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Chateaubriand

Erinnerungen

von Jenseits des Grabes

Herausgegeben und mit einem
Nachwort von Sigrid v. Massenbach

Mit einem Essay von Ursula Pia Jauch

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INHALT

Testamentarisches Vorwort

ERSTER TEIL

Monarchie und Revolution 1768–1800

ZWEITER TEIL

Konsulat und Kaiserreich 1800–1814

DRITTER TEIL

Restauration und Revolution 1814–1830

VIERTER TEIL

Unter Louis-Philippe 1830–1841

ANHANG

Nachwort

Ursula Pia Jauch: François-René de Chateaubriands Erinnerungen, oder: Über die Aktualität des Weltschmerzes

Anmerkungen

Die Lebensdaten Chateaubriands

Biografisches Personenregister

Testamentarisches Vorwort

Sicut nubes … quasi naves … velut umbra.1

Paris, 1. Dezember 1833

Da es mir unmöglich ist, den Zeitpunkt meines Todes vorauszusehen, da die Tage, die einem Menschen meines Alters zugemessen sind, nur eine Gnaden- oder besser Galgenfrist bedeuten, möchte ich aus Furcht, überrascht zu werden, zu einer Arbeit Stellung nehmen, die dazu bestimmt ist, mich über die Langeweile dieser letzten und vereinsamten Stunden, die niemand mag und mit denen nichts anzufangen ist, hinwegzutäuschen.

Die Memoiren, an deren Anfang dieses Vorwort steht, werden meinen gesamten Lebenslauf umfassen; sie sind im Jahre 1811 begonnen und bis zum heutigen Tag fortgesetzt worden. Ich erzähle von meiner Kindheit, meiner Erziehung, meiner Jugend, meinem Eintritt ins Militär, meiner Ankunft in Paris, meiner Audienz bei Ludwig XVI., von den Anfängen der Revolution, von meinen Reisen nach Amerika, meiner Rückkehr nach Europa, meiner Emigration nach Deutschland und nach England. Ich berichte von dem Frankreich unter dem Konsulat, meinem Wirken im Kaiserreich, von meiner Reise nach Jerusalem, von meiner Tätigkeit während der Restauration, und schließlich berichte ich über die Geschichte dieser Restauration und ihres Sturzes.

Ich bin fast allen Männern begegnet, die zu meiner Zeit eine bedeutende oder auch nur geringe Rolle im Ausland oder in meinem Vaterland gespielt haben: angefangen bei Washington bis zu Napoleon, von Ludwig XVIII. bis Zar Alexander, von Pius VII. bis Gregor XVI. von Fox, Burke, Pitt, Sheridan, Londonderry und Capo-d’Istrias bis Malesherbes und Mirabeau; von Nelson, Bolivar und Mehemet Ali, dem Pascha von Ägypten, bis zu Suffren, Bougainville, La Pérouse, Moreau und anderen. Ich gehörte zu einem Triumvirat, das seinesgleichen sucht. Drei ihren Interessen und ihrer Nationalität nach ganz verschiedene Dichter fanden sich fast gleichzeitig als Außenminister zusammen: ich in Frankreich, Canning in England, Martinez de la Rosa in Spanien. Den öden Jahren meiner Jugend folgten die reichen Jahre der republikanischen Ära, die Glanzzeiten Bonapartes und der Regierung der Legitimität.

Ich habe die Meere der Alten und der Neuen Welt durchforscht und alle vier Erdteile bereist. Nachdem ich in der Hütte des Irokesen und unter dem Zelt des Arabers, in den Wigwams der Huronen, zwischen den Trümmern Athens, Jerusalems, Memphis’, Karthagos, bei den Griechen, den Türken und den Mauren, in den Wäldern und in den Ruinen genächtigt sowie die Bärenfelljacke des Eingeborenen und den Seidenkaftan des Mamelucken getragen hatte, nachdem ich Armut, Hunger und Exil hatte über mich ergehen lassen, saß ich als Minister und Gesandter in goldbesticktem, orden- und bändergeschmücktem Rock an der Tafel von Königen, nahm an den Festlichkeiten von Fürsten und Fürstinnen teil, um in Armut zurückzufallen und schließlich sogar das Gefängnis auszukosten.

Ich stand mit einer Reihe berühmter Persönlichkeiten in Beziehung, Vertretern des Heeres, der Kirche, der Politik, der Verwaltung, der Wissenschaft und der Künste. Ich besitze zahlreiche Dokumente, mehr als viertausend Privatbriefe, die diplomatischen Schriftwechsel während meiner verschiedenen Gesandtschaften und meiner Zeit als Außenminister, darunter einzigartige, allen anderen unbekannte, nur mich persönlich betreffende Stücke. Ich habe die Muskete des einfachen Soldaten, den Wanderstecken und den Pilgerstab getragen: als Seefahrer war mein Geschick mit der Unbeständigkeit des Windes verbunden; wie der Eisvogel baute ich mein Nest auf den Wogen.

Ich habe am Frieden mitgewirkt und am Krieg, ich habe Verträge und Protokolle unterzeichnet und daneben zahlreiche Werke veröffentlicht. Ich war eingeweiht in Partei-, Hof- und Staatsgeheimnisse; ich habe aus allernächster Nähe seltenste Unglücksfälle, größte Glücksfälle und höchsten Ruhmesglanz miterlebt. Ich war an Belagerungen, Kongressen, Konklaven, der Wiederaufrichtung und dem Sturz von Thronen beteiligt. Ich habe Geschichte gemacht und vermochte sie zu schreiben. Und in dieser Welt der Ereignisse, der Katastrophen und Tumulte verlief mein einsames, träumerisches Dichterleben in Gesellschaft der Söhne meiner Fantasie, Chartas’, Renés, Eudores, Aben-Hamets, und der Töchter meiner Schimären, Atalas, Amélies, Biancas, Vellédas, Cymodocées. In meiner Zeit lebend und auch wieder nicht, beeinflusste ich sie vielleicht, ohne es zu wollen und ohne es anzustreben, auf dreifache Weise: in der Religion, der Politik und der Literatur.

Mit mir leben nur noch vier oder fünf berühmte Persönlichkeiten. Alfieri, Canova und Monti sind tot. Aus seinen glorreichen Zeiten bewahrt Italien nur noch Pindemonte und Manzoni. Pellico hat seine besten Jahre in den Kerkern des Spielbergs verbracht; in der Heimat Dantes sind die Talente zum Schweigen verurteilt oder gezwungen, auf fremder Erde zu leben. Lord Byron und Canning sind jung gestorben; Walter Scott hat uns verlassen; Goethe ist ruhmreich dahingegangen. Frankreich besitzt fast nichts mehr von seiner so reichen Vergangenheit; es beginnt eine neue Ära. Ich bleibe zurück, um mein Jahrhundert zu Grabe zu tragen wie der alte Priester, der bei der Erstürmung von Béziers die Glocke läuten musste, ehe er, als der letzte Bürger sein Leben ausgehaucht hatte, ins Grab sank.

