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Deutsche Erstausgabe (ePub) März 2018

 

© 2018 by Karo Stein

 

Verlagsrechte © 2018 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk, Taufkirchen

 

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

 

Bildrechte Umschlagillustration:

Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Druckerei: CPI Deutschland

 

ISBN-13: 978-3-95823-684-4

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


 

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Liebe Leserin, lieber Leser,

 

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

 

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

 

 

 

 

Klappentext:

 

Jo ist der Prototyp eines Aufreißers: schneller Sex, keine Fragen und schon gar keine Bindung zu irgendeinem seiner namenlosen Ficks. Doch dann tritt Danny in sein Leben, der in jeder Hinsicht der ideale Darkroom-Partner für Jo sein könnte... wäre da nicht die Tatsache, dass Danny mehr Faszination auf Jo ausübt, als diesem lieb ist. Schon nach kurzer Zeit weiß Jo nicht mehr, wo ihm der Kopf steht, doch Danny verbirgt etwas vor ihm. Etwas so Ungeheuerliches, dass Jos Welt aus den Fugen zu geraten droht, als er davon erfährt...


 

 

 

 

 

 

 

Für alle, die an die Liebe

und das Schicksal glauben!

 

 


 

Ein Date zu viert

 

 

Danny

 

»Das ist eine Sporthalle!« Verwirrt sehe ich Mark an, der von einem Ohr zum anderen grinst.

»Sehr gut erkannt«, meint er feixend, öffnet die Tür und macht eine einladende Geste. Einen Moment verharre ich, dann gehe ich an ihm vorbei hinein.

»Was machen wir hier?«, erkundige ich mich und verziehe angewidert das Gesicht. Es riecht nach Schweiß und alten Turnschuhen. Eigentlich hatte ich mich auf einen angenehmen Abend gefreut. Auch wenn sich Mark recht vage ausgedrückt hat, habe ich eher damit gerechnet, dass wir Essen gehen oder uns in einer Kneipe amüsieren.

»Du wolltest doch schon immer mal beim Floorballtraining zuschauen«, sagt er glucksend und deutet auf die nächste Tür, hinter der sich vermutlich die Halle befindet. Ich höre lautes Stimmengewirr und schüttle energisch den Kopf.

»Ich weiß nicht mal, was das für eine Sportart sein soll. Was machen wir hier, Mark?« Ich sehe ihn fragend an und verschränke die Arme vor der Brust. Er weiß, was ich von Überraschungen halte. Ich wollte doch nichts weiter als ein bisschen Ablenkung.

»Julian trainiert hier und Johannes auch.«

»Nein!«, keuche ich entsetzt. »Das ist ein mieser Scherz, oder?«

»Ich dachte, wir verbringen den Abend zu viert. Ihr beide umkreist euch schon so lange, dass es Zeit für ein Zusammentreffen wird.«

»Das will ich nicht, Mark«, erwidere ich und spüre, wie Wut und Panik in mir aufsteigen. Leider klopft mein Herz auch ziemlich heftig bei der Vorstellung, dass sich Jo dort hinter der Tür befindet.

»Wir schauen uns das Training an, dann gehen wir was essen und danach tanzen«, sagt er und legt einen Arm um meine Schultern. »Damit gehst du keinerlei Verpflichtung ein. Ich weiß doch, wie es dir geht, und du wolltest ein bisschen abschalten.«

»Du hast doch keine Ahnung«, nuschle ich und löse mich von ihm. Natürlich wollte ich heute raus, aber doch nicht… nicht mit diesem Jo, der alles so furchtbar kompliziert für mich macht.

»Tut mir leid«, sagt er leise und sieht mich zerknirscht an. »Ich dachte wirklich, es wäre eine gute Gelegenheit für euch beide.«

»Verdammt, Mark.« Ich habe Mühe, ihn nicht anzuschreien. »Ich will das nicht!«

»Okay, dann lass uns von hier verschwinden. Ich schreibe Julian eine Nachricht und treffe mich später mit ihm. Tut mir echt leid.«

Mark geht zurück zur Tür. Ich starre ihm hinterher. Mein Kopf ist vollkommen leer, aber irgendetwas in mir weigert sich, zu gehen. Ich weiß nicht, was ich will, und das überfordert mich. Im Grunde bin ich schon eine ganze Weile nicht mehr zurechnungsfähig. Mein Leben ist ein einziges Chaos und die Angst sitzt mir ständig im Nacken. Ich möchte abhauen und weiß doch, dass ich es nicht kann... nicht will. Grummelnd raufe ich mir die Haare und drehe mich im Kreis.

»Was mache ich denn jetzt?«, frage ich mich selbst und weiß, dass es keine Antwort darauf gibt.

»Lass uns reingehen«, bittet Mark leise. »Du wirst sehen, wir werden einen tollen Abend zusammen verbringen.«

Ich brauche noch einen Moment, ehe ich zustimme und Mark ins Innere der Halle folge. Wir bleiben am Rand stehen. Sofort suche ich nach Jo und das kribblige Gefühl setzt wieder ein, als ich ihn über das Spielfeld laufen sehe. Dann fällt sein Blick jedoch auf mich und er bleibt keuchend stehen. Ich glaube, er wird sogar ein wenig blass.

Julian geht auf ihn zu. Die beiden reden miteinander und deuten dabei in meine Richtung. Als Julian Mark entdeckt, beginnt sein Gesicht regelrecht zu strahlen. Mark schiebt mich zu einer Bank und winkt seinem Freund zu. Für einen Moment sieht es so aus, als wollte er zu uns kommen, aber der Trainer gibt ihnen ziemlich unmissverständliche Anweisungen. Es scheint, als wäre Jo ebenso wenig erfreut über mein Hiersein, wie ich es bin.

»Ich glaube, das ist echt ein Fehler«, sage ich zu Mark und presse die Lippen zusammen.

»Ach, Unsinn«, erwidert er, für meinen Geschmack viel zu zuversichtlich. »Lass uns erst mal ein bisschen die beiden heißen Kerle anschmachten. Danach ist immer noch Zeit… wofür auch immer.«

Ich stoße ihn grinsend gegen die Schulter. Manchmal ist er echt ein bisschen verrückt. Allerdings hat Mark recht, Jo zuzuschauen ist durchaus anregend. Der Kerl hat einen fantastischen Körper, auch wenn er ziemlich aggressiv spielt.

Meine Begeisterung für Sport jeglicher Art hält sich in Grenzen. Seitdem mein Fahrrad vor mehr als einem Jahr geklaut wurde, gehe ich höchstens mal spazieren. Die Natur hat mir ein paar gute Anlagen mitgegeben, außerdem ernähre ich mich recht gesund. Süßigkeiten und Schokolade kann ich problemlos widerstehen. Kaffee trinke ich nur selten. Ich rauche nicht und die Zeiten, in denen ich verschiedene Drogen ausprobiert habe, sind ebenfalls schon eine Weile vorbei. Obendrein sorgen der Stress und die lähmende Panik der letzten Monate dafür, dass ich kaum Appetit habe.

