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Copyright © Verlag »Die Silberschnur« GmbH

ISBN: 978-3-89845-952-5

1. Auflage 2018

Gestaltung: XPresentation, Güllesheim; unter Verwendung verschiedener

Motive von www.fotolia.de: © adrenalinapura

Verlag »Die Silberschnur« GmbH

Steinstraße 1 · D-56593 Güllesheim

www.silberschnur.de · E-Mail: info@silberschnur.de

Für Linda und Nike und alle, die sich auf ihre Urkraft besinnen wollen.

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Inhalt

Die Sackgasse

Ängste bestimmen unseren Alltag

Das Belohnungssystem

Zeit der Veränderung

Zurück zu unseren Wurzeln

Die Bedeutung der Geburt – das Heraustreten aus der Einheit

Sterben – das Hineintreten in die Einheit

Was wir brauchen, können wir uns selbst geben

Das Labyrinth als Weg zu uns selbst

Mit der Leichtigkeit des Seins

Schlusswort

Anhang

Literaturverzeichnis

Anmerkungen

Über die Autorin

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Die Sackgasse

Vom (Un-)Glück, unvollkommen zu sein

Wenn ich durch die Straßen meiner Stadt gehe, begegnen mir Menschenmengen – ich spüre die Hektik, mit der sich die Menschen durch die engen Gassen treiben lassen, fahle und sorgenvolle Gesichter treffen meinen Blick. Wohlhabend gekleidete Menschen, modebewusste Frauen und Männer, Bettler am Straßenrand, Menschen, die an den Theken und Kassen Schlange stehen, wirre Blicke – und alle sind sie darauf aus, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Manchen gelingt es scheinbar durch den Kauf eines neuen Sommerkleides oder Anzugs, andere finden Ablenkung und Betäubung durch die Musik, die durch ihre Ohrstöpsel dröhnt, und wenn das nicht befriedigt, gibt es immer noch das Stückchen Torte mit Schlagsahne.

Ich setze mich in ein Straßencafé, die warme Frühlingssonne wärmt mich. Ich fühle mich erschöpft. Erschöpft von was? Mir kommt der Satz in den Sinn: »Denn sie wissen nicht, was sie tun … « Wir alle streben danach, unsere Bedürfnisse zu erfüllen, und wir bewegen uns dabei im Außen, indem wir versuchen, uns über Konsum und materielle Güter in einer scheinbaren Sicherheit zu wiegen. Es ist vielleicht eine Art Überlebensstrategie, die in unserer Kultur erlernt wird und der wir kaum entkommen können. Wir leben in einer Welt, die großen Wert legt auf das Materielle, die sich an Wissenschaftlichkeit orientiert, und wir sind davon überzeugt und richten uns danach aus.

Wir werden dazu erzogen, uns selbst, unsere Autos und unsere Häuser als feste Bestandteile in unserem Leben zu betrachten. Da wir an unser bestehendes System glauben, haben wir Angst vor Neuem und Veränderung und reagieren verunsichert, wenn unsere Häuser, unsere Autos oder unser Körper zusammenbrechen. Wenn beispielsweise unser System Schule nicht mehr funktioniert, suchen wir die Ursache bei unseren Kindern und versuchen, sie zu verändern – nur um kein statisches, festgefahrenes System aufgeben zu müssen. Wenn Firmen vor der Pleite stehen, werden die Mitarbeiter entlassen, anstatt zu ergründen, was falschgelaufen ist. Wenn nicht alles ideal und perfekt ist, haben wir schnell das Gefühl, versagt zu haben.1