Wenn der Tod den Vorhang zwischen mir und der Welt herablässt, wird sichtbar, dass das Drama meines Lebens sich in drei Akte teilt. In meiner frühesten Jugend bin ich bis 1800 Soldat und Reisender gewesen. Von 1800 bis 1814 war mein Leben unter dem Konsulat und dem Kaiserreich der Literatur gewidmet; von der Restauration bis zum heutigen Tage galt mein Tun der Politik.

In meinen drei aufeinanderfolgenden Wirkungsbereichen hatte ich mir stets ein großes Ziel gesetzt: als Reisender hatte ich mir vorgenommen, die Polarwelt zu entdecken; als Schriftsteller habe ich versucht, die Religion auf ihren Ruinen wieder aufzubauen; als Staatsmann habe ich mich bemüht, die Völker das System der Konstitutionellen Monarchie mit seinen verschiedenen Freiheiten zu lehren; ich habe wenigstens dazu beigetragen, die Freiheit zu erobern, die für alle steht, alle ersetzt und die ganze Verfassung repräsentiert, nämlich die Pressefreiheit. Wenn ich bei meinen Unternehmen oft gescheitert bin, war das Schicksal schuld daran. Ausländische Staatsmänner, die ihre Pläne mit Erfolg durchgeführt haben, lebten unter einem guten Stern, sie besaßen mächtige Freunde, und ein friedliches Vaterland stand hinter ihnen; mir wurde dieses Glück nicht zuteil.

Von den französischen Autoren meiner Generation bin ich fast der einzige, dessen Leben seinen Werken entspricht. Als Reisender, Soldat, Dichter und Publizist habe ich in den Wäldern die Wälder besungen, auf den Schiffen das Meer dargestellt, auf den Schlachtfeldern vom Krieg gesprochen, im Exil über das Exil geschrieben, an den Höfen, bei den Staatsgeschäften und in der Abgeordnetenkammer die Fürsten, die Politik, die Gesetze und die Geschichte studiert. Die alten griechischen und römischen Redner waren mit dem Gemeinwesen verquickt und teilten dessen Schicksal. In dem Italien und Spanien des späten Mittelalters und der Renaissance nahmen die genialsten Dichter und Künstler an der gesellschaftlichen Entwicklung teil. Welch bewegtes und schönes Leben führten Dante, Tasso, Camões, Ercilla und Cervantes!

Im alten Frankreich sangen und schrieben unsere Dichter und Historiker während der Pilgerfahrten und der Schlachten: Thibault, der Comte de Champagne, Villehardouin und Joinville gewannen den Glanz ihres Stils aus den Abenteuern, die sie erlebten; Froissart suchte die Geschichte auf den großen Landstraßen und erfuhr sie von den Rittern und Geistlichen, denen er begegnete und mit denen er des Weges zog. Aber seit der Regierungszeit Franz’ I. lebten unsere Schriftsteller als in sich gekehrte, von der Außenwelt abgeschlossene Existenzen; ihre Werke waren zwar Ausdruck des Geistes, nicht aber der Geschehnisse ihrer Zeit. Wäre es mir vergönnt weiterzuleben, so würde ich in meiner Person, die durch meine Memoiren repräsentiert wird, die Prinzipien, die Ideen, die Ereignisse, die Katastrophen, das Epos meiner Zeit verkörpern. Umso mehr, als ich eine Welt habe enden und eine Welt habe beginnen sehen und sich die entgegengesetzten Charaktere dieses Endes und des Neubeginns in meinen Ansichten wiederfinden. Ich stand zwischen zwei Jahrhunderten wie am Zusammenfluss zweier Ströme. Ich tauchte in ihre schäumenden Gewässer, löste mich mit Wehmut von dem alten Ufer, an dem ich geboren worden war, und schwamm voller Hoffnung dem unbekannten Ufer entgegen, an dem neue Generationen landen werden.

Die verschiedenen Teile der Memoiren sind zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten geschrieben worden. Diese Einzelteile erfordern natürlicherweise so etwas wie Einführungen, die an die vorangegangenen Ereignisse erinnern und die Stätten beschreiben, an denen ich den Faden meiner Erzählung wieder aufnehme. Die verschiedenen Ereignisse und die wechselnden Formen meines Lebens verschachteln sich ineinander: es kommt vor, dass ich in Zeiten meines Glanzes von meinem Elend spreche und dass ich in den Tagen meiner Bedrängnis Tage meines Glücks beschreibe. Die verschiedenen Gefühle meiner verschiedenen Lebensalter durchdringen sich also, meine Jugend ist in mein Alter verwoben, der Ernst meiner reifen Jahre wirft einen Schatten auf meine unbeschwerten Jugendjahre; die Strahlen der Sonne, die sich von der Morgenröte bis zur Abenddämmerung kreuzen und überschneiden wie die dichten Reflexe meiner Existenz, geben meiner Arbeit unerklärliche Einheit: meine Wiege hat etwas von meinem Grab, mein Grab etwas von meiner Wiege; meine Leiden werden Freuden, meine Freuden Leiden, und ich weiß beim Lesen dieser Memoiren nicht mehr recht, ob sie im Mannesalter oder im Greisenalter entstanden sind.

Dies sage ich nicht, um mich zu rühmen, denn ich weiß nicht, ob sie gut geraten sind: ich gebe die Ereignisse wieder und erzähle, ohne es eigentlich geplant zu haben, was die Unsicherheit, hervorgerufen durch die gegen mein Boot brandenden Stürme, mit sich brachte; es waren Stürme, die mir oft zum Beschreiben dieses oder jenes Fragments meines Lebens nur das Felsenriff meines Schiffbruchs gelassen haben.

Der Vorbereitung dieser Memoiren habe ich eine durchaus väterliche Fürsorge angedeihen lassen; gerne würde ich zur Geisterstunde wiederauferstehen dürfen, um die Druckbogen zu korrigieren: die Toten, so sagt man, verschwenden keine Zeit.

Einige meiner Freunde haben mich gedrängt, schon jetzt einen Teil meiner Geschichte zu veröffentlichen; ich konnte ihrem Wunsch nicht entsprechen. Zunächst wäre ich wider meinen eigenen Willen gezwungen, weniger frei und weniger aufrichtig zu sein; und dann habe ich mir ja immer vorgestellt, diese Memoiren in meinem Sarg zu schreiben. Daher hat das Werk einen bestimmten religiösen Charakter bekommen, den ich ihm nicht ohne Schaden hätte entziehen können; es würde mir schwerfallen, diese ferne Stimme, die aus dem Grab dringt und die im ganzen Verlauf des Berichtes hörbar bleibt, zu ersticken. Man wird es nicht verwunderlich finden, dass ich einige Schwächen zeige, so wenn ich mir Sorgen über das Schicksal des königlichen Waisenknaben mache, dem es bestimmt ist, noch nach mir auf der Erde zu weilen. Wenn ich auf dieser Welt so viel gelitten habe, dass ich im Jenseits ein glücklicher Schatten sein werde, wird vielleicht ein wenig Licht der Gefilde der Seligen, das auf mein letztes Gemälde fällt, die Fehler des Malers etwas zurücktreten lassen: das Leben steht mir schlecht, vielleicht steht der Tod mir besser.