Für eine Sekunde kneife ich die Augen fest zusammen und versuche, die aufploppenden Bilder in meinem Kopf zu verdrängen. Ich will nur ein bisschen abschalten, nur ein paar Stunden vergessen und neue Kraft tanken. Erneut beobachte ich Jo und kann nicht verhindern, dass sich mein Schwanz zu regen beginnt. Der Typ ist Sex auf zwei Beinen, auch wenn er mir viel zu gefährlich ist.

Als wir uns das erste Mal begegnet sind, war ich mir sicher, dass es perfekt passt. Sein Ruf war ihm längst vorausgeeilt. Er ist Jäger und Sammler zugleich. Kein Typ zweimal, nie jemanden mit nach Hause nehmen, alles so anonym wie möglich halten… Ich dachte, wir sind in dieser Hinsicht wunderbar kompatibel. Ein bisschen Spaß und keinen Stress.

Trotzdem habe ich schon auf den ersten Blick gespürt, dass da zwischen uns etwas anders ist. Ich wollte nicht darüber nachdenken und doch schrillten meine inneren Alarmglocken bei jedem zufälligen Zusammentreffen unmissverständlich. Was da auch immer zwischen uns ist, es verunsichert mich. Ich will diese Art von Komplikation nicht, aber ich kann es irgendwie auch nicht abschalten.

Jo reißt die Arme nach oben und wird von den Leuten seiner Mannschaft bejubelt. Er hat ein Tor geschossen. Ich betrachte ihn weiter und wünschte, es gäbe eine Stelle an ihm, die mich abtörnt und mich diesen ganzen Mist einfach vergessen lässt. Leider erscheint er mir geradezu perfekt. Vielleicht bin ich auch einfach nur ausgehungert oder… Erneut verdränge ich das Bild, das sich in mein Gedächtnis schieben will und mir zeigt, wie vergänglich äußere Schönheit sein kann.

Bisher hatten wir noch keinen Sex. Es ist mir zu gefährlich. Auf der anderen Seite schaffe ich es auch nicht, ihm aus dem Weg zu gehen. Wir ziehen uns an und stoßen uns gleichzeitig ab. Es ist verrückt und bescheuert. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist so eine seltsame Art von Gefühlsduselei. Eigentlich sollte ich… Seufzend schließe ich erneut die Augen. Unbeschreiblicher Schmerz flutet meinen Körper. Es gelingt mir immer weniger, mich davon abzugrenzen und die kleinen, gestohlenen Auszeiten zu genießen.

»Wie geht es ihm?«, erkundigt sich Mark leise.

»Gut«, erwidere ich mit einem schiefen Grinsen.

»Kann ich was für euch tun?«

»Nein, alles okay. Ein bisschen Ablenkung ist genau das, was ich jetzt brauche.«

»Es ist wirklich unglaublich, wie ihr...«

»Bitte, Mark, ich will da jetzt nicht drüber reden.«

»Okay«, sagt er und nickt, dann deutet er auf die Spieler. »Sieht so aus, als wären sie fertig.«

Mark erhebt sich, während Julian auf ihn zukommt und ihm um den Hals fällt.

»Du siehst so verdammt heiß aus«, sagt Mark. Ich drehe mich diskret zur Seite und beobachte Jo, der wortlos an uns vorbeirauscht. Seine Reaktion bringt mich zum Grinsen und spricht leider meinen Jagdinstinkt an.

»Denk an etwas mit abkühlender Wirkung. Zum Beispiel daran, weshalb zum Teufel du ausgerechnet ihn mitbringst.« Julians Stimme reißt mich aus den Gedanken. Er deutet auf mich. Mark fängt an zu lachen, lässt ihn los und legt stattdessen erneut einen Arm um meine Schultern.

»Wir dachten, es ist bestimmt schöner, zu viert wegzugehen«, sagt er amüsiert, was mich dazu bringt, leise zu schnaufen.

»Das war nicht meine Idee«, murmle ich unbehaglich.

»Ich vermute, wir werden nur zu dritt sein, Jo ist ziemlich angepisst.« Der vorwurfsvolle Blick, mit dem Julian mich ansieht, sorgt tatsächlich dafür, dass sich mein schlechtes Gewissen meldet. Ich weiß nicht, was Mark ihm bisher von mir erzählt hat. Allerdings hoffe ich, dass er nicht zu viel ausgeplaudert hat.

Letzte Woche haben wir uns zufällig im Kino getroffen. Ich musste dringend raus und mir ist nichts Besseres eingefallen, als mich in einem großen Saal mit Popcorn und Cola von einem langweiligen Film berieseln zu lassen. Neben Mark und Julian zu sitzen, war in diesem Fall ein wirklich angenehmer Zustand, der dafür gesorgt hat, dass ich mich ein bisschen entspannen konnte.

»Ach egal«, sagt Julian schließlich und lächelt mich versöhnlich an. »Ich freu mich, dass du da bist. Gibt es einen Plan, von dem ich wissen sollte?«

»Das ist kein Komplott… oder vielleicht doch, aber es richtet sich gegen beide«, behauptet Mark.

Für einen Moment stockt mir der Atem und der Gedanke, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, macht sich in mir breit. Ich weiß einfach, dass es keine gute Idee ist, diesen Abend mit ihnen zu verbringen.

»Ich wusste nicht, dass Mark mich hierherschleppen würde«, erkläre ich noch einmal deutlich und sehe den Verursacher dieser Misere grimmig an. »Eigentlich hatte ich auch keine Ahnung, dass wir nicht allein weggehen.«

»Soso.« Julian verschränkt die Arme vor der Brust. Das ungute Gefühl wird größer und sorgt dafür, dass es in meiner Brust eng wird.

»Ich dachte, es wäre einen Versuch wert«, erklärt Mark und klingt dabei beinahe entschuldigend.

»Das ist es vielleicht.« Die Worte entkommen mir, ehe ich sie zurückhalten kann. Ich senke den Blick, spüre aber deutlich, dass Mark und Julian mich erstaunt ansehen. Es ist verrückt und gefährlich und… vermutlich manövriere ich mich gerade in eine Situation, aus der ich nicht wieder heil herauskommen werde.

»Ich geh duschen. Vielleicht solltet ihr euch am Eingang postieren, falls Jo abhauen will.« Julian deutet auf die Tür und verschwindet dann in der Umkleidekabine.

