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Sara-Maria Lukas

HARD & HEART 2: KEIN SAFEWORD FÜR DIE FLEDERMAUS

Erotischer Roman

 

© 2016 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamourbooks.com

info@plaisirdamourbooks.com

© Covergestaltung: Mia Horn

ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-217-3

ISBN eBook: 978-3-86495-218-0

 

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses eBook darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.

Inhalt:

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Autorin

Kapitel 1

 

Tim streicht zärtlich über das glatte, dunkle Holz des Andreaskreuzes, dem Schmuckstück seines privaten Spielzimmers. Keine Liebe ohne Hiebe. Sein Wahlspruch. Vergnügt pfeift er vor sich hin. Wer weiß, vielleicht lernt er am Abend auf Monas Geburtstagsfeier ein nettes Mädchen kennen, das er für eine kleine Session mit nach Hause nehmen kann.

Am liebsten sind ihm Anfängerinnen. Nervös, ängstlich zu ihm aufsehend … Na gut, manchmal. Eine Frau, die weiß, was sie braucht, ist auch ein gern gesehener Gast, wie Mona zum Beispiel. Das Geburtstagskind des heutigen Abends hängt von Zeit zu Zeit mit großem Genuss an seinem Andreaskreuz. Auch auf der Strafbank macht sie sich gut. Sie mag es, wenn jemand beim Spiel zusieht, dem sie vertraut, aber nur ihr Leon darf sie anfassen. Süße kleine Mona. Wer hätte gedacht, dass seine ehemalige Schulfreundin sich mal von seinem besten Freund mit Freuden den Arsch versohlen ließe. Tim gönnt den beiden ihre große Liebe. Für ihn selbst ist eine feste Beziehung nichts. Viel zu viel Verpflichtung. Devote Frauen entwickeln sich seiner Meinung nach in einer Beziehung schnell zu Kletten, die nicht mehr allein klarkommen. Böse Falle. Ganz böse Falle.

Nun aber los. Leon wartet. In Tims Auto liegen die letzten Utensilien für Monas neue Töpferwerkstatt, die sie als große Geburtstagsüberraschung bekommt. Leon hat auf seinem kleinen Resthof eins der alten Stallgebäude dafür renoviert, und Monas Eltern haben den Brennofen spendiert. Für weiteres Zubehör hat der Freundeskreis zusammengelegt. Jetzt warten sicher alle schon auf ihn. Er ist auch nur noch schnell in den Keller gegangen, um die Heizung im Spielzimmer anzudrehen, damit es kuschelig ist, falls er später am Abend noch einen Gast mitbringen sollte. Man weiß ja nie.

 

Jetzt ist es im Februar doch noch richtig Winter geworden. Missmutig zieht Ella die Decke fest um ihren Rücken. Wenigstens steht in der Küche noch der alte Holzofen. Ihre Mutter hatte damals darauf bestanden, das antiquarische Teil zu behalten, obwohl es nicht mehr benutzt wurde. Jetzt kann Ella froh darüber sein, denn seitdem kein Heizöl mehr da ist, ist der alte Ofen ihre Rettung. Sie legt zwei Holzscheite nach, schließt die Klappe und hockt sich wieder auf den hölzernen Küchenstuhl, von dem die ehemals schneeweiße Farbe längst abblättert. Wahrscheinlich stammt die letzte Lackschicht noch von ihrem Großvater.

Ihr leerer Magen tut weh, aber ein leerer Magen und Frieren wäre noch schlimmer. Wenn sie nicht so feige wäre, hätte sie längst Schluss gemacht. Der Strick hängt schon seit zwei Wochen am Balken auf dem Dachboden, aber jedes Mal, wenn sie auf den Hocker darunter steigt, verlässt sie der Mut.

Auf dem alten Tisch liegt immer noch die Wachstuchtischdecke, die ihre Mutter gekauft hatte, bevor sie krank geworden ist. Wie lange ist das jetzt her? Acht Jahre? Zehn Jahre? Nein, erst vor knapp fünf hat sie den Kampf gegen den Krebs verloren, doch es kommt ihr wie eine Ewigkeit vor. An den Ecken stoßen die Tischkanten durch, aber wen stört das schon. Gegenüber war Vaters Platz, an dem sie ihn noch immer sitzen sieht. Die Erinnerung daran ist noch kein bisschen verblasst. In diese trüben Gedanken versunken, bohrt sie mit dem Zeigefinger ein weiteres Loch in die zerschlissene Kante der alten Tischdecke.

Ellas Blick fällt auf die schlichte Karte ihrer Nachbarin, die letzte Woche irgendwann an der Tür geklemmt hatte, als sie abends nach Hause gekommen war.

 

Liebe Ella,

ich feiere am Samstag meinen Geburtstag und würde mich sehr freuen, wenn du vorbeikommen würdest. Es ist nur ein formloses, nettes Beisammensein mit Familie und Freunden, mach dir also bitte keine Umstände wegen eines Geschenkes oder Klamotten.

Herzliche Grüße, Mona.

 

Samstag. Das ist heute. Und auf der Feier gibt es bestimmt was zu essen.

Ella mag Mona nicht. Nein, falsch, sie mag sie eigentlich schon, sie ist nur ein klitzekleines bisschen eifersüchtig, weil Leon und Mona so glücklich sind. Seit Leon damals das alte Häuschen im Wald gekauft hat, kümmert Ella sich um die kleine Eselherde seiner verstorbenen Schwester, wenn er verreist. Leon ist nett, groß, stark und ziemlich dominant, ein bisschen so wie Vincent, aber eben doch ganz anders.

In der Ecke knackt etwas. Ella dreht sich halb um und fixiert mit den Augen den Altpapierstapel neben der Matratze mit ihrem Bettzeug, die sie in die Küche geschleppt hat, als es vorgestern doch noch richtig Winter wurde. Jetzt raschelt es. Mäuse. Solange ihr Vater lebte, hat er immer Gift gestreut. Seit Ella allein ist, lässt sie die Mäuse in Ruhe. Denen ist auch nur kalt.