Getoppt wird das Ganze durch unsere Medien. Alles strebt nach Perfektionismus. TV-Sender wetteifern mit ihren Castingshows um den besten Sänger, das beste Model oder den mutigsten »Dschungelteilnehmer«. Nur der Beste und Mutigste zählt, kommt weiter, wird befördert, anerkannt, bewundert, belohnt. Das geht noch weiter: Es wird suggeriert, dass jeder alles erreichen kann, wenn er nur ein paar Dinge berücksichtigt: Gewichtsverlust, Schönheits-OPs, Coachings – keiner ist perfekt, so wie er ist. Das heißt, er muss Dinge tun, um perfekt zu werden. Doch nachdem er diese Dinge getan hat, stellt er fest, dass er immer noch nicht perfekt genug ist, um ein Superstar oder Topfußballer zu sein oder zumindest in seiner Umgebung anerkannt zu werden. Was ist mit all denjenigen, die auf der Stecke bleiben? Denen Ruhm, Erfolg und Anerkennung entgehen, weil sie nicht vollkommen erscheinen? Was ist mit all den jungen Menschen, die in der Schule oder im Alltag scheitern, oder mit denjenigen, deren Vorbild unerreichbar erscheint? Jugendliche, die durch die in den Medien hochgespielten Ideale an sich zweifeln, sich minderwertig, ja sogar hässlich fühlen? Kinder und Jugendliche deren Werteorientierung sich fast ausschließlich über unsere statische, materielle Welt ausbilden kann?

Wir suchen nach jemandem, der uns sagt, was rechtes oder falsches Handeln, was rechtes oder falsches Denken ist, und indem wir uns nach dieser Norm ausrichten, laufen wir Gefahr, dass unser Verhalten und Denken mechanisch, unsere Reaktionen automatisiert werden. An einem bestimmten Punkt unserer Evolution als menschliche Wesen entwickelten wir die Vorstellung, wir würden uns sicherer fühlen, wenn es uns gelänge, uns selbst und alles um uns herum unveränderlich zu halten oder kontrollieren zu können. Unglücklicherweise bewirkt der Versuch, uns selbst und unsere Welt statisch zu halten, das genaue Gegenteil. Wir werden dabei immer ängstlicher und unlebendiger.2

Eine materialistische, auf Informationen gegründete Kultur hat das Bewusstsein für einen evolutiven Lebensfluss und die Beziehung dazu systematisch verloren. Dadurch werden lebenswichtige Erfahrungen und grundlegendes inneres Wissen um die Zyklen in der Natur und in uns selbst nicht mehr wahrgenommen, was weitreichende, machtvolle Auswirkungen hat. Wir begreifen nicht, dass alles, was wir an Gesetzen, Regeln und Werten in unser Leben und das bestehende System hineingeben, auch wirkt und wir für alles, was dadurch geschieht, verantwortlich sind. Ein Beispiel: Wenn wir unsere Kinder aufgrund eines statisch festgelegten Bildungsbegriffes bewerten, geschieht Ausgrenzung, die wir selbst produzieren. Die Folgen sind fatal, es entsteht zum Beispiel Jugendarbeitslosigkeit, weil die Jugendlichen den festgelegten Bildungsansprüchen nicht gerecht werden. Durch den Verlust dieses Bewusstseins für die größeren Zusammenhänge fehlt unseren Kindern und Jugendlichen auch das Verständnis für die Unterschiede oder auch Gemeinsamkeiten zwischen den Generationen, was mit einem Mangel an Intimität und der Zunahme an Ich-Bezogenheit einhergeht. Diese Entwicklung hat uns von der Natur und letztlich von uns selbst entfremdet.

Welchen Irrwegen unterliegt die Menschheit mit dem ständigen Streben nach materiellen Gütern, Vergleichbarkeit und Perfektionismus? Was ging verloren in unserer hochtechnisierten Welt? Schnell befinden wir uns in einer Sackgasse, aus der wir allein oft nicht mehr herausfinden. Was bleibt, ist Angst und Unsicherheit, die durch Ignoranz überspielt wird. Ein Hang zum Individualismus ist die Folge. Immer weniger Solidarität und weniger Gemeinschaftssinn gehen damit einher.