ERSTER TEIL

MONARCHIE UND REVOLUTION
1768–1800

La Vallée-aux-Loups, Oktober 1811 bis Juni 1812

Nach meiner Rückkehr aus dem Heiligen Land vor vier Jahren kaufte ich bei Aulnay in der Nachbarschaft von Sceaux und Châtenay ein zwischen bewaldeten Hügeln verborgenes Gärtnerhaus. Das unebene und sandige Terrain, das zu diesem Haus gehörte, war ein verwilderter Obstgarten, an dessen Ende ein Bächlein floss und ein Kastanienhain stand. Dieser eng begrenzte Raum schien mir geeignet, meine weitgespannten Hoffnungen zu umhegen; spatio brevi spem longam reseces.2 Die Bäume, die ich dort gepflanzt habe, gedeihen; noch sind sie so klein, dass ich ihnen Schatten spende, wenn ich mich zwischen sie und die Sonne stelle; eines Tages werden sie mir Schatten spenden und werden meine alten Tage beschützen, wie ich ihre Jugend beschützt habe. Ich habe sie sorgfältig ausgewählt unter den verschiedenen Himmelsstrichen, unter denen ich umherirrte; sie erinnern mich an meine Reisen und nähren in der Tiefe meines Herzens weitere Illusionen.

Sollten die Bourbonen jemals auf den Thron zurückkehren, werde ich von ihnen als Lohn für meine Treue kein anderes Entgelt erbitten, als mich so reich zu machen, dass ich meiner Erbschaft noch diese sie umgebende Waldlichtung hinzufügen kann. Ich bin ehrgeizig geworden; ich möchte meine Spaziergänge ein wenig ausdehnen: denn wiewohl ich von Ort zu Ort ziehe, habe ich doch wie ein Mönch die Neigung zur Sesshaftigkeit. Seitdem ich diese Zuflucht bewohne, habe ich nicht dreimal den Fuß aus dieser Umfriedung gesetzt. Wenn meine Tannen, meine Fichten, meine Lärchenbäume und meine Zedern tatsächlich das halten, was sie versprechen, dann wird das Vallée-aux-Loups eine richtige Kartause werden. Dieses Stückchen Erde um Châtenay, auf das sich der Autor des Génie du Christianisme 1807 zurückziehen musste – welchen Anblick bot es, als Voltaire dort am 20. Februar 1694 zur Welt kam?

Dieser Ort gefällt mir: er hat mir die väterlichen Felder ersetzt; ich habe ihn mit meinen Träumen und meinen durchwachten Nächten bezahlt; Atlas großer Einöde verdanke ich die kleine Einöde von Aulnay; ich habe, um dieses Refugium zu erwerben, nicht den Indianer von Florida berauben müssen, wie es der amerikanische Siedler tat. Ich hege zärtliche Zuneigung zu meinen Bäumen; ich habe ihnen Elegien, Sonette und Oden gewidmet; es gibt keinen einzigen unter ihnen, den ich nicht mit eigenen Händen gepflegt, den ich nicht von dem Wurm an seiner Wurzel, von der Raupe auf seinen Blättern befreit hätte; ich kenne sie alle beim Namen, als wären es meine Kinder; sie sind meine Familie, ich habe keine andere, und ich hoffe, in ihrer Mitte zu sterben.

Hier habe ich Les Martyrs, Les Abencérages, L’Itinéraire und Moïse geschrieben; was werde ich dieses Jahr mit den Herbstabenden anfangen? Dieser 4. Oktober 1811, mein Namenstag und der Jahrestag meines Einzugs in Jerusalem, verlockt mich, mit der Geschichte meines Lebens zu beginnen. Der Mann, der heute Frankreich die Weltherrschaft nur schenkt, um es seinem Machtstreben zu unterwerfen, dieser Mann, dessen Genius ich bewundere und dessen Despotismus ich verabscheue, dieser Mann umhüllt mich mit seiner Tyrannei wie mit einer zweiten Einsamkeit; doch wenn er auch die Gegenwart zertrümmert, die Vergangenheit bietet ihm Trotz, und in allem, was seinem Ruhm vorhergegangen ist, bleibe ich frei.

Die meisten meiner Gefühle sind in der Tiefe meiner Seele verschlossen geblieben oder sie sind nur in meinen Werken hervorgetreten als Eigenschaften imaginärer Wesen. Da ich mich noch immer nach meinen Schimären sehne, ohne sie indes zu verfolgen, will ich mich heute wieder zu meinen schönen Jahren zurückwenden: diese Memoiren werden zu einem in der Klarheit meiner Erinnerungen errichteten Tempel des Todes.

Mein Vater wurde durch sein Herkommen und die Umstände seiner Geburt zu einem der düstersten Charaktere, die es je gegeben hat. Nun, dieser Charakter hat meine Vorstellungswelt entschieden beeinflusst, da er meine Kindheit erschreckte, meine Jugend verfinsterte und die Art meiner Erziehung bestimmt hat.

Ich bin als Edelmann geboren. Meiner Ansicht nach habe ich aus dem Zufall meiner Geburt Nutzen gezogen.3 Ich habe diese feste Liebe zur Freiheit bewahrt, die der Aristokratie, deren letzte Stunde geschlagen hat, zugehört. Die Aristokratie hat drei aufeinanderfolgende Epochen gekannt, das Zeitalter der Herrschaft, das der Privilegien und das der Eitelkeiten: nach dem Ende des ersten Zeitalters verfällt sie im zweiten und erlischt dann im letzten.

Mein Name schrieb sich zuerst Brien, dann Briant und Briand aufgrund der französischen Rechtschreibungsregeln. Guillaume le Breton sagt Castrum-Briani.

Die Brien gaben zu Beginn des elften Jahrhunderts ihren Namen einem stattlichen Schloss in der Bretagne, und dieses Schloss wurde der Stammsitz der Baronie Chateaubriand. Das Wappen der Chateaubriand war zunächst ein Pinienapfel mit der Devise: Ich säe Gold. Geoffroy, der Baron de Chateaubriand, zog mit dem Heiligen Ludwig ins Heilige Land. In der Schlacht bei Massur wurde er gefangen genommen, dann kehrte er nach Hause zurück, und seine Frau starb, als sie ihn wiedersah, vor Freude und Überraschung. Der Heilige Ludwig gewährte ihm und seinen Nachkommen zur Belohnung für seine Dienste und im Austausch gegen sein früheres Wappen einen roten mit goldenen Lilien besäten Schild.

Verfolgt man die Ahnenreihe der Chateaubriand, die aus drei Zweigen bestand, sieht man die ersten beiden untergehen und den dritten, den der Herren von Beaufort, der durch den Zweig der Chateaubriand de la Guérande fortgesetzt wurde, infolge des bretonischen Erbrechts verarmen: den ältesten Söhnen der Adligen fielen aufgrund des ungeschriebenen bretonischen Gesetzes zwei Drittel des väterlichen Besitzes zu. Die Jüngeren teilten sich nur das letzte Drittel. Der Verfall dieses verbliebenen, spärlichen Familienbesitzes vollzog sich mit umso größerer Geschwindigkeit, wenn sie heirateten; und da die gleiche Verteilung von zwei zu eins auch für deren Kinder galt, gelangten diese Jüngeren der Jüngeren unvermeidlich zur Teilung einer Taube, eines Kaninchens, eines Ententeichs und eines Jagdhundes, wiewohl sie immer noch große Ritter und mächtige Herren eines Taubenschlags, eines Krötenlochs und eines Kaninchengeheges waren.