Seufzend sieht sie wieder zum Fenster. Immer noch Schnee. In die Stadt zu trampen kommt zurzeit also nicht infrage. Außerdem hat sie auch gar nichts mehr, was sie auf dem Flohmarkt verkaufen könnte. Alles weg. Vielleicht sollte sie wirklich zu ihren Nachbarn gehen? Aber es ist so schwer, sich nichts von ihrem Elend anmerken zu lassen. Was soll‘s. Für ein warmes Essen wird sie es aushalten, ihnen heile Welt vorzuspielen, und lange bleiben kann sie sowieso nicht, sonst geht der Ofen aus.

 

Die meisten Gäste sind schon da, als Tim den Hof mitten im Wald erreicht und das alte Fachwerkhaus betritt. Er sieht Monas Eltern, ein paar Freunde und … wer ist denn das? Ein neues Gesicht? Ein interessantes neues Gesicht. Sexy Figur. Jung, blonde Haare, große Augen. Irgendwie kommt sie ihm bekannt vor. Er stößt einen leisen Pfiff aus. Das muss Ella Petersen sein, die Nachbarin von Leon und Mona. Ihre Eltern haben einen landwirtschaftlichen Betrieb am Rande des Waldes. Nein, sie hatten einen landwirtschaftlichen Betrieb, denn die Mutter von Ella ist schon vor langer Zeit gestorben, der Vater vor ein oder zwei Jahren.

Nachdem Tim alle begrüßt hat, mustert er Ella unauffällig. Hübsch, das Mädel. Praller Arsch und lange Beine. Sie war ihm im Frühjahr schon aufgefallen. Ob sie immer noch mit diesem widerlichen Typen zusammen ist? Er hatte das Paar einmal in der Stadt gesehen und ist seitdem davon überzeugt, dass sie devot, vielleicht sogar masochistisch ist. Der Typ wirkte aalglatt, etwas, das Tim überhaupt nicht mag.

Sie scheint erwachsener geworden zu sein. Ihre Gesichtszüge wirken nicht mehr so kindlich naiv wie im Frühjahr, als er sie das letzte Mal sah. Ihre Wangen sind schmaler, das Kinn spitzer. Die Augen? Stolz, um nicht zu sagen: arrogant. Er muss sich ein Grinsen verkneifen. Sie zeigt genau den Gesichtsausdruck, der ihn an einer Frau reizt. Sie ist definitiv schlanker geworden. Das steht ihr gut. Sie trägt die langen blonden Haare offen und hat sich nicht geschminkt. Ihre Kleidung ist … ganz schön raffiniert. Auf den ersten Blick unauffällig, aber auf den zweiten … Sie trägt enge Jeans und eine dunkelblaue, langärmelige Bluse, die einen interessanten Blick in ihren Ausschnitt zulässt. Ihre Brüste sind zwar nicht groß, aber sie trägt keinen BH und ihre Nippel drücken sich hart durch den Stoff der Bluse. Dazu diese roten Pumps mit Absatz. Wenn sie damit durch den Schnee gelaufen ist, hat sie nasse Strümpfe, aber zu ihrem wackelnden Arsch in der engen Jeans passen die Schuhe. Sie sind wie eine Botschaft, eine von der Art, wie Tim sie mag. Sein Schwanz zuckt. Der Abend könnte noch interessant werden.

Bevor er weiter über Ella nachdenken kann, winkt Leon ihn zu sich. Zeit für Monas große Überraschung. Er und Leon stellen sich links und rechts neben ihren Stuhl und mustern sie mit undurchdringlichen dominanten Blicken. Mona wird ganz nervös. Jetzt denkt sie sicher, sie würden vor ihren Eltern eine Session mit ihr starten. Leon und er fassen sie an den Armen und ziehen sie grinsend hoch. Sie erstarrt vor Schreck. Jetzt wird sie bestimmt „Die Ampel ist rot“ kreischen, und Mama und Papa haben keinen blassen Schimmer, was los ist. Das wird lustig. Leon erkennt jedoch die Gefahr, zieht sie an sich und flüstert ihr etwas ins Ohr. Sie sieht zwar immer noch misstrauisch aus, schreit aber nicht ihr Safeword. Eigentlich schade. Leon legt ihr wie verabredet die Augenbinde an, und Tim hilft ihr in ihren Mantel. Dann führt Leon sie ein bisschen kreuz und quer zwischen den Bäumen spazieren, um sie zu verwirren. Nach einer Weile bringt er sie in die neu eingerichtete Werkstatt, und sie darf sich das Tuch abnehmen. Große Freude. Gelungene Überraschung. Sie fällt Leon um den Hals. Süß, die beiden.

Nun fällt sie allen um den Hals und bewundert jede Kleinigkeit in ihrer neuen Werkstatt.

Tim lehnt etwas abseits an einem Pfosten und sieht zu. Sein Blick fällt wieder auf Ella, die anscheinend unschlüssig in der Tür stehen geblieben ist. Da sie nicht zum Freundeskreis gehört, wusste sie sicher nichts von der Überraschung und fühlt sich jetzt etwas ausgeschlossen. Das arme kleine Mäuschen. Wie gut, dass sein Jagdtrieb schon zum Leben erwacht ist. Er schlendert zu ihr hinüber. „Hey, Ella. Lange nicht gesehen. Wie geht‘s dir?“

„Kennen wir uns?“

Sie schenkt ihm ein spöttisch arrogantes Lächeln. Ihre Augenfarbe ist interessant. Grau mit grün.

