließung des Ritterstandes

Weltliche Ritterorden

St.-Georgs-Ritterorden

Der Hosenbandorden

Orden vom Goldenen Vlies

Drachenorden

Rittergesellschaften

6. Das Leben der Ritter

Pagen und Knappen

Schwertleite und Ritterschlag

Der Hof und die hövischkeit

Buhurt, Turnier und Tjost

Das Kriegswesen

Die Burg als der Sitz des Ritters

Die Waffen des Ritters

Der Ritter und die Religion

Der Alltag des Ritters

Wohnen

Kleidung

Ernährung

Vergnügungen und Feste

Die Bedeutung der Jagd

Minne und Minnelyrik

Die Frauen der Ritter

Wappen und Herolde

7. Der Ritter in der mittelalterlichen Dichtung und Literatur

8. Der Untergang des Rittertums

9. Das Nachleben der Ritter

Zeittafel

Literaturverzeichnis (Auswahl)

Einleitung: Die Idee des europäischen Rittertums

Ein Ritter ist ein Mann, der auf einem Pferd reitet, eine Rüstung trägt, in einer Burg wohnt und Frauen leidenschaftlich verehrt, ohne die Hoffnung zu haben, von ihnen auch erhört zu werden. Wenn es also so einfach ist, den Ritter zu definieren, warum lässt der hochmittelalterliche Dichter Wolfram von Eschenbach, der sicher genau wusste, was ein Ritter ist, den tumben Toren Parzival seinen Lehrer Gurnemanz unschuldig fragen: Du nennst Ritter, was ist das? Und warum kann dieser nur ganz allgemein darauf antworten, dass es König Artus ist, der den Titel Ritter demjenigen verleiht, der von ritterlicher Art sei. Daraus ergibt sich, dass Ritter ein Titel ist, kein Vorrecht von Geburt und Herkunft. Man wird nicht als Ritter geboren, aber man muss zum Ritter geboren sein (Arno Borst).

Die Herkunft der Ritter liegt ab dem Hochmittelalter zumeist in adeligen Familien, wie etwa bei den Rittern des Nibelungenliedes, die von hoher Art geboren sind. Dennoch ist es nicht allein die Herkunft, die den Mann zum Ritter macht, er wird es auch durch das, was er tut. Er muss sich, wie es Hartmann von Aue, auch er ein Dichter des Mittelalters, in seinem Epos Ywein ausdrückt, in Abenteuern (âventiure) bewähren. Dabei hat er den sicheren Schutz seiner Burg zu verlassen und den Kampf auf ritterliche Art mit anderen Rittern zu suchen, wobei es nicht um Zwistigkeiten geht, sondern darum, sich des ritterlichen Handwerkes, des Kampfes, würdig zu erweisen. Dabei ist Hartmann von Aues Ritter ein Phantom, eine Idealfigur, die zwar in den Dichtungen der Zeit immer wieder auftritt, die es aber so vermutlich nie gegeben hat. Die soziale Wirklichkeit war eine ganz andere, wobei es damit beginnt, dass der Ritter nicht von Adel sein musste. Ein Ritter war jeder schwer gerüstete Krieger zu Pferde, das konnte ein hoher adeliger Herr und reicher Grundbesitzer sein genauso wie der kleine und ärmlich lebende Einschildritter, solange sie durch das ritterliche Ethos verbunden waren.

Reiterkrieger hat es zu allen Zeiten der Weltgeschichte gegeben, sei es bei den Griechen, Persern und Arabern oder bei den Chinesen und Japanern. Und fast überall, wo sich ein Mann in Waffen auf das Pferd geschwungen hat, war sein Status mit dem Entstehen einer Feudalherrschaft verbunden, in der es eine persönliche Beziehung zwischen dem Herrn und dem Reiterkrieger gab. Das Prinzip dabei war: Ich gebe dir Land und Würden, damit finanzierst du deine Rüstung, das Pferd und die Waffen, und wenn ich in den Krieg ziehe, so kommst du mit und unterstützt mich. Dabei gibt es zunächst in Europa noch keine Standesunterschiede, adeliger Herr und Dienstmann sind gleich gerüstet und ziehen auf dem Pferd in den Krieg, deshalb bürgerte sich für beide Gruppen der Name milites ein, nach dem frühmittelalterlichen Reiterkrieger, dem miles, der aber noch nicht als Ritter bezeichnet werden konnte. Beide waren sie Waffengefährten und im Kampf gleichberechtigt, politisch, rechtlich und sozial waren sie aber deutlich voneinander getrennt.

Entstanden ist das System um den Ritter im Europa des späten 9. Jahrhunderts, als sich das Reich der Karolinger teilte und Staaten wie Frankreich und Deutschland zu entstehen begannen. In dieser Zeit der Bedrängung durch Normannen, Mauren und Ungarn war es bald einerlei, ob man einer alten adeligen Sippe angehörte, wichtig war, dass man mit Waffen umgehen und das Land verteidigen konnte. Wer das Land schützte, wurde zum Herrn, der wiederum andere in seinen Dienst nahm, das Prinzip von Herrschaft und Dienst bildete sich so aus.