Es gibt in den alten Adelsfamilien eine Menge jüngerer Söhne; verfolgt man sie zwei, drei Generationen lang, dann verschwinden sie, da sie allmählich zum Pfluge zurückkehren oder von den arbeitenden Klassen aufgesaugt werden, ohne dass man erfährt, was aus ihnen geworden ist.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war Alexis de Chateaubriand Seigneur de la Guérande das Oberhaupt, der Namens- und Wappenträger meiner Familie. Alexis war der Sohn Michels, und Michel hatte einen Bruder namens Amaury.

Zur gleichen Zeit wie dieser Namens- und Wappenträger besaß sein Vetter François, der Sohn Amaurys, der am 19. Februar 1683 geboren war, die kleinen Herrensitze von Touches und Villeneuve. Er hatte am 27. August 1713 Pétronille-Claude Lamour geheiratet, von der er vier Söhne hatte: François-Henri, René (mein Vater), Pierre, Seigneur du Plessis, und Joseph, Seigneur du Parc. Mein Großvater François starb am 28. März 1729; meine Großmutter habe ich noch als Kind gekannt. Sie bewohnte nach dem Tode ihres Gemahls das Herrenhaus von Villeneuve in der Nähe von Dinan. Das ganze Vermögen meiner Ahnin betrug nicht mehr als fünftausend Pfund Rente, wovon der älteste Sohn zwei Drittel erhielt; das restliche Drittel verblieb den Jüngeren.

Um das Unglück vollzumachen, wurde meine Großmutter an der Ausführung ihrer Pläne durch die Eigenart ihrer Söhne gehindert: der älteste, François-Henri, dem die prächtige Erbschaft des Herrensitzes von Villeneuve zugefallen war, weigerte sich zu heiraten und wurde Priester; aber anstatt die Pfründen auszubeuten, die sein Name ihm hätte einbringen und mit denen er seine Brüder hätte unterstützen können, forderte er aus Stolz und Nachlässigkeit nichts. Er begrub sich in einer Landpfarrei und wurde zunächst Vorsteher von Saint-Launeuc, dann von Merdrignac in der Diözese von Saint-Malo. Dichtkunst war seine Leidenschaft; ich habe etliche seiner Verse gesehen. Das heitere Wesen dieses noblen Rabelais, der Kult, den dieser christliche Priester in seinem Presbyterium mit den Musen trieb, erregte die Neugier. Er verschenkte alles, was er besaß, und starb völlig verschuldet.

Der vierte Bruder meines Vaters, Joseph, begab sich nach Paris und zog sich dort in eine Bibliothek zurück: man schickte ihm alle Jahre die vierhundertundsechzehn Pfund seines Anteils am Erbe. Unbeachtet lebte er zwischen seinen Büchern; er ging historischen Untersuchungen nach. Während seines kurzen Daseins schrieb er jeden ersten Januar an seine Mutter, das einzige Lebenszeichen, das er je von sich gab. Seltsames Geschick! Das also waren meine beiden Onkel, der eine ein Gelehrter, der andere ein Poet. Mein ältester Bruder verfasste recht hübsche Verse; eine meiner Schwestern, Madame de Farcy, hatte eine ausgeprägte dichterische Begabung; eine andere meiner Schwestern, die Comtesse Lucile, wäre es wert, um ein paar bewundernswerter Seiten willen bekannt zu sein, und ich selber habe zahllose Seiten vollgeschmiert; mein Bruder endete auf dem Schafott; meine beiden Schwestern haben, nachdem sie in den Gefängnissen gelitten, ein trostloses Leben beendet; meine beiden Onkel hinterließen nicht so viel, dass man die vier Bretter ihres Sarges bezahlen konnte; die Literatur ist die Ursache meiner Freuden und Leiden gewesen, und ich verzage nicht, wenn ich mit Gottes Hilfe im Hospital sterbe.

Meine Großmutter hatte sich vollkommen verausgabt, um aus ihrem ältesten und ihrem jüngsten Sohn etwas zu machen, und konnte also für ihre beiden anderen, für René, meinen Vater, und Pierre, meinen Onkel, nichts mehr tun. Diese Familie, die, wie der Wahlspruch lautete, Gold gesät hatte, sah nun von ihrem Stammsitz aus die reichen Abteien, die sie gegründet hatte und in denen ihre Ahnen begraben lagen. Da sie eine der neun Baronien innehatte, führte sie den Vorsitz innerhalb der bretonischen Stände; aber heute hätte sie nicht einmal mehr genug Kredit gehabt, um eine Unterleutnantstelle für den Erben ihres Namens zu erlangen.

Doch blieb dem armen bretonischen Adel immer noch eine Hilfsquelle: die königliche Marine. Man versuchte daraus für meinen Vater Nutzen zu ziehen; zunächst aber musste man sich nach Brest begeben, dort leben, die Ausbildung bezahlen, die Uniform, die Waffen, Bücher und mathematischen Instrumente kaufen. Wie sollte man all diese Kosten bestreiten? Das vom Marineministerium erbetene Patent traf mangels eines Protektors, der die Ausführung beschleunigte, nicht ein: die Schlossherrin von Villeneuve wurde vor Kummer krank.

Damals lieferte mein Vater den ersten Beweis für jene Entschlossenheit, die ich später an ihm kennenlernte. Er war ungefähr fünfzehn Jahre alt; da er die Sorgen seiner Mutter bemerkte, trat er an ihr Bett und sagte zu ihr: »Ich will Ihnen nicht länger zur Last fallen.« Nun brach meine Großmutter in Tränen aus (ich habe meinen Vater von dieser Szene sicher zwanzigmal erzählen hören). »René«, erwiderte sie, »was hast du denn vor? Bleibe hier und bebaue deinen Acker.« – »Er kann uns nicht ernähren. Lassen Sie mich ziehen.« – »Nun gut«, meinte die Mutter, »geh dorthin, wo Gottes Wille dich hinführen wird!« Und seufzend umarmte sie das Kind. Noch am selben Abend verließ mein Vater das mütterliche Anwesen, kam nach Dinan, wo einer unserer Verwandten ihm ein Empfehlungsschreiben an einen Einwohner von Saint-Malo mitgab. Der verwaiste Abenteurer ging nun als Freiwilliger an Bord eines bewaffneten Schoners, der wenige Tage später in See stach.