Er grinst. „Ich bin Tim Christen. Wir haben uns das letzte Mal im Frühjahr hier getroffen, als du die Esel versorgt hast. Ich war gekommen, um mir von Leon Werkzeug zu leihen.“

Ein kurzes, unverbindliches Augenbrauenheben, ein Ausdruck des Wiedererkennens huscht über ihr Gesicht. „Tim, ja, na klar. Sorry. Hab dich grad nicht ganz einordnen können.“

Er winkt gönnerhaft ab. „Macht nichts, ist ja auch schon eine Weile her. Also, wie geht es dir?“

„Gut. Danke.“

„Ist dein Freund nicht mitgekommen?“

Sie hebt stolz das Kinn. „Nein. Wir haben uns getrennt.“

Tim grinst. Fast entfährt ihm ein fröhliches „Klasse“, aber er kann sich gerade noch beherrschen. „Das tut mir leid.“

Sie winkt unwillig ab. „Das muss es nicht.“

Er zwinkert. „Der Abend ist gerettet.“

Ihre linke Augenbraue wandert hoch. „Äh … warum?“

Wow, diese spöttisch verzogenen Lippen. „Ich befürchtete, heute Abend der einzige Single zu sein, und nun können wir uns gemeinsam gegen die geballte Kraft der elitären Paare-Welt behaupten.“

Da sie ihm nur bis knapp über die Nase reicht, muss sie den Kopf etwas in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht zu sehen. Das macht sie jetzt, allerdings nicht gerade hingerissen, sondern eher spöttisch-amüsiert. „Danke, kein Bedarf.“

Oh Baby, du hast keine Ahnung, wie sehr mich so ein Gesichtsausdruck reizt.

Er hebt abwehrend die Hände und setzt sein schönstes Lächeln auf. „Sorry. Ich wollte nur witzig sein.“

Sie senkt für eine Zehntelsekunde den Blick, hat sich jedoch gleich wieder gefangen, verschränkt die Arme vor der Brust und wirft mit einem gleichgültigen Lächeln ihre langen Haare über die Schulter zurück. Sie zittert. Ihre Jacke ist viel zu dünn für das frostige Winterwetter.

„Komm, wir gehen ins Warme und besorgen uns etwas zu trinken“, sagt er und legt leicht den Arm an ihren Rücken. Sie zuckt kurz zurück und geht dann doch mit, zwar etwas steif, aber immerhin.

Im Wohnhaus ist es kuschelig warm und still. Sie sind allein, alle anderen Gäste bewundern noch die neue Töpferwerkstatt. Tim hilft Ella galant aus der Jacke, führt sie direkt in die Küche und öffnet den Kühlschrank. „Was möchtest du? Sekt? Wein?“

„Keinen Alkohol. Danke.“

„Musst du noch fahren?“

„Nein. Ich trinke generell keinen Alkohol.“

Er zieht eine Saftflasche aus dem Kühlschrank. „Hier ist Orangensaft. Ist das okay?“

Sie nickt, und er nimmt zwei Gläser aus dem Schrank.

„Du trinkst auch Saft?“, fragt sie, während ihr Blick mit leicht herabgezogenen Mundwinkeln an seinem Arsch hängen bleibt. „Yep. Bin mit dem Auto da.“

Sie lehnt mit verschränkten Armen am Küchenschrank und mustert ihn weiter, während er einschenkt. Er tut so, als ob er es nicht merkt. Ihre Mimik ist eindeutig. Sie hält ihn für einen selbstherrlichen Spinner. Wenn sie wüsste, wie sehr ihm solche Spielereien gefallen. Mädel, ich wette mit dir, dass du mich heute noch ganz anders ansiehst.

„Warum bist du so verbittert, Ella?“

Sie zuckt und starrt ihn entgeistert an. Eine Sekunde später hat sie sich wieder gefangen und schüttelt lachend den Kopf. „Ich bin nicht verbittert, ganz bestimmt nicht.“

Tim legt den Kopf schräg. Er ist Marketingfachmann und Dozent für Verkaufstraining. Eins seiner Fachgebiete ist das Lesen der Körpersprache, und Ellas Körpersprache ist jetzt eindeutig. Sie lacht zwar, aber ihre Schultermuskeln sind knallhart angespannt. „Dann ist es ja gut. Wer bewirtschaftet jetzt eigentlich euren Hof?“

„Niemand. Land und Vieh wurden verkauft.“

„Aber du wohnst noch dort, oder?“

„Im Moment noch. Ich werde aber weggehen.“

Er stößt mit seinem Glas leicht an ihres. „Prost, Ella.“

„Prost.“ Sie nickt kurz, lächelt und nimmt einen Schluck aus ihrem Glas.

Die Geburtstagsgesellschaft kommt lachend und lärmend ins Haus zurück. Mona fällt ihm um den Hals. „Hey Tim, bei dir hab ich mich noch nicht bedankt. Es ist unglaublich. Ihr seid toll, alle. Ich liebe euch.“

Er umarmt sie fest und küsst sie auf die Wange. „Gern geschehen. Hat Spaß gemacht.“

Sie schlägt ihm locker mit der flachen Hand gegen die Brust. „Das glaube ich. Gemeines dominantes Männerpack. Für den Schreck habt ihr noch was gut bei mir, alle beide. Ihr werdet noch fluchen. Das verspreche ich euch.“

Tim fasst in ihre langen braunen Haare und zupft liebevoll daran, damit sie den Kopf in den Nacken legt. „Gerne doch, liebste Mona. Fluchen und anschließend einen glühenden Arsch bewundern sind unsere Lieblingsbeschäftigungen.“ Er grinst und lugt aus den Augenwinkeln zu Ella hinüber, während er Mona einen freundlichen Klaps auf den Po gibt.

Ihre Augen haben sich für einen Moment deutlich geweitet, dann hat sie ruckartig ihr Glas an die Lippen geführt. Sehr amüsant.

„Los, Leute, Sekt für alle!“, ruft Mona und öffnet die Kühlschranktür, um zwei Flaschen herauszunehmen.