Der Schutz des Landes und der Bauern als wichtigste Nahrungsproduzenten verlangte es vom Herrn, eine Burg zu bauen, in der er wohnte und in die sich die Bauern bei einem Angriff flüchten konnten. Der Bauer gab dafür sein Land dem Burgherrn und ernährte ihn durch seine Arbeit und seine Abgaben; so musste der Herr nicht mehr auf dem Feld arbeiten, sondern konnte sich der kriegerischen Ausbildung und der Verteidigung des Landes widmen. Er gab den freien Bauern das Land zur Bestellung zurück, einen Teil davon behielt er aber und setzte seine eigenen Leute als Bauern darauf, das waren die Unfreien, die direkt dem Grundherrn unterstanden.

Der Herr hatte mit Verwaltung und Waffenübungen genug zu tun und konnte sich daher nicht um die Landwirtschaft kümmern. Er musste sein Pferd unterhalten, er musste lernen und üben, seine Rüstung aus Tausenden Eisenringen zu tragen, und er vervollkommnete sich im Kampf mit Stoßlanze und Schwert, wobei ihm ab dem 9. Jahrhundert auch die Einführung des Steigbügels half.

Dieses System von Beschützer und Untertan setzte sich auch nach oben hin fort. Wenn alles Land dem König gehörte, so konnte auch er es an seine Lehensträger vergeben, die es wiederum an Vasallen und Untervasallen weitergaben. Wer so Land bekam, der schuldete seinem Herrn Treue und Loyalität, wie sich auch der Herr um den ihm Untergebenen zu kümmern hatte. Daraus entstand die mittelalterliche Feudalgesellschaft, die auf Geben und Nehmen, auf Kampf und Treue basierte, wenngleich die Regeln oft gebrochen wurden. Der neue Stand des Untertans, der ein kleines Lehen und genug Einkommen hatte, um zu Pferd kämpfen, war ob seiner Stellung durchaus mit einem gewissen Selbstbewusstsein ausgestattet und gab sich selbst einen Namen, Ritter, Chevalier, Caballero oder Riddere. Es war eine neue soziale Schicht, die sich zwischen dem alten Adel und den aus dem Volk stammenden Reiterkriegern entwickelte und die sich ab der Jahrtausendwende, ausgehend von Frankreich, in ganz Europa, verbreitete.

Es ist das Besondere am Rittertum, dass es als eine eigenständige Schöpfung des frühen Mittelalters offenbar so attraktiv war, dass auch viele Adelige in den Ritterstand eintraten, selbst wenn das bedeutete, dass sie einen Lehnsherrn akzeptieren und damit ihre politische Unabhängigkeit aufgeben mussten. Gleichzeitig drängten die Ministerialen, die unfreien Dienstmannen, aus den unteren sozialen Schichten nach oben in den Ritterstand, den sie als Sprungbrett für einen weiteren Aufstieg ansahen.

Es ist verständlich, dass der Stand der Ritter bald eigene Sitten und Gebräuche und eine eigene Literatur entwickelte. In ihrer Hochphase von etwa 1100 bis 1300 war die Ritterschaft Träger der Hochkultur in Europa, sei es im Frauendienst, der Minne, oder in Kunst und Literatur. In zahlreichen Ritterepen wurden die Freuden des Ritterlebens besungen, das sich bei der Jagd, beim Turnier, das manchmal auch blutige Formen annehmen konnte, oder im Dienst für die von Weitem verehrte Dame abspielen konnte. Es entstanden Rituale wie die Schwertleite, die man durchlaufen musste, wenn man zum Ritter werden wollte, man musste die Ideale des Ritters wie maze, largesse, pretz und hövischkeit in sich aufnehmen und auch ausüben, wollte man als Ritter Anerkennung finden. Es entstand ein ganzer Kosmos um den Ritter, der auf der Selbstbindung an Herrschaft und Dienst, an die Frauen und sein Ehrenwort – auch ein ritterlicher Ausdruck – basierte.

Mit Beginn der Kreuzzüge kam für den Ritter ein weiteres Element hinzu, er musste sich nicht mehr in den Fehden gegen den Nachbarn beweisen, sondern konnte gegen die Feinde der Christenheit als miles Christi, als Ritter Gottes, reiten. Daraus schöpfte der Ritterstand neue Kraft, aus streitlustigen Kämpfern wurden Lichtgestalten. Der Ritter konnte in einen Ritterorden eintreten und sich im mönchsgleichen Leben als Befreier der Heiligen Stätten beweisen, wenn er auf dem Kreuzzug starb, wurde er zum Märtyrer. Es gehörte sicher zu den größten militärischen Leistungen eines Ritterheeres, als nach jahrelanger Reise am 15. Juli 1099 die Mauern von Jerusalem gestürmt wurden, um die heiligen Stätten wieder christlicher Herrschaft zu unterstellen. Die Kreuzzüge brachten den Kontakt Europas mit der arabischen und asiatischen Welt, deren Ideen, Gedanken und Handelsgüter über die Ritterstaaten Palästinas Europa erreichten und beeinflussten.