Wir gehen nach draußen. Es ist ein angenehm warmer Abend. Die Luft erscheint mir ganz besonders frisch, sodass ich tief durchatme. Der Sauerstoffgehalt in der Turnhalle war vermutlich so gering, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Jetzt fühle ich mich jedoch besser. Die Tatsache, dass Jo längst nicht so cool und unnahbar ist, wie er immer erscheinen will, beruhigt mich irgendwie.

»Ich hoffe, du weißt, dass ich...«

»Schon gut, Mark«, unterbreche ich ihn und wische seine, aber auch meine eigenen Zweifel mit einer Handbewegung weg. »Denk nicht weiter drüber nach.«

»Manchmal mache ich das offensichtlich nicht. Ich weiß doch, wie es dir geht, und ich kenne Jo. Er ist…«

»Vielleicht genau die Abwechslung, die ich brauche.«

»Eigentlich würde ich dem ja zustimmen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass du ihm ziemlich unter die Haut gehst.«

»Ich weiß«, sage ich lachend und schüttle den Kopf. »Das macht es doch gerade so verdammt spannend.«

»Aber was ist mit dir?«, erkundigt sich Mark und sieht mich eindringlich an.

»Nichts«, behaupte ich und versuche, seinem Blick standzuhalten. »Es ändert nichts... Nur ein wenig Spaß und Ablenkung. Mein Herz ist genau dort, wo es sein sollte.«

»Das ist so unglaublich. Ich bewundere dich und gleichzeitig verstehe ich es nicht. Ich will Julian nur für mich. Und unter diesen Umständen...«

»Hör auf, Mark«, durchkreuze ich erneut seine Gedankengänge. »Ich komme wirklich zurecht. Wenn du den Abend nicht versauen willst, dann vermeide solche Andeutungen, okay?«

»Okay. Entschuldige, Danny.« Er schlingt seine Arme um mich und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Grinsend schiebe ich ihn von mir. Das ist mir ein bisschen peinlich. Außerdem will ich nicht, dass sein Freund da irgendwas hineininterpretiert, das nicht vorhanden ist.

»Da kommen sie«, sagt Mark und deutet zur Tür. »Wir dachten schon, es gibt einen Hinterausgang, durch den ihr verschwunden seid«, ruft Mark laut und deutet auf die Uhr an seinem Handgelenk.

»Hinterausgang? Den nutzen wir nur anderweitig.« Jos Anspielung bringt mich zum Glucksen. Er sieht atemberaubend aus und der Duft, der von ihm ausgeht, sorgt erneut dafür, dass es ziemlich warm in meinem Bauch wird. Mit einem Stich Eifersucht beobachte ich Mark und Julian, die sich in den Armen liegen und hemmungslos knutschen.

»Genug geturtelt, da wird einem ja ganz schlecht.« Jo reißt die beiden auseinander.

»Das ist echt kaum zu ertragen«, mische ich mich ein. Mark verdreht die Augen und Jo wirft mir einen giftigen Blick zu. Ich presse die Lippen zusammen. Noch könnte ich verschwinden.

Dieses Bedürfnis verstärkt sich noch, als Jo deutlich macht, dass er nicht neben mir im Auto sitzen will. Julian löst die Situation allerdings recht schnell auf, indem er mich auf den Beifahrersitz schiebt und selbst hinter Mark einsteigt. Ich habe den Eindruck, dass Jo damit auch nicht zufrieden ist und verdränge meinen Frust darüber, dass ich mich dieser Situation überhaupt aussetze.

Wir fahren zu einer kleinen Bar im Zentrum. Ich war schon ewig nicht mehr dort. Das letzte Mal war in meinem Leben noch alles in Ordnung. Ich glaube, Mark hat die Musik so laut gestellt, damit das Schweigen nicht so auffällt. Allerdings hoffe ich, dass wir die Sache mit der Stimmung im Laufe des Abends noch besser hinbekommen.

Mark findet einen Parkplatz in der Nähe und wir bringen die wenigen Meter bis zum Eingang schweigend hinter uns. Es herrscht ein unglaubliches Gedränge, aber anscheinend hat Mark einen Tisch reserviert. Ein Kellner bringt uns hin. Für einen Augenblick frage ich mich, ob sich die Platzverteilung erneut so schwierig gestaltet, aber Mark zieht Julian neben sich, sodass Jo nichts anderes übrig bleibt, als sich neben mich zu setzen. Seine Nähe verunsichert mich, sodass meine Finger zu zittern beginnen, als ich die Karte durchblättere. Deshalb entscheide ich mich schnell für einen Burger und lege die Karte wieder weg.

Die Unterhaltung ist recht einseitig. Jo ist ziemlich ätzend, obwohl mir seine zynische Art gleichzeitig gut gefällt. Sie sorgt dafür, dass ich wirklich ganz hier bin und meine Gedanken nicht ständig abschweifen.

Julian dagegen ist ein guter Erzähler. Er redet offensichtlich gern über seinen Job als Erzieher in einem Kindergarten. Obwohl ich mit Kindern absolut nichts anfangen kann, macht es doch Spaß ihm zuzuhören. Je länger ich neben Jo sitze, desto entspannter fühle ich mich. Hin und wieder berühren sich unsere Knie unter dem Tisch. Obwohl wir beide jedes Mal augenblicklich zurückzucken, suche ich doch immer wieder seine Nähe.

»Superlecker«, sagt Mark mit vollem Mund, spießt eine speckummantelte Dattel auf seine Gabel und hält sie Julian vor den Mund. Der schnappt zu und bietet seinem Partner ebenfalls etwas zu essen an. Die beiden wollen uns offensichtlich provozieren und Jo springt tatsächlich darauf an.

»Köstlich«, sagt er und imitiert Marks Tonfall. Er streckt mir seine Gabel entgegen, auf der sich eine Olive befindet. Instinktiv möchte ich zurückweichen, aber dann lächle ich Jo an und schließe meine Lippen um die dunkle Frucht. Jo stöhnt leise, was mich dazu bewegt, ihm ebenfalls eine Olive anzubieten. Als sie zwischen seinen Lippen verschwindet, wird mir ein bisschen schwindelig.

»Lecker«, nuschelt er kauend und setzt das Spiel fort.

»Ich habe leider keine Olive mehr«, stelle ich mit einem Blick auf meinen Teller fest.

»Dann muss ich jetzt wohl verhungern«, behauptet er und sieht mich entsetzt an. Beherzt rupfe ich ein Stück von dem Hamburgerbrötchen ab und stopfe es ihm in den Mund. Seine Lippen berühren dabei meine Finger und ein Schauer rinnt mir über den Körper.

»Besser?«, erkundige ich mich mit rauer Stimme.

»Nein.« Jo sieht mich herausfordernd an und wackelt mit den Augenbrauen.