Tim fasst Ella am Oberarm und zieht sie mit sich. „Komm, wir Nichttrinker machen der wilden Horde etwas Platz.“

Er führt sie ins Wohnzimmer, drückt sie in eine Couchecke und setzt sich neben sie. „Und nun sag mir, warum du so traurig bist.“

Noch einmal kann er sie mit so einer Frage nicht überraschen. Sie wirft ihm einen arroganten Blick zu. „Ich dachte, verbittert?“

„Das hast du ja abgestritten, also muss es Trauer sein.“

Sie schlägt die Beine übereinander und atmet gelangweilt aus. „Ich bin weder verbittert noch traurig. Spar dir das für andere Opfer.“

Wieder dieser Ausdruck, diese spöttisch verzogenen Lippen. Mädel, du stehst auf dünnem Eis. Sehr dünnem Eis.

Sie lässt ihren Blick über seinen Körper wandern. „Was willst du von mir?“

So unbeteiligt, wie sie tut, ist sie nicht. Ganz sicher nicht.

Sanft streicht er mit dem Daumen über ihren Handrücken. „Sorry, Ella, ich wollte dir nicht zu nahetreten. Du bist eine interessante Frau, und ich dachte, ich hätte in deinen Augen einen Hauch von Wehmut gesehen. Keine Hintergedanken. Ich schwöre.“

Zwischen ihren Augenbrauen hat sich eine Falte gebildet, und sie zieht ihre Hand weg.

 

„An mir ist nichts interessant.“

Was will dieser Blödmann? Affiger Schönling! Meint wohl, alle Frauen fahren auf südländische Muskeltypen ab. Er soll sie in Ruhe lassen, und vor allem soll er sie nicht anfassen. Die plötzliche sanfte Berührung auf ihrer Hand hat ihr einen Stich versetzt, einen fiesen, schmerzhaften Stich. Genauso hat Vincent sie angefasst und gestreichelt, bevor er … Verdammt!

Tim lächelt. „Ich finde dich interessant. Möchtest du wissen, warum?“

Genervt verdreht sie die Augen. „Na, warum denn?“

„Du siehst toll aus, willst aber niemanden beeindrucken, es ist dir egal, was die anderen von dir denken, und du hast in deinem Leben nicht nur gute Erfahrungen gemacht.“

„Hobbypsychologe, was?“

Er grinst. „Verkaufstrainer, Spezialgebiet Körpersprache.“

Wieder legt er die Hand auf ihren Arm. Verdammt! Er soll das lassen. Sie will von ihm abrücken, aber er hält sie fest. „Hör zu, Ella, du willst keine Spielereien, und ich bin ein Freund der klaren Worte. Ich bin Single, und ich mag Frauen, die wissen, was sie wollen. Ich stehe auf BDSM-Spiele, Liebe und Hiebe, du verstehst?“ Er zwinkert. „Muss aber nicht. Ganz normaler Sex macht mir auch Spaß. Ich mag keine Verpflichtungen, keine Versprechungen und keine festen Beziehungen. Falls du Lust auf einen netten Abend entsprechend dieser Vorgaben hast, stehe ich dir gerne zur Verfügung, falls nicht, ist es auch in Ordnung, frei nach dem Motto: Alles kann, nichts muss.“

Er grinst. Fröhlich, frech, verschmitzt und nett. Mist.

„Hab ich Bedenkzeit oder muss ich sofort kaufen?“, fragt sie ironisch-amüsiert.

„Bedenkzeit und volles Rückgaberecht.“ Er legt den Kopf schräg. „Sei einfach ein bisschen fröhlich, okay?“

Sein plötzlich so charmantes, warmes Lächeln trifft sie unvorbereitet mitten ins Herz.

Monas Mutter ruft, begleitet von einem lauten Händeklatschen, alle an den langen Esstisch. Die Suppe ist fertig. Erleichtert will Ella aufstehen, doch Tim fasst mit einem Finger in eine Gürtelschlaufe ihrer Jeans, sodass sie wieder neben ihn plumpst. „Ja oder doch?“

„Was?“

„Mit mir zusammen fröhlich sein?“

Sein Lächeln ist ehrlich, verführerisch, und es ist so verdammt lange her, dass jemand nett zu ihr war. Sie verdreht gespielt genervt die Augen. „Okay, aber nur, wenn ich dabei Suppe essen darf.“

„Du musst sogar, denn du bist verdammt dünn.“

Sie lacht auf. „Du weißt, was Frauen hören wollen.“

Während des Essens sitzen sie nebeneinander, und Tim plaudert locker und unbefangen drauflos, sodass sie sich entspannen und sogar über seine Witze lachen kann. Es ist schön, mal alle Sorgen beiseitezulegen, und Tim ist wirklich nett. Und sexy. Verdammt sexy. Südländischer Typ eben. Sicher stammen seine Vorfahren aus Spanien oder Italien. Kurze braune, leicht wellige Haare, braune Augen. Er scheint Sport zu treiben, wirkt aber nicht so überwältigend breit und groß wie Leon. Tim ist eher drahtig, und er will keine feste Beziehung. Eigentlich spricht also nichts dagegen. Wogegen? Einen netten Abend? Sex? Spiele?

Es ist lange her, dass sie sich erlaubt hat, von Lustschmerz und Unterwerfung zu träumen. Die Erfahrung mit Vincent war einfach zu schlimm. Inzwischen ist sie schlauer. Keiner würde sie mehr so einwickeln wie er, und die Neigungen sind nun mal da, die verschwinden nicht, egal wie schlimm es mal geendet hat.

Verstohlen blickt sie auf die große Uhr an der Wand. Eigentlich müsste sie jetzt gehen. Der Ofen geht aus, wenn sie kein Holz nachlegt, und wenn der Raum erst mal ausgekühlt ist, wird sie die ganze Nacht frieren. Aber sie kann sich nicht aufraffen. Es ist so angenehm, mal für ein paar Stunden alles zu vergessen. Leons altes Haus ist gemütlich, die Stimmung so fröhlich und sorglos, und Tim, der ist nett, zu nett. Sie weiß, sie hat jedes Recht auf Spaß oder gar Glück verspielt, aber sie kann sich noch nicht überwinden, zu gehen.