Ich nehme den letzten Schluck meines inzwischen kalten Kaffees und mache mich auf den Heimweg, um all diese Gedanken niederzuschreiben. In den nun folgenden Kapiteln möchte ich Sie, liebe Leser, dazu einladen zu ergründen, was uns Menschen verloren gegangen ist und was uns davon abhält, uns zu besinnen auf das, was uns alle trägt: das Urvertrauen. Wie entsteht Urvertrauen, wie können wir uns darauf besinnen und wie können wir es für uns selbst nutzen? Wie können wir es an unsere Mitmenschen weitergeben? Gemeinsam machen wir uns nun auf den Weg, um das zu finden, was uns Menschen alle miteinander verbindet.

Im Buddhismus finden Sogyal Rinpoche und das Oberhaupt der Tibeter, der Dalai-Lama, folgende Worte zur Beschreibung der heutigen modernen Zeit:

Wir sind so begierig, nach außen zu schauen, dass wir den Kontakt zu unserem Inneren weitgehend verloren haben. Wir fürchten uns davor, nach innen zu blicken, weil die Gesellschaft uns keinerlei Vorstellung vermittelt von dem, was wir dort finden werden. Wir könnten sogar glauben, dass ein solcher Einblick das Risiko des Wahnsinns in sich berge. Diese Furcht ist einer der letzten und wirksamsten Tricks des Ichs, um uns von der Entdeckung der wahren Natur abzuhalten. Wir führen also ein Leben voller Hektik, um auch das geringste Risiko auszuschalten, uns selbst anschauen zu müssen. Schon die bloße Vorstellung von Meditation kann manche Menschen erschrecken. Unter Begriffen wie »Ichlosigkeit« oder »Leerheit« stellen sie sich Erfahrungen vor, die sich anfühlen, als würde man aus der Luftschleuse eines Raumschiffes gestoßen und müsste für immer im dunklen, kalten Vakuum dahintreiben. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein! Aber in einer Welt, die sich der Ablenkung verschrieben hat, haben Schweigen und Stille etwas Erschreckendes. Wir schützen uns vor ihnen durch Lärm und irrwitzige Geschäftigkeit. In die Natur unseres eigenen Geistes zu schauen, ist das Letzte, was wir wagen würden.3

In der heutigen vernetzten Welt können Individuen viele ihrer Probleme nicht mehr im Alleingang lösen. Wir brauchen einander. Wir müssen daher ein Gefühl universeller Verantwortung entwickeln … Es ist unsere individuelle und kollektive Pflicht, die Familie der Lebewesen auf diesem Planeten zu schützen und zu erhalten, ihre schwachen Mitglieder zu stützen und für die Umwelt zu sorgen, in der wir alle leben.4

Der Dalai-Lama

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Furcht ist ein Produkt der Gedanken.

Wer gegenwärtig lebt, kennt keine Furcht.

Krishnamurti

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Ängste bestimmen unseren Alltag

Angst ist eines der größten Lebensprobleme. Es ist ein Gefühl, das immer aus einer emotionalen Notlage heraus entsteht und unser System in Alarmbereitschaft versetzt. Angst entsteht im sogenannten Mandelkern (das Zentrum für die Entstehung der Gefühle) unseres Gehirns, von dort aus lässt sie uns reagieren.

Angst gehört zu unserem Leben. Sie begleitet uns von der Geburt bis zum Tod. Sie ist gleichsam immer gegenwärtig und reguliert uns bewusst oder unbewusst in unserem Verhalten. Im instinkthaften, unbewussten Teil unseres Gehirns steuert sie unser Kampf-Flucht-Verhalten, wenn wir unter Stress stehen. In einem gewissen Maß hält sie uns in Balance zwischen Neugier und Selbstschutz, zwischen Erstarrung und (Re-)Aktion. Sie reguliert unser Gespür für Nähe und Distanz, lässt uns zurückhaltend und beobachtend sein oder auch Erfahrungen sammeln. Angst wirkt wie ein Regulativ auf unser Verhalten innerhalb der Gemeinschaft. Angst schützt uns und verleiht uns Kraft, sie lässt uns fühlen und handeln, sie hilft uns, uns zu positionieren und unsere Schattenseiten zu überwinden. Sie hilft uns, eine tiefere Sinnsuche einzuleiten.