»Okay«, murmle ich und lasse mich auf das Spiel zwischen uns ein. Ich gebe ihm von allem, was sich auf meinem Teller befindet, etwas ab. Hin und wieder treffen sich unsere Blicke und sorgen dafür, dass mein Herz aus dem Takt gerät.

»Du hast da was«, sagt er plötzlich und wischt mit einem Finger über meinen Mundwinkel. Panisch zucke ich zurück und spüre sofort, dass ich der angenehmen Stimmung zwischen uns erneut einen Dämpfer verpasst habe. Ich versuche mir einzureden, dass es besser ist, aber so richtig gelingt mir der Selbstbetrug nicht.

Ich bin erleichtert, als wir bezahlen und uns auf den Weg in den Club machen. Die Lust ist mir vergangen, aber ich kann mich trotzdem nicht dazu durchringen, nach Hause zu gehen. Ich weiß, dass mir dort nur die Decke auf den Kopf fallen würde.

Wir haben Glück und ergattern eines der gemütlichen, dunklen Ledersofas im Club. Mark zieht Julian gleich auf seinen Schoß, während ich mich mit deutlichem Abstand zu Jo hinsetze. Das, was wir hier veranstalten, ist bescheuert und doch bin ich total in diesem seltsamen Hin und Her gefangen. Ich versuche, mich auf die Umgebung einzulassen.

Die Musik ist gut und auf der Tanzfläche herrscht noch nicht so ein dichtes Gedränge. Meine Beine bewegen sich im Takt. Ich habe Lust zu tanzen, bleibe aber noch sitzen, weil Jo in diesem Moment aufspringt und in Richtung Bar geht. Mein Blick heftet sich ganz von allein an seinen Hintern. Mein Schwanz beginnt zu zucken, allerdings verschwindet das erregende Gefühl in dem Moment, als sich ein fremder Typ an seinen Hals hängt.

»Das ist nicht echt«, sagt Julian neben mir.

Ich drehe mich um und sehe ihn nachdenklich an.

»Ich weiß, aber genau das macht den Unterschied.«

»Jo ist schwierig, aber was immer da zwischen euch läuft, es macht ihm zu schaffen.« Ich verstehe Julians Intension, aber seine Worte haben nicht die Wirkung, die er sich wohl wünscht. Es beruhigt mich allerdings, dass für Jo die Sache zwischen uns ebenso merkwürdig ist.

»Er ist an meinem Arsch interessiert, aber für diese Art der Oberflächlichkeit bin ich mir zu schade.«

Was für eine verdammte Lüge! Nichts anderes habe ich gewollt. Ein schneller Fick, ein bisschen Vergessen, eine winzige Ablenkung. Leider hat Jos erster Blick gereicht, um meine Grundmauern ins Wanken zu bringen. Das ist nicht richtig… nicht jetzt… Die Erklärung für das Chaos in mir darf einfach nichts mit Jo zu tun haben.

Dieser bahnt sich gerade einen Weg zurück zu uns. Mir entgehen die Blicke der anderen Kerle nicht und ich sehe auch, wie sehr Jo die Aufmerksamkeit genießt. Er lebt doch im Grunde genau die Art von Gleichgültigkeit, wie ich sie benötige. Keine unnötigen Verwicklungen, alles ganz belanglos und unbedeutend.

»Vielleicht gibt es einen Weg für euch«, durchdringt Julian meine Gedanken.

»Keine Ahnung«, erwidere ich tonlos. Ich kenne den einzigen Weg für uns schon. Wir lassen die Tatsachen sprechen und verschwinden im Darkroom.

Jo verteilt das Bier und lässt sich dann aufreizend zwischen uns fallen.

»Schon ganz gute Stimmung«, sagt er und prostet uns zu. »Dieser Abend wird immer besser.«

Er beherrscht das Spiel wirklich großartig. Ich bin allerdings auch nicht schlecht darin und es wird Zeit, meine Pläne in die Tat umzusetzen. Manchmal habe ich sogar mehr Glück als erwartet, denn das nächste Lied gehört zu meinen absoluten Favoriten. Ich springe auf, nehme Jo das Bier aus der Hand und ziehe ihn zu mir nach oben. Es gibt keinerlei Gegenwehr, nur kurz blitzt Erstaunen in seinen Augen auf, bevor er mich raubtierhaft mustert. Ich schenke ihm ein laszives Lächeln und lege besitzergreifend einen Arm um seine Hüfte, um ihn näher an mich heranzuziehen.

»Tanzen?«, raune ich ihm ins Ohr.

»Bist du denn bereit für einen Tanz mit mir?«, erkundigt er sich.

»Schon längst.«

Ich ziehe ihn hinter mir her zur Tanzfläche und fange an, mich im Takt der Musik zu bewegen. Jo schüttelt den Kopf und nimmt den Rhythmus ebenfalls auf. Es dauert nicht lange, bis wir uns im Einklang miteinander bewegen. Das Lied und Jos Nähe rücken alles andere in den Hintergrund. Ich will mehr davon und spüre, wie das Blut durch meine Adern rauscht. So fühlt es sich an, zu leben. Ich habe es also noch in mir… ich kann es so überdeutlich spüren, dass meine Beine zu zittern beginnen.

Instinktiv klammere ich mich an Jo, der mich sofort dicht an sich heranzieht. Das nächste Lied ist langsamer. Wir verfallen dem Takt, reiben uns aneinander und noch ehe ich es richtig begreife, küssen wir uns. Ich will nicht, aber ich kann mich auch nicht dagegen wehren. Seine Lippen gleiten sanft über meine, dann zieht Jo sich zurück, wartet, initiiert die Berührung erneut.

Eine unheimliche Sehnsucht überfällt mich und sorgt dafür, dass ich meinen Mund auf seinen presse. Wir seufzen gleichzeitig, ehe sich Jos Zunge zwischen meine Zähne schiebt. Ein weiteres Mal wünsche ich mir, dass es sich nicht so fantastisch anfühlen würde, dann versagt mein Verstand den Dienst. Ich lasse mich von der Erregung treiben, genieße den Kuss und suche gleichzeitig mit den Händen einen Weg unter Jos Shirt. Seine Haut ist warm und weich, aber ich spüre, wie die harten Muskelstränge unter meinen Fingern arbeiten. Wieso macht es mich nur so unglaublich an?

Nur verschwommen nehme ich wahr, dass die Beats wieder schneller werden und die Tanzfläche um uns herum erbebt, während wir einfach nicht voneinander loskommen.

»Gehen wir nach hinten?«, raunt Jo mir durch den Lärm der Musik ins Ohr. Ich bilde mir ein, dass mein Kopf sich bewegt, aber beschwören könnte ich es nicht. Offensichtlich reicht das Jo als Antwort, denn er küsst mich erneut und schiebt uns gleichzeitig dorthin, wo wir… endlich etwas gegen den immensen Druck in der Hose unternehmen können.