Wir haben anfangs gesagt, dass Rittertum nicht mit Adel gleichzusetzen ist, es hat aber die Adelskultur und auch unsere Gesellschaft bis heute geprägt.

Als im Spätmittelalter das Rittertum an Bedeutung und Macht verlor, so war es zunächst auf dem Schlachtfeld, wo nun die Masse der mit Stangenwaffen bewehrten eidgenössischen Bauern, die Bürger der flämischen Städte und die deutschen Landsknechte über den ritterlichen Einzelkämpfer mit Schwert und Lanze triumphierten. Dann zog der Adel von den Burgen weg in die Stadt, weil er hier näher am Hof und dessen Herrscher war, die armen Ritter, die auf ihren verfallenden Burgen zurückblieben, wurden zu Raubrittern, die, wenn man sie fing, am nächsten Baum endeten. Der Adel wurde zum Geburtsstand, die Ritter sammelten sich in weltlichen Ritterorden und sinnentleerten Rittergesellschaften, selbst der Souverän konnte nun einfache Beamte vom Hof in den Ritterstand erheben, der nichts mehr mit Waffen und Kampf zu tun hatte. Die Höfischkeit wurde zur Courtoisie, die gesellschaftlichen Pflichten des Ritters übernahm der Kavalier, die Rüstungen wurden immer unpraktischer und die Turniere verkamen zu üppigen Schaustellungen ehemaliger ritterlicher Pracht. Selbst Kaiser Maximilian I., den man den letzten Ritter nannte, konnte mit den Aufgaben des Ritters nichts mehr anfangen, er stützte sich im Krieg lieber auf seine bezahlten Landsknechte, die neu entstandene Artillerie und eine Kavallerie, die aus Lohnreitern und nicht mehr aus Rittern bestand.

Dennoch blieb der Begriff des Ritters in allen europäischen Kulturen bis zur Neuzeit erhalten, in Romanen und Theaterstücken setzte man sich mit ihm auseinander, in der Kulturgeschichte wurde er zum Kavalier und Gentleman, bedeutende Feldherren wie der savoyische Prinz Eugen wurden als Ritter bezeichnet. Zwar schaffte die Französische Revolution den alten Adel ab, aber schon kurz danach gab es in der Romantik ein Wiederaufleben des Ritters als Symbol für die Sehnsucht nach dem Verlorenen. Bis heute hat sich der Gedanke an den Ritter erhalten und wird im Jedi-Ritter in die Zukunft transportiert, damit er auch dort die Armen und Schwachen vor dem Bösen beschützt. Arno Borst hat über die heutige Aufgabe des Rittergedankens geschrieben: Die Geschichte des Rittertums könnte uns mehr lehren als ein paar Formalitäten und Kuriositäten, nämlich einige höchst aktuelle Maximen für die historische Erkenntnis und für die Bewältigung der Gegenwart: dass Herrschaft nur durch Dienst veredelt wird, dass Elite der Gesellschaft bedarf und vor allem, dass das Chaos der Realitäten und der Fanatismus der Macht nur zu bändigen sind durch geistige Zucht.

1. Grundlagen des Rittertums

Krieg und Krieger

Um die Geschichte des Rittertums verstehen zu können, muss man sich vor Augen halten, dass dieses aus verschiedensten Elementen entstanden ist. Eine seiner Grundlagen war das antike Kriegertum, von dem es das Wesensmerkmal des einzelnen Kämpfers zu Pferd übernommen hat. Dieser musste körperlich und mental geeignet sein, in einer 30 Kilogramm schweren Rüstung mit eingelegter Lanze auf einem schwankenden Pferd auf seinen Gegner zuzureiten, der ebenso schwer bewaffnet war wie er. Möglich war das nur, weil der Ritter allein für den Kampf und den Krieg lebte, jeder andere Aspekt seiner Kultur wurde diesem Lebenszweck freiwillig untergeordnet und vernachlässigt. Die Motivation für dieses Tun war Anerkennung und Belohnung für seine Treue und seinen Kampfesmut durch seinen Herrn.

Gleichzeitig musste der Ritter einen persönlichen Ausgleich zwischen seinem blutigen Handwerk, seinem ritterlichen Ehrgeiz und den Ansprüchen des Christentums finden. Geoffroy de Charny (1300–1356), Autor des Ritterspiegels Le livre de Chevalerie (Das Buch der Ritterschaft), hat es in einem Satz zusammengefasst: Ruhm in dieser Welt und Erlösung im Jenseits, das ist es, was der Ritter sucht.