Damals hielt nur die kleine Republik von Saint-Malo die Ehre der französischen Flagge auf dem Meer aufrecht. Der Schoner gesellte sich zu der Flotte, die der Kardinal de Fleury dem in Danzig von den Russen belagerten Stanislaus zu Hilfe schickte.4 Mein Vater ging an Land und nahm an der denkwürdigen Schlacht teil, die tausendfünfhundert Franzosen unter dem Befehl des tapferen Bretonen Bréhan Comte de Plélo am 29. Mai 1734 gegen vierzigtausend von Münnich befehligte Russen lieferten. Der Krieger, Diplomat und Poet Brehan fiel, und mein Vater wurde zweimal verwundet. Er kehrte nach Frankreich zurück und schiffte sich abermals ein. An der spanischen Küste erlitt er Schiffbruch; in Galizien überfielen ihn Diebesbanden und raubten ihn aus. Er fuhr nach Bayonne und tauchte wieder unter dem väterlichen Dach auf. Sein Mut und seine Verlässlichkeit hatten ihm einen Namen gemacht. Nun begab er sich auf die Inseln; in den Kolonien erwarb er einigen Reichtum und legte den Grund für das neue Vermögen seiner Familie.

Monsieur de Chateaubriand war hochgewachsen und hager; er hatte eine Adlernase, schmale bleiche Lippen, tief liegende kleine schwarzblaue oder meergrüne Augen wie die der Löwen oder der antiken Barbaren. Ich habe niemals wieder einen solchen Blick gesehen: wenn der Zorn ihn übermannte, schien sein funkelnder Augapfel herauszutreten und wie eine Kanonenkugel auf einen zuzufliegen.

Eine einzige Leidenschaft beherrschte meinen Vater, die seines Namens. Meist verharrte er in einem Zustand tiefer Traurigkeit, die mit dem Alter noch zunahm, und in einem Schweigen, das er nur bei Wutanfällen brach. Er war geizig, in der Hoffnung, seiner Familie wieder zu dem alten Glanz zu verhelfen, hochmütig gegen die Edelleute bei den bretonischen Ständeversammlungen, hart mit seinen Vasallen in Combourg, schweigsam, despotisch und düster im eigenen Familienkreis. Bei seinem Anblick empfand man Furcht. Hätte er bis zur Revolution gelebt und wäre er jünger gewesen, so hätte er eine bedeutende Rolle gespielt oder aber er wäre in seinem Schloss erschlagen worden. Er besaß sicher große Fähigkeiten, und ich bezweifle nicht, dass er an der Spitze der Verwaltung oder der Armee ein außergewöhnlicher Mann geworden wäre.

Nach seiner Rückkehr aus Amerika entschloss er sich zu heiraten. Am 23. September 1718 geboren, vermählte er sich im Alter von fünfunddreißig Jahren am 3. Juli 1753 mit Apolline-Jeanne-Susanne de Bedée, der am 7. April 1726 geborenen Tochter von Messire Ange-Annibal, Comte de Bedée, Chevalier, Seigneur de la Bouëtardais. Er zog mit ihr nach Saint-Malo, und da sie beide an Orten geboren waren, die nur sieben oder acht Meilen von dort entfernt sind, konnten sie nun von ihrer Wohnstätte aus den Himmel erblicken, unter dem sie zur Welt gekommen waren. Meine Großmutter mütterlicherseits war am 16. Oktober 1698 in Rennes geboren und während der letzten Lebensjahre der Madame de Maintenon in Saint-Cyr erzogen worden; diese Erziehung hatte sie ihren Töchtern vermittelt.

Meine mit viel Geist und Fantasie begabte Mutter hatte ihre Bildung aus der Lektüre von Fénelon, Racine, Madame de Sévigné erhalten und war mit Anekdoten vom Hofe Ludwigs XIV. genährt worden. Sie kannte den ganzen Cyrus5 auswendig. Apolline de Bedée hatte ein breitflächiges Gesicht, schwarzes Haar und war klein und hässlich. Ihr elegantes Auftreten, ihr lebhaftes Wesen standen in krassem Widerspruch zu der harten Strenge und Schweigsamkeit meines Vaters. Da sie die Gesellschaft so sehr liebte wie er die Einsamkeit, da sie beweglich und lebhaft war wie er reglos und kalt, gab es bei ihr keine Vorliebe, die nicht den Neigungen ihres Gemahls völlig entgegengesetzt war. Dieser Widerspruch machte sie melancholisch, so leichtlebig und heiter sie ehemals gewesen. Da sie schweigen musste, wenn sie hätte sprechen wollen, hielt sie sich dafür durch eine wilde Traurigkeit schadlos, die sich nur in unterdrückten Seufzern äußerte, und diese Seufzer waren der einzige Laut, der die stumme Trübsal meines Vaters unterbrach.

In Saint-Malo genas meine Mutter eines ersten Knaben, der in der Wiege starb. Diesem Sohn folgte ein weiterer sowie zwei Töchter, die alle nur wenige Monate lebten. Endlich brachte meine Mutter einen dritten Knaben zur Welt, den sie Jean-Baptiste nannte: er wurde später der Schwiegersohn von Monsieur de Malesherbes. Nach Jean-Baptiste kamen vier Mädchen zur Welt: Marie-Anne, Bénigne, Julie und Lucile, alle vier von seltener Schönheit; aber nur die beiden älteren haben die Stürme der Revolution überlebt. Die Schönheit – welch eine Frivolität – bleibt noch, wenn alle anderen Schönheiten bereits vergangen sind. Ich war das letzte dieser zehn Kinder. Sehr wahrscheinlich verdankten meine vier Schwestern ihr Dasein dem Wunsch meines Vaters, seinen Namen durch einen zweiten Sohn zu sichern. Ich aber leistete Widerstand. Ich empfand einen Abscheu vor dem Leben.

Ich war halb tot, als ich zur Welt kam. Das Tosen der Wellen, durch einen Sturm aufgepeitscht, der die Herbst-Tagundnachtgleiche ankündigte, verhinderte, dass man meine Schreie vernahm: man hat mir diese Einzelheiten oft erzählt; ihre Traurigkeit ist mir nie aus dem Gedächtnis geschwunden. Es gibt keinen Tag, an dem ich – über die Vergangenheit nachsinnend – nicht in Gedanken den Felsen wiedersehe, auf dem ich geboren bin, das Zimmer, in dem meine Mutter mir das Leben schenkte, den Sturm höre, dessen Brausen mich in meinen ersten Schlaf wiegte, den unglückseligen Bruder sehe, der mein Taufpate war. Der Himmel schien diese verschiedenen Umstände zu vereinen, um mir ein Abbild meines Geschicks in die Wiege zu legen. Kaum hatte ich den Schoß meiner Mutter verlassen, da erlebte ich bereits mein erstes Exil; man verbannte mich nach Plancouët, ein hübsches zwischen Dinan, Saint-Malo und Lamballe gelegenes Dorf. Der einzige Bruder meiner Mutter, der Comte de Bedée, hatte bei diesem Dorf das Schloss Monchoix erbaut.

Meine seit langem verwitwete Großmutter wohnte mit ihrer Schwester, Mademoiselle de Boisteilleul, in einem durch eine Brücke von Plancouët getrennten Weiler, den man die Abtei nannte nach einer Unserer Lieben Frau von Nazareth geweihten Benediktiner-Abtei.