Unterwegs erhasche ich einen Blick von Julian und Mark, die jetzt an der Bar stehen. Julian grinst zufrieden, aber Mark schaut mich nachdenklich an. Ich will nicht, dass sein Blick für Zweifel sorgt, und versuche, ihm siegessicher zu begegnen.

Es wird dunkel und leiser und ich höre mein Herz in den Ohren dröhnen. Stöhnen erfüllt den Raum. Es riecht nach Sex und Sperma und seltsam süßlich, vermutlich irgendein Gleitgel mit Duft.

Ich brauche einen Moment, bis ich mich an das schummrige Licht gewöhnt habe und die Umrisse der Kerle erkenne, die sich hier gegenseitig befriedigen. Jo drängt mich gegen die Wand und fällt erneut über meine Lippen her. Ich zerre mit einer Hand am Verschluss seiner Hose, während ich mit der anderen über die deutliche Beule darin reibe. Sein Schwanz hat eine stattliche Größe. Die Vorstellung, ihn in mir zu spüren, macht mich ganz hibbelig.

Noch ehe ich jedoch mit meinen Händen am Ziel bin, rutscht Jo langsam an mir runter. Er schiebt mein Shirt nach oben, reizt meine Nippel, bis sie hart sind, und zieht mit der Zunge eine feuchte Spur nach unten.

Ehe ich mich versehe, öffnet er meine Hose und zieht sie ein Stück nach unten. Er leckt über meine Schwanzspitze und saugt mich schließlich in seinen Mund. Ich habe Mühe, nicht laut zu stöhnen, bewege stattdessen gierig mein Becken nach vorn und kralle meine Finger in seine Schultern. Jo bringt mich um den Verstand. Meine Eier ziehen sich zusammen und ich habe Mühe, nicht augenblicklich in seinem Mund zu kommen. Ungeduldig zerre ich ihn wieder nach oben, fordere einen weiteren Kuss und schiebe mir dabei die Hose über den Hintern.

»Fick mich«, raune ich gegen seine Lippen, beiße sanft zu und drehe mich dann um. Ich strecke ihm meinen Hintern entgegen. Eine Weile passiert nichts, sodass ich ungeduldig einen Blick nach hinten werfe.

Jo starrt meinen Arsch an, während er ein Päckchen Gleitgel aus seiner Hosentasche holt und es zwischen die Lippen klemmt. Seine Hände bewegen sich in Zeitlupe. Eine wunderbare Wärme geht von ihnen aus, als er sie schließlich auf meine Backen legt. Ein leises Seufzen entflieht meiner Kehle und ich schiebe mich noch ein Stück mehr in seine Richtung.

»So eilig?«, neckt er mich und drückt mit einem Finger gegen meinen sensiblen Muskelring.

»Hör auf zu spielen«, fordere ich. Leider lässt sich Jo davon nicht aus der Ruhe bringen. Er öffnet das Gelpäckchen und weitet mich mit erstaunlicher Ruhe, während ich das Gefühl habe, mich allmählich aufzulösen. Ich wünsche mir ein gemütliches Bett oder wenigstens einen Ort, der weniger öffentlich ist, um sein Tun besser genießen zu können. Aber genau das will ich ja eigentlich nicht. Es geht nicht ums Genießen, sondern um schnelle Befriedigung und darum, ihn endlich aus meinem Kopf zu bekommen.

»Wenn du nicht gleich anfängst, suche ich mir einen anderen Kerl«, fahre ich ihn ungehalten an. Jo presst sich mit seinem ganzen Gewicht gegen mich und drückt mir die Luft aus den Lungen.

»Was soll diese verdammte Eile, Danny. Endlich habe ich dich und jetzt will ich es auch genießen.«

»Genieß schneller, sonst ziehe ich meine Hose wieder hoch.«

»Ich verstehe dich echt nicht«, murrt er und bringt ein wenig Abstand zwischen uns. Ich höre das Reißen der Kondomverpackung. Kurz darauf spüre ich die Spitze seines Schwanzes an meinem Eingang. Unablässig drängt er sich in meinen Körper. Der leichte und eher unterschwellige Schmerz sorgt dafür, dass ich nicht vergesse, wo ich mich befinde. Jo gibt mir einen Augenblick, nachdem er komplett in mir ist, und knabbert an meinem Hals.

»Lass los«, bittet er leise und sorgt dafür, dass ich schwer schlucken muss. Ein harter Klumpen bildet sich in meinem Bauch. Ich lehne die Stirn gegen die kühle Wand, während Jos Hände überall auf meinem Körper zu sein scheinen.

Endlich kümmert er sich um meinen Schwanz und beginnt gleichzeitig, sich zu bewegen. Ich presse die Lippen fest zusammen und versuche, nur an den nahenden Orgasmus zu denken. Leider vereitelt Jo meine Bemühungen bereits mit dem nächsten Stoß. Es ist nicht nur, dass er so treffsicher über meinen Hotspot reibt, sondern… Es fühlt sich so unglaublich gut an, so… innig und irgendwie perfekt. Ich kann nichts dagegen machen, dass ich mich in dem Strudel, den Jo in mir verursacht, verliere.

Mein Orgasmus ist intensiv. Ich kann mich kaum auf meinen Beinen halten. Jo folgt mir kurz darauf. Atemlos lehnt er sich gegen mich und gibt mir gleichzeitig Halt. Ich fühle mich unglaublich eingehüllt von ihm, sodass es eine ganze Weile dauert, bis ich wieder auf dem Boden der Realität lande.

Jo zieht sich zurück und mit dem leeren Gefühl, dass er in mir hinterlässt, meldet sich ein wesentlich größeres... Ich bekomme Panik, kann ihn nicht mehr ansehen. Eilig ziehe ich meine Hose hoch und verschwinde. Ich höre meinen Namen, stoße beim Verlassen des Darkrooms mit einigen Kerlen zusammen, bleibe jedoch nicht stehen.

Der Ausgang des Clubs ist mein Ziel. Ich bekomme keine Luft mehr, habe das Gefühl, jeden Moment zu ersticken, und schaffe es schließlich an die frische Luft. Mir ist schwindelig und noch immer fühlen sich meine Beine wie Gummi an. Trotzdem laufe ich ein Stück weiter und lehne mich erst hinter der nächsten Ecke atemlos gegen eine Wand.

Mein Plan hat nicht funktioniert. Mit Jo zu ficken, hat nicht dafür gesorgt, dass das, was sich in mein Herz schleichen will, vernichtet wird.

»Verdammt«, schreie ich in die Nacht. »Verficktes Schicksal.«

Ich presse die Hände vors Gesicht und kämpfe sowohl gegen die aufsteigenden Tränen als auch gegen das beklemmende Gefühl in meiner Brust.