Irgendjemand macht Musik an, alte fetzige Stücke, und sie schieben Tisch und Stühle beiseite, um eine Tanzfläche zu schaffen. Ella will nicht tanzen, sie sieht nur zu. Tim hat seinen Spaß. Er schafft es sogar, Monas Mutter dazu zu bringen, mit ihm einen deftigen Rock ‘n‘ Roll aufs Parkett zu legen. Dann folgt ein langsames Stück, und plötzlich zieht er Ella mit einem frechen Augenzwinkern auf die Tanzfläche. Sie macht sich steif, doch er lächelt wieder, so harmlos, so verdammt sympathisch jungenhaft. Er zieht sie einfach an seine Brust, und die ist warm und fest. Zu allem Überfluss riecht er auch noch verdammt gut, genau die richtige Mischung aus Aftershave und Mann. Sanft schiebt er ihre langen Haare zur Seite, um seine Hand auf ihren Rücken zu legen, ohne dass es ziept. Es ist schon so lange her, dass sie ein Mann so angefasst hat. Es dauert eine Weile, bis sie nachgeben und sich dem Takt der Musik anpassen kann. Tim tut so, als ob er nicht merkt, wie angespannt sie ist, und nach einer Weile erlaubt sie sich loszulassen und lehnt sich an seinen starken Körper. Auch das nächste Lied ist langsam, und sie tanzen einfach weiter. Dann geht die Musik aus. Irgendjemand spielt am Player herum und sucht ein bestimmtes Stück. Ella löst sich von Tim. Es wird Zeit, höchste Zeit, es fällt ihr jetzt schon viel zu schwer, sich loszureißen. Tim sieht sie einen Moment lang fragend an, dann fasst er sie schmunzelnd an den Armen. „Denkst du etwa an Flucht, schöne Frau? Ich fürchte, das kann ich nicht zulassen.“ Er zwinkert frech und drängt sie sanft gegen die Wand.

„Hey!“

Er legt verschwörerisch den Zeigefinger über seine Lippen. „Sch …“ Um sie herum herrschen Trubel und Fröhlichkeit. Niemand beachtet sie. Sein Mund nähert sich ihrem Ohr. „Ich beabsichtige, dir einen Kuss zu stehlen, Ella Petersen.“ Er entfernt sein Gesicht gerade so weit von ihrem, bis sie sich wieder ansehen können. Seine Mimik strahlt Humor aus, seine dunkelbraunen Augen sanfte Wärme, doch seine Stimme beinhaltet dieses ganz besondere Timbre unterschwelliger, natürlicher Dominanz. Sie kann sich nicht dagegen wehren, dass das Blut heißer durch ihre Adern fließt, und hält seinen Blick, als ob er sie hypnotisiert hätte. Sie kann einfach nicht wegsehen, und jetzt streicht er mit den Fingern ganz zart über ihre Wange, am Unterkiefer entlang zu ihrem Kinn. Fast wäre sie zusammengezuckt. Die plötzliche Zärtlichkeit bringt sie vollkommen aus dem Konzept. Sein Gesicht nähert sich wieder, und er legt ganz leicht seine Lippen auf ihre, als wollte er testen, wie sie reagiert.

Sie reagiert gar nicht. Ihr Herz rast, plötzlich ist sie so voller Sehnsucht, dass es wehtut, als hätte er ein Messer direkt in ihr Herz gerammt. Sie will ihn an sich reißen und ihre Finger ballen sich zu Fäusten.

Nun stemmt er eine Hand neben ihrem Kopf gegen die Wand. Er schmunzelt wie ein frecher Schuljunge, der der Lehrerin einen Streich spielt. Seine andere Hand wandert an ihren Hals, und sein Daumen streicht über ihre Kehle. Es ist eine freche, dominante und gleichzeitig raffiniert-zärtliche Geste.

„Darf ich das?“, fragt er leise und sie schluckt. Ihr Mund ist plötzlich ganz trocken. Sie antwortet nicht, aber ihr Gesichtsausdruck scheint eindeutig zu sein. Er lächelt wissend. Sein Gesicht nähert sich ihr erneut, und er zupft mit kleinen Küssen an ihren Lippen, bis sie den Mund öffnet. Bevor seine Zunge ihre Einladung annimmt, drängt er sachte einen Fuß zwischen ihre Beine. Ihre Körper berühren sich am Becken, und durch die Jeans kann sie seinen harten Schwanz spüren. Ihr Verstand setzt aus. Sie atmet tief ein, legt die Hände an seine Taille, drängt sich ihm entgegen, und jetzt küsst er sie richtig. Fordernd, hart, besitzergreifend. Ihre Knie werden weich, und wenn er sie nicht sowieso schon gegen die Wand pressen und besitzergreifend an der Kehle halten würde, müsste sie sich jetzt anlehnen oder sich an ihm festkrallen.

Es ist ein langer Kuss. Tim testet sie verdammt frech, und sie folgt bereitwillig seinen Bewegungen und seiner Intensität, lässt es zu, dass er ihren Kopf an den Haaren in den Nacken zieht und sich hart in ihren Mund drängt.

Schließlich löst er sich von ihr und legt seine Stirn gegen ihre. „Du magst es, dich zu unterwerfen, schöne Frau. Es gefällt dir, wenn ich die Führung übernehme.“

Seine Stimme ist sanft. Viel zu sanft. Heißes Blut pulsiert durch ihre Lustperle, und sie braucht alle Kraft, um cool zu grinsen. „Na ja. Ich wollte dich nicht verunsichern. Für den Anfang war es ganz in Ordnung.“

Er lacht leise. „Du forderst mich heraus, Ella? Glaubst du wirklich, du bist mir gewachsen?“

Sie schluckt, seine Stimme wirkt direkt auf ihre Knie, die umgehend zu Watte werden wollen.

„Immerhin leidest du nicht unter Komplexen“, kontert sie.