Da meine Amme mich nicht nähren konnte, gab eine andere arme Christin mir ihre Brust. Sie empfahl mich der Schutzherrin des Weilers Unserer Lieben Frau von Nazareth und gelobte, dass ich zu deren Ehren bis zu meinem siebenten Jahre Blau und Weiß tragen sollte. Ich war erst ein paar Stunden am Leben, schon hatte die Last der Zeit mir ihr Siegel auf die Stirn gedrückt. Weshalb ließ man mich nicht sterben? Nach dem Ratschluss Gottes wurde einem anonymen und unschuldigen Wunsche stattgegeben, meine Tage zu erhalten, die ein eitler Ruhm bedrohen sollte.

Nach drei Jahren brachte man mich wieder nach Saint-Malo; sieben Jahre zuvor hatte mein Vater die Herrschaft von Combourg zurückerworben. Er wollte wieder in den Besitz der Güter kommen, auf denen seine Ahnen gelebt hatten.

Ich wurde für die königliche Marine bestimmt: die Abneigung gegen den Hof war jedem Bretonen, und zumal meinem Vater, selbstverständlich. Die Aristokratie unserer Stände bestärkte ihn in diesem Gefühl.

Als ich wieder nach Saint-Malo kam, war mein Vater in Combourg, mein Bruder im Gymnasium von Saint-Brieuc; meine vier Schwestern lebten bei meiner Mutter.

Alle Zuneigung meiner Mutter war auf den ältesten Sohn gerichtet; nicht, dass sie ihre anderen Kinder nicht gern gehabt hätte; aber sie hegte für den jungen Comte de Combourg eine blinde Vorliebe. Ich hatte zwar, es ist wahr, als Knabe und als der jüngste, als der Chevalier – so nannte man mich – einige Privilegien gegenüber meinen Schwestern. Meine übrigens sehr geistreiche und tugendsame Mutter war durch gesellschaftliche Anforderungen und religiöse Pflichten vollkommen in Anspruch genommen.

Zu Hause verbreitete sie eine mürrische Atmosphäre, eine Unrast und einen rechnerischen Geist, die uns anfangs hinderten, ihre bewundernswerten Eigenschaften zu erkennen. Bei aller Ordnung wuchsen ihre Kinder ohne Ordnung auf, bei aller Großzügigkeit erweckte sie den Anschein von Geiz, bei aller Herzensgüte murrte sie ständig: mein Vater war der Schrecken, meine Mutter die Geißel der Dienstboten.

Aus dieser Eigenart meiner Eltern entwickelten sich die ersten Gefühle, die ich empfand. Ich klammerte mich an die Frau, die mich betreute, ein treffliches Geschöpf, La Villeneuve genannt.

Lucile, die vierte meiner Schwestern, war zwei Jahre älter als ich. Da sie die jüngste der Schwestern war, bestanden ihre Gewänder nur aus dem, was die älteren abgelegt hatten. Sie war ein kleines, hageres Mädchen, zu groß für ihr Alter, mit schüchternem Ausdruck, ein Wesen, dem das Sprechen schwerfiel und das nichts zu lernen vermochte.

Niemand hätte in der schmächtigen Lucile die Talente und die Schönheit vermutet, die sie eines Tages entfalten sollte. Man übergab sie mir wie ein Spielzeug; doch missbrauchte ich meine Überlegenheit nicht; statt ihr meinen Willen aufzuzwingen, wurde ich ihr Verteidiger. Jeden Morgen schickte man mich mit ihr zusammen zu den Schwestern Couppart, zwei schwarz gekleideten alten und buckligen Weibern, die den Kindern Lesen beibrachten. Lucile las sehr schlecht, ich las noch schlechter. Man zankte sie aus; ich kratzte die Schwestern und fuhr ihnen mit den Nägeln ins Gesicht; darauf Beschwerden bei meiner Mutter, und schon galt ich als ein Nichtsnutz, ein Aufsässiger, ein Faulpelz, ein Esel schließlich.

Diese Vorstellungen setzten sich im Kopf meiner Eltern fest: mein Vater sagte, die Chevaliers de Chateaubriand seien allesamt Tagediebe, Trunkenbolde und Streithammel gewesen. Meine Mutter seufzte und grollte beim Anblick meiner liederlichen Kleidung. So klein ich noch war, die Behauptung meines Vaters empörte mich; wenn meine Mutter dann ihre Vorwürfe mit dem Lob meines Bruders krönte, den sie einen Cato, einen Helden nannte, war ich sehr geneigt, tatsächlich alles Böse zu tun, was man von mir zu erwarten schien.

Am Strand des offenen Meeres, zwischen dem Schloss und dem Fort Royal, versammelten sich die Kinder; dort wuchs ich als Gefährte der Wellen und des Windes heran; gegen die Stürme zu kämpfen, mit den Wellen zu spielen, die sich vor mir zurückzogen oder vor mir her dem Ufer zueilten, war eine der ersten Freuden, die ich genoss. Ein weiteres Vergnügen bestand darin, aus dem Sand Bauten aufzuführen, die meine Kameraden Backöfen nannten. Ich habe seither oft geglaubt, Schlösser für die Ewigkeit zu bauen, Schlösser, die viel rascher zusammenfielen als meine Sandburgen.

Da meine Zukunft unwiderruflich festgelegt war, überließ man meine Kindheit dem Müßiggang. Etwas Zeichnen, ein paar Kenntnisse in der englischen Sprache, der Hydrografie und der Mathematik schienen für die Ausbildung eines von vornherein zum rauen Seemannsberuf bestimmten Knaben mehr als ausreichend.

Ich wuchs ohne Unterricht im Kreise der Familie auf; wir bewohnten nicht mehr das Haus, in dem ich geboren war: meine Mutter wohnte in einem Stadthaus an der Place Saint-Vincent. Die Straßenjungen wurden meine besten Freunde; mit ihnen trieb ich mich auf dem Hof und den Treppen des Hauses herum. Ich ähnelte ihnen ganz und gar; ich sprach ihre Sprache; ich übernahm ihre Haltung und ihren Lebensstil; ich war angezogen wie sie, ebenso zerlumpt und abgerissen; meine Hemden hingen in Fetzen, meine Strümpfe waren immer durchlöchert; ich trug ausgetretene Schuhe, die mir bei jedem Schritt von den Füßen fielen; häufig verlor ich meinen Hut, manchmal sogar meine Jacke. Mein Gesicht war stets verschmutzt, zerkratzt und zerschlagen; meine Hände rabenschwarz. Meine ganze Erscheinung war derart absonderlich, dass meine Mutter mitten in ihren Zornausbrüchen lachen musste und ausrief: »Oh, wie hässlich er ist!«

Dennoch habe ich stets die Reinlichkeit, ja sogar die Eleganz geliebt. Des Nachts versuchte ich, meine Lumpen in Ordnung zu bringen. Die gute Villeneuve und meine Lucile halfen mir, meine Kleider wieder auszubessern, um mir Strafen und Beschimpfungen zu ersparen. Ihre Näharbeiten dienten indes nur dazu, meinen Aufzug noch sonderbarer zu gestalten. Besonders verzweifelt war ich, wenn ich so abgerissen inmitten von Kindern erschien, die sich auf ihre neuen Gewänder und ihre Eleganz etwas zugutetaten.