Der Ritter lebte zumindest im Früh- und Hochmittelalter in einer Gesellschaft, in der es kaum rechtliche Ordnung und öffentliche Sicherheit gab. Daher war Gewalt zur Durchsetzung persönlicher Anliegen ein gesellschaftlich anerkanntes Mittel, und dabei hatte der Mann unter Waffen den Vorteil, dass er sich die persönliche Freiheit und seinen Willen durch den Gebrauch seiner Waffen sichern konnte. Auch konnte er sich gegen die Ansprüche anderer verteidigen, indem er sich seines befestigten Wohnsitzes, der Burg, bediente. Es gab in dieser Gesellschaft eine klare Differenzierung: Wer auf dem Pferd sitzt und Waffen trägt, ist mehr wert als der Mann, der zu Fuß geht. Waffe und Pferd wurden daher zu Standessymbolen und waren mehr als nur Mittel zum Zweck. Wer zu Fuß unterwegs war, wies sich damit als unfrei aus oder war zumindest in Gefahr, es zu werden.

Der Wendepunkt in der Entwicklung vom Krieger zum Ritter wird im Reich Karls des Großen (747–814) erreicht. Der nur zeitweise zur Verfügung stehende Bauernkrieger, der ab dem Ende der Völkerwanderungszeit immer mehr unter den Einfluss seiner adeligen Grundherren geriet, verlor mit der Zeit seine Funktion im Heer als Stütze der Königsmacht. Ursprünglich war er ein freier Mann gewesen, durfte Waffen tragen und im Heer des Königs kämpfen. Als die von den Franken beherrschten Gebiete aber immer größer und einheitlicher wurden, reichte sein Einsatz nicht mehr aus. Die Kriegsführung im frühmittelalterlichen Europa verlangte das Zurücklegen weiter Strecken, die monatelange Abwesenheit von Haus und Feld. Zudem verfiel das römische Straßennetz, das zuerst das Rückgrat der entstehenden Länder nach der Völkerwanderung gebildet hatte, immer mehr und damit ging auch eine Einschränkung in der Beweglichkeit der Fußtruppen einher. Karl der Große erkannte dies und setzte die Leistungen, die von den Bauernkriegern erwartet wurden, immer weiter herab, musste aber im Gegenzug von den adeligen Grundherren immer mehr verlangen. Dadurch verlagerte sich der Schwerpunkt des fränkischen Heeres rasch von den Fußtruppen zur bewaffneten Reiterei. Allerdings konnten viele der freien Bauern nicht mehr die Mittel aufbringen, um diesen Schritt mitzugehen. Auch für den einfachen Landadeligen war es teuer, Pferd und Ausrüstung selbst zu finanzieren, daher musste er vom König mit Gütern ausgestattet werden, die von anderen unter seiner Herrschaft bewirtschaftet wurden und die ihm genug Einkommen sicherten, um dem Ruf des Königs Folge leisten zu können. Er war damit aber noch kein Berufskrieger geworden, denn in Friedenszeiten kehrte er auf seine Güter zurück, um sich der Wirtschaft und der Verwaltung zu widmen. Durch seinen wiederholten Einsatz in Kriegszügen wurde er jedoch gleichsam zum Kriegs-Professional und konnte an verschiedensten Orten des Reiches rasch eingesetzt werden.

Diese Umstellung hatte dramatische soziale Konsequenzen. Es kam zu einer Differenzierung der Gesellschaft, wobei der Stand des Menschen zunächst auf der Dienstleistung und noch nicht auf der Herkunft beruhte. Ein reicher und freier Bauer konnte sich als Panzerreiter von seinem Status deutlich abheben, vielleicht mehr als ein armer Grundbesitzer, der die Kosten für Pferd und Rüstung nicht aufbringen konnte. Ersterer rückte gesellschaftlich in die erste Reihe auf, konnte durch seinen Kriegsdienst Ehren, Würden und auch Beute erringen und sich sozial etablieren, Letzterer geriet in Gefahr, aus der Schicht der Freien in Knechtschaft und Unfreiheit herabzusinken.

Das fränkische Großreich unter Karl dem Großen brauchte durch seine vielen Kriege eine immer größere Zahl an Reiterkriegern, dazu kamen die Grundherren, die möglichst viele ihrer Dienstleute mit Pferd und Rüstung ausstatten wollten, um den Begehrlichkeiten ihrer Nachbarn widerstehen zu können. Zudem wurde von den Grundherren verlangt, dass sie dem König eine bestimmte Anzahl von Panzerreitern zur Verfügung stellten, davon hingen auch ihre politische Wirksamkeit und ihr Prestige ab.

Im Heer des Königs trafen sie alle zusammen, freie Bauern, einfache Grundherren, fränkische Adelige und Grafen, Markgrafen und Herzöge. Sie unterschieden sich zwar durch ihren persönlichen Reichtum und ihre Herkunft, doch begann das gemeinsame Merkmal, ein bewaffneter Kämpfer zu Pferde zu sein, sie aus der Masse aller anderen herauszuheben. Nicht allein der Besitzstand zählte hier, sondern auch Führungsqualitäten, Einsatzbereitschaft und Tüchtigkeit im Kampf unter den Augen des Königs konnten zum persönlichen sozialen Aufstieg beitragen. Im 9. Jahrhundert gab es dadurch drei Gruppen von Bewaffneten, den miles (Krieger), den vasallus (Lehnsmann) und den caballarius (Reiterkrieger), die zwar in ihrer Erscheinung nicht gleich waren, sich in ihrer Bedeutung aber immer mehr annäherten.