„Hör auf, mir was vorzuspielen. Ich habe dich längst durchschaut“, antwortet er gelassen und drückt noch einmal sanft seine Lippen auf ihre. Dann lässt er sie los. „Möchtest du noch einen Saft?“

Sie nickt, und er macht die ersten Schritte rückwärts Richtung Küche. „Wenn du mutig bist, läufst du nicht weg.“

Sie verdreht spöttisch die Augen, und er lächelt, bevor er sich umdreht und vorwärts weitergeht.

Was tut sie hier? Wo soll das hinführen? Sie sollte weglaufen, aber es fühlt sich so verdammt gut an. Nähe, Wärme, Sex. Sie sehnt sich so sehr danach, ist schon viel zu lange ganz allein. Noch dieses Glas Saft lang wird sie es genießen. Vielleicht noch einmal küssen und dann verschwinden. Nur noch ein Glas.

 

Der Verlauf des Abends sagt Tim zu. Als er mit den Getränken wiederkommt, stellt er sich neben Ella und legt locker den Arm um ihre Schultern. Sie lässt es zu und lehnt sich an ihn. Bingo.

Sie trinken und sehen auf die anderen Gäste. Sogar Monas betagter alter Herr schwingt das Tanzbein, und ihre Mutter unterhält sich gerade mit einem schwulen Pärchen aus dem Freundeskreis. Ob sie das auch tun würde, wenn sie wüsste, dass Steffen seinen Marko vor der Fete so ausgepeitscht hat, dass der den ganzen Abend freiwillig im Stehen verbringt? Unauffällig beobachtet er sein Jagdobjekt. Ella dreht anscheinend gelangweilt ihr Glas zwischen den Fingern. Ob sie darüber nachdenkt, sich von ihm vernaschen zu lassen? Der Kuss war gut. Erst dachte er, sie würde ihn abblocken, aber dann wurde sie schnell leidenschaftlich. Seine Menschenkenntnis hat ihn nicht getäuscht. Die kleine arrogante Ella ist devot und wünscht sich Führung. Ganz sicher. „Hey!“

Sie sieht auf, und er zieht ihren Kopf näher zu sich heran, damit er in ihr Ohr flüstern kann. „Ich werde dich jetzt noch mal küssen.“

Sie lächelt frech, dreht sich ihm zu und hebt ihm ihr Gesicht entgegen. Noch einmal legen sich ihre Lippen weich aufeinander, doch diesmal bleibt er passiver. Sie wird unsicher, lockt ihn ungeübt in ihren Mund. Er dringt vor, und leise seufzend überlässt sie ihm wieder die Führung. Als er sich von ihr löst und ihr in die Augen sieht, rempelt ihn von hinten jemand an, und er verschüttet seinen Saft über ihre Bluse. „Shit!“

Sie greift sich schnell eine Serviette vom Tisch und tupft sich ihre Brust und den Arm ab.

„Tut mir leid, Ella. Komm, wir fragen Mona, ob sie dir was zum Anziehen leiht.“

Er zieht sie mit, und sie finden das Geburtstagskind angeregt plaudernd in der Küche stehend. „Hey Mona, ich habe mein Glas über Ellas Bluse ausgeschüttet, kannst du ihr was zum Anziehen geben?“

„Klar, kein Problem. Geht einfach hoch. Kleiderschrank, rechte Seite, zweites Fach von unten, da müsstest du was Passendes finden. Du kennst dich doch bei uns aus.“

Er nickt und zieht Ella mit zur Treppe. „Wo willst du hin?“, fragt sie und zögert.

„Ins Schlafzimmer. Komm, da ist auch ein großes Bad.“

Oben öffnet er die Tür, schaltet das Licht an und lässt ihr den Vortritt. Sie sieht sich um und bleibt abrupt vor dem Bett stehen. Er folgt ihrem Blick und ein Grinsen schleicht sich in sein Gesicht. Hätte Mona gewusst, dass Leon hier noch eine Geburtstagsüberraschung für sie vorbereitet hat, hätte sie sicher etwas dagegen gehabt, dass Ella ihr Schlafzimmer betritt. Auf dem Bett liegen, um einen Rosenstrauß herum drapiert, edle lederne Handgelenksmanschetten, eine Spreizstange und ein Flogger.

„Wow, Leon verwöhnt seine Frau.“

Ella dreht sich um. Ihre Wangen sind leicht gerötet. „Es ist ihr ganz sicher unangenehm, dass wir das hier sehen.“

Tim grinst. „Keine Sorge, Mona geht inzwischen ziemlich locker mit ihren Leidenschaften um.“ Er zuckt mit den Schultern. „Und wir müssen es ja nicht rumerzählen, oder?“

„Natürlich nicht.“

Er legt für einen Moment seine Hände auf ihre Schultern, um an ihr vorbeizugehen und die Schranktüren zu öffnen. Nach kurzem Suchen zieht er ein einfaches Sweatshirt heraus und hält es hoch. „Hier. Ist das okay?“

Sie nickt, und er schließt den Schrank wieder. Als er ihr den Pullover hinhält, sieht sie sich suchend um, und er muss grinsen. Scham hinter all der Arroganz. Wie süß. Er öffnet die andere Tür. „Hier ist das Bad.“

Sie läuft an ihm vorbei und ist schon nach wenigen Minuten fertig umgezogen wieder da.

Tim steht mit verschränkten Armen am Bett und betrachtet Leons kleine Überraschung. Ella will an ihm vorbei, doch er nimmt ihre Hand und hält sie auf. Ihr Blick huscht über den Flogger, und ihre Wimpern zucken.