Meine Landsleute hatten etwas Eigentümliches, das an Spanien erinnerte. Familien aus Saint-Malo hatten sich in Cadix niedergelassen; Familien aus Cadix wohnten in Saint-Malo. Die Insellage, der Deich, die Architektur, die Häuser, die Zisternen, die granitenen Mauern von Saint-Malo gaben dem Ort ein ähnliches Aussehen wie Cadix: als ich jene Stadt kennenlernte, fühlte ich mich an Saint-Malo erinnert.

Die Einwohner von Saint-Malo, die des Abends in ihre Stadtmauern eingeschlossen sind, bildeten eine einzige große Familie. An bestimmten Tagen des Jahres trafen sich die Bewohner von Stadt und Land auf Märkten, die man Assemblées nannte und die auf den Inseln und auf den Forts um Saint-Malo herum abgehalten wurden. Bei Ebbe begab man sich zu Fuß, bei Flut zu Schiff dorthin. Die Menge der Matrosen und Bauern, die Planwagen, die Karawanen von Pferden, Eseln und Mauleseln, der Wettstreit der Händler, die am Ufer aufgeschlagenen Zelte, die Prozessionen von Mönchen und Bruderschaften, die sich mit ihren Fahnen und Kreuzen einen Weg durch die Menge bahnten, die Schaluppen, die mit Rudern und Segeln hin- und herkreuzten, die Schiffe, die in den Hafen einfuhren oder vor Anker gingen, die Geschützsalven, das Dröhnen des Glockengeläuts: all das erfüllte diese Zusammenkünfte mit Lärm, Bewegung und Abwechslung.

Ich war bei diesen Festen der Einzige, der an der allgemeinen Freude keinen Anteil hatte. Ich erschien dort ohne Geld, von dem ich mir Spielzeug oder Kuchen hätte kaufen können. Um mich der Verachtung, die die Armut bewirkt, zu entziehen, setzte ich mich abseits von der Menge neben jene Wasserlachen, die das Meer in den Felsenlöchern zurücklässt und immer wieder auffüllt. Dort vergnügte ich mich, indem ich dem Flug der Seevögel und Möwen zuschaute, in die blaue Ferne starrte, Muscheln sammelte und dem Geräusch der Wellen zwischen den Klippen lauschte. Abends zu Hause war ich auch nicht glücklicher. Vor bestimmten Speisen hatte ich einen Widerwillen; man zwang mich, sie zu essen; ich warf dem Diener La France einen flehenden Blick zu, und er nahm mir, sobald mein Vater den Kopf wandte, geschickt den Teller weg. Hinsichtlich des Feuers herrschte die gleiche Strenge; es war mir verboten, mich dem Kamin zu nähern. Welch ein weiter Abstand zwischen diesen strengen Eltern und den verwöhnten Kindern von heute!

Doch wenn ich Leiden erdulden musste, die der heutigen Jugend unbekannt sind, so genoss ich dafür einige Freuden, von denen diese nichts weiß.

Heute kennt man die religiösen und familiären Feste nicht mehr, bei denen das ganze Land und der Gott dieses Landes sich zu freuen schienen; Weihnachten und Neujahr, die Heiligen Drei Könige, Ostern, Pfingsten, Sankt Johannis waren für mich Tage höchsten Glücks. Vielleicht hat der Einfluss des heimatlichen Felsens auf meine Gefühle und auf meine Studien eingewirkt.

Wenn sich im Winter zur Abendandacht die Kathedrale füllte, wenn alte Matrosen auf den Knien beteten, junge Frauen und Kinder mit kleinen Kerzen in ihren Gebetbüchern lasen, wenn die Menge bei der Erteilung des Segens im Chor das Tantum ergo sang, wenn zwischen diesen Gesängen die weihnachtlichen Stürme gegen die Scheiben der Basilika bliesen und die Gewölbe des Schiffes erbeben ließen, durchdrang mich ein starkes religiöses Gefühl.

So wie ein Seemann nach Verlassen dieser Festlichkeit, gestärkt gegen die Unbilden der Nacht, sich auf hohe See begab, während ein anderer auf die erleuchtete Kuppel der Kirche zusteuernd in den Hafen zurückkehrte, so waren die Religion und die Gefahren stets gegenwärtig und ihre Abbilder stellten in meinem Geiste eine Einheit dar. Kaum war ich geboren, hörte ich schon vom Sterben reden: am Abend zog ein Mann mit einem Horn von Straße zu Straße und mahnte die Christen, für einen ihrer dahingegangenen Brüder zu beten. Fast alle Jahre gingen vor meinen Augen Schiffe unter, und wenn ich mich am Strand tummelte, schwemmte das Meer mir die Leichen fremder, fern von ihrem Vaterland verstorbener Männer vor die Füße. Wie die hl. Monika zu ihrem Sohn, sagte Madame de Chateaubriand zu mir: Nihil longe est a Deo.6 Man hatte meine Erziehung der göttlichen Vorsehung anheimgestellt: sie hat mir keine Lehre erspart.

Der Heiligen Jungfrau geweiht, kannte und liebte ich meine Beschützerin: Ihr Bild, das die gute Villeneuve einen halben Sou gekostet hatte, war mit vier Stecknadeln über meinem Bett angeheftet. Das Erste, was ich auswendig lernte, war ein Matrosenlied, das also begann:

Maria, Heilige Jungfrau,

Auf dich ich fest vertrau;

Sei du mir Schutz und Schild,

Wenn es zu kämpfen gilt!

Bewahr durch deine Gnaden

Du mich vor Sündenschaden.

Hat meinen Erdentagen

Die letzte Stund geschlagen,

Hilf mir durch frommes Sterben

Das Himmelreich erwerben.

Ich habe dieses Lied später bei einem Schiffbruch7 singen hören. Noch heute sage ich diese armseligen Reime mir mit demselben Vergnügen vor wie die Verse Homers; eine Madonna mit einer gotischen Krone in einem blauen mit Silberfransen verzierten Kleid erfüllt mich mit tieferer Frömmigkeit als eine Heilige Jungfrau von Raffael.

Wenn dieser friedvolle Meerstern doch wenigstens die Wirrnisse meines Lebens hätte beschwichtigen können! Aber schon in meiner Kindheit sollte ich beunruhigt werden; gleich dem Dattelbaum Arabiens wurde mein Wipfel, kaum dem Felsen entsprossen, schon vom Winde niedergebeugt.