Der Dienst als Grundlage der Herrschaft

Die Gemeinsamkeit des zu leistenden Kriegsdienstes und ihr Erscheinungsbild als Panzerreiter einten die Kämpfenden und hob sie mit der Zeit aus der Masse des Volkes als neuer Stand der Ritter (milites) heraus. Zugleich sorgte man dafür, dass dieser Unterschied auch den Freien und Vasallen, die sich nicht am Kampf beteiligen konnten oder wollten, deutlich gemacht wurde. Zum wesentlichen Merkmal neben der Leistung des Kriegsdienstes wurde auch der Dienst an den Schwachen der Gesellschaft. Der Ritter übernahm damit die Schutzverpflichtung gegenüber der breiten Masse des Volkes. Zuerst galt dies nur für bestimmte Volksteile und den Klerus, aber schon bald verlangte die Kirche, dass der Ritter alle Schwachen, darunter verstand man den Klerus, die Kirchen, die Witwen und Waisen, beschützen und sie vor Unheil und Schaden bewahren solle. Nur dann sei er der Inhaber einer rechtmäßigen und von Gott anerkannten Herrschaft.

Der König war in diesem System der oberste Schutzherr und sollte sich an der gerechten Herrschaft der Könige der Bibel und des Alten Testamentes ein Vorbild nehmen. Daraus leiteten die Bischöfe allgemeine Verhaltensnormen für den übrigen Adel ab, die auf Synoden in kirchenrechtlicher Form beschlossen wurden.

Ab dem 9. Jahrhundert versuchte man auch, den Krieg und damit das Verhalten der Ritter zu regulieren. Die Kirche schuf Regeln, um die Ritter in eine christliche Werteordnung einzubinden, und sprach Strafen gegen diejenigen aus, die sich nicht einfügen wollten. Missetäter konnten bei Verstößen gegen die gemeinsame Werteordnung aus dem Rittertum ausgestoßen werden, indem man ihnen das Cingulum militare (den Rittergürtel) entzog, das mehr als sein Schwert Symbol des Ritters war. Die Strafen konnten vom zeitweiligen Ausschluss von den Sakramenten bis zur völligen Exkommunikation durch die Kirche reichen. Dies zeigt, dass es bereits im 9. Jahrhundert eine Vorstellung von ritterlicher Ehre gegeben haben muss, die bestimmte, was sich für den Ritter ziemte und was nicht, denn nur dann konnte eine Strafe wie der Verlust der Ehre als Makel empfunden werden. Prestige und Ehre waren es, die sich der Ritter erwerben und erhalten wollte und worin er sich von der Masse der Unfreien unterschied.

Die Kirche tadelte aber nicht nur, sie verhalf dem Ritter auch zu kirchlichen Weihen, wie dem seit dem 10. Jahrhundert bekannten Schwertsegen, der zwar anderen Segen für Arbeitsgeräte glich, aber genau die erlaubte Verwendung für das Schwert definierte. Es durfte bei der Verteidigung und beim Schutz von Kirchen, Waisen und Witwen, zur Verteidigung des Klerus und im Kampf gegen die Heiden gezogen werden. Das oberste Schwert im Reich war dabei das des Königs, das man ihm bei der Krönung als Zeichen der Begründung einer gerechten Herrschaft überreichte.

Mit der Zeit wurden die Forderungen an die Bewaffneten immer genauer und immer umfangreicher. Gefordert wurde generell die Schutz- und Dienstpflicht und dies mündete in der Forderung nach einem Leben als miles christianus, als christlicher Ritter. Dieses verordnete Leitbild gab der Kirche vermehrten Einfluss auf den Krieg und Waffengebrauch. Man wollte damit durchsetzen, dass der Adel bestimmte Tugenden zu zeigen hatte, und schuf so eine Vorstufe des voll ausgebildeten Rittertums und damit, ausgehend von den karolingischen milites, Verhaltensnormen für Ritter, die mit der Zeit auf ganz Europa übertragen wurden.

2. Die Geschichte des Rittertums

Der Krieger in Frühgeschichte, Antike und Frühmittelalter

Der früheste Zeitpunkt, zu dem sich in Europa ein differenziertes Sozialsystem mit König und Stammesfürsten, einer »adeligen« Ritterschicht, Handwerkern, Bergleuten und Bauern entwickelte, war die Bronzezeit. Wirtschaftliche Differenzierung in Handel, Bauerntum und Gewerbe wie auch das Streben nach Beute im Krieg machten es notwendig, in dieser arbeitsteiligen Gesellschaft auch dem Schutzbedürfnis zu entsprechen, sei es durch die Anlage erster Burgen oder die Ausbildung einer Schicht von Kriegern, die sich um den Schutz der Gemeinschaft kümmerte.