Er tritt hinter sie, fasst sie an den Schultern und küsst zart ihren Hals. „Ich wette, du möchtest so was auch mal probieren.“

Eine gefühlte Ewigkeit starrt sie regungslos das Schlaginstrument an, dann dreht sie sich um, legt neckisch ihre Hand auf seinen Brustkorb und sieht ihm frech lächelnd in die Augen. „Okay. Lass uns das abkürzen. Das ist nichts Neues für mich. Wenn du Interesse hast … ich stehe drauf, aber zu meinen Bedingungen.“

Interessiert und belustigt mustert er ihr Gesicht. „Aha. Und die wären?“

„Nur Schläge auf den Arsch und vögeln. Keine Sentimentalitäten oder Fragen.“

Seine Augen werden zu Schlitzen. „Bist du in der Szene unterwegs?“

„Nein.“

„Aber du hast Erfahrung?“

„Privat.“

„Womit soll ich dich schlagen?“

Sie zuckt gleichgültig die Schultern. „Deine Entscheidung.“

„Fesseln? Knebeln?“

„Meinetwegen.“

Sie will sich von ihm lösen, doch er legt seine Hand auf ihre, sodass sie nahe bei ihm bleibt. „Ella, was soll das?“

Ihre Kiefergelenke verraten einen inneren Konflikt, doch dann lächelt sie schon wieder auf diese arrogante und spöttische Art. „Ich biete dir eine Session an. Wenn du nicht interessiert bist“, sie zuckt mit den Schultern, „auch okay.“

Sie zieht ihren Arm weg und dreht sich zur Tür. Mit einem großen Schritt ist er bei ihr, packt ihre Handgelenke und drückt sie über ihrem Kopf gegen das Holz der Tür. „Du spielst mit dem Feuer, Baby.“

Sie atmet für einen Moment schneller, dann leckt sie sich betont langsam über die Lippen und wirft einen direkten Blick auf den Reißverschluss seiner Jeans. „Heiß ist doch geil, oder?“ Aufreizend starrt sie ihm in die Augen. „Aber wie gesagt, wenn du kein Interesse …“

„Wie viel Erfahrung hast du?“

„Genügend.“ Sie reckt sich vor. Ihre durch den Stoff drückenden, aufgerichteten Nippel berühren seine Brust. „Und ich will es hart. Sehr hart“, flüstert sie stöhnend.

Tim drückt seinen Mund auf ihren, dringt mit der Zunge fordernd und tief in ihren ein. Willig gibt sie sich ihm hin und stöhnt noch mal verführerisch, als er den Kuss beendet.

Misstrauisch betrachtet er ihr Gesicht. Sein Gefühl warnt ihn. Irgendetwas stimmt mit der Dame nicht. Er sollte das jetzt beenden und sie brav nach Hause bringen, aber da er Tim Christen ist, neugierig und experimentierfreudig, und sie ihn gerade reichlich reizt, wird er sie natürlich nicht brav nach Hause bringen.

Er hält sie immer noch fest, und sie wehrt sich nicht. „Okay. Aber nur mit mindestens einem Zeugen“, sagt er jetzt betont gleichgültig. Sie lächelt frech. „Hast du Angst, mit mir allein zu sein?“

„Sorry, Ella, aber wir kennen uns kaum und du willst mal eben eine harte Session. Ich weiß nicht, was du dir darunter vorstellst und möchte hinterher nicht eine Anzeige an den Hals bekommen, weil ein kleines naives Mädchen nicht wusste, worauf sie sich einlässt.“ Jetzt wird sie einen Rückzieher machen.

„In Ordnung.“

Er grinst.

Sie nickt, wieder so provozierend lässig. „Ja, ist okay. Du hast recht. Ich verstehe es.“

Herausfordernd legt er eine Hand fest an ihr Kinn, damit sie seinem Blick nicht ausweichen kann, während die andere weiter ihre Handgelenke fixiert. „Ich rufe meinen Mieter an. Der sieht gerne zu, wenn es hart wird. Wenn du nichts dagegen hast, kann er auch assistieren. Manche Frauen mögen es, von mehreren Männern dominiert zu werden. Du auch?“

Sie weicht seinem Blick nicht aus. „Klar. Gut.“

Er lässt sie los, und sie öffnet die Tür. „Lass uns fahren.“

„Du willst das wirklich?“

Sie dreht sich um und wirft ihm einen vernichtenden Blick zu. „Wusste ich es doch, frech labern, aber wenn es drauf ankommt, den Schwanz einziehen.“

Er lacht. „Keine Bange, Schätzchen, mein Schwanz ist kampferprobt. Ich hoffe nur, dir ist klar, worauf du dich einlässt.“

 

 

Kapitel 2

 

Als sie die Treppe nach unten kommen, sehen Mona und Leon ihnen entgegen. „Wir verziehen uns“, sagt Tim fröhlich und zwinkert Leon zu.

Sie umarmen die Gastgeberin zum Abschied, ziehen sich ihre Jacken an und öffnen die Haustür. Mona tanzt bereits wieder mit ihrem Allerliebsten. Sie winkt ihnen grinsend hinterher. Etwas beschwipst, die kleine Mona. Schade für Leon, er wird sein Geschenk erst morgen ausprobieren können.

Draußen öffnet Tim Ella die Beifahrertür seines kleinen geleasten Audi. Sie steigt ein, ohne ein Wort zu sagen. Während sie langsam durch den frischen, knirschenden Schnee vom Hof rollen, wählt Tim eine Kurzwahlnummer auf seinem Handy, und nach wenigen Klingelsignalen meldet sich im Freisprecher eine träge Männerstimme. „Hi Tim.“

„Hi Pascal. Bist du zu Hause?“

„Gerade angekommen. Warum?“

„Allein?“

„Jap.“

„Lust auf eine kleine Session?“

„Wann?“

„Gleich. Wir sind unterwegs.“

„Okay.“

Es klickt, und die Verbindung ist unterbrochen.