Im zweiten Stock des Hauses, das wir bewohnten, lebte ein Edelmann namens Gesril: er hatte einen Sohn und zwei Töchter. Dieser Sohn wurde ganz anders erzogen als ich; ein verwöhnter Knabe. Was immer er anstellte, stets fand man es reizend; er fühlte sich erst richtig wohl, wenn es Schlägerei gab, und besonders, wenn er Streitigkeiten anzetteln konnte, bei denen er sich als Schiedsrichter aufwarf. Da er den Kindermädchen, die die Kinder spazieren führten, manch böse Streiche zu spielen pflegte, machte man großes Aufheben von seinen Eulenspiegeleien, die man zu schwärzesten Verbrechen aufbauschte. Der Vater lachte über alles, und Joson wurde dann nur umso mehr gehätschelt. Gesril wurde mein engster Freund und übte einen unglaublichen Einfluss auf mich aus: ich entwickelte mich rasch unter einem solchen Lehrmeister, obwohl mein Charakter dem seinen vollkommen entgegengesetzt war. Ich liebte die einsamen Spiele, ich suchte mit niemandem Streit: Gesril war ganz versessen auf wilde Vergnügen und jubilierte inmitten der wüstesten Prügeleien. Wenn irgendein Bürschlein mich ansprach, sagte Gesril zu mir: »Und das duldest du?« Bei diesem Wort glaubte ich meine Ehre angegriffen und sprang dem dreisten Burschen ins Gesicht: dabei spielten dann Körperkräfte und Alter keine Rolle. Als Zuschauer beim Kampf klatschte mein Freund mir Beifall, tat jedoch nichts, mir beizustehen. Zuweilen stellte er aus allen Herumtreibern, die er finden konnte, eine Armee auf, teilte die Rekruten ein, und wir bekämpften einander am Strand.

Ein anderes von Gesril erfundenes Spiel schien noch weit gefährlicher: wenn Flut war und der Sturm blies, peitschten die Wellen oft bis an die großen Türme hinauf. Zwanzig Fuß über dem Fundament eines dieser Türme führte ein granitener, enger, glitschiger Laufsteg entlang; es ging nunmehr darum, den Augenblick zwischen zwei Wellen wahrzunehmen und die gefährliche Stelle zu überschreiten, bevor die Flut sich brach und den Turm überspülte. Dann nahte gurgelnd ein Wasserberg, der einen, wenn man sich auch nur eine Minute verspätete, entweder mitreißen oder gegen die Mauer schleudern konnte. Es gab keinen unter uns, der dieses Abenteuer nicht wagte, doch habe ich einige Kinder blass werden sehen, bevor sie sich dazu anschickten.

Gesrils Hang, die anderen zu Mutproben anzustacheln, bei denen er Zuschauer blieb, könnte einen auf den Gedanken bringen, es habe ihm in der Folge an Mut gefehlt; doch hat er auf einer kleineren Bühne das Heldentum des Regulus in den Schatten gestellt: zu seinem Ruhm fehlte ihm nur Rom und Titus Livius. Nachdem er Marineoffizier geworden war, nahm er an dem Gefecht von Quiberon teil. Da die Engländer nach beendeter Schlacht noch immer die republikanische Armee beschossen, stürzte Gesril sich in die Flut, näherte sich den Schiffen, forderte die Engländer auf, das Feuer einzustellen, und schilderte ihnen das Elend der Emigranten und deren Kapitulation.8 Man wollte ihn retten, indem man ihm ein Seil zuwarf und ihn beschwor, an Bord zu steigen: »Ich bin Gefangener auf Ehrenwort«, schrie er aus den Fluten und kehrte schwimmend wieder ans Land zurück: er wurde zusammen mit Sombreuil und seinen Gefährten erschossen.

Gesril war mein erster Freund; da wir beide in unserer Kindheit falsch beurteilt wurden, zogen wir uns im Bewusstsein unseres Wertes instinktiv gegenseitig an. Zwei Abenteuer setzten diesem ersten Teil meiner Geschichte ein Ende und riefen eine bemerkenswerte Veränderung in dem System meiner Erziehung hervor.

Eines Sonntags befanden wir uns zur Zeit der Flut am Strand nahe beim Sankt-Thomas-Tor. Am Fuße des Schlosses waren längs des Deiches dicke Pfähle, die die Mauern vor dem Sturm schützen sollten, in den Sand eingerammt. Wir kletterten gewöhnlich auf diese Planken hinauf, um die ersten Wellen der Flut unter uns herankommen zu sehen. Wie üblich waren die Plätze eingenommen. Mehrere kleine Mädchen mischten sich unter die Jungen. Ich saß an der dem Meer zugekehrten Außenseite und hatte nur noch ein hübsches kleines Mädchen vor mir, Hervine Magon, die vor Vergnügen lachte und vor Furcht weinte. Gesril saß am anderen Ende, dem Lande zu. Die Flut nahte, es stürmte; schon schrien die Kindermädchen und die Diener: »Kommt herunter!« Gesril wartet eine große Welle ab; als sie sich unter die Planken wälzt, gibt er dem Kind neben sich einen Stoß; dieses fällt auf ein anderes, dieses auf das nächste, die ganze Reihe kippt um wie ein Kartenhaus, aber jeder wird von seinem Nachbarn gestützt, nur das kleine Mädchen, das am äußersten Ende saß und auf das ich gestoßen wurde, schwankte, da es von niemandem abgestützt wurde, und fiel herunter. Der Strom riss sie mit. Alsbald erhoben sich tausend Schreie; sämtliche Kindermädchen schürzten die Röcke und eilten ins Meer. Jede ergriff ihren Schützling und versetzte ihm einen Klaps. Hervine wurde herausgefischt; sie behauptete, François habe sie heruntergestoßen. Die Kindermädchen stürzten sich auf mich, doch ich entwischte ihnen und verbarrikadierte mich eilig im Keller unseres Hauses. Die weibliche Armee verfolgte mich; glücklicherweise waren mein Vater und meine Mutter ausgegangen. Die Villeneuve verteidigt wacker die Tür und ohrfeigt die feindliche Vorhut. Gesril, der eigentliche Urheber des Unheils, leistet mir Beistand: er steigt mit seinen beiden Schwestern in die Wohnung hinauf und schüttet ganze Eimer voll Wasser und Bratäpfel auf die Angreiferinnen herab. Beim Einbruch der Dunkelheit hoben sie die Belagerung auf; aber die Neuigkeit verbreitete sich in der Stadt, und der neunjährige Chevalier de Chateaubriand galt nunmehr als ein Wüstling, ein Überbleibsel jener Seeräuber, von denen der hl. Aaron seinen Felsen gesäubert hatte.

Und nun das zweite Abenteuer:

Ich ging mit Gesril nach Saint-Servan, ein durch den Handelshafen von Saint-Malo getrennter Vorort. Wollte man ihn bei Ebbe erreichen, überquerte man kleine Wasserläufe auf schmalen Brücken aus Steinplatten, die dann von der Flut überspült wurden. Die uns begleitenden Diener waren weit zurückgeblieben. Auf einer jener Brücken bemerken wir zwei uns entgegenkommende Schiffsjungen. Gesril sagt zu mir: »Sollen wir diese Kerle vorbeigehen lassen?« Und alsbald ruft er ihnen zu: »Ins Wasser, ihr Enten!« Jene, die als echte Schiffsjungen keinen Spaß verstanden, kommen auf uns zu. Gesril weicht zurück. Wir stellen uns am andern Ende der Brücke auf, klauben Steine zusammen und werfen sie den Schiffsjungen an den Kopf. Sie stürzen sich auf uns, zwingen uns zum Nachgeben, bewaffnen sich ihrerseits mit Kieselsteinen und drängen uns kämpfend bis zu unserem Hilfskorps, das heißt bis zu unseren Dienern zurück. Ein Stein hatte mich zwar nicht wie Horatius am Auge, wohl aber am Ohr getroffen, und zwar so hart, dass mein linkes Ohr zur Hälfte abgerissen herunterhing.