Ein gutes Beispiel dafür ist die griechisch-mykenische Kultur (17.–11. Jh. v. Chr.), welche in literarischen Zeugnissen die E-QE-TA nennt. Das waren Gefolgsleute des Königs, die ihm bei Kampf und Eroberung, bei der Verteidigung des Landes wie auch bei der Verwaltung seiner Herrschaft halfen. Ihre Aufgaben waren die Bereitstellung von Kriegern, die Verwaltung, die Steuereintreibung und die Heeresfolge. Allerdings waren diese E-QE-TA noch keine Reiter-, sondern Streitwagenkrieger. In Mitteleuropa entwickelten sich in der Spätbronzezeit in der Urnenfelderkultur (1300–800 v. Chr.) zum ersten Mal unter dem Einfluss eurasischer Steppenkrieger auch Pferde, die zum Reiterkampf verwendet werden konnten. Anders blieb die Situation im Mittelmeerraum, wo der Reiterei im Krieg nur eine geringe Rolle zukam und wo, wie etwa in der Ilias, sich die Helden als einzelne Fußkämpfer vor den Toren Trojas trafen.

In der Hallstattkultur (800–400 v. Chr.) scheint es nach dem Beispiel von Abbildungen auf Situlen (dekorierte Bronzeeimer zu kultischen Zwecken) eine sozial gehobene Schicht gegeben zu haben, die auf Pferden ritt, Gelage und Wagenrennen abhielt und schon den Vorläufer einer adeligen Ritterschicht gebildet haben könnte.

In den antiken Kulturen der Griechen und Römer scheint der Kriegsdienst wieder auf das gemeine Volk, den Bürger der Polis oder den Bürger Roms, übergegangen zu sein. In Griechenland stand er als Fußkämpfer in der Phalanx, während die Reiterei, besonders durch das Fehlen des Steigbügels, eine untergeordnete Rolle spielte und vor allem zum Transport und zur Aufklärung eingesetzt wurde.

Die ersten Berufssoldaten, die auf Ehre und Beute aus waren, finden sich im Heer Alexanders des Großen (356–323 v. Chr.). Hier zogen sich die Soldaten aber nach ihrem Kriegsdienst mit ihrer Beute wieder in das Zivilleben des Bürgers zurück, nur wenige konnten sich in der Umgebung des Königs dauerhaft als Krieger etablieren.

Das Römische Reich hingegen war in der Kaiserzeit (1.–5. Jh.) das erste Sozialgefüge, das den Übergang vom Bürgersoldaten zum professionellen Krieger ermöglicht hat. Man trat gleichsam aus der Zivilgesellschaft aus, wurde für 25 Jahre dienstverpflichtet und oft traten die Kinder dieser Soldaten wieder in das Militär ein, von der Ausbildung einer Ritterschicht als Träger des Militärs kann man aber dabei nicht sprechen. Zwar gab es den Titel eines eques (Reiter, Ritter), der allerdings nur als Ehrentitel oder zur Bezeichnung einer Steuerklasse anzusehen war.

Die Gegner der Römer im Norden, die Germanen und Kelten, verfügten hingegen bereits über Adelssippen, denen im Kampf bestimmte Vorrechte, wie etwa die alleinige Befehlsgewalt, eingeräumt wurden.

Schwer gerüstete Reiterkrieger kannten auch die Sarmaten und Parther im Osten des Römischen Reiches, die mit ihren Panzerreitern (Kataphrakten) immer wieder die römischen Legionen besiegen konnten.

Eine Änderung in der Kampfesweise kam in der Spätantike auf, als das eurasische Steppenvolk der Hunnen weite Teile Ost- und Mitteleuropas beherrschte. Ihre Taktik mit der schnellen Attacke, einem Pfeilhagel und dem Scheinrückzug machte es notwendig, die zunächst nur leicht bewaffnete Reiterei der Römer zu Panzerreitern (clibanarii) hochzurüsten. Ein eigentlicher Reiterkampf Mann gegen Mann war aber durch die fehlende Stabilität des Reiters auf dem Pferderücken noch nicht möglich. Dieser wurde erst mit der Einführung des Steigbügels im 7. Jahrhundert durch die Awaren möglich, in dem man sich nun abstützen und auf den Gegner einschlagen oder einstechen konnte, ohne Gefahr zu laufen, selbst vom Pferd zu fallen. Die Ungarn, die ab dem 9. Jahrhundert in Osteuropa einwanderten, verfeinerten die Pferdeausrüstung durch eine neue Art von Sattel mit hoher Lehne und hohem Sattelbogen, der dem Reiterkrieger festen Halt gab, dazu kam die Pferdezäumung mittels der Kandare, welche die ritterliche Ausrüstung, wie wir sie aus dem Mittelalter kennen, vervollständigte.