„Sehr gesprächig, dein Freund“, stellt Ella amüsiert fest, und Tim wirft ihr einen kurzen Blick zu. Sie versucht, sich gelassen zu geben, doch sie hat ihre Hände auf dem Schoß fest ineinander verkrallt. „Soll ich zusätzlich eine Frau einladen? Oder willst du noch jemanden anrufen?“

Sie lacht. „Nicht nötig.“

„Bist du sicher? Ich meine, du fährst mit zu mir, obwohl du mich kaum kennst, und bist einverstanden, einen Typen dabei zu haben, den du gar nicht kennst. Das ist ziemlich heavy.“

Sie zuckt gleichgültig mit den Schultern und sieht scheinbar gelangweilt aus dem Seitenfenster in die Dunkelheit, doch ihre Kaumuskeln arbeiten. Er bekommt fast Mitleid mit ihr. Jetzt hat sie doch Angst vor ihrer eigenen Courage. Er legt eine Hand auf ihren Arm und drückt ihn kurz besänftigend. „Pascal wohnt in der Einliegerwohnung meines Hauses, seit Mona zu Leon gezogen ist. Er ist absolut vertrauenswürdig, aber du kannst jederzeit einen Rückzieher machen. Okay?“

Sie dreht den Kopf. Das spöttische, arrogante Lächeln ist wieder da. „Laberst du immer so viel?“

Madame fordert ihn heraus? Ob sie wirklich meint, dass das klug ist? Er dreht ihr kurz das Gesicht zu. „Mutig, mutig, Schätzchen. Was für Erfahrungen hast du?“

Sie hebt abwehrend die Hand. „Keine Fragen. Weder vorher noch dabei noch danach. Mein Leben geht dich nichts an. Das ist meine Bedingung. Wenn du die nicht erfüllen willst, halt an und lass mich raus.“

Wow.

Sie dreht den Kopf, und funkelt ihn aufreizend an. „Also? Was ist?“

Er legt noch einmal die Hand auf ihren Arm. „Ich wollte nur wissen, worauf du stehst, damit es keine Missverständnisse gibt.“

Sie zögert ganz kurz, dann atmet sie scharf ein, und siehe da, ihr Lächeln ist wieder da. Sie legt ihre Hand auf seine, die immer noch auf ihrem Arm ruht, und zwinkert verschwörerisch. „Keine Bange. Ich weiß, wovon ich rede. Ich stehe auf SM. Keine Blowjobs. Ansonsten bin ich offen für alles. Keine Verpflichtungen. Keine Gefühlsduselei. Unabhängigkeit. Spaß.“

Grinsend nickt er. „Schön, dass wir uns kennengelernt haben, Ella Petersen.“

 

Tim parkt das Auto vor einem älteren Haus in einer ruhigen Wohngegend am Stadtrand. Ellas Herz klopft schneller. Tim hat mit seinen Küssen und Berührungen an Türen gerüttelt und die dahinter verschlossenen Gefühle geweckt. Sie hätte das nicht zulassen dürfen, aber nun ist es zu spät. Es sind Gefühle, gegen die sie sich seit Wochen, nein Monaten, innerlich verbarrikadiert, und nun tut es in ihrem Brustkorb weh. Es tut so weh, dass sie es nicht aushalten kann. Es brennt und strahlt überall hin aus, in ihren Körper und in ihr Herz. Sie erstickt fast daran. Sie braucht das jetzt: Schmerz, Strafe, Erniedrigung. Sie will vergessen, das ganze Elend wenigstens für eine Weile aus ihrem Kopf verbannen.

Sie steigen aus. Tim legt seinen Arm um ihre Schultern. Sie will ihn abschütteln, denn jede zärtliche Berührung, auch diese, schürt das Brennen, aber sie lächelt, schlingt den Arm um seine Taille und lässt sich zur Haustür führen. Er schließt auf, sie gehen eine Treppe hinauf, er öffnet eine Wohnungstür und macht Licht.

Es ist eine schöne Wohnung. Quer über einen Flur kann man durch eine offene Tür in eine Küche sehen. Sie ist modern eingerichtet und mit teuren Geräten ausgestattet. Daneben geht es in ein großes Wohnzimmer. Anscheinend hat er Wände herausgerissen, denn der Raum ist viel größer als ein Wohnzimmer normalerweise in einem gewöhnlichen Vorstadt-Einfamilienhaus. An verschiedenen Stellen stützen dicke, dunkle Holzpfähle, wie Säulen in einem Saal, die Decken.

Der Raum wird von einer bequemen, ledernen Sitzgruppe dominiert. Es gibt einen großen, hypermodernen Fernseher und einen deckenhohen Schrank mit Regalfächern und einer Vitrine, hinter der Gläser zu sehen sind.

Gegenüber ist eine Flügeltür, die vermutlich auf eine Terrasse oder in den Garten führt.

Am hinteren Ende des Raumes gehen zwei Türen ab. Tim öffnet eine, knipst Licht an und zeigt hinein. „Hier ist das Bad. Du möchtest sicher vorher die Toilette benutzen. Lass dir so viel Zeit, wie du willst.“

Sie nickt, geht an ihm vorbei und schließt hinter sich die Tür. Es ist ein gemütliches, großes Badezimmer mit einer riesigen runden Badewanne und separater Dusche. An der Wand steht ein Regal mit Handtüchern und allem, was man sonst so in einem Bad braucht.

Ella hat im Herbst zuletzt warm geduscht. Seit die Heizung nicht mehr funktioniert, wäscht sie sich mit kaltem Wasser. Sie wollte sich auch schon die Haare mit dem Küchenmesser absäbeln, weil es verdammt unangenehm ist, lange Haare mit kaltem Wasser zu waschen. Aber das hat sie gelassen, weil ein gepflegtes Aussehen das Leben erleichtert. Die Menschen sind dann weniger misstrauisch.

Sollten die Temperaturen noch mehr sinken, werden in ihrem Haus die Leitungen einfrieren, und sie hätte dann gar kein Wasser mehr, nicht mal auf dem Klo. Aber das ist egal, es wartet ja sowieso der Strick auf dem Dachboden, jetzt definitiv. Das hier wird ihre Abschiedsvorstellung.

Nachdem sie auf der Toilette war, stellt sie sich vor das Waschbecken und starrt in den Spiegel.

 

„Ella, Kleines, komm her.“

„Wo bist du, Vinc?“

„Im Bad. Komm, sag mir Guten Tag.“

Sie läuft hinein. Er steht nackt vor dem Waschbecken, und seine Wangen sind mit Rasierschaum bedeckt.

„Hey! Endlich. Ich habe dich so vermisst“„“nach