 

 

Im Schatten der Nacht

 

 

Jo

 

Ich kann nicht glauben, dass Danny mich mit heruntergelassenen Hosen im Darkroom stehen lässt. Wie von Sinnen ist er losgerannt und ich stehe hier wie ein verfickter Idiot.

»Warst du etwa so schlecht?«, lästert ein bäriger Kerl neben mir und schlägt mir lachend auf die Schulter.

Ich erspare mir eine Antwort, kann aber nicht leugnen, dass die Frage meinem Ego einen deutlichen Knacks verpasst. War es etwa tatsächlich so mies für Danny? Für mich hat es sich nämlich fantastisch angefühlt. Besser als alles, was ich bisher in diesem Raum erlebt habe, besser als jedes anonyme Sexdate.

Ich habe mir doch nicht eingebildet, dass Danny total abgegangen ist. Er hat sich auf uns eingelassen und mich vollkommen mitgerissen. Da waren so viele Momente, in denen ich mich am liebsten mich mit ihm aus dem Raum und in ein gemütliches Bett gebeamt hätte, weil ich einfach mehr erleben wollte. Es war nicht nur verdammt geil, sondern auch unglaublich faszinierend. Trotzdem stehe ich jetzt hier allein und ein seltsames Gefühl in meinem Bauch bringt mich regelrecht um den Verstand.

Ich versuche, die Sache logisch zu sehen und als Sex abzuhaken. Unter Aufbietung aller Coolness und Kraftreserven ziehe ich den Gummi von meinem Schwanz und entsorge ihn im Mülleimer. Ich schließe die Hose, fahre mir durch die Haare, straffe die Schultern und verlasse den Raum.

Davor erwarten mich Mark und Juli. Ich kann wählen zwischen einem entsetzten und einem vorwurfsvollen Gesichtsausdruck und überlege, ob ich mich einfach wortlos an den beiden vorbeischiebe. Ein Grinsen gelingt mir nicht und das ungute Gefühl in meinem Bauch schlägt mit voller Wucht zu.

»Was hast du getan?«, fährt Juli mich fassungslos an.

»Wo ist er?«, frage ich ihn anstatt einer Antwort.

»Rausgerannt, als wäre der Teufel hinter ihm her. Was hast du denn nur angestellt?«

»Was glaubst du denn, was ich gemacht habe, Julian? Wir haben gefickt, mehr nicht, und ich habe ihn ganz bestimmt nicht dazu gezwungen.«

»Warst du etwa nicht vorsichtig?«

Ich muss alles aufbieten, um ruhig zu bleiben, allerdings haben sich meine Hände längst zu Fäusten geballt.

»Er hat sich nicht beschwert. Was soll der Scheiß?« Wütend schließe ich die Augen, kann nicht glauben, dass Juli mir dermaßen lächerliche Vorhaltungen macht.

»Wo ist Danny?«, frage ich Mark. Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass er weiß, was hier gerade schiefgelaufen ist.

»Lass ihn in Ruhe«, antwortet er lediglich und bestätigt damit meinen Verdacht. Ich schüttle den Kopf, schaue erneut Juli an, der offensichtlich über Marks Reaktion verwundert ist. Schließlich deutet er auf den Ausgang.

»Er ist raus. Wir haben versucht, ihn aufzuhalten, aber er hat es gar nicht bemerkt, war wie weggetreten.«

Ich nicke, aber mein Gehirn hat den postkoitalen Zustand noch längst nicht verlassen, sodass ich immer noch nicht begreife, was hier gerade geschehen ist.

»Vielleicht sollten wir ihn suchen«, schlägt Juli vor. Instinktiv bewege ich mich in Richtung Ausgang. Mark packt mich jedoch am Arm und hält mich zurück.

»Ich meine es ernst. Es ist besser, wenn wir Danny in Ruhe lassen. Ich kann ihn anrufen und fragen, ob alles in Ordnung ist.«

Irritiert mustere ich Mark und frage mich, ob Juli mir verzeiht, wenn ich seinem Freund eine reinhaue. Ein nervöses Kribbeln durchfährt meinen Körper bei der Vorstellung, wie meine Faust in seinem Gesicht landet. Im gleichen Moment spüre ich jedoch Julis Hand auf meiner Schulter, die dafür sorgt, dass ich wieder ein wenig runterkomme.

»Willst du ihm nicht nachlaufen?«, fragt er, sieht mich aufmunternd an und ignoriert Marks scharfen Seitenblick vollkommen. »Vielleicht ist er noch nicht so weit weg.«

»Vermutlich hat er sich ein Taxi genommen«, werfe ich resigniert ein.

»Kann sein, aber du solltest es zumindest versuchen. Ihr habt auf der Tanzfläche so gut zusammen ausgesehen.«

»Es hat sich auch gut angefühlt«, gebe ich zu und erstarre, weil mir die Worte so leicht über die Lippen gehen. Es ist verdammt wahr. Vermutlich ist die Erkenntnis der letzte Ruck, den ich brauche, um mich endlich in Bewegung zu setzen. Es wundert mich fast ein bisschen, dass Mark nicht noch einmal versucht, mich aufzuhalten. Aber vielleicht lenkt Juli ihn auch ab.

Ich verlasse den Club, sehe mich vor der Tür einen Augenblick suchend um und entscheide mich, nach links zu gehen. Schon nach wenigen Schritten halte ich inne und kann es kaum fassen, dass ich Danny nur wenige Meter entfernt entdecke, wo er an eine Hauswand lehnt.

Instinktiv möchte ich losstürmen und ihn zur Rede stellen, aber etwas an seiner Haltung verunsichert mich. Die hochgezogenen Schultern kann ich selbst im spärlichen Licht der Straßenlaternen erkennen. Erneut beginnt es in meinem Bauch zu grummeln und ich frage mich, was zwischen uns im Darkroom schiefgelaufen ist. Ich kann den Fehler nicht finden. Ganz abgesehen davon, dass es so gut war, dass ich es am liebsten auf der Stelle wiederholen möchte. Vielleicht ist es genau das. Wir sind zwei Kerle, die nie mehr als einen One-Night-Stand wollen, und jetzt...

»Hey«, sage ich schließlich und bleibe vor ihm stehen.

Danny antwortet nicht, sieht mich nur an und schüttelt den Kopf. Ich gehe noch einen Schritt näher. »Deine Flucht bringt mich dazu, an meinen Fähigkeiten als Hengst zu zweifeln.« Die Worte klingen nur halb so selbstsicher und arrogant, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich halte die Luft an, während ich auf eine Reaktion von Danny warte. Er starrt mich an. Ich bilde mir ein, dass sich seine Mundwinkel ein wenig anheben.