Das Kriegertum der Völkerwanderungszeit

Das Berufssoldatentum ging als eigener Stand mit dem Ende des Römischen Reiches verloren, was blieb, waren die Krieger der germanischen Völkerschaften, die ab dem 3. Jahrhundert, mal mehr, mal weniger erfolgreich, in das Römische Reich hineindrängten. Sie waren zunächst Bauern gewesen, die wegen Klimaänderungen oder durch den Bevölkerungsdruck ihre Heimat verlassen mussten. Auf der Wanderschaft wurden sie zu Kriegern, um sich zu verteidigen und um neues Land in Besitz zu nehmen. Hatten sie ihr Ziel erreicht und waren sie bereit wieder sesshaft zu werden, so wandelten sich die Krieger zu Bauern, allerdings jederzeit bereit die Waffen zu ergreifen, wenn es galt, sich zu verteidigen oder weiterzuziehen. Was sich aber dauerhaft änderte und bestimmend für die Zukunft werden sollte, war die Ausbildung einer neuen sozialen Struktur, die auf einem Anführer, der manchmal auch König genannt werden kann, seinen direkten Untergebenen, die im Range von Adeligen standen, und der breiten Masse des Volkes als freien Bauern basierte.

Die Bauernkrieger im Frankenreich

Aus den vielen Reichen der Völkerwanderung, die kamen und wieder vergingen, blieb das Fränkische Reich bestehen, das sich als dauerhaft und wegbereitend für die zukünftige Sozialstruktur Europas erweisen sollte.

Aus kleinen Anfängen hervorgegangen, konnte das Fränkische Reich unter Chlodwig I. (466–511) erstmals alle Stammesteile der Franken vereinigen und eine neue Herrschaftsstruktur aufbauen. Waren zunächst die Franken in Sippen, Gefolgschaften und Stämme (gentes) organisiert, so wandelte sich das Bild. Bestimmend wurde der Gegensatz von Volk zum Reich, das durch den König repräsentiert wurde, während das Volk mit dem Heer (exercitus) gleichzusetzen war. Dazwischen stand der Adel (nobiles), gekennzeichnet durch maiores natu, die höhere Geburt, und durch ihren reichen Grundbesitz und ihre Privilegien. Besonders durch ihren Grundbesitz, der an Fläche den der freien Bauern (liberi) weit hinter sich ließ, kamen sie zu einer Bedeutung, die sie dazu befähigte, am Hof und im Krieg Führungsrollen zu übernehmen. War der König schwach, konnte das dazu führen, dass sich dieser Adel verselbstständigte und auf eigene Faust seinen Vorteil suchte.

In dieser an und für sich klaren Ordnung kam es aber immer wieder zu Spannungen zwischen dem Adel und den freien Bauern, also jenen, die selbst über Grundbesitz verfügten, durch die Frage, wer wem sozial überlegen sei. Karl der Große stellte aber in einer Rechtsauskunft klar, dass es für ihn nur Unfreie und Freie gab, also dass die Adeligen und die freien Bauern noch einen einzigen Stand bildeten.

Was sich indes änderte, war die Wertigkeit der einzelnen Stände. Adelige konnten sich durch die Größe ihres Grundbesitzes Pferde zum Kriegsdienst leisten, unter den freien Bauern wird es nur wenige gegeben haben, die das konnten und die deshalb Fußsoldaten blieben. Dazu kam die Einführung des Steigbügels, der es dem berittenen Krieger ermöglichte, die Masse seines Pferdes und seine Stoßkraft besser einzusetzen und so eine höhere Bedrohung als der Kämpfer zu Fuß darzustellen. Zudem war es für Adelige möglich, da sie Unfreie zur Bestellung des Landes hatten, auch längere Zeit hindurch Kriegsdienst zu leisten, während der freie Bauer im Frühjahr und im Herbst auf dem Feld unabkömmlich war.

So kam es, vielleicht auch unter dem Vorbild der arabischen Eroberung Nordafrikas und Spaniens, zur Ausbildung einer zahlenmäßig immer umfangreicheren und stärkeren Reiterei. Der Fußsoldat dagegen, der noch 732 die Schlacht von Tours und Poitiers, in der die Franken die Araber abwehrten, entschieden hatte, verlor an Bedeutung. Noch konnten die reichen Freien mithalten und ein »ritterliches« Leben führen, diejenigen, die es sich allerdings nicht mehr leisten konnten, stiegen sozial ab und wurden zu den pauperes, den Armen, standen aber noch immer in einer gleichwertigen Beziehung zu den anderen Volksteilen.

Die Heeresreform Karls des Großen

Mit der Zeit fiel jedoch die Ungleichheit in der Leistungsfähigkeit der Freien und das Unvermögen der pauperes, überhaupt noch Kriegsdienst leisten zu können, für den König immer stärker ins Gewicht. Um sich ein schlagkräftiges Heer zu sichern, musste Karl der Große 807/808 eine Heeresreform durchführen, die später die Grundlage des Lehens- und Feudalsystems Europas bilden sollte.

Karl ging davon aus, dass es unter den Freien Unterschiede gab, die sich in der Größe ihres Grundbesitzes manifestierte, der im Durchschnitt drei bis vier Hufen entsprach. Wer so viel Land hatte, war zum Kriegsdienst verpflichtet. Diejenigen, die darunter lagen, die pauperes, wurden zu Gruppen zusammengefasst, von denen jeweils ein Mann Dienst zu leisten hatte, während seine Arbeit auf dem Hof in der Zeit seiner Abwesenheit von den anderen übernommen wurde. Der Freie mit vier Hufen diente als leicht bewaffneter Reiterkrieger und war mit Helm, Schwert, Lanze und Schild ausgerüstet. Wer in der Größe seines Grundbesitzes darüber lag und 12 und mehr Hufen verwaltete, war zum Tragen eines Brustpanzers (Brünne) verpflichtet. Diese Krieger bildeten die Hauptmasse der schweren Reiterei, ihre Wirkungsmöglichkeiten lagen aber noch deutlich unter denen der Panzerreiter.