»So was ist dir wohl noch nicht passiert?«, erkundigt er sich schließlich und sein amüsierter Tonfall sorgt dafür, dass ich erleichtert ausatme.

»Darauf kann ich nur mit einem ehrlichen Nein antworten. Mein Ego hat einen deutlichen Knacks bekommen.«

»Das tut mir leid«, erwidert er und schließt die Augen.

»Wirklich?«, frage ich und mustere ihn eindringlich. Er sieht trotz der Dunkelheit so verdammt blass aus. Seine Haare stehen wirr in alle Richtungen. Noch ehe ich darüber nachdenke, schiebe ich ein paar Strähnen aus seinem Gesicht. Danny öffnet daraufhin die Augen und sieht mich unsicher an. Ich würde ihn gern küssen, aber ich bin mir nicht sicher, ob er dann vielleicht erneut die Flucht ergreift.

»Der Sex war okay«, sagt er schließlich leise und ein Lächeln umspielt seine Lippen. »Ich war nur... Es hat mich irgendwie… Also...«

»Nur okay?«, unterbreche ich ihn grinsend und fasse mir theatralisch ans Herz. »Mein Selbstbewusstsein liegt in Scherben vor dir.« Ich sehe ihn betont zerknirscht an und Danny beginnt zu lachen. Er schlingt die Arme um meinen Hals und lehnt seinen Kopf gegen meine Schulter.

»Ich könnte versuchen, sie wieder zusammenzukleben«, flüstert er mir ins Ohr.

Ich bekomme eine Gänsehaut. Nun bin ich es, der am liebsten weglaufen würde. Stattdessen umarme ich ihn ebenfalls und versuche, mein wild schlagendes Herz zu ignorieren.

»Ich will da nicht mehr rein.«

»Soll ich dich nach Hause bringen?«, frage ich leise.

»Nein, nach Hause will ich auch nicht.«

»Zu mir?«

Noch ehe Danny reagiert, kenne ich die Antwort und bin sogar erleichtert, als ich spüre, wie er den Kopf schüttelt. Irgendwie hätte es sich auch für mich nicht gut angefühlt, jetzt mit ihm nach Hause zu gehen. Egal, wie sehr ich mir eine Wiederholung in einem Bett wünsche. Im Moment bin ich mir jedoch nicht sicher, ob ich das durchziehen könnte.

»Wie wäre es mit einem kleinen Spaziergang?« Eigentlich erwarte ich auch für diesen Vorschlag eine Absage, doch stattdessen löst sich Danny von mir, lächelt mich an und geht los.

»Ist das ein Ja?«, rufe ich ihm hinterher und hole den kleinen Abstand zwischen uns schnell auf.

»Hier ist doch ein Park gleich um die Ecke«, sagt er schlicht.

Wir gehen eine Weile schweigend nebeneinander her. Mein Kopf ist voller Fragen und gleichzeitig erscheint es mir unmöglich, auch nur eine davon in Worte zu fassen.

Wir kommen an einem Spätverkaufskiosk vorbei. Ich bedeute Danny, auf mich zu warten, gehe hinein, hole aus dem Kühlfach zwei Bier und schnappe mir eine Tüte Chips aus dem Regal. Während ich bezahle, klingelt mein Handy. Der Verkäufer wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu, sodass ich zuerst die Bezahlung beende und dann schnell mein Telefon aus der Hosentasche hole. Es ist Juli, was mich nicht wirklich verwundert. Ich klemme mir das Bier und die Chipstüte unter den Arm und nehme den Anruf an.

»Wo steckst du denn?«, ruft Juli sofort. »Hast du Danny gefunden?«

»Wir wollen ein bisschen spazieren gehen.«

»Wer wir?«, fragt Juli und klingt deutlich irritiert.

»Danny und ich... wer denn sonst?«

»Du willst… aber warum kommt ihr denn nicht wieder zurück?«

»Die Frage kann ich dir im Moment auch nicht beantworten, Juli. Ich wette, dein Freund weiß da mehr.« Ich kann nichts dagegen machen, dass ich etwas angepisst klinge, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass Mark mich hat auflaufen lassen. Auch wenn ich nicht verstehe, warum er Danny überhaupt erst mitgebracht hat, wenn es dem nicht gut geht. Er weiß doch genau, dass ich mir schon eine Weile an dem Kerl die Zähne ausbeiße.

»Es ist aber alles gut?«, erkundigt sich Juli. Jetzt klingt er weniger aufgebracht.

»Ja, alles ist gut... glaube ich jedenfalls.«

»Du kriegst das schon hin, Jo. Da bin ich mir ganz sicher.«

»Juli, ich will hier eigentlich gar nichts hinbekommen. Ich wollte ihn ficken und das habe ich auch. Es kratzt nur an meinem Ego, dass er danach weggelaufen ist.«

Der Verkäufer gibt einen deutlich abfälligen Laut von sich. Ich bekomme noch ein Scheißhomos zu hören, als ich den Laden verlasse.

»Rede dir das ruhig weiter ein und geh schön spazieren.« Juli lacht, aber noch ehe ich etwas darauf erwidern kann, unterbricht er die Verbindung.

»Idiot«, nuschle ich grimmig und verstaue das Handy wieder in meiner Jeans.

Zum Glück ist Danny noch da. Er hat die Hände in den Hosentaschen vergraben. Sie sitzt verdammt tief, sodass ein Stück nackte Haut meine Aufmerksamkeit erregt und mein Kopfkino anspringt. Ich verstehe gar nicht, wieso einfach alles an ihm so verdammt sexy ist. Er ist doch auch nur ein Kerl... Einer, den ich nun auch hatte, und damit sollte mein Interesse deutlich abflauen.

»Machen sich die anderen Sorgen?«, fragt er.

Ich bin noch viel zu abgelenkt von der nackten Haut und den Fantasien, die mein Gehirn mir suggeriert, um zu begreifen, wovon er redet. Vermutlich erkennt Danny meine Verständnislosigkeit an meinem Gesichtsausdruck.

»Der Anruf«, präzisiert Danny grinsend. »War das Mark?«

»Nein, Julian, aber das ist ja beinahe das Gleiche.«

Danny lacht und schüttelt dann den Kopf. »Partnerschaft ist wohl nicht so dein Ding?«

»Natürlich nicht«, erwidere ich sofort. »Ich bin nicht geeignet für Beziehungen. Du scheinst mir da auch nicht so der Typ für zu sein.«

»Es gibt viele Möglichkeiten, um zusammen zu sein«, sagt Danny. Ich verstehe nicht, wie er das meint, aber ich habe auch keine Lust, mich über dieses Thema zu unterhalten. Von einer Beziehung oder sonstigen Ansprüchen sind wir hoffentlich weit entfernt. Trotzdem verspüre ich ein seltsames Stechen in meiner Brust und reibe mir unwillig über die Stelle.

So kurz vor Mitternacht ist es extrem still im Park. Ich finde es beinahe ein bisschen unheimlich, denn selbst der Lärm der Autos wird von den Bäumen gedämpft. Es gibt nur wenige Lampen, die ein diffuses, orangefarbenes Licht spenden. Der Kies knirscht unter unseren Füßen. Hin und wieder fliegt ein Vogel kreischend davon, den wir vermutlich beim Schlafen gestört haben.

»Gehst du oft nachts spazieren?«, frage ich Danny scherzhaft.

»Manchmal. Es ist ziemlich gut, um den Kopf freizubekommen.«

»Echt? Ich ziehe da einen schnellen Fick vor.«

»War ja klar«, erwidert er lachend. »Scheint, als wenn dein Schwanz das wichtigste Organ deines Körpers ist.«

»Er ist überlebenswichtig«, behaupte ich und ernte ein leises Glucksen dafür. Eigentlich sollte diese Aussage nicht so ein fieses Gefühl in meinem Bauch verursachen, schließlich möchte ich genau so gesehen werden. Aber irgendwie nicht von Danny. Innerlich verfluche ich mich selbst.

Grimmig peile ich die nächste Bank an und lasse mich darauf nieder. Danny setzt sich neben mich. Ich öffne die beiden Flaschen an der Kante der Bank und reiche ihm eine davon. Wir stoßen an und trinken.

»Du bist nicht so schlimm, sondern so gut«, raunt er mir schließlich zu und haucht mir einen Kuss auf die Wange. Augenblicklich stehe ich in Flammen. Mein Schwanz regt sich und meine Haut kribbelt wie verrückt.

Ich presse meine Finger so fest um das Glas der Flasche, dass ich mich frage, ob der Druck reicht, um sie bersten zu lassen. Ich will so etwas nicht hören, will ihn nicht so nah fühlen, seinen Duft einatmen… Und doch drehe ich den Kopf zur Seite, suche seinen Blick und beuge mich fragend ein Stück nach vorn.

Danny kommt mir entgegen, dann verharren wir einige Sekunden, die mein Herz nutzt, um hart gegen den Brustkorb zu donnern. Letztendlich weiß ich nicht, wer sich zuerst bewegt, aber seine Lippen landen auf meinen und ein sehnsüchtiges Seufzen entkommt meiner Kehle.

Wir lösen uns, finden uns wieder, weichen zurück und prallen gegeneinander. Ich spüre seine Zunge, begrüße sie mit meiner eigenen. Wir lecken, knabbern und küssen, wie ich noch nie einen anderen Mann geküsst habe. Dann reißen wir uns jedoch schlagartig voneinander los, trinken einen Schluck Bier und starren beide in die Dunkelheit.

Ich habe Mühe, den Aufruhr in meinem Körper unter Kontrolle zu bekommen, und frage ich mich, ob es Danny ähnlich ergeht. Die Stille ist seltsam und peinlich. Vielleicht ist das der Zeitpunkt, um zurück in den Club zu gehen. Es ist doch irgendwie alles geklärt und wir können nicht ewig hier herumsitzen.

»Spielt ihr eigentlich nur zum Spaß oder gibt es auch so was wie eine Liga?«, fragt Danny plötzlich. Ich brauche einen Augenblick, um den Zusammenhang seiner Worte zu begreifen. Mein Kopf und auch der Rest meines Körpers sind noch viel zu sehr mit dieser wahnsinnigen Berührung beschäftigt.

»Beim Floorball?«, erkundige ich mich deshalb und werfe einen kurzen Blick zur Seite.

»Genau«, sagt Danny, schaut mich an und grinst. »Du siehst echt heiß aus mit diesem Schläger in der Hand.«

»Oh Mann«, knurre ich, denn natürlich bringt seine Aussage mein Blut sofort wieder in Wallung. »Du machst mich fertig.«

»Echt? Dafür reichen ein paar Worte?«

Ich muss nicht zu ihm rüberschauen, um zu wissen, dass ein selbstgefälliges Lächeln seine heißen Lippen umspielt.

»Das schafft nicht jeder«, gebe ich schließlich zu und lenke mich mit einem weiteren Schluck aus der Flasche ab. Nebenbei öffne ich die Chips und stopfe mir ein paar davon in den Mund.

»Kriege ich trotzdem eine Antwort? Ich habe ehrlich gesagt von diesem Spiel noch nie was gehört, bis Mark mir davon erzählt hat. Ich bin allerdings auch niemand, der sich viel aus Sport macht.«

»Du machst nichts und hast so eine Figur?«, erkundige ich mich fassungslos.

»Sind wohl ein paar gute Gene«, behauptet Danny lachend. »Ich bewege mich nie mehr als nötig. Eine Zeit lang bin ich mit dem Rad gefahren, bis es mir geklaut wurde.« Er lacht, aber es klingt nicht echt, sondern ziemlich traurig.

»Konnte die Polizei nichts machen?«, frage ich, auch wenn ich weiß, dass die Chancen, ein Fahrrad wiederzufinden, ziemlich gering sind. Mein Bike wurde auch schon zweimal geklaut, allerdings war ich darüber eher wütend. Zumindest, bis ich mir ein neues kaufen konnte.

»Es war nicht so wichtig«, sagt Danny. Da ist etwas in seiner Stimme, das mich verwirrt, aber ich hinterfrage es nicht. Vermutlich liegt es einfach nur an dieser seltsamen Stimmung zwischen uns.

»Lass dir von einem Experten sagen, dass die Gene so etwas nicht auf ewig abfangen«, sage ich und versuche so, das Thema wieder zurück auf den sportlichen Aspekt zu bringen. Das ist ein Terrain, auf dem ich mich sicher fühle. »Ein bisschen sportliche Betätigung ist wichtig.«

»Experte?«, erkundigt sich Danny und sieht mich neugierig an.

»Darf ich mich vorstellen? Johannes Heitmann, dein freundlicher Ansprechpartner der AOK-Gesundheitskasse ganz in deiner Nähe«, erwidere ich grinsend.

»Wirklich? Irgendwie habe ich dich gar nicht in so einem Bürojob gesehen.«

»Auf welche Berufsgruppe lässt mein Äußeres denn schließen?«, frage ich belustigt.

»Keine Ahnung, aber du… hm, nein, du bist so sportlich und so… selbstverliebt...« Er mustert mich, dann schüttelt er den Kopf und fängt an zu lachen. »Irgendwie kriege ich da gar kein Bild zustande.«

»Selbstverliebt«, knurre ich beleidigt. »Ich habe lediglich ein gesundes Selbstbewusstsein.«