Diese bildeten den schlachtentscheidenden Stoßtrupp in der schweren Reiterei und ihre Ausstattung mit einer Körperrüstung war extrem kostspielig. Daher vergab der Kaiser an sie Land in Form eines Lehens (beneficium), dessen Nutzung sie befähigen sollte, sich entsprechend auszurüsten. Dieses Lehen war ihre Lebensgrundlage und verpflichtete sie, in den Krieg auszurücken, wann immer der Kaiser es verlangte. Mit der Zeit wurde es üblich, das Lehen mit dieser Pflicht, auch Vasallität genannt, zu verknüpfen, ein Vorgang, der unter Karl dem Großen begann, aber erst später abgeschlossen werden sollte.

Karl hatte damit das Volk in die Freien, die Dienst leisten konnten, und die Lehensbesitzer, die den Dienst leisten mussten, geteilt. Aus ihnen, die als schwere Panzerreiter kämpften, sollte später der Stand der Ritter hervorgehen. Karls Heeresreform von 807/808 markierte also jenen Punkt in der Geschichte des Rittertums, an dem sich der allgemeine Heerbann des Volkes vom vasallischen Panzerreiter trennte, sowie den Beginn einer neuen mittelalterlichen Gesellschaftsordnung.

Der Ursprung der Feudalgesellschaft

Das Rittertum des Hochmittelalters hätte sich nicht entwickeln können, wenn es nicht zuvor eine völlige Änderung der sozialen und hierarchischen Strukturen in Europa, ausgehend vom Fränkischen Reich, gegeben hätte. Grundlegend dafür sollte die Ausbildung einer Feudalgesellschaft werden, die den Aufstieg des Rittertums erst ermöglichte.

Im Frankenreich war es schon unter den Merowingern üblich gewesen, dass sich der König wie die Adeligen mit bewaffneten Klienten umgab und ihnen Schutz gewährte. Die trustis (Getreuen) waren die Vornehmsten in dieser Gruppe und dienten ausschließlich dem König, die anderen Adeligen hatten Freie oder Unfreie als Klienten.

In diesem Zusammenhang wird oft der Begriff vassi, vasalli und beneficiarii (Inhaber von Lehen) verwendet. Die Bezeichnungen waren zunächst unterschiedlich und anfangs hatte nicht jeder Vasall ein Lehen, obwohl dies mit der Zeit die Regel wurde und später der Begriff »Vasall« den Besitz eines Lehens mit einschloss. Zudem verband sich der Begriff Vasall mit dem caballarius (Reiterkrieger), da die Ausrüstung des Vasallen als Panzerreiter durch die Vergabe des Lehens ermöglicht wurde.

Dabei gingen die Vasallen sozial von einer niederen Stufe aus. Ursprünglich waren sie Unfreie, die alle Dienste, die ihnen ihr Herr auferlegte, erfüllen mussten. Zur Zeit Karls des Großen waren sie aber bereits sozial aufgestiegen und das dürfte in Zusammenhang mit ihrem Wert als Krieger gestanden haben. Ihre Herren hatten Interesse daran, diese von ihnen abhängigen Dienstleute zu bewaffnen und für ihre Zwecke einzusetzen und sich so eine eigene, nur von ihnen befehligte Schicht an Bewaffneten zu schaffen. Damit hoben sie aber die anfangs unfreien Vasallen auf eine höhere Stufe und es diente auch dem Prestige der Herren, möglichst viele Vasallen um sich scharen zu können. Damit die Vasallen aber uneingeschränkt dem Herrn dienen konnten, mussten sie wirtschaftlich unabhängig und nicht ständig wegen Aussaat und Ernte an Hof und Grund gebunden sein. Daher vergab der Herr an seine Vasallen Grund und Boden leihweise in Form des Lehens (beneficium), später auch feudum genannt.

Zugleich bedeutete die Schaffung von Vasallen eine Stärkung der Königsmacht im Fränkischen Reich. Der König konnte auf das gesamte riesige Königsgut (fiscus) zur Vergabe von Lehen zugreifen und sogar Güter der Kirche vergeben, während die Adeligen nur ihr allodium, ihren Eigenbesitz, dafür zur Verfügung hatten.

Mit dem Zugriff des Königs auf das Kirchengut zur Vergabe von Lehen entstand ein weiteres Zeichen mittelalterlichen Rechts, der Zehent. Da der König das Kirchengut nur leihweise als Lehen an seine Vasallen vergeben konnte, stand der Kirche vom Fruchtgenuss ein Zehent, der zehnte Teil, zu. Das System erwies sich als erfolgreich und wurde auch auf die Vergabe von Königsgut ausgedehnt.